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Wirtschaftsrecht
13.02.2020
Wirtschaftsrecht
VG Karlsruhe: IHK Beitrag für atypisch stille Gesellschaften

VG Karlsruhe, Urteil vom 6.12.2019 – 10 K 8270/18

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2020-403-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsatz

Atypisch stille Gesellschaften sind Mitglieder der Industrie- und Handelskammern und als solche beitragspflichtig.

IHKG § 2

Sachverhalt

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem diese gegen sie in ihrer Eigenschaft als Inhaberin einer atypisch stillen Gesellschaft einen IHK-Mitgliedsbeitrag festgesetzt hat.

Die T. GmbH ist im Bereich der Softwareentwicklung und -unterstützung tätig. Herr H. ist an der GmbH als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt. Weitere stille Gesellschafter gibt es nicht.

Mit Bescheid vom 24.02.2014 setzte die Beklagte gegen die T. GmbH für das Jahr 2014 einen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 145,31 EUR vorläufig fest. Als Bemessungsgrundlage wurde ein Gewerbeertrag 2011 in Höhe von 42.500 EUR herangezogen, von dem ein Freibetrag in Höhe von 15.340 EUR abgezogen wurde. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 17.11.2015 erließ das Finanzamt ... einen Bescheid für 2014 über den Gewerbesteuermessbetrag „für [die] Firma T. GmbH“. Der Gewerbesteuermessbetrag für 2014 wurde auf 0 EUR festgesetzt. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb habe 14.047 EUR betragen. In den Erläuterungen heißt es, der Bescheid betreffe die oben genannte Firma als Inhaber des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren atypisch still beteiligten Gesellschaftern. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 19.12.2017 setzte die Beklagte gegen die „T. GmbH für T. GmbH & atypisch Still“ nach deren Anhörung für das Jahr 2014 einen Kammerbeitrag in Höhe von 24,50 EUR fest. Als Bemessungsgrundlage wurde ein Gewerbeertrag 2014 in Höhe von 10.200 EUR herangezogen, wobei der Freibetrag 15.340 EUR betrage.

Die Klägerin legte gegen den Beitragsbescheid vom 19.12.2017 am 10.01.2018 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass es nur einen Gewerbesteuerbescheid gebe. Für die atypisch stille Gesellschaft sei kein gesonderter Bescheid zu erlassen, da sie keinen eigenen Gewerbebetrieb habe. Es bestehe kein Gesamthandsvermögen. Der atypisch stille Gesellschafter sei lediglich am Erfolg beteiligt. Seine Gewinnanteile seien im Gewerbeertrag der GmbH miterfasst. Die atypisch stille Gesellschaft existiere weder als Steuersubjekt noch als Steuerobjekt. Gewerbesteuerpflichtig sei einzig und allein die GmbH.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Atypisch stille Gesellschaften seien Mitglieder der IHK, wenn sie der Gewerbesteuerveranlagung unterlägen. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, da der IHK für die atypisch stille Gesellschaft für 2014 und 2015 gewerbliche Einkünfte übermittelt worden seien.

Am 27.08.2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Bei der Berechnung des Gewerbesteuermessbetrages der GmbH würden auch sämtliche Gewinnanteile der atypisch stillen Gesellschaft hinzuaddiert. Die Aufwendungen für die atypisch stille Gesellschafter minderten mithin nicht die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer und gingen in den Gewerbesteuermessbetrag mit ein. Für die atypisch stille Gesellschaft sei nie ein gesonderter Gewerbesteuermessbescheid erlassen worden. Ihre Inanspruchnahme verstoße gegen den Gleichheitssatz, da die Beklagte nur von einem Bruchteil der atypisch stillen Beteiligungen in ihrem Kammerbezirk wisse und daher nur einige wenige atypisch stille Gesellschaften zum Mitgliedsbeitrag heranziehe.

Die Klägerin beantragt,

den Gebührenbescheid der Beklagten vom 19.12.2017 und deren Widerspruchsbescheid vom 31.07.2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für die Mitgliedschaft eines Unternehmens in einer Industrie- und Handelskammer sei nicht auf die subjektive, sondern auf die objektive Gewerbesteuerpflicht abzustellen. Eine doppelte Heranziehung zum IHK-Beitrag sei nicht gegeben. Die Heranziehung knüpfe an unterschiedliche Tatsachen an, nämlich einerseits den Gewerbeertrag der GmbH und andererseits denjenigen der atypisch stillen Gesellschaft. Mit dem Gleichheitssatz und der Beitragsgerechtigkeit sei es im Gegenteil nicht zu vereinbaren, wenn nur der nach außen tätige Inhaber des Geschäftsbetriebs auf der Grundlage seines Ertragsanteils Beiträge leisten müsse, während andere, dem Zuschnitt des Gesamtunternehmens vergleichbare natürliche und juristische Personen, Handelsgesellschaften und andere Personenmehrheiten die Möglichkeit zur Aufteilung des Ertrags nicht hätten und nach dem vollen Ertrag veranlagt würden. Die atypisch stille Gesellschaft könne sich auch nicht darauf berufen, als Innengesellschaft über keine Betriebsstätte im Kammerbezirk zu verfügen. Sie müsse sich als Mitunternehmerin den Geschäftsbetrieb der GmbH und deren Einrichtungen zurechnen lassen.

Aus den Gründen

I. Die Klage hat keinen Erfolg. Zwar ist sie zulässig. Die Klägerin ist insbesondere gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da sie Adressatin eines belastenden Verwaltungsaktes ist und eine Rechtsverletzung daher zumindest möglich erscheint. Die Klage ist aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Beklagte durfte die Klägerin dem Grunde nach zum Mitgliedsbeitrag heranziehen. Atypisch stille Gesellschaften sind Mitglieder der Industrie- und Handelskammern und als solche beitragspflichtig.

Gemäß § 2 Abs. 1 IHKG gehören zur Industrie- und Handelskammer, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die atypisch stille Gesellschaft ist jedenfalls eine andere Personenmehrheit. Sie war im Beitragsjahr im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG zur Gewerbesteuer veranlagt (hierzu unter a) und unterhielt im Bezirk der beklagten Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte (hierzu unter b).

a) Die Klägerin ist als atypisch stille Gesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG zur Gewerbesteuer veranlagt.

Das Verwaltungsgericht hat die Veranlagung zur Gewerbesteuer hier selbst zu prüfen, da es keinen Gewerbesteuermessbescheid gibt, welcher Tatbestandswirkung entfaltet (zur Tatbestandswirkung im Allgemeinen vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.1998 - 1 C 19.97 -, juris Rn. 13; zur Prüfpflicht der Verwaltungsgerichte, sofern es keinen Gewerbesteuermessbescheid gibt, welcher Tatbestandswirkung entfaltet vgl. BVerwG, Urteil vom 11.07.2011 - 8 C 23.10 -, juris Rn. 4; Schulze, in: Wendt/ Suchanek/ Möllmann/ Heinemann, GewStG, 2019, § 14 GewStG Rn. 8 u. Fn. 3). Dabei kann dahinstehen, wie es zu bewerten ist, dass der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag vom 17.11.2015 einerseits die GmbH als Adressatin aufführt, es in den Erläuterungen aber andererseits heißt, der Bescheid betreffe die oben genannte Firma als Inhaber des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren atypisch still beteiligten Gesellschaftern. Denn im Gewerbesteuermessbetragbescheid vom 17.11.2015 wurde der Gewerbesteuermessbetrag für 2014 auf 0 EUR festgesetzt. In einer Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages auf Null liegt keine positive Feststellung der Gewerbesteuerpflicht, die nach § 2 Abs. 1 IHKG Tatbestandswirkung für die Festsetzung von Beiträgen zur Industrie- und Handelskammer hätte. Dazu wäre vielmehr die Festsetzung eines positiven Messbetrages erforderlich. Die Nullfestsetzung kann sich daraus ergeben, dass eine Steuerpflicht dem Grunde nach bejaht und der Messbetrag nur in - zutreffender oder fehlerhafter - Anwendung der Freibetragsregelung des § 11 GewStG mit Null beziffert wurde. Sie kann aber ebenso darauf beruhen, dass die Finanzbehörde annahm, schon die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerpflicht lägen dem Grunde nach nicht vor (BVerwG, Beschluss vom 11.07.2011 - 8 C 23.10 -, Ls. 1 u. juris Rn. 6).

Die hiernach vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Klägerin als atypisch stille Gesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG zur Gewerbesteuer veranlagt ist. Zwar sind atypisch stille Gesellschaften nicht subjektiv gewerbesteuerpflichtig, da sie als reine Innengesellschaften nicht Vollstreckungsschuldner sein können (BFH, Urteil vom 13.05.1998 - VIII R 81/96 -, juris Rn. 34; Urteil vom 06.12.1995 - I R 109/94 -, juris Rn. 11; Urteil vom 25.07.1995 - VIII R 54/93 -, juris OS 2 u. Rn. 23; Urteil vom 12.11.1985 - VIII R 364/83 -, juris Rn. 47 ff., 57). Gewerbesteuerbescheide können nur gegenüber dem jeweiligen Inhaber ergehen, nicht hingegen gegenüber der atypisch stillen Gesellschaft selbst (Lamprecht, in Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 8. Auflage 2016, Gewerbesteuer, 8. Verfahrensrecht, Rn. 24.65). Die Veranlagung zur Gewerbesteuer im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG umfasst neben der subjektiven Gewerbesteuerpflicht aber auch die bloß objektive Gewerbesteuerpflicht (im Ergebnis ebenso, wenn auch mit einem anderen Verständnis des Begriffes der objektiven Gewerbesteuerpflicht Jahn, in: Frentzel/ Jäkel/ Junge, IHKG, 7. Auflage 2009, § 2 Rn. 36 u. 52). Diese ist bei atypisch stillen Gesellschaften gegeben. Der atypisch stille Gesellschafter ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Mitunternehmer. Seine Gewinnanteile und die Vergütungen für die Überlassung von Diensten, Kapital oder Wirtschaftsgütern an den Inhaber des Handelsgeschäfts gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb und werden beim Inhaber des Handelsgeschäfts erfasst. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Inhabers des Handelsgeschäfts werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Gewinnanteile des atypisch stillen Gesellschafters und die genannten Vergütungen hinzugerechnet, falls sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sein sollten (BFH, Urteil vom 12.11.1985 - VIII R 364/83 -, juris Rn. 60 ff.; Neu, in: Prinz/ Hoffmann, Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 4. Auflage 2014, Rn. 116 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Organschaften sind sowohl die Organgesellschaften als auch die Organträger im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG zur Gewerbesteuer veranlagt. Eine Organschaft liegt gemäß § 14 KStG unter bestimmten Voraussetzungen vor, wenn eine Kapitalgesellschaft (Organgesellschaft) in ein anderes Unternehmen (Organträger) finanziell eingegliedert ist und zwischen den beiden Unternehmen ein Ergebnisabführungsvertrag besteht. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Organschaften ist auf atypisch stille Gesellschaften übertragbar. Denn zwischen Organschaften und atypisch stillen Gesellschaften gibt es wesentliche Ähnlichkeiten. Zwar ist eine Kapitalgesellschaft mit einem atypisch stillen Beteiligten weder Organgesellschaft noch Organträger, da es an der Abführung des gesamten Gewinns fehlt (Drüen, in: Blümich, GewStG, 148. Erg.-Lfg Juli 2019, § 2 GewStG Rn. 139; Altvater, in: Kessler/ Kröner/ Köhler, Konzernsteuerrecht, 3. Auflage 2018, § 11 Rn. 269; vgl. BFH, Beschluss vom 31.03.2011 - I B 177/10 -, juris). Bei Organschaften ist jedoch - wie bei atypisch stillen Gesellschaften - zwischen der subjektiven und der objektiven Gewerbesteuerpflicht zu differenzieren. Die persönliche Steuerpflicht der Organgesellschaft geht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2, § 5 GewStG auf den Organträger über. Die objektive Steuerpflicht der Organgesellschaft bleibt hiervon unberührt. Das Bundesverwaltungsgericht hat zutreffend geurteilt, dass die objektive Steuerpflicht der Organgesellschaft für eine Inanspruchnahme gemäß § 2 Abs. 1 IHKG ausreiche (Urteil vom 19.01.2005 - 6 C 10.04 -, juris Rn. 23; Urteil vom 24.09.1965 - VII C 52.62 -, BVerwGE 22, 58; ebenso VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.07.1985 - 14 S 2419/83 -, GewArch 1985, 368). Dies muss für atypisch stille Gesellschaften entsprechend gelten.

Die historische Auslegung des § 2 Abs. 1 IHKG durch das Bundesverwaltungsgericht beansprucht weiterhin Gültigkeit und passt auch auf die Fälle atypisch stiller Gesellschaften. Das preußische Gesetz über die Handelskammern vom 24.02.1870 stellte für die Wahl der Mitglieder der Handelskammer auf die Handelsregistereintragung ab. 1897 wurde als Voraussetzung für die Wahlberechtigung die Klausel eingeführt „sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind“. Als Grund für diese Gesetzesergänzung wurde angeführt, dass Geschäfte, die so klein seien, dass der Kaufmann nicht einmal Gewerbesteuer zahle, auch nicht in eine kaufmännische Korporation hineingehörten. Der Entwurf eines Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern, der die Grundlage des Industrie- und Handelskammergesetzes bildet, enthielt keine Begründung. 1961 jedoch wurde § 2 Abs. 6 IHKG gestrichen, der natürliche Personen von der Kammerzugehörigkeit ausschloss, welche nach ihrer Gewerbesteuerveranlagung zur Zahlung von Gewerbesteuer nicht verpflichtet waren oder welche nach § 17a GewStG lediglich zu einer Mindeststeuer herangezogen wurden. Auch diese Personen gehören nunmehr den Kammern an, sind jedoch nach Änderungen des § 3 IHKG bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen von der Verpflichtung zur Zahlung des Grundbeitrags befreit. Aus diesen Änderungen ist die Tendenz des Gesetzgebers zu entnehmen, eine möglichst vollzählige Erfassung aller Gewerbetreibenden des Bezirks zu erreichen und somit möglichst umfassend das Regionalprinzip zu verwirklichen. Die Industrie- und Handelskammer soll die Möglichkeit haben, die Auffassungen aller kaufmännischen Kreise kennenzulernen und gegeneinander abzuwägen. Diese Möglichkeit besteht aber nur, wenn der Kreis der Ausnahmen von der Kammerzugehörigkeit nicht übermäßig ausgedehnt wird. Nur auf diese Weise kann Sachkunde und Objektivität der Kammern gesichert und die Vollversammlung zu einem Spiegelbild der wirtschaftlichen Struktur des Kammerbezirks werden (BVerwG, Urteil vom 24.09.1965 - VII C 52.62 -, BVerwGE 22, 58, 61 ff. m.w.N.; vgl. nunmehr § 3 Abs. 3 Sätze 3 u. 4 IHKG).

Die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen teleologischen Argumente passen gleichfalls auch auf atypisch stille Gesellschaften. Das Bundesverwaltungsgericht schreibt, der Gesetzgeber habe zur Vereinfachung und Erleichterung für die Beteiligten die Feststellungen der Finanz- und Steuerbehörden nutzbar machen wollen und deshalb die Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer von der Veranlagung zur Gewerbesteuer abhängig gemacht. Die finanzielle Bedeutung der möglichen Mitgliedschaft der Organgesellschaft sei dahingegen gering. Bei der Anerkennung einer selbständigen Kammerzugehörigkeit müsse der betreffende Konzern nur jeweils einen mehrfachen Grundbeitrag zahlen, während die Umlage auf der Grundlage der festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge in beiden Fällen unverändert sei (BVerwG, Urteil vom 24.09.1965 - VII C 52.62 -, BVerwGE 22, 58, 59 u. 62). Auch diese Erwägungen sind auf atypisch stille Gesellschaften übertragbar. Nur durch ein weites Verständnis des § 2 Abs. 1 IHKG ist sichergestellt, dass Industrie- und Handelskammern einfach und schnell erkennen können, wer Mitglied ist. Dies wird deutlich, wenn man die Situation einer atypisch stillen Beteiligung am gesamten Unternehmensgegenstand mit der Situation einer atypisch stillen Beteiligung lediglich an einem Teil des Unternehmensgegenstandes vergleicht. Besteht die atypisch stille Beteiligung am gesamten Unternehmensgegenstand, liegt im steuerrechtlichen Sinn lediglich ein Unternehmen vor. Die vom Inhaber des Handelsgeschäfts und dem atypisch stillen Gesellschafter gemeinschaftlich erzielten Einkünfte sind gemäß § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert und einheitlich festzustellen (vgl. BFH, Urteil vom 13.07.2017 - IV R 41/14 -, juris Rn. 19; Urteil vom 12.02.2015 - IV R 48/11 -, juris Rn. 31 f.). Besteht die atypisch stille Beteiligung hingegen lediglich an einem Teil des Unternehmensgegenstandes, liegen im steuerrechtlichen Sinne mehrere Unternehmen vor und es ergehen gesonderte Gewerbesteuermessbescheide (§ 5 GewStG, R 5.1 (2); Sarrazin, in: Lenski, GewStG, 123. Erg.-Lfg Juni 2018, § 5 Rn. 90). Folgte man der Klägerseite in ihrer Argumentation, hätte dies zur Folge, dass Industrie- und Handelskammern im Falle einer atypisch stillen Beteiligung stets prüfen müssten, ob diese am gesamten Unternehmensgegenstand besteht. Denn wenn es aufgrund des Umstandes, dass die atypisch stille Beteiligung lediglich an einem von mehreren Unternehmensgegenständen besteht, abweichende Gewerbesteuermessbescheide gibt, sind die jeweiligen IHK-Mitgliedschaften durch den Wortlaut des § 2 Abs. 1 IHKG klar vorgegeben. Wollte man in jedem Einzelfall differenzieren, müssten sich die auf das Steuerrecht regelmäßig nicht spezialisierten Industrie- und Handelskammern im Fall einer atypisch stillen Beteiligung mithin stets den Gesellschaftsvertrag vorlegen lassen, um eine vertiefte steuerrechtliche Prüfung vorzunehmen. Dies kann nicht gewollt sein, liefe es dem Prinzip der Massenverwaltung doch entgegen und verursachte es erhebliche Kosten, welche von der Gemeinschaft der Mitglieder aufzubringen wären. Es erscheint, wie das Bundesverwaltungsgericht zu Organschaften schreibt, im Gegenteil angemessen, wenn derjenige, der von gesellschafts- und steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch macht und sich einer Organisationsform bedient, die auf gewerbliche Betätigung zugeschnitten ist, die damit verbundenen Rechtsfolgen vollständig und nicht nur selektiv hinnehmen muss (BVerwG, Urteil vom 19.01.2005 - 6 C 10.04 -, juris Rn. 26).

Mit ihrem in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwand, ihre Inanspruchnahme verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da die Beklagte nur von einem Bruchteil der atypisch stillen Beteiligungen in ihrem Kammerbezirk wisse und daher nur einige wenige atypisch stille Gesellschaften zum Mitgliedsbeitrag heranziehe, vermag die Klägerin demgegenüber nicht durchzudringen. Es fehlt insoweit bereits an einer Ungleichbehandlung wesentlicher gleicher Sachverhalte durch die Beklagte. Die Beklagte zieht alle atypisch stillen Gesellschaften, von denen sie Kenntnis erlangt, gleichermaßen zum Beitrag heran. Vorsätzliche oder fahrlässige Untätigkeit bei der Ermittlung der atypisch stillen Gesellschaften ist der Beklagten nicht vorzuwerfen.

b) Die Klägerin unterhält auch eine Betriebsstätte im Bezirk der Beklagten.

Betriebsstätten im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG sind solche im Sinne des § 12 AO (statt aller: BVerwG, Urteil vom 27.10.1998 - 1 C 19.97 -, GewArch 1999, 73, 73). Gemäß § 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Gemäß § 12 Satz 2 Nr. 1 AO ist u.a. die Stätte der Geschäftsleitung als Betriebsstätte anzusehen.

Die Klägerin unterhält im Bezirk der Beklagten eine Betriebsstätte in diesem Sinne. Zwar sind atypisch stille Gesellschaften zivilrechtlich nicht am Vermögen des Inhabers beteiligt. Auch treten sie als reine Innengesellschaften nicht nach außen in Erscheinung. Atypisch stille Gesellschaften müssen sich aber die Betriebsstätte des Inhabers zurechnen lassen (BFH, Urteil vom 21.07.1999 - I R 110/98 -, juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.03.2011 - OVG 1 B 7.10 -, juris Rn. 17; Heinsen, in: Gosch, AO/FGO, 149. Erg.-Lfg 01.06.2019, § 12 AO Rn. 14; Bron, IStR 2016, 26, 28; Koenig, AO, 3. Auflage 2014, § 12 Rn. 16). Denn das Fehlen einer unmittelbaren Vermögensbeteiligung wird durch die Mitwirkungsrechte des atypisch stillen Gesellschafters und seine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg überspielt (BFH, Urteil vom 21.07.1999 - I R 110/98 -, juris Rn. 17). Dies gilt umso mehr, wenn die atypisch stille Beteiligung - wie im vorliegenden Fall - am gesamten Unternehmensgegenstand besteht, so dass im steuerrechtlichen Sinne nur ein Unternehmen gegeben ist.

2. Einwände gegen die Höhe der Inanspruchnahme sind nicht geltend gemacht. Dem Gericht drängen sich insoweit auch keine Fehler auf.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Berufungszulassung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

 

Beschluss vom 06.12.2019

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 Sätze 1 u. 2 GKG, § 39 Abs. 1 GKG auf EUR 73,50 festgesetzt.

Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

 

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