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Wirtschaftsrecht
06.04.2017
Wirtschaftsrecht
EuGH: Informationspflichten des Gewerbetreibenden bei Werbung in Printmedium für Online-Verkaufsplattform

EuGH, Urteil vom 30.3.2017 C-146/16 Verband Sozialer Wettbewerb e. V. gegen DHL Paket GmbH

ECLI:EU:C:2017:243

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2017-850-1

Tenor

Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass eine Werbeanzeige wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die unter den Begriff „Aufforderung zum Kauf“ im Sinne dieser Richtlinie fällt, die in dieser Vorschrift vorgesehene Informationspflicht erfüllen kann. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob es aufgrund räumlicher Beschränkungen in dem Werbetext gerechtfertigt ist, Angaben zum Anbieter nur auf der Online-Verkaufsplattform zur Verfügung zu stellen, und gegebenenfalls, ob die nach Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie erforderlichen Angaben zu der Online-Verkaufsplattform einfach und schnell mitgeteilt werden.

Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG

Sachverhalt

DHL Paket betreibt die Online-Verkaufsplattform „MeinPaket.de“, auf der gewerbliche Verkäufer Waren zum Verkauf anbieten. Durch die Verkäufe kommt kein Vertrag zwischen DHL Paket und den Käufern zustande. VSW ist ein Verband, dem u. a. Anbieter von Elektro- und Elektronikartikeln sowie Versandhändler angehören, die Waren aller Art anbieten.

Der Ausgangsrechtsstreit betrifft eine Werbeanzeige, die am 2.12.2012 im Auftrag von DHL Paket in der Wochenzeitung Bild am Sonntag veröffentlicht wurde. In dieser Anzeige wurden fünf verschiedene Produkte zum Erwerb über die Verkaufsplattform von DHL Paket angeboten. Der von einem dieser Produkte angesprochene Leser wurde aufgefordert, sich auf die Plattform zu begeben und dort den in der Anzeige genannten Produktcode einzugeben. Er gelangte dann zu einer Website für das betreffende Produkt, auf der angezeigt wurde, wer der gewerbliche Verkäufer dieses Produkts war. Unter der Rubrik „Anbieterinformationen“ konnte der Leser Firma und Anschrift des Vertragspartners erfahren. Außerdem hieß es in der Anzeige, dass die Plattform den Interessenten Zugang zu mehr als fünf Millionen Produkten und über 2 500 Händlern biete.

VSW nahm mit seiner Klage beim LG Bonn DHL Paket gemäß dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb auf Unterlassung der Veröffentlichung dieser Werbung in Anspruch. Nach Auffassung von VSW genügte DHL Paket nicht ihrer Verpflichtung, Identität und Anschrift der ihre Verkaufsplattform nutzenden Anbieter anzugeben.

Das LG Bonn gab der Klage statt und verurteilte DHL Paket auf Unterlassung der beanstandeten Werbung. Nachdem das OLG Köln der Berufung gegen diese Entscheidung stattgegeben hatte, legte VSW beim BGH Revision ein. Nach Auffassung des BGH hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Angaben nach Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 zu Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden schon in der Werbung für konkrete Produkte in einem Printmedium gemacht werden müssen, wenn die Verbraucher diese Produkte nur über eine in der Werbung angegebene Website des werbenden Unternehmens erwerben können und wenn sie die Informationen auf einfache Weise auf dieser oder über diese Website erhalten können. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Werbung eine Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2005/29 darstellen könne, in der die nach Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie erforderlichen Impressumsangaben zu machen seien. Es führt aus, dass eine wesentliche Information im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 den Verbraucher nur rechtzeitig erreiche, wenn er sie erhalte, bevor er aufgrund der Aufforderung zum Kauf eine geschäftliche Entscheidung treffen könne. Die geschäftliche Entscheidung bestehe in einem Fall wie dem vorliegenden im Aufsuchen des Internet-Verkaufsportals, um ein in der Anzeige beworbenes Produkt zu erwerben oder sich damit näher zu befassen. Diese Umstände sprächen dafür, dass die Angaben zu Identität und Anschrift des Verkäufers der beworbenen Produkte bereits in dieser Werbeanzeige selbst gemacht werden müssten. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs lasse sich allerdings nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob im Fall einer auf das Aufsuchen eines Internet-Verkaufsportals gerichteten Printwerbung die in Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 genannten Angaben schon in der Printwerbung selbst zu machen seien.

Wie der Besuch eines stationären Geschäfts hänge das Aufsuchen einer Website unmittelbar mit dem Erwerb der dort angebotenen Produkte zusammen. Zudem sei die Information über den Vertragspartner gemäß Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers wesentlich, weil dieser dadurch in die Lage versetzt werde, den Ruf des Unternehmens im Hinblick auf Qualität und Zuverlässigkeit der von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen sowie dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Bonität und Haftung einzuschätzen.

Der Umstand, dass eine Printwerbung keine Angaben zum Handelsnamen des Verkäufers enthalte, könne einen Verbraucher dazu veranlassen, die Website aufzusuchen, obwohl er bei Kenntnis von der Identität des anbietenden Unternehmens wahrscheinlich davon abgesehen hätte, sich näher mit dem beworbenen Angebot zu befassen, etwa, wenn der Verkäufer in Bewertungsportalen negativ bewertet werde oder dieser Verbraucher mit dem Unternehmen bereits schlechte Erfahrungen gemacht habe.

In diesem Zusammenhang erscheine unerheblich, ob der Kunde die beworbenen Produkte ausschließlich über die Website des Werbenden erwerben könne. Die zu diesem Zeitpunkt gegebenen Informationen erreichten den Verbraucher zwar noch vor dem Kaufabschluss oder seien vor diesem Zeitpunkt zugänglich. Sie erfolgten jedoch zu spät, um ihm eine informationsgeleitete Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob er sich überhaupt näher mit den beworbenen Produkten befassen und dafür diese Website aufsuchen wolle. Auch der Umstand, dass der Verbraucher am Computer eine Ware in Ruhe und unbeobachtet von Verkaufspersonal bestellen könne, ändere nichts daran, dass ihm die wesentlichen Informationen zu Anschrift und Identität des Anbieters der Produkte fehlten, bevor er die Website des Werbenden aufsuche.

Der mit Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 verfolgte Zweck spreche eher dafür, dass DHL Paket in der im Ausgangsverfahren streitigen Werbung Identität und Anschrift der Verkäufer der Produkte hätte angeben müssen.

Nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29 seien jedoch bei der Entscheidung darüber, ob Informationen vorenthalten worden seien, räumliche oder zeitliche Beschränkungen zu berücksichtigen, die durch die Geschäftspraxis auferlegt würden. Im Ausgangsfall gebe es aber keine solchen Beschränkungen. Im Übrigen wären nach dieser Vorschrift gegebenenfalls auch Maßnahmen zu berücksichtigen, die die Beklagte des Ausgangsverfahrens getroffen habe, um den Verbrauchern die Informationen anderweitig zur Verfügung zu stellen.

Das vorlegende Gericht hat außerdem Zweifel, ob es für die Prüfung des Umfangs der sich aus Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 ergebenden Pflichten von Bedeutung sei, ob das in einem Printmedium werbende Unternehmen für den Verkauf eigener Produkte werbe und für die erforderlichen Angaben direkt auf seine eigene Website verweise oder ob sich die Werbung auf Produkte beziehe, die von anderen Unternehmen auf einer Website des Werbenden verkauft würden, und die Verbraucher die erforderlichen Angaben erst in einem oder mehreren weiteren Schritten (Klicks) über eine Verlinkung mit den Websites dieser anderen Unternehmen erhielten, die auf der in der Werbung allein angegebenen Website des Betreibers der Verkaufsplattform bereitgestellt werde.

Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Müssen die Angaben zu Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 schon in der Anzeigenwerbung für konkrete Produkte in einem Printmedium gemacht werden, auch wenn die Verbraucher die beworbenen Produkte ausschließlich über eine in der Anzeige angegebene Website des werbenden Unternehmens erwerben und die nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erforderlichen Informationen auf einfache Weise auf dieser oder über diese Website erhalten können?

2. Kommt es für die Antwort auf Frage 1 darauf an, ob das in dem Printmedium werbende Unternehmen für den Verkauf eigener Produkte wirbt und für die nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 erforderlichen Angaben direkt auf eine eigene Website verweist, oder ob sich die Werbung auf Produkte bezieht, die von anderen Unternehmen auf einer Internetplattform des Werbenden verkauft werden, und die Verbraucher die Angaben nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erst in einem oder mehreren weiteren Schritten (Klicks) über eine Verlinkung mit den Internetseiten dieser anderen Unternehmen erhalten können, die auf der in der Werbung allein angegebenen Website des Plattformbetreibers bereitgestellt wird?

Aus den Gründen

Zu den Vorlagefragen

24        Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen ist, dass die Angaben zu Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden in einer Werbung für konkrete Produkte in einem Printmedium gemacht werden müssen, wenn die Verbraucher diese Produkte über die in der Werbung angegebene Website des Unternehmens, das diese Werbung verfasst hat, erwerben und die Informationen auf einfache Weise auf dieser oder über diese Website zugänglich sind.

25        Zunächst ist festzustellen, dass eine Werbeanzeige wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2005/29 darstellt, da die darin enthaltenen Informationen über die in der Anzeige beworbenen Produkte und deren Preis ausreichen, damit der Verbraucher eine geschäftliche Entscheidung treffen kann.

26        Nach Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 stellen Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, etwa sein Handelsname, und gegebenenfalls Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, für den er handelt, wesentliche Informationen dar. Diese Bestimmung ist jedoch in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie zu lesen, wonach die betreffende Geschäftspraxis unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums zu beurteilen ist (Urteil vom 12. Mai 2011, Ving Sverige, C‑122/10, EU:C:2011:299, Rn. 53).

27        Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29, dass bei der Entscheidung darüber, ob Informationen vorenthalten wurden, räumliche oder zeitliche Beschränkungen des Kommunikationsmediums sowie die Maßnahmen, die der Gewerbetreibende getroffen hat, um den Verbrauchern die Informationen anderweitig zur Verfügung zu stellen, berücksichtigt werden (Urteil vom 12. Mai 2011, Ving Sverige, C‑122/10, EU:C:2011:299, Rn. 54).

28        In welchem Umfang ein Gewerbetreibender im Rahmen einer Aufforderung zum Kauf über die Anschrift und die Identität des Gewerbetreibenden informieren muss, ist somit anhand der Umstände dieser Aufforderung, der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie des verwendeten Kommunikationsmediums zu beurteilen (Urteil vom 12. Mai 2011, Ving Sverige, C‑122/10, EU:C:2011:299, Rn. 55).

29        Wenn in einem Printmedium für eine Online-Verkaufsplattform geworben wird und insbesondere wenn darin eine große Anzahl von Kaufmöglichkeiten bei verschiedenen Gewerbetreibenden angeboten wird, können räumliche Beschränkungen im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29 bestehen.

30        Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die in Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 genannten Angaben zu Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden zwar grundsätzlich in der Aufforderung zum Kauf gemacht werden müssen, dies aber nicht zwingend geschehen muss, wenn durch das für die Geschäftspraxis verwendete Kommunikationsmedium räumliche Beschränkungen auferlegt werden, sofern die Verbraucher, die die beworbenen Produkte über die in der Werbeanzeige genannte Website des dafür werbenden Unternehmens kaufen können, diese Informationen auf einfache Weise auf dieser oder über diese Website erhalten können. Es ist Sache des nationalen Gerichts, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Umstände der Aufforderung zum Kauf und des verwendeten Kommunikationsmediums zu beurteilen, ob diese Bedingung erfüllt ist.

31        Schließlich ist festzustellen, dass die Verpflichtung, die in Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 genannten Angaben in einer Aufforderung zum Kauf zu machen, nicht davon abhängt, ob der Anbieter der betroffenen Produkte oder ein Dritter Verfasser dieser Aufforderung ist. Wenn in einem Druckmedium für Produkte verschiedener Anbieter geworben wird, bleiben folglich die nach dieser Vorschrift erforderlichen Angaben – vorbehaltlich der in Rn. 29 des vorliegenden Urteils genannten räumlichen Beschränkungen – weiterhin notwendig.

32        Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob es aufgrund räumlicher Beschränkungen in dem Werbetext gerechtfertigt ist, Angaben zum Anbieter nur auf der Online-Verkaufsplattform zur Verfügung zu stellen, und ob die in Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 genannten Angaben zu der Online-Verkaufsplattform einfach und schnell mitgeteilt werden.

33      Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, … [s. Tenor].

 

 

 

 


 


 

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