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Wirtschaftsrecht
06.06.2017
Wirtschaftsrecht
OLG Celle: Handelsvertreterausgleich – Umsatzsteigerungen mit Altkunden

OLG, Urteil vom 16.2.2017 – 11 U 88/16

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2017-1299-2

unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze der Redaktion

Als „wesentliche Erweiterung der Geschäftsverbindung“ eines Handelsvertreters sind auch diejenigen Umsatzsteigerungen bei Altkunden anzusehen, die einen Prozentsatz von mehr als 50% erreichen.

HGB § 89b Abs. 1 S. 2

Sachverhalt

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Erstellung eines Buchauszugs, nachfolgende Provisionsabrechnung und -auszahlung sowie auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs in Anspruch.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat im Wege des Teilurteils der Stufenklage hinsichtlich der ersten Stufe (Buchauszug) stattgegeben sowie den Antrag auf Verurteilung auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs zum überwiegenden Teil für begründet erachtet. Zur Begründung·hat es ausgeführt, dass der Klägerin der begehrte Buchauszug gemäߧ 87 c Abs. 2 HGB auch unter Berücksichtigung der bisher übermittelten Provisionsabrechnungen zustehe und es nicht Sache des Handelsvertreters sei, sich aus der Gesamtheit der ihm übermittelten Unterlagen die in einen Buchauszug gehörenden Einzelheiten selbst zusammenzustellen. Der Anspruch sei auch nicht verjährt, weil die Verjährungsbestimmung in Ziffer 10 des Handelsvertretervertrages unwirksam sei und sich die Verjährung somit nach der gesetzlichen Regelung richte. Der begehrte Ausgleichsanspruch sei dem Grunde nach gegeben, in der Höhe indes auf einen Betrag von 36.356 89 € brutto begrenzt. Für die Berechnung des Rohausgleichs sei von der Provision im letzten Jahr in Höhe von 18.000,00 € netto auszugehen. Dabei seien die in der Liste K 15 angegebenen Altkunden mit Provisionen in Höhe von insgesamt 35.631,52 € nicht in die Berechnung mit einzubeziehen, weil die diesbezüglichen·Umsatzsteigerungen nicht so wesentlich seien, dass gleichsam von der Werbung neuer Kunden gesprochen werden könne: Berücksichtigt werde allerdings der Neukunde St., da mit ihm in den Jahren 2009 und 2010 keine Umsätze erzielt worden seien. Anders sei dies bei den Kunden Apotheke A und Apotheke B, weil die Beklagte aufgezeigt habe, dass diese bereits seit 2007 bzw. 2000 ihre Produkte bezogen hätten. Ausgehend von Neukundenumsätzen von 98.803,19 € im Basisjahr 2012 und einem Provisionssatz von 20 % ergebe sich mithin ein Betrag von 19.760,84 €, der indes im Hinblick auf die Promotionsware auf 18.000,00 € netto zu kürzen sei. Bei einem Prognosezeitraum von (regelmäßig) vier Jahren, einer Abwanderungsquote von 20·% und einer Abzinsung mit einem Zinssatz von 5% belaufe sich der Rohausgleich daher auf 38.190,01 € netto zuzüglich Mehrwertsteuer(= 45.446,11 € brutto). Von einer (teilweisen) Vorwegerfüllung des Ausgleichsanspruchs sei nicht auszugehen. Allerdings sei der Ausgleichsanspruch aus Billigkeitsgründen um insgesamt 20 % zu kürzen. Hintergrund seien „unangebrachte Außerungen“ der Klägerin in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 25. November 2012 sowie die "gescheiterte Anrechnung" von Teilen ihrer Provisionen.

Gegen dieses Urteil, auf dessen weitere Begründung·im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird (vgl. § 540 Abs. 1 ZPO), wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.

Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Klagebegehren im·Hinblick auf die Zahlung eines höheren Ausgleichsanspruchs weiter und beantragt – neu –·die Zahlung·vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten: Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2017 (BI. 195 d. A..) hat sie ihren Verzicht auf einen weiteren Ausgleichsanspruch erklärt, soweit Kunden und Provisionen betroffen seien, die nicht in den in Anlage K 15 genannten Umsätzen enthalten sind. Zudem wendet sie sich gegen das Berufungsvorbringen der Beklagten und verteidigt·insofern das angefochtene Urteil. lm Übrigen wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 19. Mai 2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Stade, Az. 9 O 125/15 zu verurteilen,

1. im Wege eines Buchauszuges gemäß § 87 c Abs. 2 HGB der Klägerin Auskunft zu erteilen über alle Geschäfte, die in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis 30. November 2012 mit Kunden zustande gekommen sind, deren Geschäftssitz in dem Postleitzahlengebiet 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76 und 77 liegen.

Der·Buchauszug hat alle Geschäfte, die mit Apotheken oder Kosmetikinstituten mit Sitz in dem genannten Gebiet hinsichtlich der Produkte der Marke „La mer“ abgeschlossen sind, zu enthalten. Geschäfte mit dem Kunden S. in A. hat der Buchauszug nicht zu enthalten. Der Buchauszug hat alle Geschäfte, die in der genannten Zeit zustande gekommen sind, in zeitlicher Reihenfolge zu nennen und bei jedem Geschäft mindestens folgende Angaben zu enthalten:

-         vollständiger Name und Anschrift des Kunden,

-         Datum, Art, Zahl und Preis der bestellten Produkte,

-         Datum und Umfang der Auftragsbestätigungen,

-         Datum und Umfang der Auslieferungen,

-         Datum und Höhe der Rechnungstellungen,

-         Datum und Höhe der Kundenzahlungen,

-         Datum und Umfang eventueller Nichtauslieferungen oder geänderter Ausführungen und deren Gründe,

-         Datum und Umfang eventueller Nichtzahlungen·oder veränderter Zahlungen und deren Gründe;

2. der Klägerin 46.925,08 € nebst Verzugszinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.·Januar 2013 als Ausgleich·gemäß § 89 b HGB zu zahlen;

3. der Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von netto 1.642,40 € zu erstatten;

sowie,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des·am 19. Mai 2016 verkündeten und am 23. Mai 2016 zugestellten Urteils des Landgerichts Stade, Az.: 8 O 125/15, die Klage abzuweisen,

sowie,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend wendet sie hinsichtlich der Verzichtserklärung der Klägerin ein, dass es für das Zustandekommen eines zweiseitigen Vertrages an·ihrer, der Beklagten, Annahme fehle. Zudem sei es der Klägerin verwehrt, im vorliegenden Verfahren einen höheren Ausgleichsanspruch geltend zu machen, als sie ihn vorprozessual innerhalb·der Frist des§ 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB beziffert habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteiverbringens und des Sach- und Streitstands·im Übrigen wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie·auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Aus den Gründen

 

II.

1. Eine Aufhebung und Zurückverweisung·gemäß § 538 Abs: 2 Nr. 7 ZPO kommt nach der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Januar 2017 (BI. 195 d. A.) abgegebenen „Verzichtserklärung“ nicht in·Betracht.

 

a) Die im Hinweisbeschluss des Senats vom·29.·Dezember 2016 (BI. 178 ff. d. A.) geäußerten Bedenken, dass es sich bei dem·angefochtenen Urteil um ein unzulässiges Teilurteil handeln dürfte, haben sich durch die genannte Stellungnahme der Klägerin erledigt. Die·Klägerin hat nämlich klargestellt,·dass sie den von ihr geltend gemachten Handelsvertreterausgleichsanspruch auf diejenigen „Kunden und Provsionen“ beschränke, deren Umsätze in der „Anlage K 15 ... enthalten sind“. Auch wenn es sich insofern um eine Teilklage handelt, stehen somit deren Berechnungsgrundlagen und der·damit abgegoltene Betrag fest, sodass sowohl die Teilklage als auch das Teilurteil zulässig sind (vgl. Emde, Großkommentar HGB, 5. Aufl. 2008, § 89 b, Rn. 352; OLG Stuttgart, Urteil vom 16. Juli 2015 – 13 U 64/14, juris Rn. 32). Die klarstellende Erklärung der Klägerin  stellt auch nicht im Widerspruch zu ihrem Vortrag in der Klageschrift; bereits dort hat sie den von ihr mit 46.925,08 € bezifferten Ausgleichsanspruch ausschließlich auf die in der Kundenliste Anlage K 15 genannten Kunden und Umsätze gestützt. Bei einer Beschränkung auf diese Tatsachengrundlage ist es indes ausgeschlossen, dass es für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs (auch) auf die für den Zeitraum 1. Januar bis 30. November 2012 (etwa weiteren) zu verprovisionierenden Geschäfte ankommt, zu denen – soweit dagegen gerichtete Rechtsmittel der Beklagten  erfolglos bleiben – Auskunft durch den Buchauszug zu erteilen ist. Daher kann auch nicht die vom Senat zunächst „befürchtete“ Situation eintreten, dass eine gleichsam „vorgezogene“ Berechnung des Handelsvertreterausgleichs möglicherweise im Widerspruch zu einer etwaigen Verurteilung der Beklagten in der zweiten Stufe (Zahlung weiterer Provisionen) stünde.

 

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten bedurfte die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Januar 2017 (Bl. 195 d. A.) abgegebene Erklärung auch keiner „Annahme“ durch die Beklagte. Die Erklärung ist nicht als Angebot zum Abschluss eines Erlassvertrages auszulegen,·denn das Bestehen eines weitergehenden Ausgleichsanspruchs ist offen. Selbst wenn es sich bei der „Verzichtserklärung“ um einen (Teil-)Verzicht im Sinne des § 306 ZPO gehandelt hätte, hätte die Erklärung gegenüber dem Senat genügt („einseitige 'Prozesshandlung“, vgl.·Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., Vor § 306, Rn. 12). Erst recht gilt dies bei der – wie oben ausgeführt – vom Senat angenommenen·Klarstellung.

 

III.

Das Landgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Erteilung des beantragten Buchauszuges zu Recht bejaht. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist unbegründet:

 

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfüllen die „beispielhaft" vorgelegte Provisionsabrechnung für Oktober 2012 (Anlage B 16), die als Anlage B 17 vor­ gelegte Provisionsübersicht und die ebenfalls „beispielhaft“ vorgelegten, auf zwei einzelne Kunden ausgestellten Rechnungen vom 29. Oktober 2012 (Anlagen B 18 und 8 19) auch dann nicht die an einen ordnungsgemäßen Buchauszug zu stelIenden Anforderungen, wenn die entsprechenden Provisionsabrechnungen nebst Rechnungskopien – wie von der Beklagten behauptet – „wie bei jeder anderen Monatsabrechnung auch“ an die Klägerin übermittelt worden sind.

 

a) Provisionsabrechnungen können einen Buchauszug nur dann·ersetzen, wenn sie sich lückenlos über den gesamten Vertragszeitraum erstrecken und wenn sie entweder zusätzlich alle in einen Buchauszug aufzunehmenden·Angaben enthalten oder der Unternehmer mit ihrer Überarbeitung Angaben macht, die für einen ordnungsgemäßen Buchauszug erforderlich sind (BGH, Urteil vorn 21. März 2001 – VIII ZR 149/99, juris [BB 2001, 1058], Rn. 32). Die von der Beklagten im Streitfall vorgelegten Abrechnungen mit Rechnungskopien genügen diesen Anforderungen indes nicht. Es fehlen zum Beispiel Angaben zur Stornierung von Verträgen/Lieferungen nebst Gründen·sowie die Darstellung der Unterhaltungsmaßnahmen, des Weiteren Angaben zur Nichtzahlung wegen Reklamationen oder zum Datum und Umfang der jeweiligen Aufträge und zu den Auftragsbestätigungen (vgl. zu diesen Anforderungen: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 37. Aufl. § 87 c, Rn. 15 m.w.N.).

 

b) Der Einwand der Beklagten (vgl. BI. 147 d. A.)/die Klägerin wisse genau, dass es im relevanten Zeitraum „keinerlei Nichtauslieferungen oder veränderte Zahlungen oder aber Nichtzahlungen der Kunden'' gegeben habe, ist nicht nur substanzarm (woher soll die Klägerin das wissen?), sondern er erfasst jedenfalls nicht das Erfordernis, auch zu Auftragsbestätigungen Auskunft zu erteilen.

 

2. Der Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Buchauszugs ist auch nicht verjährt.·

 

a) Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil (Seite 9 LG.U, BI. 94 d. A.), die er sich zu Eigen macht: Danach ist die Klausel in Ziffer 10 des Handelsvertretervertrages (HW) unwirksam, weil sie die Fälle groben Verschuldens nicht ausnimmt.

 

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Grundgedanke des§ 309 Nr. 7 BGB im Übrigen hier auch trotz der Kaufmanns-/Unternehmereigenschaft der Parteien (vgl. hierzu § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB) anwendbar, denn gemäß § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB findet § 307 Abs. 1 und 2 BGB „insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in ... § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt“,  wo­ bei „auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ... angemessen Rücksicht zu nehmen“ ist.

Danach können die Klauselverbote aus § 309 BGB über § 307 BGB (auch) im Verkehr zwischen Unternehmern zu beachten sein (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 307 Rn. 38), wobei ein Verstoß gegen § 309 BGB ein Indiz für die Unwirksamkeit der Klausel ist. Bei der diesbezüglichen Bewertung ist grundsätzlich zu prüfen, ob die betroffenen Rechtsgedanken oder Rechte im Verkehr zwischen Unternehmern einen anderen Stellenwert haben oder ob der Verwender dargetan hat, dass im·Ergebnis keine unangemessene Benachteiligung des anderen Teils vorliegt (vgl. Palandt, a.a.O., Rn. 40). Dabei gilt jedoch: Ein Haftungsausschluss – wie hier – für grobes Verschulden·des Verwenders, seiner gesetzlichen Vertreter und leitenden oder einfachen. Erfüllungsgehilfen ist mit § 307 BGB unvereinbar (vgl. Palandt. a.a.O., § 309 Rn. 55 unter Hinweis u. a. auf BGH, Versäumnisurteil vom 19. September 2007 – VIII ZR 141/06, juriS [BB 2007, 2649], Rn. 13).

Der Einwand der Beklagten in der Berufungsbegründung (Seite 314, BI. 145/146 d.·A.), Ansprüche wegen Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei groben Verschulden seien nicht tangiert, ist unbehelflich.

Da die Regelung im Handelsvertretervertrag keine Einschränkung enthält, erfasst sie auch die o. g.– hier nicht streitgegenständlichen – Ansprüche und ist daher insgesamt unwirksam.

 

c) Daher bleiben auch die Einwände·der Beklagten, die Klägerin sei „umfassend rechtlich beraten“ gewesen: und die Verjährungsverkürzung sei „von beiden Seiten zu beachten“, ohne Erfolg.

 

d) Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz unter Angebot eines Zeugenbeweises (vgl. BI. 146 d. A.) behauptet hat, bei der Regelung in Ziffer 10 HVV handele es sich gar nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern sei individuell vereinbart worden,·ist dieses (streitige) Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet und nicht zuzulassen. Die Klägerin hatte in der·Klage (BI. 8 d. A.) nämlich ausdrücklich zum AGB-Charakter der Klausel und der daraus folgenden Unwirksamkeit vorgetragen; die Beklagte ist dem erstinstanzlich lediglich mit der Ansicht entgegengetreten, die Klausel stelle keine unangemessene Benachteiligung – der Klägerin dar (vgl. BI. 28·d. A.).

Daher ist ihr jetziger neuer (Tatsachen-)Vortrag nicht zuzulassen,·ohne dass es auf den von der Beklagten angesprochenen Umstand ankommt,·dass die Klägerin·darauf im Berufungsverfahren erst nach Ablauf der Replikfrist erwidert hat.

 

3. Die Berufung der Beklagten gegen die Zuerkennung eines Handelsvertreterausgleichs der Klägerin ist unbegründet; die auf Titulierung eines höheren Ausgleichsanspruchs gerichtete Berufung der Klägerin hat dagegen in erheblichem Umfang Erfolg:

 

a) So wendet sich die Klägerin zu Recht dagegen, dass das Landgericht die in der Liste K 15 angegebenen Altkunden (vgl. „S.“ bis „S.-F.“) mit Provisionen im Jahr 2012 in Höhe von 35.631,22 € pauschal nicht berücksichtigt hat. Grundsätzlich ist im Rahmen der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nämlich auf die Geschäftsverbindung zu jedem einzelnen Altkunden abzustellen; eine Pauschalbetrachtung der Gesamtgruppe der Altkunden scheidet aus (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2001 – 11 U 355/98, juris,·Rn. 3).

 

b) Allerdings trifft es zu, wie das Landgericht festgestellt hat, dass die Umsatzsteigerungen (zumindest auch – vgl. BGH, Urteil vom 6. August 1997 – VIII ZR 92/96, juris [BB 1997, 2609], Rn. 48) auf einer Intensivierung der Vermittlungsbemühungen des Handelsvertreters beruhen müssen, was grundsätzlich der Handelsvertreter zu beweisen hat (vgl. Thume, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 89 b HGB, juris, Rn. 71; siehe auch BGH, Urteil vom 3. Juni 1971 - VII ZR 23/70, juris, Rn. 20 f.).

 

aa) Die Klägerin hat hier nach Auffassung des Senats aber ebenfalls zutreffend auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 3. Juni 1971, a.a.O·.) verwiesen, nach der der Unternehmer „Stichhaltiges“ dafür vortragen muss, dass die Umsatzsteigerung nicht auf die Bemühungen des Handelsvertreters zurückzuführen ist, anderenfalls die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Steigerung auf solchen Bemühungen beruht.

Die Beklagte hat insofern zwar „Aktionen für Promotion“ (vgl. z. B. BI. 31 d. A.) vorgetragen. Dieses Vorbringen der Beklagten ist indes nicht so substantiiert, dass damit zu einer das übliche Maß übersteigenden Werbung vorgetragen wäre (vgl. auch hierzu: B. GH, Urteil vom. 3. Juni 1971, a.a.o., Rn. 22). Es fehlt daher an konkreten Anhaltspunkten, dass die Vermittlungsbemühungen der Klägerin hier nicht (mit-)ursächlich waren.

 

bb)·Da die Umsatzsteigerung bei den Altkunden indes nur Berücksichtigung finden kann, wenn sie wesentlich ist und hierfür nach bisheriger Rechtsprechung eine Umsatzverdoppelung erforderlich ist (vgl. Thume, a.a.O., Rn. 70), hält es der Senat jedenfalls für sachgerecht,·die Umsatzsteigerung·beim Kunden Pucciarelli mit rund 119 % (= ein Betrag von 3.252,58 €) einzubeziehen.

 

cc) Darüber hinaus hat die Klägerin aber auch mit Recht eingewandt, dass diese (nationale) Rechtsprechung im Lichte des Artikel 17. Abs. 2 a der Handelsvertreterrichtlinie (RL 86/653/EWG des Rats vom  18. Dezember 1986), in dem die Formulierung „wesentlich erweitert“ nicht an eine Umsatzverdoppelung gekoppelt ist, nicht-zu halten sein dürfte (vgl. Baumbach/Hopt, a.a.O., § 89 b, Rn. 13 m.w.N. sowie§ 84, Rn. 3).

Als "wesentliche Erweiterung“ sind nach Ansicht des Senats daher auch diejenigen Umsatzsteigerungen anzusehen, die einen Prozentsatz von mehr als 50 % erreichen. Dies betrifft hier die weiteren Altkunden L. (57,54 %) mit 7.108,71 €, H. (75,53 %) mit 2.745,87 € und S.-F. (76,24 %) mit 1.365,71 € (vgl. die Prozentzahlen im Klägerschriftsatz BL 123 d. A:).

Insgesamt sind danach gegenüber der Berechnung des Landgerichts weitere Provisionen für die Altkunden in Höhe von 14.472,57 € zu berücksichtigen.

 

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landgericht den Kunden S. zu Recht berücksichtigt.

Die Beklagte hat zwar behauptet, dass dieser seit dem·Jahr 2007 La-mer-Kunde gewesen sei; indes hat sie hierzu weder eine Umsatzzahl vorgetragen noch in Abrede gestellt, dass es mit dem Kunden St. von 2008 bis 2010 keine Umsätze gab. Auch hat sie keinen substantiierten Vortrag dergestalt gehalten, dass die·von der Klägerin behaupteten Umsätze mit dem Kunden in den Jahren 2011 und 2012 tatsächlich nicht auf deren Bemühungen beruhten.

Rechtstehler des Landgerichts vermag der Senat insofern daher nicht zu erkennen.

 

d) Des Weiteren sind nach Ansicht des·Senats·auch die Kunden Apotheke A und Apotheke B zu berücksichtigen, denn auch insofern hat die Beklagte lediglich behauptet, dass diese bereits seit August 2007·bzw. seit November 2000 Kunden seien (vgl. Vortrag BI. 30, 31 d. A.), ohne indes frühere Umsatzzahlen zu nennen und ohne den Vortrag der Klägerin·in Abrede·zu stellen, dass es mit diesen Kunden 2008 keine Umsätze gab. Die Beklagte hat auch nicht etwa mit Substanz vorgetragen, dass diese Kunden nicht durch die Bemühungen der Klägerin zu (erneuten) Umsätzen bewegt wurden.

Insofern sind auch die diesbezüglichen weiteren Umsätze in Höhe von 5.271,41 € und 1.939,83 € zu berücksichtigen.

 

e)         Insgesamt ist daher, wie von der Klägerin unter Bezugnahme auf die Anlage K 15 vorgetragen, von Neukundenumsätzen im Jahr 2012 in Höhe von 106.014,43 € auszugehen. Zuzüglich der Altkundenumsätze in Höhe von 14.472,57 € (s.o. unter b, cc)) errechnet sich daraus ein Umsatzbetrag in Höhe von 120.487,00 €, was bei einem Provisionssatz von 20% einen Betrag in Höhe von 24.097,40 € ergibt.

 

f)          Die Berufungsbegründung der Klägerin verhält sich zu der vom Landgericht vorgenommenen Kürzung „im Hinblick auf die Promotionsware“ um ca. 10 %. (vgl. Seite 11 LGU, BI. 96 d. A.). zwar nicht ausdrücklich; die Klägerin hat die betreffende Kürzung bei ihrer Berechnung allerdings·nicht vorgenommen, sodass der Senat davon ausgegangen ist, dass sie diese ebenfalls angreift.

 

aa)       Der Senat versteht die vom Landgericht vorgenommene Kürzung dahin, dass es damit der Regelung in Ziffer 6 Abs. 2 des HW (Anlage K 1) Rechnung tragen wollte. Dort ist bestimmt, dass die Provision für Promotionsartikel grundsätzlich 10 % beträgt.

 

bb)       Unter diesem Aspekt erschien dem Senat der vom Landgericht vorgenommene Abzug gerechtfertigt, sodass von einem Provisionsbetrag in Höhe von 21.687,66 € auszugehen ist (24.097,40 € - 2.409,40 €).

 

g) Den Prognosezeitraum hat das Landgericht mit vier·Jahren bemessen. Dies liegt im üblichen Rahmen von zwei bis fünf Jahren (vgl. OLG München, Urteil vom 14. Mai 2014 – ?l) 2586/13, juris, Rn. 56).Weder der Berufungsbegründung der Klägerin („fünf Jahre“) noch derjenigen der Beklagteb·(„allenfalls drei Jahre“) sind durchgreifende Argumente zu entnehmen; die hier für eine rechts-·bzw. ermessensfehlerhafte Annahme des Landgerichts sprächen. Anhaltspunkte für eine solche Annahme sind auch nicht ersichtlich. Der Senat hat daher den vom Landgericht gewählten Prognosezeitraum von vier Jahren beibehalten.

 

h)         Ähnliches gilt für die vom Landgericht zugrunde gelegte Abwanderungsquote von 20 %.

 

aa)       So trifft die Behauptung der Klägerin nicht zu, dass es bei den Neukunden stetige Umsatzsteigerungen gegeben habe. Die diesbezüglich Einzelbetrachtung der Anlage K 15 ergibt vielmehr ein differenziertes Bild (vgl. z. B. die Kunden R., L., Apotheke·A, Apotheke B, Sch.).

 

bb)       Auch hat die überschaubare Kundenanzahl zur Folge, dass bereits die Abwanderung eines oder zweier größerer Kunden (z. B. S. oder Apotheke C) spürbar ins Gewicht fiele.

 

cc)       Auf der anderen Seite handelt es sich offenbar weitgehend um Stammkunden, sodass eine Abwanderung zwar nicht ausgeschlossen, aber zumindest nicht ganz so wahrscheinlich ist (vgl. zu diesen Argumenten: OLG München, a.a.O., Rn. 58).

Insgesamt erscheint dem Senat die Annahme des Landgerichts jedenfalls ermessensfehlerfrei und vertretbar.

 

i) Der Senat teilt zudem die Ansicht des Landgerichts, dass eine (teilweise) Vorwegerfüllung des Ausgleichsanspruchs durch die Regelung in Ziffer 6 Abs. 2 HVV nicht anzunehmen ist.

Die Regelung verstößt nämlich gegen die zwingende Vorschrift in§ 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB und wäre nur dann rechtswirksam,·wenn die Beklagte darlegen und beweisen könnte, dass die Parteien auch ohne die Anrechnungsabrede keine höhere Provision vereinbart hätten als es dem Teil der Gesamtvergütung entspricht, der nach Abzug des abredegemäß auf den Ausgleichsanpruch anzurechnenden Teils verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 – VII ZR 297/15, juris, Rn. 22).

Es fehlt hier·indes schon an einer diesbezüglichen hinreichenden Darlegung der Beklagten (vgl. ihren Vortrag BI. 147 i.V.m. BI. 32 f. d. A.), jedenfalls aber an einem Beweisangebot.

 

j)          Die vom Landgericht aus Billigkeitsgesichtspunkten gemachten Abschläge in Höhe von 20% hält der Senat dagegen nicht für gerechtfertigt.

 

aa)       Im Hinblick auf die „gescheiterte Anrechnung“ stellte ein solcher Abschlag einen Wertungswiderspruch dar, denn die Anrechnung scheitert hier ja gerade daran, dass die betreffende Vereinbarung im HVV dem zwingenden Recht widerspricht. Sie als „Billigkeitsabschlag“ dann doch zu berücksichtigen, würde diese Rechtsverletzung fortbestehen lassen.

 

bb)       Hinsichtlich der „Diktion der Klägerin in ihrem Schreiben vom 25.11.2012“

(vgl. Anlage B 1O) ist ebenfalls kein Abschlag gerechtfertigt.

Die betreffende Passage lautet:

„Beleidigungen, Unterstellungen, Führungsschwäche und mangelnde Kompetenz von Seitens La mer, nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, führten·bei mir letztlich zu einem diagnostizierten Burnout, welcher bis heute therapeutisch und medikamentös behandelt wird.“

Diese Äußerung ist nach Ansicht des Senats·nicht so grob beleidigend und unangemessen, dass sie eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs fordert. Insbesondere fiel sie auch erst wenige Tage vor Vertragsende und hatte gerade den Hintergrund, dass sich bereits Unstimmigkeiten zwischen den Parteien über den Ausgleichsanspruch ankündigten.

Ob die Äußerung die Beklagte zur fristlosen Kündigung berechtigt hätte, wie sie meint, kann insofern dahinstehen, denn die Beklagte·hat offenbar keinen Anlass zur fristlosen Kündigung gesehen.

 

k) Mit der Beklagten meint der Senat allerdings, dass die sogenannte Sogwirkung der La-mer-Produkte hier einen Billigkeitsabschlag in Höhe von 10 % rechtfertigt.

Die La-mer-Kosmetik ist hochpreisig und vor allem in Apotheken und Kosmetikinstituten erhältlich, das heißt, Apotheken und Kosmetikinstitute, die (auch) La-mer­Produkte in ihr Sortiment aufnehmen, können damit rechnen, besonders kaufkräftige, die Exklusivität der La-mer-Produkte schätzende Kundschaft „anzulocken“. Der Vermittlungsaufwand ist für den Handelsvertreter in solchen Fällen geringer als ohne eine solche Sogwirkung der Marke. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Sogwirkung zum Beispiel sogar für die Automarke „Volvo“ bejaht (Urteil vom 13. Juli 2011 – VIII ZR 17/09, juris, Rn. 29).

Unter Berücksichtigung des genannten Abschlags ergibt sich mithin ein Provisionsbetrag in Höhe von 21.687,66 € (24.097,40 € – 2.409,74 €).

 

l)          Hingegen hält der Senat einen Abschlag wegen der Hilfestellung der Beklagten bei Werbemaßnahmen für nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin hatte sich bei Promotionsware ohnehin mit einem niedrigeren Provisionssatz in Höhe von 10% (vgl. Ziffer 6 Abs. 2 Satz 2 HVV, Anlage K 1), zufriedenzugeben und hat sich dies auch im Rahmen des Ausgleichsanspruchs bereits anrechnen zu lassen (vgl. oben f)). Ein weiterer Abschlag kommt insofern·nicht in Betracht.

 

m)        Unzutreffend bzw. unsubstantiiert ist die Ansicht der Beklagten, es müsse einen Abschlag für ungenügende Bearbeitung des Vertragsgebiets und für Umsatzrückgänge geben.

Die Aufstellung K 15 zeigt, dass es – „unter dem Strich“ von·2009 bis 2012 Umsatzsteigerungen gab. Dass und wie·die Umsatzentwicklung in anderen Vertragsgebieten aussah, hat die Beklagte nicht dargelegt; es fehlt daher schon an einer·Vergleichsgrundlage, sodass auch der insofern angebotene Zeugenbeweis (vgl. BI. 149 A.) nicht zu erheben war.

 

n)         Auch dass die Beklagte der Klägerin möglicherweise höhere Prozentsätze an Provision zahlte als ursprünglich vereinbart, rechtfertigt keinen Abschlag. Die Beklagte wusste, dass sie dazu nach dem HW nicht verpflichtet war (der Versuch, sich dadurch einen teilweisen Verzicht auf Ausgleichsansprüche zu „erkaufen“ (vgl. Anlage K 16), war – wie ausgeführt – rechtlich nicht zulässig und rechtfertigt daher auch keinen Billigkeitsabschlag.

 

4.         Nach alldem errechnet sich daher folgender Ausgleichsanspruch:

a)         Umsatz Basisjahr =                                                                  120.487,00 €

(= Provision Altkunden: 14.472,57 € + Provision Neukunden: 106.014.,43 €);

b)         20% Provision daraus gemäß HVV =                                         24.097,40 €;

c)         nach 10 %-Abschlag wegen Promotionsware (vgl. HVV) =           21 687,66 €

(= 24.097,40 € – 2.409,74 €);

d)         nach 10 %-Billigkeitsabschlag wegen Sogwirkung =                    19.518,89 €

(= 21.687,66 € - 2. '168,77 €);

e)         erstes Vertragsjahr bei 20% Abwanderung =                              15.615;11 €

(=19.518,89 € - 3.903,78 €)

zweites Vertragsjahr bei 20 % Abwanderung =                                       12.492,09 €

(= 15.615,11 € - 3.123,02 €),

drittes Vertragsjahr bei 20% Abwanderung =                                          9.993,67 €

(= 12.492,09 € - 2.498,42 €),

viertes Vertragsjahr bei 20% Abwanderung =                                          7.994,94€

(= 9.993,67 € - 1.998,73 €),

= Provisionsverluste insgesamt:                                                           46.095,81 €;

 

f)          abzüglich Abzinsung für vier Jahre (5 % wie LGU; vgl. im Übrigen die Formel in OLG München, Urteil vom14. Mai 2014 – 7 U 2586/13, juris, Rn. 60):

nicht abgezinster Betrag x [1 geteilt durch [1 + 0,05] hoch 4]

Rechenweg:

(= 46.095,81 €                          x (1 geteilt durch 1,054) )

(= 46.095,81 €                          x (1 geteilt durch (1,22))

(= 46.095,81 €                          X          0,82)

(= 37.798,56 € netto).·

 

g)         a' die Provisionen immer zuzüglich 19 o/o. Mehrwertsteuer gezahlt wurden (vgl. Anlage B 16), ist auch der Ausgleich brutto·zu leisten (vgl. die Argumentation in OLG München, a.a.O., Rn. 68).

Der von der Klägerin zu beanspruchende Ausgleich beträgt daher 44.980,29 € (= 37.798,56 € + 6.181,73 €).

 

h)         Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist der Ausgleichsanspruch der Klägerin schließlich nicht etwa deswegen auf einen Betrag in Höhe von 22.566,43 € beschränkt, weil sie (nur) diesen innerhalb der Frist des § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB geltend gemacht habe.

 

aa)       Eine solche Beschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 89 b Abs. 4 Satz 2 HGB noch aus der diesbezüglichen Kommentarliteratur oder der Rechtsprechung. Im Gegenteil ist anerkannt, dass der Anspruch auch ohne Bezifferung geltend gemacht werden kann (vgl. z. B. Bau bach/Hopt, a. a. O., § 89 b, Rn. 77); damit wäre es nicht vereinbar, eine gleichwohl erfolgte Bezifferung gleichsam als „Ausschlusskriterium“ für einen·höheren Ausgleichsanspruch anzusehen.

 

bb)       Im Übrigen rechtfertigt auch die Formulierung des vorgerichtlichen Schreibens der Klägerin vom 25. November 2012 (Anlage K 6), indem sich die betreffende Bezifferung befindet, nicht die Feststellung, die Beklagte habe „nur“·von der Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs in Höhe von 22.566,43 € durch die Klägerin ausgehen müssen und die Klägerin könne nun (nach den Grundsätzen von Treu und Glauben) keinen höheren Betrag verlangen. Die Klägerin bezeichnete diese Summe dort vielmehr ausdrücklich und mehrfach als „Abfindungsangebot“ und verwies darauf, dass sie „eine faire Einigung erzielen“ wolle und an „einer einvernehmlichen Regelung“ interessiert sei. Damit machte sie der Beklagten ersichtlich ein „Vergleichsangebot“, das diese nicht in der Weise verstehen konnte, dass die Klägerin – sollte es zu einer „gerichtlichen Auseinandersetzung“ kommen – auf höhere Anspruche verzichten wollte.

 

5. Soweit die Klägerin mit der Berufung Verzugszinsen bereits ab dem 1. Januar 2013 begehrt, ist das Vorbringen unschlüssig.

Das Landgericht hat zu Recht auf die Fristsetzung zum 10. September 2013 im Schriftsatz der Klägervertretung vom 21. August 2013 (vgl. Anlage K 9) abgestellt. Vorherige Fristsetzungen hat die Klägerin nicht. vorgetragen. Das Schreiben der Beklagten·vom 4. Dezember 2012, in dem diese eine Zahlung von nur 8.617,27 € anbot (Anlage K 8), endete mit dem Angebot einer „Verständigung und einvernehmlichen Erledigung“ sowie der Anregung zu einem Telefonat; eine Prüfung seitens der Klägerin folgte und mündete in dem genannten Schreiben vom 21. August 2013 nebst Fristsetzung.

 

6.         Der bereits in erster lnstanz mit einer Begründung versehene, in zweiter Instanz aber erst ausdrücklich gestellte Antrag der Klägerin auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren hat keinen Erfolg, weil die Klägerin zur Anspruchsgrundlage nicht schlüssig vorgetragen hat. Es fehlt an den erforderlichen Darlegungen zu einem auf die außergerichtliche Vertretung beschränkten Auftrag sowie zur Zahlung des abgerechneten Betrag.

 

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf§ 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus§ 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, ob im Rahmen der Berechnung eines Handelsvertreterausgleichsanspruchs eine Umsatzsteigerung bei Altkunden nur dann als wesentlich anzusehen ist, wenn – wie nach bisheriger Rechtsprechung – eine Umsatzverdoppelung vorliegt, oder ob – im Lichte des Artikel 17 Abs. 2 a der Handelsvertreterrichtlinie, in dem die Formulierung „wesentlich erweitert“ nicht an eine Umsatzverdoppelung gekoppelt ist – als „wesentliche Erweite­ rung“ auch diejenigen Umsatzsteigerungen anzusehen sind, die einen Prozentsatz von mehr als 50 % erreichen, grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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