OLG Frankfurt: Hinweispflicht bei Auszahlung sicherungszedierter Forderung an Insolvenzverwalter
OLG Frankfurt, Urteil vom 14.12.2012 - 10 U 223/11
Leitsatz
Zahlt eine Bank ein sicherungszediertes Guthaben gem. § 166 InsO an den Insolvenzverwalter aus, ist sie zu einem Hinweis auf die Zession an den Insolvenzverwalter oder auf die Auszahlung an den Gläubiger nur verpflichtet, wenn sie damit rechnet oder es sich ihr aufdrängt, dass sich sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Gläubiger in Unkenntnis befinden.
Sachverhalt
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung einer Hinweispflicht.
Die Klägerin ließ sich als Kautionsversicherer der Firma A GmbH zur Sicherung bestehender und künftiger Ansprüche gegen dieses Unternehmen am 23.11.2001 von A1 dessen Ansprüche auf das Guthaben eines Sparkontos bei der Beklagten abtreten. Die Beklagte bestätigte auf dem Abtretungsformular, dass sie von dieser Abtretung Kenntnis genommen habe (Bl. 31 d. A.). Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma A GmbH wurde im Jahr 2002 mangels Masse nicht eröffnet. Über das Privatvermögen des Sicherungsgebers A1 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Auf Verlangen des Insolvenzverwalters (Bl. 166 Abs. 2 InsO) zahlte die Beklagte drei Jahre nach der vorgenannten Abtretung, d.h. etwa Ende 2004/Anfang 2005 das Guthaben auf dem von der Sicherungsabtretung betroffenen Sparkonto aus. Der Insolvenzverwalter verteilte das eingezogene Kontoguthaben mit der Insolvenzmasse an die Insolvenzgläubiger des A1.
Die Klägerin wurde Ende 2006 in Höhe von 2.585,62 € aus einer Gewährleistungsbürgschaft für die A GmbH in Anspruch genommen. Mit Schreiben vom 16.4.2007 verlangte die Klägerin von der Beklagten Auszahlung aus dem abgetretenen Kontoguthaben in dieser Höhe. Durch Schreiben des Insolvenzverwalters vom 15.12.2009 erhielt die Klägerin erstmalig Kenntnis davon, dass das Insolvenzverfahren bereits abgewickelt worden war.
Mit der Klage hat sie nunmehr von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 2.585,62 € nebst Zinsen verlangt und ferner die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, zu Lasten des Sparkontos weitere Beträge in Höhe bis zu 14.517,10 € an sie auszuzahlen, sofern sie zu Lasten von ihr im Auftrag der Firma A GmbH übernommene Bürgschaften Zahlungen an die jeweiligen Bürgschaftsgläubiger leisten muss.
Sie hat gemeint, die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, den Insolvenzverwalter auf die Sicherungszession aufmerksam zu machen. Wenn die Beklagte den Insolvenzverwalter darüber unterrichtet hätte, wäre dieser verpflichtet gewesen, das eingezogene Guthaben von der sonstigen Insolvenzmasse getrennt zu verwalten und bei Eintritt des Sicherungsfalles entsprechend § 170 Abs. 1 S. 2 InsO den Verwertungserlös des Forderungseinzugs an sie auszukehren. Der Insolvenzverwalter habe das eingezogene Guthaben in Unkenntnis der bestehenden Sicherungszession verteilt. Weiter hat sie die Ansicht vertreten, zwischen ihr und der Beklagten habe ein Schuldverhältnis i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB bestanden, da A1 durch die Sicherungszession einen ihm zustehenden Vermögenswert, nämlich das Guthaben auf dem bei der Beklagten geführten Sparkonto an sie abgetreten habe. Aufgrund der der Beklagten bekannten Sicherungsabtretung habe diese ihre (der Klägerin) Vermögensinteressen wissentlich verwaltet. Daher sei die Beklagte verpflichtet gewesen, sie darüber zu unterrichten, dass sie eine Sicherheit aus der Hand geben müsse, die zur Sicherung ihrer Ansprüche gegen die Hauptschuldnerin bestanden habe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat gemeint, sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Insolvenzverwalter über das bestehende Absonderungsrecht der Klägerin zu informieren. Im Zeitpunkt der Auskehrungsaufforderung des Insolvenzverwalters habe sie keine Kenntnis davon gehabt, dass der Abtretungsvertrag noch bestanden habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und gemeint, die Beklagte habe die Pflicht gehabt, dem Insolvenzverwalter die Sicherungsabtretung mitzuteilen, damit die Klägerin ihr Absonderungsrecht habe geltend machen können. Andernfalls wäre die Klägerin rechtlos gestellt und der Zweck der offenen Sicherungszession, den Schutz des Zessionars vor schuldbefreiender Leistung an den Zedenten, verfehlt. Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz, der tatsächlichen Feststellung sowie der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (Bl. 147 - 152 d. A.).
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Standpunkt weiterverfolgt. Sie beruft sich in erster Linie darauf, sie habe keine Anhaltspunkte dafür gehabt, dass der Insolvenzverwalter den Abtretungsvertrag zu Gunsten der Klägerin nicht gekannt habe. Demgegenüber habe die Klägerin Kenntnis, zumindest aber grob fahrlässige Unkenntnis von der Insolvenz des Zedenten gehabt. Sie habe alles Erforderliche und Zumutbare zur Sicherung ihrer Ansprüche tun müssen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6.10.2011,Az.: 3/9 O 80/11, die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Aus den Gründen
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In der Sache hat sie auch Erfolg.
Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch gem. § 280 BGB gegen die Beklagte wegen Verletzung einer Informationspflicht zu.
Zwar ist der Klägerin ein Schaden entstanden, da das von der Sicherungszession betroffene Kontoguthaben durch die Auszahlung an den Insolvenzverwalter erloschen ist. Die Beklagte war gem. § 166 Abs. 2 InsO befugt, das Kontoguthaben an den Insolvenzverwalter mit befreiender Wirkung auszuzahlen. Die abgesonderte Befriedigung der Klägerin aus dem eingezogenen Kontoguthaben (§ 170 Abs. 1 S. 2 InsO) war nicht mehr möglich, da die gesamte Masse bereits an die Insolvenzgläubiger verteilt worden war.
Dieser Schaden hätte verhindert werden können, wenn die Beklagte die Klägerin über die Auszahlung des Kontoguthabens an den Insolvenzverwalter unterrichtet hätte, weil die Klägerin in diesem Falle ihr durch die Sicherungszession erlangtes Absonderungsrecht, das dem Insolvenzverwalter unbekannt geblieben war, rechtzeitig hätte geltend machen können. Ebenso wäre der Schaden möglicherweise vermieden worden, wenn die Beklagte, wie es das Landgericht gefordert hat, den Insolvenzverwalter auf die Sicherungszession hingewiesen hätte, damit dieser das eingezogene Kontoguthaben in Höhe des Absonderungsrechts der Klägerin vorbehält. Jedoch bestand eine solche Informationspflicht der Beklagten im Streitfall nicht. Auch im Rahmen einer Sonderverbindung, die zwischen dem Parteien bestanden haben mag, kann eine Informationspflicht nur bejaht werden, wenn ein für die Beklagte erkennbares Informationsgefälle zu ihren Gunsten bestand und sie zumindest damit rechnete, dass die Klägerin die erforderliche Information nicht hatte (Staudinger/Olzen, BGB, Neubearbeitung 2009, § 241 Rn. 437 ff.; Roth/Bachmann in MünchKomm z. BGB, 6. Aufl., § 214 Rdn. 141; siehe auch BGHZ 96, 302, 311 f.).
Die Beklagte rechnete jedoch nicht damit noch drängte es sich ihr auf, dass die Klägerin oder der Insolvenzverwalter informationsbedürftig waren. Die Klägerin verweist zwar zu Recht darauf, dass die Beklagte die einzige an dem Gesamtvorgang beteiligte Partei war, die über alle Zusammenhänge unterrichtet war. Nicht bewiesen ist jedoch ihre Behauptung, die Beklagte habe gewusst, dass die beiden anderen Beteiligten, nämlich die Klägerin und die Insolvenzverwalter, diese Kenntnis nicht haben konnten. Die Beklagte bestreitet eine solche Kenntnis mit Erfolg. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich kein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte sich der Unkenntnis der Klägerin von der Einziehung der Forderung durch den Insolvenzverwalter sowie der gleichzeitigen Unkenntnis des Insolvenzverwalters von der Sicherungsabtretung des Bankguthabens bewusst war oder auch nur Hinweise darauf hatte. Dass sowohl die Klägerin über die Einziehung des Kontoguthabens als auch der Insolvenzverwalter über die Sicherungsabtretung nicht informiert gewesen seien, drängte sich der Beklagten auch nicht auf. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Klägerin um eines der größten deutschen Versicherungsunternehmen handelt, von dem zu erwarten war, dass es relevante Insolvenzbekanntmachungen verfolgt. Zudem konnte die Klägerin Kenntnis von dem Insolvenzverfahren vom Zessionar erlangt haben, der offenbar einziger oder Hauptgesellschafter der Schuldnerin der Klägerin war, oder konnte dem Insolvenzverwalter vom Zessionar die Sicherungsabtretung mitgeteilt worden sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Ob eine Informationspflicht zu bejahen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die sich danach beantwortet, ob eine Kenntnis der in Anspruch genommenen Partei von einem Informationsgefälle besteht oder sich nach den Umständen des konkreten Falles aufdrängt.
Bei der Festsetzung des Streitwerts ist der Antrag zu 2. mit der Hälfte des Maximalbetrages berücksichtigt worden, da offen ist, ob und in welcher Höhe die Klägerin aus Bürgschaften noch in Anspruch genommen wird.