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Wirtschaftsrecht
06.12.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Karlsruhe: Handelsvertreter als Arbeitnehmer

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.10.2012 - 19 W 77/12

Leitsatz

Ein Handelsvertreter, der kraft vertraglicher Regelung nur -hauptberuflich- für den Unternehmer tätig sein darf, ist als sogenannter Einfirmenvertreter im Sinne von § 5 Abs. 3 ArbGG, bzw. § 92 a Abs. 1 HGB anzusehen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.

Sie schlossen am 08. August 2006 mit Wirkung zum 01. September 2006 einen „X- Consultant-Vertrag". Nach § 1 des Consultant-Vertrages ist der Consultant als selbständiger Gewerbetreiber im Sinne von §§ 84 ff. HGB tätig und in der Bestimmung des Ortes und der Zeit seiner Tätigkeit frei. Der Consultant darf gemäß § 2 des Vertrages hauptberuflich nur für die Klägerin tätig sein und nur deren Dienstleistungen und die von ihr freigegebenen Finanzprodukte vermitteln; eine Beteiligung - gleichgültig welcher Art - an Konkurrenzunternehmen ist ihm mit Ausnahme des Erwerbs börsengängiger Wertpapiere untersagt. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Regelungen wird auf die in Kopie zu den Akten gereichte Vertragsurkunde Bezug genommen (K 1).

Mit Schreiben vom 28. März 2011 kündigte der Beklagte den Consultant-Vertrag zum 31.03.2011 (K 2). Die Klägerin „bestätigte" die Kündigung zum 01. Juli 2011. Darüber, dass das Vertragsverhältnis somit zum 01. Juli 2011 geendet hat, besteht kein Streit. Der Beklagte entfaltete seit Ausspruch der Kündigung keine Tätigkeiten mehr für die Klägerin.

Mit ihrer beim Landgericht erhobenen Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in Höhe von 10.103,34 Euro nebst Zinsen und Kosten.

Das Landgericht hat den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig angesehen und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin.

Aus den Gründen

II.

Die gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V. mit § 567 Abs. 1 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige (§§ 569 Abs. 1 und Abs. 2, 571, 572 ZPO) sofortige Beschwerde ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen.

Der von der Klägerin bestrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist nicht eröffnet. Vielmehr ist im Streitfall die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG begründet.

1. Allerdings ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a), § 5 Abs. 1 ArbGG.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a) ArbGG sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Um eine solche Rechtsstreitigkeit handelt es sich hier nicht. Der Beklagte leitet seine Rechtsauffassung ausschließlich aus den Bestimmungen des oben genannten Vertrages her (siehe Seiten 3 ff. der Klagerwiderung). Der Senat teilt diese Rechtsauffassung nicht. Vielmehr sind die Bestimmungen des Consultant-Vertrages in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW - RR 2011, 1255 unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zum Consultant-Vertrag der Klägerin) dahin zu würdigen, dass der Beklagte für die Klägerin nicht als Arbeitnehmer, sondern als Handelsvertreter tätig war.

2. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich im Streitfall aber aus § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG.

Nach dieser Bestimmung gelten Handelsvertreter nur dann als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92 a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann und wenn sie während der letzten 6 Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000,00 Euro aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Aufwendungsersatz bezogen haben. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

a) Die Consultants der Klägerin sind als sog. Einfirmenvertreter im Sinne von § 5 Abs. 3 ArbGG anzusehen.

Einfirmenvertreter ist nach § 92 a HGB derjenige Handelsvertreter, dem die Tätigkeit für einen anderen Unternehmer entweder aufgrund seines Handelsvertretervertrags verboten („Einfirmenvertreter kraft Vertrags") oder wegen Art und Umfang der von ihm geschuldeten Dienstleistungen tatsächlich nicht möglich ist („Einfirmenvertreter kraft Weisung"). Im Fall des „Einfirmenvertreters kraft Vertrags" muss der Handelsvertretervertrag eine weitere gewerbliche Betätigung ausdrücklich untersagen oder von einer Genehmigung des Unternehmers abhängig machen. Nur mittelbar wirkende vertragliche Einschränkungen einer weiteren Betätigung wie ein Wettbewerbsverbot oder das Gebot, die volle Arbeitskraft der Erfüllung des Vertrags zu widmen, begründen die Eigenschaft als Einfirmenvertreter kraft Vertrags hingegen nicht (vgl. Baumbach / Hopt, HGB, 35. Aufl., § 92 a Rn. 3 m.w.N.).

Die Klausel in § 2 Nr. 1 Satz 1 des Consultant-Vertrags („Der Consultant darf während der Vertragszeiten nur - hauptberuflich - für die X tätig sein und die X-Dienstleistungen und die von X freigegebenen Finanzprodukte vermitteln.") ist dahin auszulegen (§§ 133, 157 BGB), dass es dem Beklagten untersagt ist, als Handelsvertreter für weitere Unternehmer tätig zu sein. Erlaubt sein soll ihm nur eine (nebenberufliche) anderweitige Tätigkeit außerhalb seines Gewerbes als Handelsvertreter.

aa) Zwar kann aus der Formulierung - hauptberuflich - der Schluss gezogen werden, dass dem Consultant „nebenberufliche" Tätigkeiten erlaubt sein sollen, soweit sie nicht in Konkurrenz zur Klägerin stehen. Darauf, ob der Consultant (nebenberuflich) irgend einer anderen (selbstständigen) Erwerbstätigkeit nachgehen darf, kommt es hier aber nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Consultant in seiner beruflichen Eigenschaft als Handelsvertreter die Tätigkeit für einen anderen Unternehmer, der nicht Wettbewerber der Klägerin ist (arg. ex. § 86 Abs. 1, 2 Hs. HGB), untersagt ist. Denn § 92 a Abs. 1 Satz 1 HGB stellt mit dem Merkmal „für weitere Unternehmer tätig werden" nach Wortlaut und Normzweck allein auf die Handelsvertretereigenschaft („Einfirmenvertreter") ab (vgl. OLGR Köln 2005, 309).

bb) Wenn dem so ist, dann ist dem Consultant nach § 2 Nr. 1 Satz 1 des Consultant-Vertrages die Tätigkeit für weitere Unternehmer untersagt. Denn der Handelsvertreter kann sein Gewerbe schwerlich zugleich haupt- und nebenberuflich ausüben.

Handelsvertreter, die für mehrere Unternehmen tätig werden, sind grundsätzlich gegenüber jedem dieser Unternehmer Handelsvertreter im Hauptberuf. Der Annahme, ein solcher Handelsvertreter sei für den einen Unternehmer Handelsvertreter im Hauptberuf, für den anderen aber nur Handelsvertreter im Nebenberuf, widerspricht die Erkenntnis, dass der Handelsvertreterberuf inhaltlich ein selbständiger Beruf ist und der Handelsvertreter in dieser Stellung grundsätzlich für mehrere Unternehmer tätig werden kann. Da der Handelsvertreter Kaufmann ist (§ 1 HGB), handelt er im Betrieb seines Handelsgewerbes und damit grundsätzlich hauptberuflich, wenn er einen zusätzlichen Handelsvertretervertrag mit einem anderen Unternehmer eingeht (vgl. Baumbach / Hopt, HGB, a.a.O., § 92 b Rn. 2; MünchKomm / von Hoyningen-Huene, HGB, 3. Aufl., § 92 b Rn. 10). Die Frage, ob die ggf. weitere Tätigkeit des Consultant eine gemäß § 2 Nr. 1 des Consultant-Vertrags erlaubte Nebentätigkeit ist, stellt sich nur dann, wenn dieser zwei unterschiedliche Berufe ausübt, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Existenz des Consultant voneinander unabhängig sind (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1286).

Wenn dem Consultant also eine nebenberufliche Tätigkeit erlaubt sein soll, so ist damit eine andere berufliche Tätigkeit gemeint, die zudem nach Zeit, Umfang und Ertrag erkennbar weniger gewichtig sein muss als die Handelsvertretertätigkeit für die Klägerin. Hingegen ist ihm eine weitere Tätigkeit als Handelsvertreter für ein anderes Unternehmen untersagt.

b) Der Beklagte hat in den letzten 6 Monaten des Vertragsverhältnisses der Parteien im Durchschnitt nicht mehr als 1.000,00 Euro an Vergütung bezogen.

Über die dahingehende Feststellung des Landgerichts (Beschluss S. 3; K 4) besteht kein Streit.

Die Klägerin meint aber, im Streitfall sei auf den Zeitraum vom 01.10.2010 bis 31.03.2011 abzustellen, weil der Beklagte bereits ab Ausspruch der Kündigung am 28.03.2011 seine Tätigkeit für die Klägerin vollends eingestellt habe. Damit habe der Beklagte einseitig den Rechtsweg beeinflusst; die Auffassung des Landgerichts vereitele den Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 GG. Das bleibt ohne Erfolg.

Nach § 5 Abs. 3 ArbGG ist die Verdienstgrenze von monatlich 1.000,00 Euro im Durchschnitt der letzten 6 Monate des Vertragsverhältnisses auch dann maßgebend, wenn der Handelsvertreter in diesen Monaten nicht gearbeitet und nichts verdient hat. Dass der Handelsvertreter - wie die Klägerin meint - möglicherweise versucht, durch Untätigbleiben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen „zu beeinflussen", steht dem nicht entgegen. Zum einen sind die Rechtswege zu den ordentlichen Gerichten und den Gerichten für Arbeitssachen gleichwertig, so dass es allein darum geht, durch die Anwendung des § 5 Abs. 3 ArbGG den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG) zu bestimmen. Dieser muss aber eindeutig feststellbar sein. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, abweichend vom Wortlaut des § 5 Abs. 3 ArbGG auf einen Zeitpunkt abzustellen, der häufig wegen streitigen Vortrags zur noch geleisteten Arbeit schwer feststellbar ist. Zum anderen kann der Unternehmer das Vertragsverhältnis zum Handelsvertreter kündigen, wenn dieser grob gegen seine Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag verstößt, indem er die Vermittlungstätigkeit einstellt (BAGE 113, 308). Darüber hinaus wäre es der Klägerin im Streitfall unbenommen gewesen, die Kündigung des Beklagten zum 31.03.2011 zu bestätigen, mithin einvernehmlich das Vertragsverhältnis zu diesem Zeitpunkt zu beenden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Beschwerdewert hat der Senat unter Berücksichtigung des Interesses der Beschwerdeführerin, vor den ordentlichen Gerichten zu klagen, gem. §§ 1, 3, 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO auf 1/3 des Hauptsachewertes geschätzt (vgl. BGH NJW 1989, 909; BAG NJW 2009, 3803).

IV.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zuzulassen, weil die hier entschiedene Rechtsfrage, ob die Consultants der Klägerin als sog. Einfirmenvertreter im Sinne von § 5 Abs. 3 ArbGG anzusehen sind, grundsätzliche Bedeutung hat. Es ist zu erwarten, dass diese Rechtsfrage in einer unbestimmten Vielzahl von (weiteren) Fällen auftreten wird. Dies belegen bereits die von beiden Parteien hierzu vorgelegten landgerichtlichen und oberlandesgerichtlichen (uneinheitlichen) Entscheidungen. Der Bundesgerichtshof hat - soweit ersichtlich - diese Rechtsfrage noch nicht entschieden (zuletzt offen gelassen in BGH NJW-RR 2011, 1255).

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