OLG Frankfurt: Hemmung der Verjährung des Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs zwischen Kartellanten
OLG Frankfurt, Urteil vom 6.12.2022 – 11 U 149/21 (Kart)
ECLI:DE:OLGHE:2022:1206.11U149.21KART.00
Volltext: BB-Online BBL2023-976-1
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Leitsatz
Die Verjährung eines Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs, für den die Regelung §§ 33d Abs. 2, 33h Abs. 7 GWB n.F. nicht gilt, kann vor dem gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 426 Abs. 2 BGB nicht durch die Erhebung der Feststellungsklage eines Kartellanten gegen einen anderen Kartellanten gehemmt werden.
§ 426 Abs 2 BGB, § 204 Abs 1 Nr 1 BGB, § 256 ZPO, § 33d Abs 2 GWB, § 33h Abs 7 GWB
Sachverhalt
I.
Die Klägerinnen wollen das Bestehen einer Gesamtschuldnerausgleichspflicht der Beklagten feststellen lassen.
Die Parteien sind auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Lebensmittelverpackungen tätig. Die Klägerinnen zu 1) und 2) stellen solche Verpackungen her, die Klägerin zu 3) ist deren Muttergesellschaft.
Mit Entscheidung vom 24.6.2015 (nachfolgend „Entscheidung“), die am selben Tag Gegenstand einer Pressemitteilung war, belegte die EU-Kommission acht Hersteller und zwei Vertreiber von Verpackungen für den Einzelhandel mit einer Geldbuße, weil sie jeweils an mindestens fünf separaten Kartellen beteiligt waren. Das Verfahren, das zu der Entscheidung führte, war am 4.6.2008 eingeleitet worden. Gegen die Entscheidung legten die Klägerinnen Rechtsmittel ein, das mit Urteil vom 22.10.2020 zurückgewiesen wurde (Anlage K2). Die Beklagte legte gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel ein.
Nach den Feststellungen der Entscheidung waren die Klägerinnen u.a. vom 30.6.2002 bis 29.10.2007 an dem X-Kartell (nachfolgend „X-Kartell“) beteiligt. Die Beklagte war vom 13.6.2002 bis 12.3.2007 an diesem Kartell beteiligt. Allein im Hinblick auf dieses Kartell stehen vorliegend Regressansprüche zwischen den Parteien im Streit.
Die Klägerinnen forderten die Beklagte erfolglos auf, in Bezug auf Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich wegen der Inanspruchnahme seitens Kartellgeschädigter auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu verzichten. Sie haben sodann gegen die Beklagte im Mai 2020 die hiesige Feststellungsklage erhoben.
Nach Klageerhebung im hiesigen Rechtsstreit wurden die hiesigen Klägerinnen zu 1) und zu 2) - neben weiteren Unternehmen - von potenziell Geschädigten des X-Kartells in Rechtsstreiten vor dem LG Köln (Klageerhebung dort: im Jahr 2020) und dem LG Hannover (Klageerhebung dort: im Jahr 2021) gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz wegen ihrer Beteiligung am X-Kartell in Anspruch genommen. In dem Rechtsstreit vor dem LG Köln hat eine dortige weitere Beklagte sämtlichen hiesigen Klägerinnen am 22.4.2021 den Streit verkündet.
Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, es bestehe ein Feststellungsinteresse für die begehrte Feststellung der Gesamtschuldnerausgleichspflicht der Beklagten. Es drohe die Gefahr, dass sie, die Klägerinnen, im Außenverhältnis den vollen, auch den auf die Beklagte im Innenverhältnis entfallenden Schaden gegenüber geschädigten Abnehmern tragen müssten, da potentielle Ansprüche geschädigter Abnehmer gegenüber den Klägerinnen später verjährten, da sie, die Klägerinnen, gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt hatten. Gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass sie, die Klägerinnen, gegenüber der Beklagten wegen der Verjährung der Regressansprüche keinen Rückgriff im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nehmen könnten.
Die Beklagten haben geltend gemacht, die Feststellungsklage sei unzulässig. Die Klägerinnen hätten kein gegenwärtiges Rechtsverhältnis dargelegt. Die Feststellung der Gesamtschuldnerschaft der hiesigen Parteien betreffe eine vorgelagerte Rechtsfrage für das Bestehen der Rechtsverhältnisse, hier der Gesamtschuldnerausgleichspflicht, und sei nicht feststellungsfähig. Im Hinblick auf § 426 Abs. 1 BGB sei dies offenkundig, da die Klägerinnen ansonsten bereits jetzt Freistellung verlangen könnten. Im Hinblick auf § 426 Abs. 2 BGB könne ebenfalls die Gesamtschuldnerausgleichspflicht nicht festgestellt werden, da die Klägerinnen die jeweiligen Ausgleichsansprüche erst erwerben würden, wenn sie die Forderungen der möglichen Kartellgeschädigten befriedigten. Die Klage sei auch unzulässig, da sie unter dem Vorbehalt eines später zu bestimmenden Mitverschuldens der anderen Gesamtschuldner stehe.
Die Feststellungsklage sei unbestimmt, da sie sich auf das „Verpackungskartell“ beziehe, das nach der Entscheidung fünf eigenständige Kartelle mit unterschiedlichen Zeiten, Beteiligten und Markträumen erfasse.
Die Klage sei unbegründet. Für Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 2 BGB seien die Klägerinnen nicht aktiv legitimiert, da bisher Ansprüche Dritter von ihnen nicht befriedigt worden seien. Ansprüche aus § 426 Abs. 1 BGB seien jedenfalls verjährt. Sie haben die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der weiteren Feststellungen und erstinstanzlichen Anträge gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen wird, der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die Klage sei zulässig.
Sie sei hinreichend bestimmt. Die Klägerinnen hätten dargelegt, dass die Ansprüche einen potentiellen Gesamtschuldnerausgleich wegen des X-Kartells beträfen. Näherer Angaben - etwa der Abnehmer, der gelieferten Waren und der Höhe der Schadenersatzansprüche - bedürfe es nicht, da der Anspruch lediglich dem Grunde nach festgestellt und die Verjährung des Ausgleichsanspruchs gehemmt werden solle. Weitere Angaben seien den Klägerinnen auch nicht möglich, da sie gesamtschuldnerisch auch für Schäden von Abnehmern anderer Kartellanten in Anspruch genommen werden könnten.
Auch bestehe das Feststellungsinteresse. Die Klägerinnen hätten ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs, um die Verjährung von Regressansprüchen gemäß § 426 Abs. 1 BGB und § 426 Abs. 2 BGB zu hemmen. Es bestehe das Risiko, dass die Klägerinnen in unverjährter Zeit von Abnehmern in Anspruch genommen würden, während etwaige Regressansprüche im Innenverhältnis der Gesamtschuldner verjährt wären.
Das Feststellungsinteresse bestehe auch für ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis. Der Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB sei bereits mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis entstanden. Auch für den Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB bestehe ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis im Hinblick auf die bereits bestehende Gesamtschuld. Der Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB hänge lediglich noch davon ab, dass die Klägerinnen von Abnehmern in Anspruch genommen würden - was im Rahmen der Rechtsstreitigkeiten vor dem LG Köln und LG Hannover bereits erfolgt sei - und sie diese Forderungen beglichen.
Die Feststellungsklage sei schließlich nicht unzulässig, auch wenn die Klägerinnen keine konkrete Haftungsquote bzw. keinen Mitverschuldensanteil festgelegt hätten. Denn ein etwaiges Mitverschulden des Klagenden stehe der Feststellung des Regresses dann nicht entgegen, wenn das mitwirkende Verschulden des Geschädigten nach Meinung des Tatrichters zwar zu einer Minderung, nicht aber zu einer vollständigen Beseitigung der Schadenshaftung führe. So liege der Fall hier. Die Beklagte hafte etwaigen Abnehmern gegenüber auf Kartellschadenersatz, da die Entscheidung der Kommission für die Gerichte Bindungswirkung entfalte und die Beteiligung der Beklagten an dem X-Kartell im Übrigen unstreitig sei. Es sei daher ausgeschlossen, dass die Beklagte im Innenverhältnis keinen Mitverschuldensanteil zu tragen habe.
Die Klage sei begründet.
Allerdings hafte die Beklagte nicht aus § 426 Abs. 1 BGB, da dieser Anspruch verjährt sei.
Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch fällig geworden und dem Ausgleichsberechtigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sei. Der Verjährungsbeginn setze voraus, dass der Ausgleichsberechtigte Kenntnis von den Umständen habe, die einen Anspruch gegen den Ausgleichsverpflichteten begründen, von denjenigen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründeten, von denjenigen, die das Gesamtschuldverhältnis begründeten und schließlich denjenigen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründeten.
Unstreitig hätten die Klägerinnen bereits im Kartellverfahren Kenntnis davon erlangt, wer an den Kartellen beteiligt gewesen sei und dass sie von einigen Abnehmern höchstpersönlich in Anspruch genommen würden. Sie hätten jedenfalls seit der Entscheidung vom 24.6.2015 gewusst, dass neben ihnen weitere Hersteller bzw. Vertreiber mit einer Geldbuße wegen der fünf separaten Kartelle belegt worden seien und sie an diesen Kartellen beteiligt waren. Daher hätten die Klägerinnen die Beklagten bereits in diesem Zeitpunkt jedenfalls im Wege der Feststellungsklage in Anspruch nehmen können.
Die Klage sei aber gemäß § 426 Abs. 2 BGB iVm § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 81 EGV bzw. §§ 33ff. GWB begründet.
Die Klägerinnen seien aktiv legitimiert, auch wenn sie die Ansprüche der Abnehmer noch nicht beglichen hätten. Denn das Feststellungsinteresse beziehe sich gerade auf die Haftung dem Grunde nach für den Fall der Begleichung der Schadenersatzforderungen. Auch ohne eine solche Zahlung liege bereits ein feststellungsfähiges Gesamtschuldverhältnis vor. Die Beklagten und die Klägerinnen hafteten Kartellgeschädigten gesamtschuldnerisch für sämtliche Schäden, die aufgrund von Lieferungen auch der anderen Kartellbeteiligten an ihre Abnehmer entstanden seien; insoweit seien die Zivilgerichte an die Feststellungen der Entscheidung gebunden.
Ansprüche gemäß § 426 Abs. 2 BGB iVm § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 81 EGV bzw. §§ 33ff. GWB seien nicht verjährt. Zwar sei den Beklagten die Verjährungseinrede auch gegenüber den leistenden Klägerinnen gemäß §§ 404, 412 BGB erhalten geblieben. Dass aber die Verjährung insofern gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB binnen drei Jahre nach Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis eingetreten sei, hätten die Beklagten nicht dargetan. Daher käme nur der Eintritt der Verjährungshöchstfrist gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB, 10 Jahre nach Entstehung des Kartellschadenersatzanspruchs in Frage. Da das erste schädigende Ereignis am 13.6.2002 erfolgt sei, habe die kenntnisunabhängige Verjährung am 14.6.2002 zu laufen begonnen und habe am 13.6.2012 geendet. Jedoch sei zuvor die 10jährige Verjährungsfrist durch die Einleitung des Kommissionsverfahrens am 4.6.2008 nach § 33 Abs. 5 Satz1 Nr. 2 GWB 2005 gehemmt worden; die Hemmung habe sechs Monate nach Rechtskraft des Bußgeldbescheids gegenüber der Beklagten am 4.9.2015, dh. am 4.3.2016 geendet. Aufgrund der Hemmungsdauer von 2.647 Tagen, der Ablaufhemmung von sechs Monaten und mit Blick auf § 193 BGB verjährten die kartellrechtlichen Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte sukzessive am 17.3.2020. Auch wenn die hiesige Feststellungsklage erst im Mai 2020 erhoben worden seien, könnten sich die Klägerinnen auf den sukzessiven Verjährungslauf stützen und geltend machen, dass die Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) noch rechtzeitig eingetreten sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergebe sich das Feststellungsinteresse nicht wegen des Interesses der Klägerinnen, die Verjährung der Ausgleichsansprüche zu hemmen.
Das Ziel der Verjährungshemmung könne in Bezug auf die Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 1 BGB nicht erreicht werden, da diese Ansprüche - wie das Landgericht zu Recht festgestellt habe - verjährt seien. Das Landgericht hätte die Klage konsequenterweise teilweise abweisen müssen.
Das Ziel der Verjährungshemmung könne auch für die Ansprüche gemäß § 426 Abs. 2 BGB nicht erreicht werden. Dieser Ausgleichsanspruch unterliege vor dem Zeitpunkt des gesetzlichen Forderungsübergangs keiner eigenen Verjährung. Selbst wenn die abstrakt generelle Wirkung des § 426 Abs. 2 BGB vor dem Forderungsübergang festgestellt würde, hinderte dies den im Innenausgleich In-Anspruch-genommenen Ausgleichspflichtigen nicht, sich auf die im Außenverhältnis eingetretene Verjährung zu berufen; die begehrte Feststellung im Verhältnis der Gesamtschuldner führe nicht zu einem abweichenden Verjährungslauf der Ansprüche im Außenverhältnis. Die Klägerinnen könnten eine Verjährungshemmung auch für die möglicherweise auf sie in Zukunft übergehenden Ansprüche durch die Klage nicht erreichen, da die Verjährungshemmung die Klage durch den materiell Berechtigten voraussetze. Die Klägerinnen seien bisher mangels Ausgleich etwaiger Schadenersatzansprüche nicht aktiv legitimiert.
Für die Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 2 BGB fehle es jedenfalls an der Gegenwärtigkeit des Rechtsverhältnisses, da die Forderungen noch nicht auf die Klägerinnen übergegangen seien. Ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis bestehe lediglich in Bezug auf das Rechtsverhältnis der Gesamtschuld der Parteien. Die Klage richte sich aber nicht auf die Feststellung der Gesamtschuld, sondern die Feststellung der Ausgleichungspflicht. Zudem könne eine Klage auf Feststellung der Gesamtschuld die Verjährung des Ausgleichsanspruchs nicht hemmen, da die Hemmung die Erhebung der Klage auf Feststellung des Anspruchs voraussetze.
Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Den Klägerinnen fehle, soweit sie durch die Feststellungsklage die Verjährung von Ansprüchen Dritter gegenüber der Beklagten hemmen wollten, die Aktivlegitimation, da die Forderungen von den Klägerinnen noch nicht beglichen worden und damit noch nicht auf sie übergegangen seien. Da es sich um getrennte Rechtsverhältnisse handele, ergebe sich die Aktivlegitimation auch nicht daraus, dass abstrakt zwischen den Parteien eine Gesamtschuld bestehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.10.2021, AZ. 2-03 O 189/20,aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerinnen verteidigen das angegriffene Urteil und wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Das Feststellungsinteresse bestehe unabhängig davon, ob Ansprüche gemäß § 426 Abs. 1 und 2 BGB verjährt seien oder nicht. Denn die Lehre der doppelrelevanten Tatsache, die bei der Prüfung des Feststellungsinteresses zu beachten sei, gebiete es, dass die Prüfung der Tatsachen, die der Verjährung zugrunde liegen, erst im Rahmen der Begründetheit zu erfolgen habe.
Die Ansprüche gemäß § 426 Abs. 1 BGB seien nicht verjährt, da die Verjährung analog § 33 Abs. 5 GWB aF durch das kartellbehördliche Verfahren gehemmt worden sei.
Sie, die Klägerinnen, könnten die Verjährung von Ausgleichsansprüchen gemäß § 426 Abs. 2 BGB durch die vorliegende Klage hemmen. Der Ausgleichsberechtigte könne eine Klage gegen den Ausgleichspflichtigen verjährungshemmend bereits vor der Befriedigung des Geschädigten erheben. Dies habe der Bundesgerichtshof für die Streitverkündung entschieden (BGH, Urteil vom 7.5.2015 - VII ZR 104/14 Rn. 30, zit. nach juris). Es bestehe kein Anlass, die Verjährungshemmung durch Streitverkündung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) anders zu werten als diejenige durch Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Nur so werde zudem sichergestellt, dass ein Gesamtschuldner nicht nur die Regressansprüche gemäß § 426 Abs. 1 BGB, sondern auch solche gemäß § 426 Abs. 2 BGB wirksam hemmen könne und daher die unterstützende Funktion letztgenannter Ansprüche gewahrt werde.
Ein Feststellungsinteresse ergebe sich im Übrigen daraus, dass die Beklagte vorliegend bestreite, dass es zu einem kartellbedingten Schaden gekommen sei und hierdurch der gesamtschuldnerische Ausgleichsanspruch der Klägerinnen gefährdet sei.
Das festzustellende Rechtsverhältnis sei in Bezug auf § 426 Abs. 2 BGB gegenwärtig, da eine Gesamtschuld bestehe und die Klägerinnen zudem von möglichen Geschädigten des Kartells gerichtlich in Anspruch genommen worden seien. Zwischenzeitlich sei den Klägerinnen zu 1) und zu 2) im September 2021 eine weitere Klage eines möglichen Geschädigten vor dem LG Bremen zugestellt worden (Anlage K2).
Sie sei aktiv legitimiert, auch soweit die Klage Rückgriffsansprüche gemäß § 426 Abs. 2 BGB betreffe, da die gesamtschuldnerische Haftung der hiesigen Parteien gegenüber Abnehmern das feststellungsfähige Rechtsverhältnis begründe.
Jedenfalls seien Drittrechtsverhältnisse feststellungsfähig, wenn die Drittrechtsverhältnisse für die Rechtsbeziehungen der Parteien von Bedeutung seien, was vorliegend wegen des Anspruchsübergangs (§ 426 Abs. 2 BGB) der Fall sei.
Die Rechtsauffassung der Beklagten führe schließlich zu untragbaren Ergebnissen. Verneine man die Möglichkeit, die Verjährung der Ansprüche gemäß § 426 Abs. 2 BGB durch die streitgegenständliche Feststellungsklage zu hemmen, müssten die Klägerinnen als an sich regressberechtigte Gesamtschuldner die Verjährung der Regressansprüche hinnehmen.
Aus den Gründen
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache Erfolg.
Die Klägerinnen können nicht die Feststellung verlangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen anteilig Ausgleich zu leisten, der sich daraus ergibt, dass die Klägerinnen aufgrund ihrer Beteiligung am X-Kartell über ihren Verantwortungsteil im Innenverhältnis hinaus auf Zahlung von Kartellschadenersatz in Anspruch genommen werden. Die Klage hat weder im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB Erfolg (hierzu nachfolgend 1.), noch im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 2 BGB (hierzu nachfolgend 2.).
1. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägerinnen gemäß § 426 Abs. 1 BGB anteilig Ausgleich dafür zu leisten, dass die Klägerinnen wegen ihrer Beteiligung am X-Kartell über ihre Anteile im Innenverhältnis hinaus auf Zahlung von Kartellschadenersatz von möglichen Geschädigten in Anspruch genommen werden, da der Anspruch verjährt ist. Auf die Verjährung finden die mit der 9. GWB-Novelle eingeführten §§ 33d Abs. 2, 33h Abs. 7 GWB keine Anwendung (§ 187 Abs. 3 GWB).
Der originäre Ausgleichsanspruch der Klägerinnen gegenüber der Beklagten gemäß § 426 Abs. 1 BGB ist gemäß §§ 195, 199 BGB jedenfalls Ende 2018 und damit vor Erhebung der hiesigen Feststellungsklage verjährt. Es wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil (LGU 12, 13) Bezug genommen.
Gegen die dortigen Ausführungen, insbesondere zur Kenntniserlangung der Klägerinnen von den maßgeblichen Umständen spätestens mit der Entscheidung der EU-Kommission im Jahr 2015, wendet sich die Berufung zu Recht nicht.
Ohne Erfolg wiederholt die Berufung die bereits erstinstanzlich geäußerte Auffassung, der Rückgriffsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB sei nicht verjährt, da § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf die Verjährung des Rückgriffsanspruchs gemäß § 426 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden sei, da insoweit eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage bestehe. Dem ist nicht zu folgen.
Zwar findet § 33 Abs. 5 GWB 2005 zeitlich auf etwaige Schadenersatzansprüche Anwendung, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der Norm begangen wurden, im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 33 Abs. 5 GWB 2005 aber noch nicht verjährt waren (BGH, Urteil vom 12.6.2018 - KZR 56/16 - Grauzementkartell II Rn. 61ff., zit. nach juris). Doch ist § 33 Abs. 5 GWB 2005, der die Verjährung von Schadenersatzansprüchen zum Gegenstand hat, nicht auf Gesamtschuldnerausgleichsansprüche entsprechend anwendbar.
Es besteht bereits keine Regelungslücke, da der Gesamtschuldnerausgleich bereits vor der 9. GWB-Novelle abschließend und umfassend durch §§ 830, 840ff., 421ff. BGB geregelt war. Es gelten die allgemeinen Verjährungsregelungen.
Zudem besteht auch keine vergleichbare Interessenlage. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/3640, S. 55) soll § 33 Abs. 5 GWB 2005 die Durchsetzbarkeit kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche sichern. Damit sollte erreicht werden, dass individuell Geschädigte tatsächlich in den Genuss der Tatbestandswirkung nach § 33 Abs. 4 GWB aF kommen können und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche beispielsweise nach Ablauf eines langwierigen Bußgeldverfahrens nicht bereits verjährt sind. Es ergibt sich nicht, dass demgegenüber Kartellbeteiligte, die anders als individuell Geschädigte regelmäßig in einem deutlich früheren Zeitpunkt Kenntnis der relevanten Tatsachen haben, zur Durchsetzung des Rückgriffsanspruchs eines solchen Schutzes bedürfen.
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen (Bl. 409 d.A.) spricht gerade die Neuregelung in § 33h Abs. 7 GWB iVm § 33d Abs. 2 GWB durch 9. GWB-Novelle gegen die Annahme, es habe für die Hemmung der Verjährung des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB eine planwidrige Lücke bestanden, die durch § 33 Abs. 5 GWB 2005 zu schließen sei. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/10207, S. 66f.) heißt es:
„Gegenseitige Ansprüche der Gesamtschuldner auf Ausgleichung nach § 426 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind bisher in der Regel bereits verjährt, wenn der Schadenersatz nach § 33a Absatz 1 bei den Schädigern geltend gemacht wird. Ihre Verjährung beginnt bisher bereits, wenn der Ausgleichsberechtigte Kenntnis von den Umständen hat, die einen Anspruch des Gläubigers im Außenverhältnis gegen den Ausgleichsverpflichteten begründen, von denjenigen Umständen, die einen Anspruch des Gläubiger gegen ihn selbst begründen, sowie von denjenigen Umständen, die das Gesamtschuldverhältnis begründen und schließlich von den Umständen, die im Innenverhältnis die Ausgleichspflicht begründen (BGH, Versäumnisurteil vom 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08 -, BGHZ 181, 310-317, Rn. 21, juris). Diese erforderlichen Kenntnisse liegen regelmäßig bereits bei der Begründung des Verstoßes vor und damit oft mehr als 3 Jahre vor der Geltendmachung und Leistung von Schadensersatz. Der Ausgleich unter den Gesamtschuldnern muss deshalb bislang nach § 426 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verbindung mit dem an den leistenden Gesamtschuldner übergegangen Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden. Allein durch die Verlagerung des Verjährungsbeginns für den Ausgleichsanspruch auf den Zeitpunkt der Umwandlung von einem Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch ist auszuschließen, dass der Geltendmachung bei bestimmten Gesamtschuldnern eine Einwendung oder Einrede gegen den Schadensersatzanspruch entgegensteht, die sich auch der leitende Gesamtschuldner entgegenhalten lassen muss.“
Dies bestätigt, dass aus Sicht des Gesetzgebers bis zur Neuregelung §§ 33d Abs. 2, 33h Abs. 7 GWB eine Verjährung des Anspruchs § 426 Abs. 1 BGB eintrat, ohne dass eine analoge Anwendung § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf den Ausgleichsanspruch in Betracht gezogen wurde. Dem begegnete der Gesetzgeber im Rahmen der 9. GWB-Novelle durch die Verlagerung des Verjährungsbeginns; für die der Regelung § 33 h Abs. 7 GWB nF noch nicht unterfallenden Fälle scheidet daher eine analoge Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB 2005 aus.
2. Die Klage hat ebenso keinen Erfolg, soweit die Klägerinnen das Bestehen von Ansprüchen auf Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 Abs. 2 BGB festgestellt wissen wollen.
a) Die Klage ist unzulässig, da das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) fehlt.
aa) Die Klägerinnen begründen das erforderliche Feststellungsinteresse in erster Linie damit, dass sie ein berechtigtes Interesse hätten, die Verjährung ihrer Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte durch die hiesige Klage zu hemmen.
Hieraus können die Klägerinnen das Feststellungsinteresse nicht herleiten. Denn sie können durch die hiesige Feststellungsklage vor Übergang der Forderungen etwaiger Abnehmer auf sie die Verjährung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 2 BGB iVm § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 81 EGV bzw. § 33 ff. GWB nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen.
(1) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung einer Leistungsklage gehemmt. Diese Vorschrift setzt - ebenso wie schon § 209Abs. 1 BGB aF - eine Klage des Berechtigten voraus. Zwar enthält § 204Abs. 1 Nr. 1 BGB - anders als § 209Abs. 1 BGB aF - nicht mehr ausdrücklich dieses Tatbestandsmerkmal. Am sachlichen Erfordernis einer Berechtigung des jeweiligen Klägers hat sich aber nichts geändert. Denn nach der Begründung des Gesetzentwurfs zur Modernisierung des Schuldrechts wollte der Gesetzgeber lediglich aus systematischen Gründen die in § 209Abs. 1 BGB aF vorgesehene Unterbrechung der Verjährung in eine Hemmung umwandeln. Davon abgesehen sollte § 204Abs. 1 Nr. 1 BGB aber der Vorschrift des § 209Abs. 1 BGB aF weiterhin entsprechen (BT-Drs. 14/6040, S. 113; BGH, Urteil vom 9.12.2010 -III ZR 56/10, BGH, Urteil vom 24.2.2022 - VII ZR 13/20; BGH, NJW 2010, 2270, 2271; Meller-Hannich in: Beck-online, BGB, § 204 Rn. 30.1).
Die damit für die Hemmungswirkung maßgebliche Berechtigung setzt die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis voraus. Berechtigter ist somit der Rechtsinhaber, es sei denn, es fehlt ihm ausnahmsweise diese Befugnis, wie etwa im Falle der Insolvenz oder der Nachlassverwaltung. Berechtigter kann auch der materiell-rechtlich wirksam zur Durchsetzung einer Forderung Ermächtigte sein (vgl. BGH, aaO - III ZR 56/10).
Demgegenüber hemmt die Klage eines Nichtberechtigten nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung (BGH, NJW 2010, 2270, 2271). Der nachträgliche Erwerb des Rechts durch den als Nichtberechtigten Klagenden führt die Hemmung der Verjährung (erst) ex nunc herbei (BGH, NJW 1995, 1675, 1676, Meller-Hannich, aaO, Rn. 36; Petrasincu, NZKart 2014, 437, 441).
Auf dieser Grundlage ergibt sich, dass die hiesige Feststellungsklage der Klägerinnen nicht zur Hemmung der Verjährung etwaiger Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 2 BGB führen kann. Denn derzeit sind etwaige Schadenersatzansprüche von Abnehmern des X-Kartells, die die Klägerinnen gemäß § 426 Abs. 2 BGB gegenüber der Beklagten geltend machen wollen, nicht auf die Klägerinnen übergegangen. Inhaber etwaiger Schadenersatzansprüche sind die Abnehmer. Erst wenn die oder einzelne der Klägerinnen etwaige geschädigte Abnehmer befriedigen, geht der Schadenersatzanspruch im Ausmaß der Ausgleichsberechtigung gemäß § 426 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes auf den leistenden Gesamtschuldner - hier: die Klägerinnen - über (§ 426 Abs. 2 S. 1 BGB) (Heinemeyer in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage, 426 Rn. 42). Daher kann die von den Klägerinnen als Nichtberechtigte erhobene Feststellungsklage die Verjährung etwaiger zukünftig sie übergehender Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 2 BGB nicht hemmen (vgl. auch Petrasincu, NZKart 2014, 437, 441).
(2) Ohne Erfolg machen die Klägerinnen geltend, die Streitverkündung seitens des Nichtberechtigten führe gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB zur Hemmung der Verjährung, so dass nichts anderes für die Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gelten könne.
Dem ist bereits im Ausgangspunkt nicht zu folgen. Auch für die Streitverkündung gilt, dass die Hemmung der Verjährung voraussetzt, dass sie vom Anspruchsberechtigten ausgeht (BGH, Urteile vom 7.3.2019 - III ZR 117/18 und vom 4.3.1993 - VII ZR 148/92; Meller-Hannich, aaO Rn. 252, Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 204 Rn. 77).
Ohne Erfolg verweisen die Klägerinnen demgegenüber auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7.5.2015 (VII ZR 104/14). Die genannte Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, ob ein etwaiger Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB verjährt sei und insbesondere, ob die Verjährung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 1 BGB durch Streitverkündung in einem Vorprozess gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB gehemmt wurde. Aus dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof nach Zurückverweisung das Berufungsgericht für das weitere Verfahren darauf hinwies, dass sich das Berufungsgericht auch mit dem Anspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB zu befassen habe, lässt sich entgegen der Auffassung der Berufung nicht entnehmen, dass der Bundesgerichtshof der Auffassung wäre, dass die Streitverkündung vor Forderungsübergang die Verjährung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 2 BGB hemmte. Dass der Anspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB im dortigen Rechtsstreit nicht verjährt sei, kann dem Hinweis des Bundesgerichtshofs nicht entnommen werden. Andernfalls wäre jedenfalls zu erwarten gewesen, dass sich der Bundesgerichtshof mit seiner zuvor geäußerten Auffassung auseinandergesetzt hätte, wonach alle zur Unterbrechung der Verjährung kraft Gesetzes geeigneten Handlungen voraussetzten, dass der Berechtigte einen bestimmten Anspruch erhebt (BGH, Urteil vom 4.3.1993 - VII ZR 148/92).
(3) Die Klägerinnen können durch die hiesige Feststellungsklage auch nicht deshalb die Verjährung von Ausgleichsansprüchen gemäß § 426 Abs. 2 BGB hemmen, weil wegen der Beteiligung am X-Kartells bereits jetzt ein Gesamtschuldverhältnis zwischen den Klägerinnen und der Beklagten besteht.
Eine positive Feststellungsklage hemmt die Verjährung, soweit damit ein sich aus einem Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ergebender Anspruch festgestellt werden soll. Eine Hemmung tritt nicht bereits ein, wenn nur das dem Anspruch zugrunde liegende Rechtsverhältnis festgestellt werden soll (Henrich in: Beck-OK BGB, 63. Edition, § 204 Rn. 3). Daher kann eine Hemmung nur herbeigeführt werden, wenn die Klage auf den Ausgleichsanspruch zwischen den Parteien selbst gerichtet ist und nicht lediglich auf das zugrundeliegende Rechtsverhältnis, hier: das Gesamtschuldnerverhältnis aufgrund der Beteiligung am Kartell.
Dem entsprechen auch die Klageanträge, nach denen nicht etwa festgestellt werden soll, dass die Klägerinnen und die Beklagten Beteiligte des X-Kartells sind oder grundsätzlich für Schadenersatzansprüche gesamtschuldnerisch haften. Vielmehr soll - auch zweitinstanzlich - festgestellt werden, dass die Beklagte den Klägerinnen zum anteiligen Ausgleich von Zahlungen verpflichtet ist, die die Klägerinnen über ihren Verantwortungsteil hinaus an Geschädigte leisten.
(4) Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Hemmung der Verjährung für die Bejahung des Feststellungsinteresses nicht deswegen zu unterstellen, weil es sich um eine doppelrelevante Tatsache handelte.
Eine Beweiserhebung bezüglich der schlüssig vorgetragenen Tatsachen, welche sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs betreffen, findet im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht statt, die Tatsachen werden als wahr unterstellt (Heinrich in: Musielak/ Voit, ZPO, 19. Auflage, § 1 Rn. 20).
Die Frage, ob die Erhebung einer Feststellungsklage die Verjährung einer Forderung hemmen kann, ist keine vorgetragene Tatsache, sondern eine Rechtsfrage und ist damit keine doppelrelevante Tatsache, die für die Zulässigkeitsprüfung zu unterstellen wäre.
(5) Ohne Erfolg machen die Klägerinnen schließlich geltend, die Rechtsauffassung der Beklagten, ein Gesamtschuldner könne für Ansprüche gemäß § 426 Abs. 2 BGB vor Anspruchsübergang die Verjährung nicht hemmen, führe zu einem untragbaren Ergebnis.
Auch die Klägerinnen stellen nicht in Zweifel, dass es möglich ist, den Anspruch auf Innenausgleich zwischen den Gesamtschuldnern gemäß § 426 Abs. 1 BGB vor Anspruchsübergang zu hemmen. Bereits dies steht der Annahme entgegen, die fehlende Möglichkeit des Gesamtschuldners, vor Befriedigung des Ausgleichsanspruchs verjährungshemmende Maßnahmen für den Anspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB zu ergreifen, führe zu untragbaren Ergebnissen.
Zudem leiten die Klägerinnen die geltend gemachte Untragbarkeit des Ergebnisses letztlich daraus ab, dass sie befürchten müssen, im Außenverhältnis den vollen, auch den auf die Beklagte im Innenverhältnis entfallenden Schaden gegenüber den geschädigten Abnehmern tragen zu müssen, da etwaige Schadenersatzansprüche ihnen gegenüber deutlich später verjähren als gegenüber der Beklagten.
Die spätere Verjährung etwaiger Schadenersatzansprüche gegenüber den Klägerinnen beruht auf deren Entscheidung, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen, während die Beklagte sich entschieden hat, kein solches Rechtsmittel einzulegen. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die spätere Verjährung etwaiger Schadenersatzansprüche und die mögliche Schwierigkeit, Rückgriffsansprüche gegen andere Kartellbeteiligte geltend zu machen, bei der Entscheidung, ob ein Rechtsmittel eingelegt wird, von jedem der Kartellbeteiligten zu berücksichtigen war. Haben die Klägerinnen anders als die Beklagte die Entscheidung getroffen, Rechtsmittel einzulegen, können die sich hieraus für die Klägerinnen ergebenden nachteiligen Folgen dann nicht unter Hinweis auf eine Untragbarkeit des Ergebnisses zu Lasten der Beklagten negiert werden.
bb) Ohne Erfolg machen die Klägerinnen geltend, ein Feststellungsinteresse ergebe sich auch daraus, dass die Beklagte vorliegend bestreite, dass es zu einem kartellbedingten Schaden gekommen sei und hierdurch der gesamtschuldnerische Ausgleichsanspruch der Klägerinnen gefährdet sei.
Hieraus lässt sich ein Feststellungsinteresse für die erhobene Feststellungsklage nicht herleiten. Die Klage ist auf die Feststellung des Bestehens eines Ausgleichsanspruchs im Fall der Erfüllung eines etwaigen Schadenersatzanspruchs eines Abnehmers gerichtet; das Bestehen eines etwaigen kartellbedingten Schadenersatzanspruchs gegenüber den Klägerinnen soll nach dem Klageantrag nicht Gegenstand der Feststellung sein.
Dem Klageantrag und auch dem weiteren Vorbringen der Klägerinnen ist zudem nicht zu entnehmen, in Bezug auf welche konkreten Abnehmer ein kartellbedingter Schaden festgestellt werden sollte. Die Klage wäre daher nicht hinreichend bestimmt. Die abstrakte Beurteilung der Frage, ob irgendein kartellbedingter Schaden vorliegt, kommt nicht in Betracht.
cc) Ohne Erfolg machen die Klägerinnen zweitinstanzlich geltend (Bl. 749 d.A.), eine Drittfeststellungsklage erheben zu können. Sie meinen, als Drittrechtsverhältnis seien mögliche Schadenersatzansprüche von Kartellgeschädigten gegenüber den Klägerinnen auch im Verhältnis zur Beklagten wegen des Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 2 BGB feststellungsfähig, da die Beklagte solche Ansprüche bestreite und die Verjährung drohe.
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist ein Feststellungsinteresse zu verneinen; es gelten die obigen Ausführungen (Buchst bb)) entsprechend:
Die Feststellungsklage ist bereits nicht auf die Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten gegenüber (bestimmten) Abnehmern, sondern auf die Feststellung des Bestehens einer Ausgleichungspflicht der Beklagten gegenüber den Klägerinnen gerichtet.
Da sich weder dem Klageantrag noch dem sonstigen Vorbringen der Klägerinnen entnehmen lässt, in Bezug auf welche Abnehmer das Bestehen einer etwaigen Schadenersatzpflicht der Klägerinnen wegen ihrer Beteiligung am X-Kartell festgestellt werden soll, wäre eine solche Klage zudem nicht hinreichend bestimmt (zur erforderlichen Bestimmtheit des Klageantrags einer Drittfeststellungsklage in dieser Konstellation: Gänswein, NZKart 2016, S. 50, 57).
b) Die Klage auf Feststellung der Ausgleichspflicht der Beklagten gemäß § 426 Abs. 2 BGB ist auch unbegründet.
Mangels Befriedigung etwaiger Geschädigter des X-Kartells durch die Klägerinnen stehen etwaige Schadenersatzansprüche derzeit den Abnehmern zu und sind nicht gemäß § 426 Abs. 2 BGB anteilig auf die Klägerinnen übergegangen. Die Klägerinnen sind daher nicht aktiv legitimiert.
III.
Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie unterliegen (§ 91 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nicht vorliegen. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall.