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Wirtschaftsrecht
18.10.2023
Wirtschaftsrecht
OLG Hamm: Haftung von Gesellschaftsorganen bei sog. öffentlichen Unternehmen

OLG Hamm, Urteil vom 8.3.2023 – 8 U 198/20

ECLI:DE:OLGHAM:2023:0308.8U198.20.00

Volltext: BB-Online BBL2023-2434-5

Amtliche Leitsätze

1. Eine GmbH, die über einen fakultativen Aufsichtsrat verfügt, wird im Rechtsstreit mit ihrem ausgeschiedenen Geschäftsführer durch den Aufsichtsrat vertreten.

2. Die Haftung von Gesellschaftsorganen richtet sich auch bei sog. öffentlichen Unternehmen nach den Haftungsregeln der jeweils gewählten Rechtsform.

3. Im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH, deren – mittelbare – Gesellschafterin eine kommunale Gebietskörperschaft ist, kann durch Verweisung auf die Haftungsregeln, die für Beamte dieser Körperschaft gelten, der Haftungsmaßstab des § 48 BeamtStG vereinbart werden, der die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.

4. Im Zivilprozess kann der Kläger seinen Anspruch durch konkrete Bezugnahme auf ein als Anlage vorgelegtes rechtskräftiges Strafurteil schlüssig darlegen. Gegenüber derart substantiiertem Vorbringen genügt ein schlichtes Bestreiten des Beklagten nicht. Kommt der Beklagte seiner erhöhten Darlegungslast nicht nach, kann der im Strafurteil festgestellte Sachverhalt auch im Zivilverfahren nach eigener Würdigung durch den Zivilrichter zugrunde gelegt werden. Verlangt eine Partei die Vernehmung der von ihr benannten Zeugen, kann dies nicht unter Hinweis auf deren Aussage im Strafprozess oder auf die Feststellungen im Strafurteil abgelehnt werden.

5. Das Gericht kann sich bei der Überzeugungsbildung auf ein von einer Partei eingeholtes Privatgutachten stützen, wenn dieses gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigengutachten eine größere Überzeugungskraft besitzt.

6. Die Verweisung auf beamtenrechtliche Vorschriften im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers eines öffentlichen Unternehmens hat zur Folge, dass Schadensersatzansprüche nach § 48 BeamtStG i. V. m. § 80 Abs. 1 S. 1 LBG NRW in drei Jahren von dem Zeitpunkt an verjähren, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Diese Abweichung von der Vorschrift des § 43 Abs. 4 GmbHG ist wirksam.

 

Aus den Gründen

A.        Die Klägerin nimmt den Beklagten als ihren ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz in Anspruch.

Bei der Klägerin handelt es sich um die Aer B GmbH (kurz B). Zu ihren Hauptaufgaben gehört die Abfallbeseitigung und Reinigung der Stadt A. Gesellschafter der Klägerin sind zu 51 % die Aer Cgesellschaft mbH – ihrerseits 100-prozentige Tochter der Stadt A – sowie zu 49 % die D (..) GmbH (sog. privater Anteilseigner). Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages der Klägerin in der Fassung vom 12.12.2003 (Anlage zur Urkunde des Notars E in A vom 12.12.2003, UR-Nr. 637/2003, im Sonderband „Auszüge 302 Js 158/13“) verwiesen.

Der Beklagte war von Juli 1998 bis zum Jahr 2013 Geschäftsführer der Klägerin, wobei er vom 03.02.2004 bis zum 26.01.2007 jeweils mit einem anderen Geschäftsführer gemeinsam tätig und im Übrigen alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war.

Bis zum 28.02.2009 war er Beamter der Stadt A und als solcher zur Dienstleistung als Geschäftsführer der Klägerin zugewiesen. Er wurde in der konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrats der Klägerin vom 01.07.1998 unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages zum Geschäftsführer bestellt (Ziffer 12 des Protokolls vom 01.07.1998, Anlage K 55, Bl. 269 eGA II). Ein erster Dienstvertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren wurde unter dem 01.07.1998 geschlossen, wobei § 5 Abs. 1 des Vertrages eine automatische Verlängerung um jeweils fünf weitere Jahre vorsah (Anlage K 53, Bl. 255 eGA II). Am 10.03.2003 wurde ein Änderungsvertrag geschlossen (Anlage K 54, Bl. 261 eGA II). Am 05.02.2004 wurde ein neuer Anstellungsvertrag unterzeichnet, der zum 01.01.2004 den Anstellungsvertrag vom 01.07.1998 in der Fassung vom 10.03.2003 ersetzte (Anlage K 51, Bl. 226 eGA II). Dieser Vertrag wurde unter dem 05.07.2005 ergänzt (Anlage K 52, Bl. 236 eGA II). Zuletzt schlossen die Parteien am 19.05.2008 einen Anstellungsvertrag (BI. 152 d.A., Bl. 240 eGA I), der die weitere Geschäftsführung durch den Beklagten nach Eintritt in den beamtenrechtlichen Ruhestand vorsah und regelte. § 8 Abs. 1 des Anstellungsvertrages lautet wie folgt:

„Für Herrn F gelten im Innenverhältnis zur Gesellschaft die Haftungsregelungen, die für Beamte auf Lebenszeit der Stadt A gelten.“

Diese Klausel war auch Gegenstand der vorherigen Anstellungsverträge vom 01.07.1998 und vom 05.02.2004.

In der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 20.11.2009 (Anlage K 1) wurde zu TOP 3 und TOP 4 die Einführung eines Public Corporate Governance Kodex (Anlage K 2) und eines sog. Compliance-Programms („Verhaltenskodex für Mitarbeiter der C-Konzern-Gesellschaften“, Anlage K 3 mit Stand Juli 2013) beschlossen. Der Beklagte stellte die Regelwerke in der Gesellschafterversammlung vor, verbunden mit dem Vorschlag der Geschäftsführung, diese bei der Klägerin einzuführen.

Im Jahr 2013 schied der Beklagte im Zusammenhang mit den Vorwürfen, die Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Essen und des vorliegenden Rechtsstreits sind, als Geschäftsführer der Klägerin aus. Die Klägerin leitete im Jahr 2013 ein Mahnverfahren gegen den Beklagten ein, der Mahnbescheid vom 02.01.2014 über den Betrag von 100.000,00 EUR wurde dem Beklagten am 07.01.2014 zugestellt.

Die Klägerin forderte den Beklagten mit zwei außergerichtlichen Schreiben vom 28.04.2014 (Anlage K 17) und vom 04.06.2014 (Anlage K 18) zur Zahlung auf.

Die Klägerin nimmt den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit aus unterschiedlichen Handlungskomplexen in Anspruch, wobei sie angesichts ihrer Vorsteuerabzugsberechtigung jeweils nur Nettobeträge einklagt. Die Klägerin wirft dem Beklagten im Wesentlichen vor, gegen seine Sorgfalts- und Treuepflichten als Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG sowie gegen die Verpflichtungen aus dem Public Corporate Governance Kodex und dem Compliance-Programm verstoßen zu haben. Dadurch sei ihr – der Klägerin – ein Schaden entstanden. Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt Zahlung eines Betrages von 1.227.655,47 EUR zuzüglich gestaffelter Zinsen beansprucht, der sich wie folgt zusammensetzt:

 

Nr.

Position

Forderung

1

Überhöhte Vergütung G

Private Nutzung eines Dienstwagens durch G

Gesundheitsvorsorgeuntersuchung G

Abzgl. Rückzahlung am 01.10.2014 (54.352,75 EUR)

41.258,89 EUR

2

Private Nutzung eines Dienstwagens durch H

6.540,78 EUR

2

Gesundheitsvorsorgeuntersuchung H

1.900,00 EUR

3

Private Nutzung eines Dienstwagens durch I

14.420,42 EUR

3

Gesundheitsvorsorgeuntersuchung I

3.800,00 EUR

4

Eintrittskarten für andere als betriebliche Zwecke

181.210,86 EUR

5

Pkw01 TYP01 als Poolfahrzeug

26.098,97 EUR

6

Gesundheitsvorsorgeuntersuchung Beklagter

11.400,00 EUR

7

Überhöhte Vergütung an J gem. Tabelle Bl. 63

313.086,00 EUR

7

Beauftragung von J am 01./05.09.2011 gem. Tabelle Bl. 66

90.450,00 EUR

8

Vermarktung von Stahlschrott im Jahr 2008

126.908,78 EUR

9

Vermarktung von Stahlschrott im Jahr 2009

23.901,50 EUR

10

Gutachterkosten K GmbH & Co. KG

120.650,46 EUR

11

Fahrerkosten Stadt A (zunächst 334.090,14 EUR)

266.028,81 EUR

   

1.227.655,47 EUR

Der Beklagte ist dem Begehren entgegen getreten. Er hat geltend gemacht, aufgrund der Regelungen des Dienstvertrages hafte er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Ferner hat er die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz sowie ihrer Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 10.11.2016 (Bl. 763 d.A., Bl. 1361 eGA I) hat das Landgericht den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Strafsache 32 KLs 6/16 gem. § 149 ZPO ausgesetzt. Der Beklagte wurde durch Urteil der XII. Großen Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – des Landgerichts Essen vom 08.06.2017 (veröffentlicht bei juris) wegen Untreue in sechs Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Mitangeklagten J und L wurden jeweils wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt. Auf die Revision des Beklagten wurde das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit dieser im Fall III. 6 der Urteilsgründe (Leasing eines nicht betriebsnotwendigen Fahrzeugs TYP01) verurteilt worden ist. Im Übrigen wurden seine Revision und die Revision des Mitangeklagten J als unbegründet verworfen (BGH, Beschluss vom 20.06.2018, 4 StR 561/17, juris). Die dagegen gerichtete Anhörungsrüge der Angeklagten blieb erfolglos (Beschluss vom 29.08.2018, 4 StR 561/17, juris). Mit Beschluss vom 04.09.2018 (Bl. 820 d.A., Bl. 1500 eGA I) hat das Landgericht die Verhandlung des ausgesetzten Verfahrens angeordnet.

Das Landgericht hat das Strafurteil im Wege des Urkundenbeweises verwertet, dieses war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2019 (Bl. 995 d.A., Bl. 1805 eGA I). Bezüglich des Sachverhaltskomplexes „Beauftragung J" hat das Landgericht Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen M. Der Sachverständige ist in der mündlichen Verhandlung am 12.06.2020 ergänzend angehört worden (Bl. 1123 d.A., Bl. 2057 eGA I). Ferner hat das Landgericht die Zeugen N, O, P, Q, R und S vernommen (Bl. 1123, Bl. 2057 eGA I und Bl. 1133 d.A., Bl. 2078 eGA I).

Durch das angefochtene Urteil vom 12.10.2020 hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 674.042,55 EUR nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von 17.850,00 EUR in der Hauptsache erledigt sei. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen zu den einzelnen Sachverhaltskomplexen unter B. I. 2. b) bb) dieses Urteils Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter. Er rügt, das Landgericht habe im Termin vom 07.11.2019 entgegen der unter dem 14.10.2019 mitgeteilten Beschränkung das gesamte Strafurteil urkundlich verwertet. Es sei kein Hinweis auf einzelne vom Strafgericht erhobene Beweismittel oder darauf gestützte Tatsachenfeststellungen erfolgt. Hierdurch sei es ihm – dem Beklagten – unmöglich gemacht worden, jedenfalls wesentlich erschwert worden, zu den beabsichtigten Übernahmen von Beweiserhebungen und -bewertungen substantiiert Stellung zu nehmen. Dies stelle eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Auch habe das Landgericht die Zeugen nicht selbst vernommen. Gerade Zeugenbeweis sei in starkem Umfang abhängig von der Unmittelbarkeit, insbesondere vom direkten Eindruck des Gerichts. Soweit die angefochtene Entscheidung auf die im Strafverfahren vernommene Zeugen Bezug nehme, benenne er diese gegenbeweislich zu den Tatsachen, die das Landgericht als durch deren strafgerichtliche Vernehmung belegt dem Urteil zugrunde gelegt habe. Eine pauschale Bezugnahme auf ein 207 Blatt umfassendes Strafurteil mit zahlreichen Einzelkomplexen sei unzulässig. Die von ihm beantragte Zurückverweisung sei nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gerechtfertigt. Es würde ansonsten eine umfangreiche Beweisaufnahme mit zahlreichen Zeugen erforderlich, die bereits in erster Instanz hätte erfolgen müssen. Im Übrigen halte das Urteil auch materiell-rechtlich einer Überprüfung nicht stand. Der Beklagte erhebt in diesem Zusammenhang Einwendungen zu seiner Verurteilung hinsichtlich der Komplexe Höhergruppierung G (Position Nr. 1), KFZ-Nutzung H (Position Nr. 2), Anschaffung Pkw01 TYP01 (Position Nr. 5), Vertrag J (Position Nr. 7), Stahlschrott (Positionen Nrn. 8 und 9) und Fahrerabordnung an die Stadt A (Position Nr. 11). Auch insofern wird wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen unter B. I. 2. b) bb) verwiesen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 04.01.2023 den Rechtsstreit in Höhe von 100.000,00 EUR hinsichtlich der Position Nr. 8, wegen derer der Beklagte durch das angefochtene Urteil zur Zahlung von 126.908,78 EUR verurteilt wurde, für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Der Beklagte beantragt,

1. das am 12.10.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Essen aufzuheben und die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen, soweit der Beklagte verurteilt wurde. Die Rüge, dass das Landgericht pauschal auf ein 207 Blatt umfassendes Strafurteil Bezug genommen habe, sei unzutreffend. Es sei zu berücksichtigen, dass sie – die Klägerin – in ihrem 37 Seiten umfassenden Schriftsatz vom 30.11.2018 unter konkreter Bezugnahme auf einzelne Passagen im Strafurteil die dem Beklagten anzulastenden Pflichtverletzungen und die hierdurch vom Beklagten verursachten Schäden substantiiert dargetan habe. Diesem Vortrag sei der Beklagte erstinstanzlich nicht substantiiert entgegen getreten. Daneben griffen die gegen die Beweiserhebung und -würdigung des Landgerichts angeführten Argumente nicht durch, da die Berufungsbegründung keine konkreten Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für Fehler in der Beweiserhebung und -würdigung aufzeige.

Mit ihrer eigenen Berufung beansprucht die Klägerin zu dem Komplex „IT-Beratervertrag J“ (Position Nr. 7) die Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 280.782,00 EUR. Dieser umfasst einen Betrag von 190.332,00 EUR, den die Klägerin damit begründet, dass bereits die von dem Landgericht zugrunde gelegte Tagessatzpauschale von 1.008,00 EUR überhöht gewesen sei. Ferner habe das Landgericht ihren Sachvortrag, J habe nach dem Abschluss des neuen Beratervertrages im September 2011 insgesamt 150,75 Manntage zu viel abgerechnet, übergangen. Hierdurch errechne sich ein weiterer Schaden in Höhe von 90.450,00 EUR (150,75 Tage × 600,00 EUR). Das Landgericht habe in Bezug auf den Sachverhaltskomplex „Fahrerabordnung“ (Position Nr. 11) die Vorschrift des § 249 Abs. 1 BGB falsch angewendet, indem es die gesamten Zahlungen der Stadt A in Höhe von 175.923,95 EUR und 17.850,00 EUR auf ihren Schaden angerechnet habe, obgleich es nur den Nettobetrag hieraus in Höhe von 147.835,25 EUR bzw. 15.000,00 EUR habe anrechnen dürfen. Die Umsatzsteuer in Höhe von 28.088,70 EUR und 2.850,00 EUR sei bei ihr als Schaden verblieben und sei von dem Beklagten zusätzlich zu erstatten, da diese angefallen und von ihr an das Finanzamt abgeführt worden sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.12.2022 haben die Parteien den Rechtsstreit wegen eines von J am 04.05.2022 im Vergleichswege gezahlten Betrages von 200.000,00 EUR hinsichtlich der Position Nr. 7 teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt. Von diesem Betrag entfallen 122.754,00 EUR auf die durch das Landgericht zu Nr. 7 titulierte Klageforderung und 77.246,00 EUR auf den von der Klägerin mit ihrer Berufung verfolgten weiteren Schaden in Höhe von 90.450,00 EUR.

Die Klägerin beantragt daher noch,

1. unter teilweiser Abänderung des am 12.10.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Essen zum Aktenzeichen 3 O 305/14, den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 234.474,70 EUR (311.720,70 EUR – 77.246,00 EUR) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 280.782,00 EUR seit dem 16.05.2014 sowie aus 30.938,70 EUR seit dem 08.10.2015 zu zahlen;

2. hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Essen zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

              die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil gegen die Berufungsangriffe der Klägerin. In Bezug auf den Komplex „J“ (Position Nr. 7) sei die Behauptung, der zunächst geschlossene Beratervertrag sei bindend und J während der Vertragslaufzeit an die vereinbarte Vergütung gebunden gewesen, falsch. Der Vertrag sei gem. § 627 BGB jederzeit kündbar gewesen. Die Übertragung der von J erbrachten Leistungen auf ein anderes Dienstleistungsunternehmen hätte einen größeren finanziellen Aufwand zur Folge gehabt als die ihm zugestandene Erhöhung der Vergütung. In Bezug auf den Komplex „Fahrerabordnung“ (Position Nr. 11) bleibe bestritten, dass er – der Beklagte – die Anweisung erteilt habe, die Gestellung von Fahrern an die Gesellschafterin, die Stadt A nicht abzurechnen. Soweit die Stadt A diesen erlangten Vorteil nicht durch Zahlung in das Vermögen der Klägerin ausgleiche, liege eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Diese sei mit den bilanziell ausgewiesenen Gewinnanteilen der Stadt A zu saldieren. Insoweit könne sich aus diesem Vorgang kein Schaden der Klägerin ergeben.

Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen J, T, U, V und W. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2022 (Bl. 314 ff. eGA II) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 25.01.2023 hat der Senat das schriftliche Verfahren angeordnet, nachdem die Parteien dem zuvor zugestimmt hatten.

B.

Die wechselseitigen Berufungen der Parteien führen zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

I.

1.

Die auf die Zahlung von Schadensersatz gegen den ausgeschiedenen Geschäftsführer der Klägerin gerichtete Klage ist zulässig. Der erstmals in der Berufungsinstanz problematisierte und von Amts wegen zu beachtende Vertretungsmangel auf Klägerseite (vgl. §§ 51 Abs. 1, 56 ZPO) ist behoben.

a)

Die Klägerin, die nach §§ 8 ff. ihres Gesellschaftsvertrages über einen fakultativen Aufsichtsrat verfügt, wird im Rechtsstreit mit ihrem Geschäftsführer durch ihren Aufsichtsrat vertreten. Eine gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG mögliche, von der grundsätzlichen Vertretungszuständigkeit entsprechend § 112 AktG abweichende Regelung sieht die Satzung der Beklagten nicht vor; vielmehr bestimmt § 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages – in Übereinstimmung mit § 112 AktG – ausdrücklich, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern gerichtlich und außergerichtlich vertritt (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2003, II ZR 127/01, juris, Rn. 5). Ebenso wie § 112 AktG kommt die gleichlautende Regelung in § 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages auch in den Fällen, in denen Rechtsstreitigkeiten der Gesellschaft mit ausgeschiedenen Geschäftsführern geführt werden, zur Anwendung (vgl. für § 112 AktG BGH, Urteil vom 22.04.1991, II ZR 151/90, juris, Rn. 5).

b)

Nach dieser Maßgabe war die Klage zunächst unzulässig. Sie war von der Klägerin, vertreten durch die Geschäftsführer, erhoben worden. Der Vertretungsmangel wurde jedoch durch die Erklärung der Beklagten in dem Schriftsatz vom 07.09.2021 (Bl. 166 eGA II), dass ihr Aufsichtsrat die bisherige Prozessführung genehmige und die Prozessvertretung der Klägerin in diesem Rechtstreit übernehme, mit Rückwirkung geheilt (vgl. BGH, Urteil vom 08.09.1997, II ZR 55/96, juris, Rn. 4, Urteil vom 21.06.1999, II ZR 27/98, juris, Rn. 9). Der entsprechende Aufsichtsratsbeschluss wurde als Anlage K 49 zu dem Schriftsatz vom 07.09.2021 (Bl. 167 eGA II) vorgelegt. Aufgrund der Eintrittserklärung des Aufsichtsrats hat der Senat das Rubrum entsprechend korrigiert.

2.

Die Klägerin kann von dem Beklagten unter Berücksichtigung der weiteren Zahlungen der Stadt A, des Zeugen J und der Firma X GmbH (X GmbH), die sie sich anrechnen lassen muss und die zu entsprechenden Erledigungserklärungen führten, die Zahlung von 663.125,33 EUR nebst Zinsen beanspruchen.

a)

Die nach dem Gesetz und der Satzung vorgesehene notwendige Beteiligung von Organen (Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat) der Klägerin, bei deren Fehlen die Klage unbegründet ist (vgl. Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 46 Rn. 40), ist erfolgt.

aa)

Den notwendigen Beschluss der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 8 Alt. 1 GmbHG), der am 25.03.2014 gefasst wurde, hat die Klägerin aufgrund einer entsprechenden gerichtlichen Auflage vom 10.09.2015 als Anlage K 29 zum Schriftsatz vom 23.09.2015 (Bl. 381 d.A., Bl. 630 eGA I) erstinstanzlich zur Akte gereicht.

bb)

Nach § 9 Abs. 4 lit. f) des Gesellschaftsvertrages der Klägerin bedarf die Einleitung eines Rechtsstreits gegen Geschäftsführer der Klägerin der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats. Analog zu der Regelung in § 46 Nr. 8 1. Alt. GmbHG bezieht sich dieses Erfordernis auch auf ehemalige Geschäftsführer wie den Beklagten (Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 46 Rn. 35) und kann im Rechtsstreit noch nachgeholt werden (Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 46 Rn. 40; BGH, Urteil vom 26.01.1998, II ZR 279/96, juris für Genossenschaft; Urteil vom 03.05.1999, II ZR 119/98, juris). Die demnach erforderliche Genehmigung des Aufsichtsrats liegt hier in dem bereits angesprochenen Aufsichtsratsbeschluss vom 20.08.2021 (Anlage K 49, Bl. 167 eGA II). Durch die Bezugnahme auf die erst- und zweitinstanzlichen gerichtlichen Aktenzeichen wird der zugrunde liegende Sachverhalt hinreichend individualisiert (vgl. Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 46 Rn. 39).

b)

Die Klägerin kann alle Schadensersatzforderungen, die sie im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) verfolgt, auf § 43 Abs. 2 GmbHG stützen. Soweit das Landgericht vor dem Hintergrund der Verjährungseinrede des Beklagten dessen Verurteilung wegen länger zurückliegender Sachverhalte auf konkurrierende Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB gestützt hat, bedarf es dieses Rückgriffs im Ergebnis nicht.

aa)

Die Haftung der Organe richtet sich auch bei öffentlichen Unternehmen wie der Klägerin (vgl. zur gesetzlichen Definition Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2006/111/EG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen) nach den Haftungsregeln der jeweils gewählten Rechtsform, hier also nach § 43 GmbHG (Kersting in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 13 Rn. 13.2, 13.18), sofern im Rahmen des gesellschaftsrechtlich Zulässigen keine abweichenden Regelungen getroffen wurden.

(1) Gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden. Hinsichtlich der sich daraus ergebenden Pflichtenbindung des Geschäftsführers besteht zwar für geschäftliche und unternehmerische Entscheidungen grundsätzlich ein weiter haftungsfreier Handlungsspielraum, da das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken, das die unternehmerische Tätigkeit wesentlich prägt, grundsätzlich auch Fehleinschätzungen umfasst. Die gerichtliche Überprüfbarkeit unternehmerischen Ermessens ist dementsprechend darauf beschränkt, ob dem Geschäftsführer in der konkreten Entscheidungssituation Ermessenspielraum zugestanden hätte und er gegebenes Ermessen prozeduralen und inhaltlichen Anforderungen gemäß ausgeübt hat. Maßgebend ist insoweit, was der Geschäftsführer als angemessen angesehen hat und auch vernünftigerweise als angemessen ansehen durfte, d.h. aus ex ante Sicht objektiv nachvollziehbar und vertretbar erscheint (KG Berlin, Urteil vom 24.02.2011, 19 U 83/10, juris, Rn. 41, 49). Allerdings setzt die ordnungsgemäße Ausübung unternehmerischen Ermessens voraus, dass die zu treffenden Entscheidungen sorgfältig vorbereitet werden, auf einer vollständigen und zutreffenden Entscheidungsgrundlage getroffen werden und keine sachfremden Motive einflossen. Besonderheiten für öffentliche Unternehmen bestehen auch insoweit grundsätzlich nicht. Durch die Wahl der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder der GmbH hat sich die öffentliche Hand auch den entsprechenden Regelungen des Gesellschaftsrechts unterworfen. Die Pflichten des Organs bestehen nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber der öffentlichen Hand; eine inhaltliche Modifizierung allein aufgrund der Beteiligung der öffentlichen Hand findet nicht statt. Dies gilt auch dann, wenn das Organmitglied – wie hier – durch die öffentliche Hand vorgeschlagen oder entsandt wurde (Kersting in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 13 Besonderheiten der Haftung von Organmitgliedern bei öffentlichen Unternehmen, Rn. 13.34, 13.21).

(2) Der Geschäftsführer, der seine Obliegenheiten verletzt, haftet für den entstandenen Schaden nach § 43 Abs. 2 GmbHG.

(2.1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft die aus § 43 Abs. 2 GmbHG klagende Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und inwieweit ihr durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers ein Schaden entstanden ist. Die Gesellschaft hat den Eintritt des Schadens und dessen Verursachung durch ein Verhalten des Geschäftsführers, das sich als „möglicherweise pflichtwidrig“ darstellt, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen. Es gilt § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG analog. Über den Wortlaut des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG hinaus kann den Geschäftsführer sogar eine Kausalitätsvermutung treffen, wenn die Art des Schadens einen deutlichen Hinweis darauf ergibt, dass er seine Wurzeln in einem Handeln oder Unterlassen des beklagten Geschäftsführers hat. Der Geschäftsführer seinerseits muss Anhaltspunkte dafür darlegen und beweisen, dass das schadensverursachende Verhalten nicht pflichtwidrig war, er also sein Amt entsprechend den Anforderungen des § 43 Abs. 1 GmbHG pflichtgemäß ausgeführt hat oder ihm zumindest kein Schuldvorwurf hinsichtlich der Pflichtverletzung gemacht werden kann oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre. Der Geschäftsführer hat insoweit das Vorliegen der Voraussetzungen der „business judgement rule“ darzulegen und ggf. zu beweisen (BGH, Urteil vom 04.11.2002, II ZR 224/00, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2011, 14 U 17/11, juris, Rn. 122; OLG München, Urteil vom 17.12.2014, 7 U 3260/13, juris, Rn. 40). Es ist daher Sache des Beklagten, Umstände darzutun und zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass das schadensauslösende Verhalten nicht pflichtwidrig gewesen ist, ihn kein Schuldvorwurf trifft oder kein Schaden eingetreten ist.

(2.2) Gegenüber einem ausgeschiedenen Geschäftsführer (wie hier dem Beklagten) gilt im Wesentlichen nichts anderes. Vor einer Überspannung seiner Darlegungs- und Beweislast ist er dadurch geschützt, dass die Gesellschaft die angebliche Pflichtverletzung im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher zu bezeichnen hat. Soweit zu seiner Verteidigung erforderlich, hat die Gesellschaft ihm Einsicht in die dafür maßgeblichen Unterlagen zu gewähren (BGH, Urteil vom 04.11.2002, II ZR 224/00, juris, Rn. 9).

(2.3) Soweit sich das Landgericht hinsichtlich der Positionen Nrn. 1, 5, 7, 8 und 11 auf die Erkenntnisse aus dem gegen den Beklagten gerichteten Strafverfahren gestützt hat, indem es das Strafurteil im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat, hat es die dabei geltenden Vorgaben beachtet. Der Senat sieht sich daher insofern an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

(2.3.1) Im Einzelnen gilt Folgendes:

(2.3.1.1) Eine Bindung des Zivilrichters an strafgerichtliche Urteile ist mit der das Zivilprozessrecht beherrschenden freien Beweiswürdigung nicht vereinbar (BGH, Beschluss vom 24.01.2012, VI ZR 132/10, juris, Rn. 3; OLG Köln, Urteil vom 11.01.1991, 19 U 105/90, juris, Rn. 7). Der Zivilrichter muss sich seine Überzeugung grundsätzlich selbst bilden und ist regelmäßig auch nicht an einzelne Tatsachenfeststellungen eines Strafurteils gebunden. Allerdings darf er bei einem engen rechtlichen und sachlichen Zusammenhang von Zivil- und Strafverfahren rechtskräftige Strafurteile nicht völlig unberücksichtigt lassen. Er ist vielmehr gehalten, sich mit den Feststellungen auseinanderzusetzen, die für seine eigene Beweiswürdigung relevant sind (BGH, Urteil vom 27.09.1988, XI ZR 8/88, juris, Rn. 16; Beschluss vom 16.03.2005, IV ZR 140/04, juris, Rn. 2; Urteil vom 26.08.2021, III ZR 189/19, juris, Rn. 11; OLG München, Beschluss vom 16.04.2007, 9 U 3865/06, juris, Rn. 44).

(2.3.1.2) Der Anspruchsteller kann seinen Anspruch im Zivilprozess durch konkrete Bezugnahme auf ein als Anlage vorgelegtes, ausführlich begründetes rechtskräftiges Strafurteil schlüssig darlegen. Dies erhöht nach allgemeinen Grundsätzen die (sekundäre) Darlegungslast des Anspruchsgegners (BGH, Beschluss vom 24.01.2012, VI ZR 132/10, juris, Rn. 3; Beschluss vom 25.09.2018, VI ZR 443/16, juris, Rn. 9; Urteil vom 26.08.2021, III ZR 189/19, juris, Rn. 12). Gegenüber substantiiertem Vorbringen genügt ein schlichtes Bestreiten nicht (BGH, Beschluss vom 16.03.2005, IV ZR 140/04, juris, Rn. 5). Unter Umständen kann auch dann, wenn es um eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB geht, eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten bestehen (BGH, Urteil vom 10.02.2015, VI ZR 343/13, juris, Rn. 11). Auch bei Vorlage eines Strafurteils kann sich der Beklagte – wie sonst auch – darauf beschränken, einzelne, den geltend gemachten Anspruch tragende Behauptungen des Anspruchstellers herauszugreifen und diese zu bestreiten. Kommt der Beklagte allerdings seiner erhöhten Darlegungslast nicht nach, kann der im Strafurteil festgestellte Sachverhalt auch im Zivilverfahren nach eigenständiger Würdigung durch den Zivilrichter zugrunde gelegt werden (OLG München, Beschluss vom 21.09.2011, 7 U 2719/11, juris).

(2.3.1.3) Die Verwertung einzelner Beweisergebnisse des Strafverfahrens wie etwa von Protokollen über Zeugeneinvernahmen oder auch des rechtskräftigen Strafurteils im Wege des Urkundenbeweises ist zulässig (BGH, Beschluss vom 16.03.2005, IV ZR 140/04, juris, Rn. 5; Beschluss vom 24.01.2012, VI ZR 132/10, juris, Rn. 3; Urteil vom 26.08.2021, III ZR 189/19, juris, Rn. 11; OLG Köln, Urteil vom 11.01.1991, 19 U 105/90, juris, Rn. 6). Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Strafurteil Beweisergebnisse lediglich wiedergegeben werden, so dass diese nicht wie vom erkennenden Gericht erhobene Beweise behandelt werden können, sondern als Darlegung des Strafrichters zu würdigen sind (OLG Köln, Urteil vom 11.01.1991, 19 U 105/90, juris, Rn. 7). Auch berührt dies nicht das Recht der Parteien, anstelle des Urkundenbeweises unmittelbare Zeugenbeweise anzutreten (BAG, Urteil vom 22.01.1998, 2 AZR 455/97, juris, Rn. 20). Der im Zivilprozessrecht geltende Grundsatz der Pflicht zur Erschöpfung der angebotenen Beweismittel muss ebenfalls beachtet werden. Daher darf das Gericht seiner Entscheidung keine für eine Partei ungünstige Tatsache zugrunde legen, ohne zuvor alle von dieser Partei dazu angebotenen Gegenbeweise erhoben zu haben, sofern nicht ein verfahrens- oder beweisrechtlicher Grund zur Ablehnung des Beweisantrags vorliegt (BGH, Urteil vom 15.03.2004, II ZR 136/02, juris, Rn. 8; Beschluss vom 25.09.2018, VI ZR 443/16, juris, Rn. 13; OLG Köln, Urteil vom 11.01.1991, 19 U 105/90, juris, Rn. 7). Wenn eine Partei verlangt, dass die von ihr benannten Zeugen vernommen werden, kann dies nicht unter Hinweis auf deren Aussagen im Strafprozess oder auf die Feststellungen im Strafurteil abgelehnt werden. Der persönliche Eindruck von den Zeugen, die Möglichkeit der Anwesenheit der Parteien, das ihnen eingeräumte Fragerecht sowie die Möglichkeiten und Zulässigkeit der Gegenüberstellung von Zeugen bieten eine Gewähr für die Ermittlung der Wahrheit, die dem Urkundenbeweis mangelt (OLG Köln, Urteil vom 20.04.2010, 3 U 145/08, juris, Rn. 16; nachfolgend BGH, Beschluss vom 24.01.2012, VI ZR 132/10, juris).

(2.3.2) Nach dieser Maßgabe bestehen – mit Ausnahme des Tatsachenkomplexes „IT-Beratervertrag J“, zu dem der Senat ergänzend Beweis erhoben hat – keine Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Berufung des Beklagten zeigt in diesem Zusammenhang weder einen Verfahrensfehler des Landgerichts auf noch sind dem Landgericht bei der Beweiswürdigung Fehler unterlaufen.

(2.3.2.1) Soweit der Beklagte mit seiner Berufungsbegründung rügt, das Landgericht habe in Abkehr von seinem Hinweis das gesamte Strafurteil verwertet, ist nicht dargetan, dass das angefochtene Urteil auf einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht beruht, §§ 513, 139 ZPO.

(2.3.2.1.1) Das Landgericht hat mit Beschluss vom 04.09.2018 (Bl. 820 d.A., Bl. 1500 eGA I) die Verhandlung des ausgesetzten Verfahrens angeordnet. Die Klägerin hat sich sodann in ihrem Schriftsatz vom 30.11.2018 auf die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren gestützt. Sie hat als Anlage K 38 (Anlagenband I zum Schriftsatz vom 30.11.2018)[1] eine Abschrift des Strafurteils vorgelegt und hierzu in dem Schriftsatz auf 37 Seiten substantiiert vorgetragen (Bl. 860 d.A., Bl. 1560 eGA I). Mit Beschluss vom 19.09.2019 (Bl. 975 d.A., Bl. 1754 eGA I) hat das Landgericht angekündigt, dass das Strafurteil auszugsweise urkundlich verwertet werden solle. Auf Anfrage des Beklagten hat das Landgericht mit einer Verfügung des Vorsitzenden vom 14.10.2019 (Bl. 985, Bl. 1779 eGA I) unter Angabe der Seitenzahlen des Strafurteils die Komplexe mitgeteilt, zu denen eine Verwertung beabsichtigt sei (Gehaltserhöhung G, Anschaffung Pkw01, Vergütung J – neuer Beratervertrag, Sperrmüll 2008 und 2009 (teilweise), Fahrerabordnung, grundsätzlich zum Vorsatz). In der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2019 (Bl. 998, Bl. 1807 eGA I) hat das Landgericht darauf hingewiesen, das gesamte Strafurteil verwerten zu wollen, die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Es fanden am 12.06.2020 (Bl. 1123 ff. d.A., Bl. 2057 ff. eGA I) und am 26.06.2020 (Bl. 1133 ff., Bl. 2078 eGA I) weitere Termine zur mündlichen Verhandlung statt, in denen der Sachverständige angehört und Zeugen vernommen wurden.

(2.3.2.1.2) In dem angefochtenen Urteil hat sich das Landgericht im Ergebnis nur in Bezug auf diejenigen Punkte auf die Feststellungen im Strafurteil gestützt, die in der Verfügung vom 14.10.2019 genannt worden sind. Der Beklagte hatte ausreichend Gelegenheit, sich auf die beabsichtigte Vorgehensweise einzustellen. Mit seiner Berufungsbegründung legt der Beklagte nicht dar, welche Tatsachen er auf den vermissten Hinweis hin vorgetragen und welche Zeugen er zu welchen konkreten Beweisthemen (gegenbeweislich) benannt hätte. Die Beweisantritte in der Berufungsbegründung erfüllen ebenso wie die erstinstanzlichen Beweisangebote des Beklagten, denen das Landgericht mit einigen Ausnahmen nicht nachgegangen ist, nicht die Anforderungen des § 373 ZPO. Dies gilt auch für die auf Seite 9 der Berufungsbegründung erwähnten Zeugen Y und Z, die zu keiner konkreten Tatsachenbehauptung benannt sind.

(2.3.2.2) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

(2.3.2.2.1) Die Strafkammer hat umfangreich Beweis erhoben und auf 207 Seiten begründet, warum sie in den Verurteilungsfällen davon überzeugt war, dass ihre Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht zutreffen. Die Klägerin hat in dem Schriftsatz vom 30.11.2018 nicht pauschal auf die Urteilsgründe Bezug genommen, sondern sie hat detailliert begründet, welche Feststellungen sie sich zu Eigen macht. Zu diesem konkreten Vortrag hätte sich der Beklagte, in dessen Wahrnehmungsbereich sich seine eigenen Handlungen abspielten, substantiiert einlassen müssen, zumal er an der Hauptverhandlung vor der Strafkammer teilgenommen hat. Dabei hätte es genügt, wenn er einzelne Tatbestandsmerkmale substantiiert bestritten hätte. Da er dies nicht getan hat, gilt das hinreichend konkrete Vorbringen der Klägerin zu den Verhaltensweisen des Beklagten und zu seinem Vorsatz nach den Regeln zum Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag als zugestanden, § 138 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO (BGH, Urteil vom 03.02.1999, VIII ZR 14/98, juris; Beschluss vom 25.03.2014, VI ZR 271/13, juris, Rn. 7; Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris, Rn. 36; Urteil vom 08.03.2021, VI ZR 505/19, juris, Rn. 26). Auch hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt konkrete Einwendungen gegen die Richtigkeit der Feststellungen des Strafurteils erhoben. Gegen die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen hat er in dem Schriftsatz vom 22.01.2019 (S. 3, Bl. 910 d.A., Bl. 1631 eGA I) nur pauschal eingewandt „Insbesondere Mitarbeiter der Klägerin und Kommunalvertreter waren im Strafprozess mehr darum bemüht, eigene Verantwortlichkeit abzustreiten als Sachverhalte wahrheitsgemäß zu schildern.“ Die daraus gezogene Schlussfolgerung, dies stelle sich mit Distanz zum Strafrecht erfahrungsgemäß anders dar, ist kein zutreffender Erfahrungssatz im Zusammenhang mit der Würdigung von Zeugenaussagen. Im Gegenteil wird die Erinnerung, je länger ein Geschehen zurückliegt, erfahrungsgemäß schwächer. Die Frage, wie sich der Eindruck eines Strafverfahrens auf das Aussageverhalten eines Zeugen auswirkt, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt von der individuellen Situation und der Persönlichkeit des jeweiligen Zeugen ab. Konkrete Anhaltspunkte, dass einzelne Zeugen im Strafverfahren falsch ausgesagt haben, sind nicht dargetan.

(2.3.2.2.2) Das Landgericht durfte sich bei dieser Sachlage im Rahmen freier Beweiswürdigung die Überzeugung von der Richtigkeit der klägerischen Behauptungen auf der Grundlage der Feststellungen des Strafurteils verschaffen, § 286 ZPO (BGH, Beschluss vom 25.09.2018, VI ZR 443/16, juris, Rn. 13; OLG Hamm, Urteil vom 23.12.2014, 28 U 166/13, juris). Dieses Umstandes war sich das Landgericht ausweislich der Ausführungen auf S. 17, 18 des angefochtenen Urteils auch bewusst.

(3) Der Beklagte haftet im Rahmen des § 43 Abs. 2 GmbHG nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.

(3.1) Die Beamteneigenschaft des Beklagten an sich hat auf seine organschaftlichen Pflichten keinen Einfluss. Die Organeigenschaft und die Beamteneigenschaft einer Person sind zu trennen. Die betreffende Person ist nicht als Beamte Organ der Gesellschaft; Organstellungen in Gesellschaften sind – auch in öffentlichen Unternehmen – keine öffentlichen Ämter (Kersting in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 13 Rn. 13.26).

(3.2) Allerdings haben die Parteien den Verschuldensmaßstab durch die Regelung im Anstellungsvertrag, dass für den Kläger im Innenverhältnis zur Gesellschaft die Haftungsregelungen gelten, die für Beamte auf Lebenszeit der Stadt A gelten, wirksam auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt, da durch diese Verweisung der Haftungsmaßstab des § 48 BeamtStG zur Anwendung kommt.

(3.2.1) Die entsprechende Vertragsklausel ist nicht nur Bestandteil des zuletzt unterzeichneten Anstellungsvertrages vom 19.05.2008, sondern war auch in allen zuvor abgeschlossenen Verträgen enthalten.

(3.2.2) Der Senat geht mit dem Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 16.09.2002, II ZR 107/01, juris) und Stimmen in der Literatur (Kersting in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, § 13 Rn. 13.60 und Rn. 13.20 m.w.N.; vgl. zum Meinungsstand Fleischer in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 4. Aufl., § 43 Rn. 368 ff.), davon aus, dass eine Haftungsbeschränkung bei § 43 Abs. 2 GmbHG zulässig ist. Eine Haftungsprivilegierung kann bei Gesellschaften, die mit der Erfüllung staatlicher Aufgaben beauftragt werden und deren Gesellschafter in der Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, auch durch Bezugnahme auf beamtenrechtliche Vorschriften umgesetzt werden (BGH, Urteil vom 14.02.1985, IX ZR 145/83, juris, Rn. 26; OLG Stuttgart, Urteil vom 26.05.2003, 5 U 160/02, juris). Eine Satzungsregelung ist hierfür nicht zwingend notwendig, sondern es genügt eine entsprechende Regelung durch einen Gesellschafterbeschluss oder im Anstellungsvertrag (BGH, Beschluss vom 18.02.2008, II ZR 62/07, juris, Rn. 12; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 43 Rn. 66 m.w.N. in FN 342; Fleischer in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 4. Aufl., § 43 Rn. 383 ff.).

(3.2.3) Es kann offenbleiben, ob für die Vereinbarung einer Haftungserleichterung die Zustimmung der Gesellschafterversammlung notwendig ist, denn der gewählten Vertragsgestaltung lag jedenfalls eine konkludente Zustimmung der zum Zeitpunkt der erstmaligen Vereinbarung zuständigen Alleingesellschafterin (Stadt A) zugrunde.

(3.2.3.1) Für ein Zustimmungserfordernis spricht, dass die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschafter von einer solchen Privilegierung unmittelbar betroffen sein können. Es gelten die gleichen Erwägungen, die den Regelungen der § 46 Nr. 5, 6 und 8 GmbHG zugrunde liegen (BGH, Urteil vom 08.12.1997, II ZR 236/96, juris; Urteil vom 16.09.2002, II ZR 107/01, juris, Rn. 12; Urteil vom 07.04.2003, II ZR 193/02, juris, Rn. 8). Zudem kann der allgemeine Vorrang des Korporationsrechts herangezogen werden, nach dem der Anstellungsvertrag die organschaftlichen Pflichten nur konkretisieren, nicht aber abändern kann (Fleischer in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 4. Aufl., § 43 Rn. 384 und Rn. 62).

(3.2.3.2) In tatsächlicher Hinsicht gilt, dass der Beklagte seit dem Jahr 1998 nach § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages von der Stadt A bestellter Geschäftsführer der Klägerin war. In der konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrats der Klägerin vom 01.07.1998 wurde der Beklagte unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages zum Geschäftsführer bestellt (Ziffer 12 des Protokolls vom 01.07.1998, Anlage K 55, Bl. 269 eGA II). Die Stadt A war zu diesem Zeitpunkt Alleingesellschafterin und daher – mit Zustimmung des Aufsichtsrats – zuständig für den Abschluss und die Ausgestaltung des Anstellungsvertrages des von ihr bestellten Geschäftsführers. Im Jahr 1998 wurde diese Angelegenheit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats übertragen. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats wurde durch Mehrheitsbeschluss ermächtigt, mit dem Geschäftsführer anhand eines vorliegenden Vertragsentwurfs Vertragsverhandlungen über den Geschäftsführervertrag zu führen und diesen Vertrag zum Abschluss zu bringen. In dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 01.07.1998 heißt es:

„Der Vorsitzende regt darüber hinaus an, im Aufsichtsrat einen förmlichen Beschluss herbeizuführen nebst Votum, dass der Aufsichtsratsvorsitzende bzgl. Geschäftsführervertrag mit dem Geschäftsführer Vertragsverhandlungen führt und diesen Vertrag zum Abschluss bringt. Die Inhalte werden im anschließenden Arbeitsausschuss vorbesprochen. Basis ist ein vorliegender Vertragsentwurf der Beteiligungsverwaltung nebst Ausrichtung an vergleichbaren städtischen Gesellschaften (z.B. Stadtwerke A, Aer A1 AG).“

Bereits unter dem 01.07.1998 wurde dieser Dienstvertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren geschlossen, wobei § 5 Abs. 1 des Vertrages eine automatische Verlängerung um jeweils fünf weitere Jahre vorsah und § 7 Abs. 1 des Vertrages die streitgegenständliche Haftungserleichterung enthält (Anlage K 53, Bl. 255 eGA II).

(3.2.3.3) Aus der Bezugnahme auf einen Vertragsentwurf der Beteiligungsverwaltung und den Vergleich mit städtischen Gesellschaften zieht der Senat den Schluss, dass die gewählte Vertragsgestaltung (einschließlich der Haftungserleichterung für städtische Beamte in Geschäftsführerpositionen) bei der Stadt A üblich und von ihrem Einverständnis gedeckt war. Die Parteien haben auf die konkreten Hinweise des Senats, die dieser im Vorfeld des Termins und in der mündlichen Verhandlung zu dieser Fragestellung erteilt hat, keine Umstände vorgetragen, die der Annahme einer jedenfalls konkludent erteilten Zustimmung entgegenstehen könnten.

(3.2.4) Soweit die Klägerin erstinstanzlich gemeint hat, die Klausel in § 8 Abs. 1 des Anstellungsvertrages sei nach § 309 Nr. 7 BGB zwingend unwirksam, weil sie eindeutig als vorformulierte Vertragsbedingung dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB unterfiele und keine Ausnahmen für Verletzungen der Rechtsgüter Leben, Körper oder Gesundheit vorsehe, kann ihr nicht gefolgt werden.

(3.2.4.1) Der Beklagte ist als GmbH-Fremdgeschäftsführer nach h.M. als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB anzusehen (Senat, Beschluss vom 18.07.2007, 8 Sch 2/07, juris, Rn. 37 ff.). Die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB findet im Rahmen von Anstellungsverträgen keine Anwendung (Graf von Westphalen, BB 2015, 834, 836; Koehler, NZG 2019, 1406, 1407; Werner, NZA 2015, 1234, 1237; OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.10.2016, 8 U 122/15, juris Rn. 107 ff.).

(3.2.4.2) Eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB zu Gunsten der Klägerin als Verwenderin der Klausel scheidet aber von vornherein aus (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 307 Rn. 11 m.w.N.). Soweit die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, die Klausel könne ungeachtet des aufgedruckten Firmenlogos auch von dem Beklagten eingeführt worden sein, gilt § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB.

bb) Hinsichtlich der einzelnen Tatkomplexe gilt Folgendes:

(1) Überhöhte Vergütung G

Die zulässige Berufung des Beklagten führt zu einer teilweisen Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Die Klägerin kann aus diesem Komplex unter Berücksichtigung der vergleichsweisen Zahlung Gs von dem Beklagten noch Zahlung von 5.166,54 EUR beanspruchen, § 43 Abs. 2 GmbHG.

(1.1) Dem Vorwurf liegen folgender Sachverhalt und Verfahrensgang zugrunde:

Herr G ist bei der Klägerin seit dem 00.01.1986 als Technischer Mitarbeiter beschäftigt. Ab dem 29.03.1999 gehörte er dem Betriebsrat bei der Klägerin an und war ab dem 13.06.2005 dessen Vorsitzender. Vom 01.01.2003 bis zum 16.05.2014 war Herr G nach § 38 BetrVG von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt.

Hierzu hat das Landgericht im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils die folgenden Feststellungen getroffen:

„Auf Veranlassung des Beklagten wurde Herr G mit Wirkung zum 01.09.2010 von Entgeltgruppe 9 Stufe 4 auf Entgeltgruppe 13 Stufe 6 TVöD eingestuft. Des Weiteren wurden ihm diverse Zulagen gewährt. Ab dem 01.01.2003 erhielt er eine persönliche Zulage in Höhe von mtl. 250,00 DM (später 127,82 EUR). Ab Mai 2006 wurde die Zulage auf 700,00 EUR erhöht und dann wieder ab Juli 2009 auf 600,00 EUR reduziert und schließlich seit der Eingruppierung in Entgeltgruppe 13 Stufe 6 TVöD im September 2010 nicht mehr gewährt.

Im Zeitraum 01.07.2009 bis 31.08.2010 erhielt Herr G auf Veranlassung des Beklagten zudem eine Vorhandwerkerzulage in Höhe von 5 %.

Seit Ausscheiden des Beklagten im Jahr 2013 wurde Herr G wieder in die ursprüngliche Entgeltgruppe 9 Stufe 4 TVöD eingestuft.“

Die Klägerin erblickt in der Höhergruppierung und in der Gewährung von Zulagen eine unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds G i.S.v. § 78 Satz 2 BetrVG, die nicht durch die Arbeitnehmergarantie des § 37 Abs. 4 BetrVG gerechtfertigt werden könne, und eine Nichtbeachtung der Verpflichtung aus dem Public Corporate Governance Kodex zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.

Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch dem Grund nach für gerechtfertigt gehalten und diesen auf § 43 Abs. 2 GmbHG (für den Zeitraum bis September 2009) und im Übrigen auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB gestützt. Das Landgericht hat zu diesem Komplex das Strafurteil verwertet und ist zu der Überzeugung gelangt, dass Grund für die Entscheidung zur Höhergruppierung des Betriebsratsvorsitzenden G lediglich eigene, sachfremde Interessen des Beklagten sowie des Herrn G gewesen seien. Die Strafkammer habe ausschließen können, dass Herr G in seinem weiteren Werdegang mehr als eine Vergütung gemäß Entgeltgruppe 9 Stufe 4 TVöD erreicht hätte. Der Beklagte hatte sich zu diesem Komplex im Strafprozess teilgeständig eingelassen.

Die Vergleichsberechnung der Klägerin (Anlage K 4) hat das Landgericht als nicht schlüssig angesehen und den Beklagten wie folgt verurteilt:

 

Höhergruppierung 09/2010 bis 11/2013 (39 Monate × 400,0 EUR)

15.600,00 EUR

Persönliche Zulage 05/2006 bis 06/2009 (37 Monate × 700,00 EUR)

25.900,00 EUR

Persönliche Zulage 07/2009 bis 09/2009 (3 Monate × 600,00 EUR)

1.800,00 EUR

Persönliche Zulage 10/2009 bis 08/2010 (11 Monate × 600,00 EUR)

6.600,00 EUR

Vorhandwerkerzulage (5 %) 07/2009 bis 09/2009 (3 Monate × 282,31 EUR

846,93 EUR

Vorhandwerkerzulage (5 %) 10/2009 bis 08/2010 (11 Monate × 282,31 EUR

3.105,41 EUR

 

53.852,34 EUR

Das Landgericht hat einen Schaden von 53.852,35 EUR errechnet und unter Abzug einer vergleichsweisen Zahlung Gs in Höhe von 38.786,82 EUR, die dieser am 01.10.2014 im Wege der Verrechnung an die Klägerin leistete (Bl. 547 d.A., Bl. 972 eGA I), einen Betrag von 15.065,53 EUR zugesprochen.

(1.2) Die Berufung des Beklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Haftung wegen der Höhergruppierung Gs ab September 2010 wendet.

(1.2.1) Die im Sommer 2010 getroffene Entscheidung über die Höhergruppierung Gs in die Entgeltstufe 13 stellt eine Pflichtverletzung i.S.d. § 43 Abs. 1 GmbHG dar und führt zu einer Haftung des Beklagten aus § 43 Abs. 2 GmbHG, dessen Voraussetzungen angesichts der Feststellungen in dem verwerteten Strafurteil erfüllt sind.

(1.2.1.1) Das Betriebsratsamt ist gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG ein Ehrenamt ohne Entgelt. Die entsprechend der Vorschrift des § 38 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG freigestellten Betriebsräte erhalten – was § 38 Abs. 3 BetrVG bestätigt – das ihnen als Arbeitnehmer zustehende Arbeitsentgelt, das entsprechend § 37 Abs. 4 BetrVG nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt für vergleichbare Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Hieraus und aus dem Charakter des Betriebsratsamts als vorübergehend ausgeübtes Wahlamt (vgl. §§ 7 ff. BetrVG) folgt, dass das gewählte Betriebsratsmitglied stets Arbeitnehmer bleibt und als solcher zu vergüten ist. Das nach diesen gesetzlichen Vorgaben zu bestimmende Arbeitsentgelt darf aber auch sonst nicht zugunsten des Betriebsrats abgeändert werden. Einem Betriebsratsmitglied darf für die Wahrnehmung seines Amtes in keiner Weise irgendeine Vergütung zufließen, auch nicht in mittelbarer oder verdeckter Form. Der Charakter des Betriebsratsamts als Ehrenamt und die innere Unabhängigkeit der Amtsführung würden auch hierdurch beeinträchtigt. Dem tritt das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG entgegen, das ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellt (BGH, Urteil vom 17.09.2009, 5 StR 521/08, juris, Rn. 32, 34). Zudem war es dem Beklagten sowohl gemäß § 4 Ziffer (1) der Geschäftsordnung der Klägerin als auch nach Ziffer 3.4.2 des „Public Corporate Governance Kodex“ untersagt, dem Betriebsratsvorsitzenden Zahlungen zu gewähren, die er nach den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes nicht beanspruchen konnte.

(1.2.1.2) Die Pflichtwidrigkeit des Handelns und ein hierdurch verursachter Schaden der Klägerin liegen auf der Hand, der Beklagte hat zu seiner Entlastung nichts Substantielles vorgetragen. Die Erwägung des Beklagten, dem Betriebsratsvorsitzenden mit den Zahlungen einen Anreiz zu bieten, die übrigen Betriebsräte „unter der Decke“ zu halten, stellt keinen beachtlichen Belang des Unternehmenswohls dar (vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2009, 5 StR 521/08, juris; Beschluss vom 20.06.2018, 4 StR 561/17, juris, Rn. 21), sondern belegt im Gegenteil die Unzulässigkeit der Höherstufung, da mit ihr die Amtsführung des Betriebsratsvorsitzenden beeinflusst werden sollte. Die Berufungsangriffe des Beklagten (S. 5 der Berufungsbegründung) sind ebenfalls nicht erheblich. G wurde von dem Beklagten aus sachfremden Motiven höhergestuft, ohne seine Betriebsratszugehörigkeit wäre die Entgeltstufe 13/6 TVöD für ihn unerreichbar gewesen. G wurde also – contra legem – aufgrund seiner Betriebsratszugehörigkeit begünstigt. Der Vorwurf der Berufung, das Landgericht habe sich mit diesem Aspekt nicht befasst, ist ausweislich der Urteilsgründe (S. 17, 18 des angefochtenen Urteils) falsch.

(1.2.1.3) Der Beklagte wurde wegen dieses Sachverhalts rechtskräftig wegen Untreue verurteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 20.06.2018, 4 StR 561/17, juris, Rn. 21), womit auch der Vorwurf grober Fahrlässigkeit belegt ist.

(1.2.2) Gegen die Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO bestehen keine Bedenken, ein monatlich gezahlter Mehrbetrag von 400,00 EUR stellt in diesem Zusammenhang den Mindestschaden dar, wie sich aus den Ausführungen auf S. 193 des Strafurteils ergibt.

(1.3) In Bezug auf die persönliche übertarifliche Zulage in Höhe von 700,00 EUR (später 600,00 EUR), die G von Mai 2006 bis August 2010 gezahlt wurde, führt die Berufung des Beklagten zu einer Reduzierung der Schadensersatzforderung.

(1.3.1) Die hier streitgegenständliche persönliche Zulage wurde G auf der Grundlage eines Schreibens des Beklagten vom 27.04.2006 „anstelle der bisher gezahlten persönlichen Zulage“ gewährt (S. 93 des Strafurteils). Auch diese Entscheidung des Beklagten begründet einen Schadensersatzanspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Aus dem Strafurteil ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Zulage an G auf Veranlassung des Beklagten „allein wegen der Ausübung seines Amtes“ (d.h. als Betriebsratsvorsitzender, vgl. S. 90 des Strafurteils) gezahlt wurde und dass diese Zulage G bereits nicht zustand (S. 94 des Strafurteils, s. auch S. 90 des Strafurteils: „unrechtmäßig erlangt“), wie dieser (S. 94) und der Beklagte wussten. Die Reduzierung der Zulage auf 600,00 EUR ab 01.07.2009 stand möglicherweise im Zusammenhang mit der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Eingruppierung Gs in Entgeltgruppe 9 TVöD, die auf Veranlassung des Beklagten erfolgte und die nicht Gegenstand der Klage ist (so ausdrücklich die Klägerin auf S. 3 der Anspruchsbegründung, Bl. 47 d.A., Bl. 76 eGA I). Bei fiktiver Weiterentwicklung entsprechend der Entwicklung vergleichbarer Beschäftigter hätte G diese Entgeltgruppe möglicherweise erreicht. In Bezug auf die Fortzahlung der persönlichen Zulage kann der Senat hingegen keine betriebliche Veranlassung feststellen. Vor diesem Hintergrund war die Zusage der persönlichen Zulage im April 2006, die der Beklagte nach den Feststellungen der Strafkammer wegen der Betriebsratszugehörigkeit Gs abgab, grob fahrlässig.

(1.3.2) Allerdings war der Schadensersatzanspruch der Klägerin zu kürzen. G erhielt schon zuvor eine persönliche Zulage in Höhe von 127,82 EUR (zuvor 250,00 DM), die dem entsprach, was auch anderen vergleichbaren Beschäftigten der Klägerin gezahlt wurde. Dies ergibt sich aus den eigenen Angaben der Klägerin in der Anspruchsbegründung vom 14.08.2014 (Bl. 48 d.A., Bl. 77 eGA I) und aus den Feststellungen im Strafurteil (S. 93), nach denen Kfz-Mechaniker wie G bei der Klägerin zusätzlich zu ihrem tariflichen Entgelt monatliche Prämien, Multiplikator-Beträge sowie sonstige tarifliche Leistungen erhielten. Der Senat geht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus, dass die Klägerin diese persönliche Zulage ohne die rechtswidrige Vergütungsentscheidung aus April 2006 fortgezahlt hätte. Die Klägerin muss sich daher im Wege der Vorteilsausgleichung pro Monat 127,82 EUR anrechnen lassen.

(1.4) Hinsichtlich der Vorhandwerkerzulage war das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Es fehlt jedenfalls an einem Schaden.

(1.4.1) Zu der Bewilligung der Vorhandwerkerzulage hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen getroffen, der Beklagte wurde insoweit auch nicht strafrechtlich verurteilt. Aus dem Strafurteil ergibt sich, dass die Geschäftsleitung ausweislich eines Vermerks entschieden habe, Herrn G ab dem 01.01.2005 eine stellvertretende Vorarbeiterzulage in Höhe von 5 % zu zahlen und dass er die Stelle eines stellvertretenden Vorarbeiters jedenfalls im Jahr 2004 bei einer Vergleichsbetrachtung nicht habe erreichen können (S. 93 des Strafurteils). Im Juli 2009 hatte sich diese Situation allerdings geändert, auf S. 94 des Strafurteils heißt es:

„Mit Wirkung zum 01.07.2009 wurde G - auf Veranlassung des Angeklagten F - sodann in die Entgeltgruppe 9 TVöD eingruppiert. Diese Bewertung entsprach der Tätigkeit eines Vorhandwerkers. Um eine solche Stelle hatte sich G bereits vor seiner Freistellung bemüht. Eine Vergleichsbetrachtung erfolgte nicht, bei tatsächlichem Vergleich wäre G jedoch entsprechend einzugruppieren, da die Stellen der Vorhandwerker nach Lohngruppe 9 BMT-G bewertet waren und er diese Stellung bei fiktiver Weiterentwicklung entsprechend der Entwicklung vergleichbarer Beschäftigter tatsächlich hätte erreichen können.“

(1.4.2) Auch wenn die Vorgehensweise des Beklagten formal rechtswidrig gewesen sein mag, weil keine Vergleichsbetrachtung durchgeführt wurde, fehlt es jedenfalls für die Zeit ab Juli 2009, die hier streitgegenständlich ist, an einem Schaden der Klägerin. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass das zu bestimmende Arbeitsentgelt zugunsten des Betriebsratsmitglieds abgeändert wurde. G hätte bei fiktiver Weiterentwicklung ab Juli 2009 die Stelle eines Vorhandwerkers erreichen können, der Senat geht mangels gegenteiliger Anhaltspunkt davon aus, dass er in diesem Fall auch die entsprechende Zulage erhalten hätte.

(1.5) Es ergibt sich daher für den Komplex „G“ die folgende Berechnung:

Höhergruppierung 09/2010 bis 11/2013 (39 Monate × 400,00 EUR)

15.600,00 EUR

Persönliche Zulage 05/2006 bis 06/2009 = 38 Monate × 572,18 EUR (700,00 EUR – 127,82 EUR)

21.742,84 EUR

Persönliche Zulage 07/2009 bis 08/2010 = 14 Monate  ͯ 472,18 EUR (600,00 EUR – 127,82 EUR)

6.610,52 EUR

Vorhandwerkerzulage (5 %) 07/2009 bis 08/2010

0 EUR

 

43.953,36 EUR

Hiervon ist die Zahlung Gs auf den Vergleich vom 15.09.2014 (im Wege der Verrechnung am 01.10.2014 erfolgt) in Höhe von 38.786,82 EUR abzuziehen, da die (teilweise) Erfüllung durch G auch für den Beklagten als dessen Gesamtschuldner wirkte, §§ 422 Abs. 1 Satz 1, 362 Abs. 1 BGB. Der Vergleich wurde als Anlage K 34 zum Schriftsatz vom 24.08.2016 (Bl. 690 d.A., Bl. 1223 eGA I) zur Akte gereicht.

(1.5.1) Die Klägerin hatte aus dem Komplex „G“ ursprünglich insgesamt Zahlung von 95.611,64 EUR beansprucht, und zwar 80.045,71 EUR für die überhöhte Vergütung (Bl. 49 d.A., Bl. 78 eGA I), 13.665,93 EUR für die private PKW-Nutzung (Bl. 50 d.A., Bl. 79 eGA I) und 1.900,00 EUR für Kosten für eine Gesundheitsvorsorgeuntersuchung (Bl. 51 d.A., Bl. 80 eGA I). Mit Schriftsatz vom 15.01.2015 (Bl. 185 d.A., Bl. 296 eGA I) hat die Klägerin zunächst die Klage in Höhe von 54.352,75 EUR zurückgenommen. Sodann hat sie mit Schriftsatz vom 02.09.2015 (Bl. 324 d.A., Bl. 534 eGA I) eine Klageänderung und -erweiterung vorgenommen. Sie hat, wie sich aus der Übersicht auf S. 5 dieses Schriftsatzes (Bl. 328 d.A., Bl. 539 eGA I) ergibt, aus dem Komplex „G“ nur noch Zahlung von 41.258,89 EUR beansprucht, weil sie sich eine im Vergleichswege von G erhaltene Zahlung anrechnen ließ. Gleichzeitig erhöhte die Klägerin die Klage um den Komplex „Fahrerabordnung“, so dass sich der Klageantrag erhöhte.

(1.5.2) Insgesamt erhielt die Klägerin von G aufgrund des Vergleichs eine Zahlung von 54.352,75 EUR. In Höhe von 13.665,93 EUR verrechnete die Klägerin diese Zahlung auf einen Schadensersatzanspruch für die private Nutzung eines PKW und in Höhe von 1.900,00 EUR auf die Kosten für eine Gesundheitsvorsorgeuntersuchung. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Rechtsanwalt B1 hat dazu im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.11.2019 (Bl. 996 d.A., Bl. 1806 eGA I) erklärt, diese Positionen seien „nicht mehr Gegenstand des Prozesses“. Der Beklagte ist der von der Klägerin vorgenommenen Verrechnung zuletzt nicht mehr entgegen getreten. In der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2022 hat der Senat den Parteien den Hinweis erteilt, dass er aus diesem Grund die Verrechnung der Klägerin ebenfalls akzeptieren werde; hiergegen hat der Beklagte keine Einwendungen erhoben. Dies führt dazu, dass der nach Abzug der Positionen „PKW-Nutzung“ und „Gesundheitsvorsorge“ verbleibende restliche Vergleichsbetrag in Höhe von 38.786,82 EUR von der nach der Berechnung des Senats berechtigten Schadensersatzforderung wegen Zahlung einer überhöhten Vergütung abzuziehen ist. Es verbleiben 5.166,54 EUR, die der Beklagte zahlen muss.

(1.5.3) Eine darüber hinausgehende Gesamtwirkung des Vergleichs besteht nicht. Die erstinstanzlich geäußerte Auffassung des Beklagten, durch den Abschluss dieses Vergleichs mit Herrn G seien auch weitergehende Forderungen gegen ihn erloschen (Bl. 620 d.A., Bl. 1101 eGA I), trifft nicht zu. Es ist jeweils durch Auslegung der mit einem Gesamtschuldner (hier G) getroffenen Vereinbarung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob der in dem Vergleich geregelte Erlass oder Verzicht Einzel- oder Gesamtwirkung hat. Einem Vergleich mit einem Gesamtschuldner kommt in der Regel keine Gesamtwirkung dahingehend zu, dass der andere Gesamtschuldner von der Erlasswirkung profitieren soll (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 423 Rn. 2; BGH, Urteil vom 21.03.2000, IX ZR 39/99, juris, Rn. 20; Urteil vom 22.12.2011, VII ZR 7/11, juris, Rn. 22 ff.). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das hier anders gewesen sein könnte. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, sie habe sich mit G nach langen Verhandlungen auf den Vergleichsbetrag geeinigt, zu weiteren Zugeständnissen sei G nicht bereit gewesen (Bl. 964 d.A., Bl. 1729 eGA I). Der Beklagte war in diese Vorgänge nicht involviert. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass die Klägerin mit dem Vergleichsschluss den Komplex „G“ insgesamt, d.h. auch zugunsten des Beklagten, erledigen wollte, zumal sie den Anspruch gleichzeitig in voller Höhe gegen den Beklagten verfolgte. Der Gläubiger hat grundsätzlich ein Interesse daran, sich bei dem anderen Gesamtschuldner schadlos halten zu können (BGH, Urteil vom 22.12.2011, VII ZR 7/11, juris, Rn. 23). Zu der Interessenlage Gs in Bezug auf eine etwaige Erlasswirkung zugunsten des Beklagten liegen keine Anhaltspunkte vor. Diese dürften in den Risiken eines etwaigen Gesamtschuldnerausgleichs mit dem Beklagten zu sehen sein. Wenn G im Innenverhältnis allein oder überwiegend auf Rückzahlung haften würde, könnte er – für die Klägerin erkennbar – ein Interesse daran gehabt haben, dass mit seiner Zahlung auch die Forderungen gegen den Beklagten erlöschen. Da aber der Beklagte die rechtswidrigen Vergütungsentscheidungen traf und diese im Unternehmen der Klägerin umsetzte, spricht nichts dafür, dass G, der von den Entscheidungen profitierte, im Innenverhältnis allein haften würde. Selbst wenn das anders wäre, würde dieser Umstand allein die Annahme einer Gesamtwirkung nicht rechtfertigen, da dies nicht dem Willen der Klägerin entspräche (BGH, Urteil vom 22.12.2011, VII ZR 7/11, juris, Rn. 23).

(2) Dienstwagenüberlassung und Gesundheitsvorsorgeuntersuchung H

(2.1) In Bezug auf die Überlassung eines Dienstwagens an das Betriebsratsmitglied H hat das Landgericht den Beklagten zutreffend zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt und den Anspruch auf § 43 Abs. 2 GmbHG gestützt. Auf die zulässige Berufung des Beklagten hat der Senat den Schaden neu berechnet. Die Klägerin kann von dem Beklagten aus diesem Komplex Zahlung von 2.512,82 EUR beanspruchen. Wegen des darüber hinausgehenden Antrags war die Klage abzuweisen.

(2.1.1) Das Landgericht hat zur Sache die folgenden Feststellungen getroffen:

„Herr H ist seit April 1982 Kraftfahrer und Transportmitarbeiter der Klägerin und seit 2002 Mitglied des Betriebsrates. (…) Im Zeitraum 17.04.2012 bis 14.12.2012 überließ der Beklagte Herrn H einen Dienstwagen der Marke Kfz02 Typ02 (CNG) zur privaten Nutzung. Im Zeitraum 15.12.2012 bis 26.11.2013 überließ der Beklagte Herrn H einen Dienstwagen der Marke Kfz02 Typ03 ebenfalls zur privaten Nutzung. Nach Ausscheiden des Beklagten wurde die Nutzung des Dienstwagens durch die nachfolgende Geschäftsführung widerrufen.“

(2.1.2) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der Beklagte der Klägerin den durch die Überlassung der Dienstwagen entstandenen Schaden zu ersetzen hat. Die Klägerin hat eine mögliche Verletzung der Pflichten aus § 43 Abs. 1 GmbHG dargetan, indem sie vorgetragen hat, dass keinem vergleichbaren Mitarbeiter ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen worden sei. Unstreitig ist auch, dass die Dienstwagenüberlassung an Herrn H unmittelbar nach dem Ausscheiden des Beklagten als Geschäftsführer durch die nachfolgende Geschäftsführung widerrufen worden ist (S. 24 der Urteilsgründe). Ein Dienstwagen, der uneingeschränkt auch privat genutzt werden kann, gehört zur Normalausstattung eines Geschäftsführers durch die Gesellschaft (OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.12.2011, 16 U 19/10, juris, Rn. 32), nicht aber zur Normalausstattung eines Kraftfahrers und Transportmitarbeiters wie H. Ein sachlicher bzw. dienstlich veranlasster, den Interessen der Gesellschaft dienender Grund für die Fahrzeugüberlassung ist nicht erkennbar. Bei dieser Sachlage wäre es Sache des Beklagten, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass das schadensverursachende Verhalten nicht pflichtwidrig war, er also sein Amt entsprechend den Anforderungen des § 43 Abs. 1 GmbHG pflichtgemäß ausführte oder ihm zumindest kein Schuldvorwurf hinsichtlich der Pflichtverletzung gemacht werden kann oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre. Er müsste insoweit das Vorliegen der Voraussetzungen der „business judgement rule“ darlegen und ggf. beweisen. Diesen Anforderungen kam der Beklagte nicht nach. Er hat in der Klageerwiderung (Bl. 129, 130 d.A., Bl. 207, 208 eGA I) nur pauschal vorgetragen, die Freigabe des Dienstfahrzeugs zur privaten Nutzung sei im Vergleich zu der Übernahme der Reisekosten für die Betriebsratstätigkeit die kostengünstigere Alternative gewesen. Diese Behauptung lässt sich zum einen in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehen, da Angaben zum Umfang der Betriebsratstätigkeit fehlen. Im Übrigen liegt die Pflichtwidrigkeit hier in der Freigabe zur privaten Nutzung, denn damit erhielt das Betriebsratsmitglied einen geldwerten Vorteil, der ihm nicht gewährt werden durfte. Auch die Berufungsbegründung leistet den erforderlichen Vortrag nicht. Die Einlassung des Beklagen auf S. 6 der Berufungsbegründung („Was ist pflichtwidrig daran, einzelnen Mitarbeitern zur Motivation und Belohnung besondere Vorteile zu gewähren? Selbst zum Ruhigstellen eines Mitarbeiters, der nach Höhergruppierung nachsucht, ist ein solcher Kompromiss nicht pflichtwidrig.“) offenbart vielmehr das falsche Amtsverständnis des Beklagten. Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass die Überlassung des Fahrzeugs im Hinblick auf die Betriebsratszugehörigkeit Hs erfolgte. Die mögliche Erwägung des Beklagen, er könne sich durch die Gewährung von Vorteilen die Betriebsräte gewogen halten, orientiert sich nicht am Unternehmenswohl (BGH, Urteil vom 17.09.2009, 5 StR 521/08, juris; Beschluss vom 20.06.2018, 4 StR 561/17, juris, Rn. 21). Damit ist auch der Vorwurf grober Fahrlässigkeit belegt.

(2.1.3) Da die unentgeltliche Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung einen geldwerten Nutzungsvorteil für den Mitarbeiter begründet, korrespondiert damit eine entsprechende Vermögenseinbuße (und damit ein Schaden) der Klägerin. Allerdings hat der Senat den Schaden anders berechnet als das Landgericht und im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte Aufwendungen der Klägerin in Abzug gebracht, so dass die Klägerin im Ergebnis Zahlung von 2.512,82 EUR beanspruchen kann.

(2.1.3.1) Das Landgericht ist in Bezug auf die Berechnung des Schadens der Anregung der Klägerin aus der Anspruchsbegründung gefolgt. Es hat den Schaden in Anlehnung an die Berechnung des Lohnzuflusses durch die infolge der Überlassung eines Dienstwagen erlangten Nutzungsvorteile eines Arbeitnehmers bemessen, §§ 8 Abs. 2 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz EStG (hier: steuerliche 1%-Regelung) (S. 26 ff. des angefochtenen Urteils). Damit hat sich das Landgericht nicht mehr im Rahmen des durch § 287 ZPO eingeräumten Ermessens gehalten. Es geht hier nämlich nicht um die Bemessung der Vorteile, die H infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten erlangte, sondern um die Bewertung der bei der Klägerin eingetretenen Vermögensnachteile. Die Dienstfahrzeuge, die H zur Verfügung gestellt wurden, wurden von der Klägerin angeschafft und konnten daher während der Zeit der Überlassung an H nicht für andere dienstliche Zwecke genutzt werden. Die Klägerin war hierdurch mit entsprechenden Vorhaltekosten belastet, denen kein Vermögensvorteil in Gestalt der damit erkauften Nutzungsmöglichkeit gegenüberstand.

(2.1.3.2) Der Senat schätzt die monatlichen Vorhaltekosten anhand der Angaben in der nunmehr von Küppersbusch (früher: Sanden/Danner) betreuten sog. Schwacke-Liste (Oetker in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 249 Rn. 80). Die Liste „Nutzungsausfallentschädigung 2012“ ist als NJW-Beilage 2012 über beck-online über folgenden Link verfügbar:

https://beck-online.beck.de/Bcid/Y-300-Z-NJW-BEIL-B-2012-S-1-N-1

Die Tabelle enthält neben dem Nutzungswert pro Tag auch die aktuellen Vorhaltekosten pro Tag für alle marktgängigen Fahrzeuge. Die Vorhaltekosten enthalten dabei eine Alterungsabschreibung, eine Verzinsung, Kosten für Wartung und Unterhalt, Garagenmiete (500,00 EUR / Jahr), Kosten für Versicherung und für Kfz-Steuer. Der Senat schätzt die täglichen Vorhaltekosten für den Kfz02 Typ02 CNG anhand der Angaben in der Tabelle auf 13,40 EUR und für den Kfz02 Typ03 1.4 (..) auf 11,20 EUR. Aufwendungen für Garagenmiete wurden jeweils herausgerechnet, da die Klägerin infolge der Überlassung der Fahrzeuge an die Betriebsratsmitglieder nicht mit diesen Kosten belastet war.

Der Senat schätzt die Vorhaltekosten für die Dauer der Überlassung wie folgt:

Kfz02 Typ02: 242 Tage × 13,40 EUR = 3.242,80 EUR

Kfz02 Typ03: 347 Tage × 11,20 EUR = 3.886,40 EUR

Abzuziehen ist der Eigenanteil in Höhe von 167,93 EUR, den H für die Überlassung des Kfz02 Typ02 CNG leistete. Zudem ersparte die Klägerin monatliche Aufwendungen in Höhe von 170,00 EUR, die ebenfalls im Wege der Vorteilsausgleichung abzuziehen sind. Die Betriebsratsmitglieder der Klägerin erhalten für dienstlich veranlasste Fahrten mit Privatfahrzeugen pro Monat eine pauschale Fahrtkostenerstattung in Höhe von 170,00 EUR. Die Geschäftsführer der Klägerin haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass diese Pauschalen an Betriebsratsmitglieder wie H, denen ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt wurde, nicht mehr gezahlt wurden.

Für die Überlassung des Kfz02 Typ02 ergibt sich pro Monat eine Vorteilsausgleichung in Höhe von 337,93 EUR, so dass insgesamt 2.675,82 EUR abzuziehen sind (337,93 EUR × 7 ganze Monate = 2.365,51 EUR plus 337,93 × 14/30stel (14 Tage im April 2012) = 157,70 EUR plus 337,93 × 14/31stel (14 Tage im Dezember 2012) = 152,61 EUR).

Die anzurechnenden Vorteile für die Nutzung des Kfz02 Typ03 (pro Monat 170,00 EUR) betragen 1.950,56 EUR (170,00 EUR × 10 ganze Monate = 1.700,00 EUR plus 170,00 EUR × 17/31stel (17 Tage im Dezember 2012) = 93,23 EUR plus 170,00 EUR × 26/30stel (26 Tage im November 2013) = 147,33 EUR).

Dienstwagennutzung

Tage × Vorhaltekosten

Vorhaltekosten

Vorteile

Schaden

Kfz02 Typ02 CNG

17.04.2012-14.12.2012

242 × 13,40 EUR

3.242,80 EUR

-2.675,82 EUR

566,98 EUR

Kfz02 Typ03 1.4 Turbo

15.12.2012-26.11.2013

347 × 11,20 EUR

3.886,40 EUR

-1.940,56 EUR

1.945,84 EUR

   

7.129,20 EUR

-4.616,38 EUR

2.512,82 EUR

(2.2) In Bezug auf die Kostenübernahme der Gesundheitsvorsorge für das Betriebsratsmitglied H hat das Landgericht die Klage abgewiesen (S. 28 des angefochtenen Urteils), insofern ist das angefochtene Urteil rechtskräftig.

(3) Dienstwagenüberlassung und Gesundheitsvorsorgeuntersuchung I

(3.1) Die Berufung des Beklagten ist in Bezug auf die Position „Dienstwagenüberlassung I“ unzulässig, so dass der Beklagte zur Zahlung von 14.420,42 EUR verurteilt bleibt.

(3.1.1) Das Landgericht hat den Beklagten hinsichtlich dieser Position (Tatkomplex zu Ziffer III.) 3. des angefochtenen Urteils) zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 14.420,42 EUR aus § 43 Abs. 2 GmbHG verurteilt, da der Beklagte dem Betriebsratsmitglied I in der Zeit ab Januar 2009 einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überließ, obwohl ein sachlicher bzw. dienstlich veranlasster, den Interessen der Gesellschaft dienender Grund für die Fahrzeugüberlassung nicht vorlag.

(3.1.2) Insoweit fehlt es an einem Berufungsangriff i.S.d. § 520 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Bei einer Mehrheit der mit der Berufung verfolgten Ansprüche (bzw. bei einer Verteidigung gegen mehrere geltend gemachte Ansprüche) ist für jeden eine Begründung nötig, wenn nicht ein Einwand vorgetragen wird, der auf alle Ansprüche bzw. Anträge zutrifft (Heßler in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 520 Rn. 38; BGH, Urteil vom 22.01.1998, I ZR 177/95, juris). Nach dieser Maßgabe befasst sich die Berufungsbegründung des Beklagten nicht mit der Dienstwagenüberlassung an Herrn I. Die Berufungsangriffe des Beklagen, die sich gegen die Verwertung des Strafurteils wenden, treffen auf den Handlungskomplex „I“ deswegen nicht zu, weil der Beklagte insoweit nicht strafrechtlich verurteilt wurde und eine Verwertung des Strafurteils in dem angefochtenen Urteil nicht stattfand. Auf Seite 6 der Berufungsbegründung befasst sich der Beklagte nur mit dem Thema „KFZ-Nutzung H“, eine Auseinandersetzung mit dem ähnlich gelagerten Sachverhalt „Dienstwagenüberlassung I“ fehlt jedoch.

(3.2) In Bezug auf die Kostenübernahme der Gesundheitsvorsorge für das Betriebsratsmitglied I hat das Landgericht die Klage ebenfalls abgewiesen, die Klägerin hat dies mit ihrer Berufung nicht angegriffen.

(4) Anschaffung von Eintrittskarten

Auch diese Position ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, da die Klägerin die Klageabweisung durch das Landgericht akzeptiert hat.

(5) Anschaffung eines Pkw01 TYP01 als Poolfahrzeug

Die zulässige Berufung des Beklagten führt zur vollständigen Klageabweisung hinsichtlich dieses Tatkomplexes, da der Klägerin durch die Pflichtverletzung des Beklagten kein Schaden in Gestalt der Unterhaltungskosten für das Fahrzeug TYP01 entstanden ist.

(5.1) Zu diesem Vorwurf hat das Landgericht im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils die folgenden Feststellungen getroffen:

„Unter dem 14.04.2011 schloss der Beklagte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin einen Leasingvertrag über einen Pkw01 TYP01 ab. Die monatliche Leasingrate sollte ursprünglich 791,00 EUR betragen, wobei diese auf monatlich 756,00 EUR abgeändert würde. Das Fahrzeug wurde am 22.07.2011 als Neuwagen übergeben und am 24.05.2013 zurückgegeben. Das Fahrzeug wurde überwiegend von dem Mitarbeiter der Klägerin, dem Zeugen O, zum Zwecke von Botenfahrten genutzt. Zuvor wurden Botenfahrten durch den Zeugen O mit seinem Privatfahrzeug unternommen, wobei er dafür regelmäßig eine Nutzungsentschädigung von der Klägerin erhielt. Während der Dauer des Leasingvertrages stand ein Pkw03 gehobener Klasse als Dienstvertrag (richtig: Dienstfahrzeug) zur Verfügung, der während der Nutzung des Pkw01 TYP01 nicht gefahren wurde. Nach Ausscheiden des Beklagten wurde der Leasingvertrag durch die nachfolgende Geschäftsführung gekündigt. Ein Ersatzfahrzeug wurde nicht angeschafft. Mit Beendigung des Leasingvertrages hatte das Fahrzeug eine Fahrleistung von 17.389 km.“

Auch insofern wurde der Beklagte in dem Strafverfahren wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Der Bundesgerichtshof stellte das Verfahren insofern aus verfahrensökonomischen Gründen gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein (BGH, Beschluss vom 20.06.2018, 4 StR 561/17, juris, Rn. 3). Die urkundliche Verwertung des erstinstanzlichen Strafurteils führte das Landgericht zu der Überzeugung, dass der Beklagte seine Pflichten als Geschäftsführer der Klägerin gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG verletzt habe, indem er den Leasingvertrag vom 14.04.2011 (Anlage K 39 im Anlagenband II) über das streitgegenständliche Fahrzeug unterzeichnete, obwohl dies betrieblich nicht veranlasst war (S. 32 der Urteilsgründe). Das Landgericht hat angenommen, dass in Bezug auf die gezahlten Leasingraten in Höhe von 17.388,00 EUR der Schaden durch die damit erkaufte Nutzungsmöglichkeit kompensiert worden sei, so dass die Klage insoweit abgewiesen wurde. Die Klägerin hat hiergegen keine Berufung eingelegt. Das Landgericht hat den Beklagten jedoch wegen der durch die Unterhaltung des Fahrzeugs entstandenen Kosten in Höhe von 8.710,97 EUR für Steuern und Versicherungen, Kraftstoff, Werkstattkosten sowie Kosten für die An- und Abmeldung (S. 34 des angefochtenen Urteils) verurteilt, was der Beklagte mit seiner Berufung angreift.

(5.2) Die haftungsbegründende mögliche Pflichtverletzung i.S.d. § 43 Abs. 1 GmbHG sieht der Senat mit dem Landgericht in dem Abschluss eines Leasingvertrages für ein nicht betriebsnotwendiges Poolfahrzeug (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2005, II ZR 112/03, juris). Der Beklagte hat im Strafverfahren eingeräumt, dass er diese Entscheidung selbst getroffen habe (S. 172 des Strafurteils). Auch die fehlende betriebliche Veranlassung konnte auf der Grundlage der eigenen Angaben des Beklagten im Strafverfahren festgestellt werden (S. 114, 171, 175 des Strafurteils). Allerdings rügt der Beklagte mit seiner Berufungsbegründung zu Recht, dass es sich bei den jetzt noch streitgegenständlichen Unterhaltungskosten nicht um vergebliche Aufwendungen der Klägerin handelte, so dass diese keinen erstattungsfähigen Schaden darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2021, VI ZR 354/19, juris, Rn. 24). Denn die Mitarbeiter der Klägerin konnten das Fahrzeug bestimmungsmäßig nutzen, indem sie ca. 17.000 km mit ihm zurücklegten. Die entstandenen Kosten wurden daher durch die damit erkaufte Nutzungsmöglichkeit kompensiert.

(6) Gesundheitsvorsorgeuntersuchung Beklagter

Hinsichtlich dieser Position hat das Landgericht die Klage rechtskräftig abgewiesen, sie ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.

(7) IT-Beratervertrag J

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus diesem Komplex, der Gegenstand beider Berufungen ist, einen Anspruch auf Zahlung von 203.536,00 EUR aus § 43 Abs. 2 GmbHG, nachdem die Parteien den Rechtsstreit aufgrund der vergleichsweisen Zahlung  Js in Höhe von 200.000,00 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Auch dieser Vergleich mit einem Gesamtschuldner des Beklagten hatte keine darüber hinausgehende Erlasswirkung zugunsten des Beklagten.

(7.1) Dem Vorwurf liegen folgender Sachverhalt und Verfahrensgang zugrunde:

Im Zeitraum von 2007 bis 2010 beauftragte der Beklagte wiederholt das Einzelunternehmen „ J Beratung und Management“ mit der Erbringung projektbezogener Dienstleistungen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Auflistung in der Anspruchsbegründung vom 14.08.2014 (BI. 59 d.A., Bl. 88 eGA I) verwiesen. Es wurde jeweils ein Tagessatz von 960,00 EUR zzgl. 5 % Overheadpauschale und Umsatzsteuer vereinbart. Der Hauptabteilungsleiter für IT Koordination der Klägerin, Herr U, unterzeichnete jeden Auftrag mit.

Unter dem 08.10.2010 schlossen der Beklagte und Herr J einen Beratervertrag ab, der die Erbringung von IT-Dienstleistungen für die Klägerin für einen längeren Zeitraum zum Gegenstand hatte (Anlage K 8). Der Vertrag lief bis zum 31.12.2014. Auch im Rahmen dieses Vertrages wurde ein Tagessatz von 960,00 EUR zzgl. 5 % Overheadpauschale und Umsatzsteuer vereinbart. Dieser Beratervertrag wurde durch einen Vertrag vom 01./05.09.2011 (Anlage K 9) mit Wirkung zum 14.09.2011 aufgehoben und für die Zeit ab dem 15.09.2011 bis zum 31.12.2014 durch einen neuen Beratervertrag ersetzt, nach dessen Inhalt Herr J als Interimsmanager eingesetzt werden sollte. Dem lag ein Angebot des Herrn J vom 23.08.2011 (Anlage K 13) zugrunde, dessen Annahme der Beklagte unter dem 02.09.2011 (Anlage K 14) verfügte. Für den neuen Beratervertrag wurde ein Tagessatz von 1.500,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Der Arbeitseinsatz wurde zunächst mit drei Tagen pro Woche und später mit zwei Tagen pro Woche bemessen. J rechnete seine Leistungen in der Folgezeit mit Rechnungen ab, die er in der Regel zweimal monatlich erstellte und die zunächst nur die in dem jeweiligen Rechnungszeitraum erbrachten „Manntage“ und eine Kurzbezeichnung der erbrachten (Dienst-)Leistungen enthielten (Anlage K 15).

Die Klägerin hat Herrn J persönlich vor dem Landgericht Essen (Az. 11 O 275/14) auf Rückzahlung erhaltener Vergütungen in Anspruch genommen. Am 09.03.2022 schlossen die Klägerin und Herr J einen Widerrufsvergleich, durch den Herr J sich verpflichtete, einen Betrag von 200.000,00 EUR an die Klägerin zu zahlen. Der von Herrn J nach Ablauf der Widerrufsfrist geschuldete Vergleichsbetrag wurde in einer Zahlung geleistet und bei der Klägerin am 04.05.2022 gutgeschrieben.

Die Klägerin hat behauptet, vor der Beauftragung Js seien keine Vergleichsangebote eingeholt worden. Die vereinbarte Vergütung für den Parteifreund des Beklagten sei zu hoch gewesen, da Herr J nicht ausreichend qualifiziert gewesen sei und nicht in entsprechendem Umfang gearbeitet habe. Statt des vereinbarten Tagessatzes in Höhe von 960,00 EUR bzw. 1.500,00 EUR sei ein Tagessatz in Höhe von 600,00 EUR angemessen gewesen. Die Vereinbarung einer Overheadpauschale sei in der IT-Branche unüblich. Auch die deutliche Erhöhung der Bezüge bei noch laufendem Vertrag sei mangels Notwendigkeit zu beanstanden. Die Klägerin hat behauptet, ihr sei infolge der Beauftragung Js ein Schaden in Höhe von insgesamt 403.536,00 EUR entstanden. Allein aus der Tagessatzdifferenz resultiere ein Schaden in Höhe von 313.986,00 EUR. Als Interimsmanager ab 2011 habe Herr J 90.450,00 EUR zu viel erhalten, da in diesem Umfang kein Bedarf für seine Tätigkeit bestanden habe bzw. er die abgerechneten Leistungen nicht erbracht habe. Die Klägerin hat sich insoweit auf das von ihr eingeholte Gutachten der K GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Anlage K 12) bezogen, deren Kosten sie ebenfalls in Höhe von 120.650,46 EUR von dem Beklagten ersetzt verlangt hat und die Gegenstand der Position Nr. 10 sind.

Der Beklagte hat behauptet, die Vergütung sei angesichts der umfangreichen Tätigkeit Js ortsüblich und angemessen gewesen. Die Rechnungen seien mit der Klägerin abgestimmt worden. Im Übrigen seien die Zahlen regelmäßig gegenüber dem Aufsichtsrat kommuniziert worden. Die Klägerin habe zudem die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 627 BGB gehabt, die sie nicht genutzt habe.

Das Landgericht hat mit Auflagen-, Hinweis- und Beweisbeschluss vom 09.02.2016 (Bl. 480 ff. d.A., Bl. 847 ff. eGA I) die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage der Ortsüblichkeit und Angemessenheit der Vergütung des Js angeordnet. Mit Beschluss vom 17.05.2016 (Bl. 565 f. d.A., Bl. 1004 f. eGA I) wurde der Beweisbeschluss ergänzt, allerdings wurde die Ausführung dieses Beschlusses angesichts der immensen Kosten mit Verfügung vom 30.06.2016 (Bl. 571 d.A., Bl. 1037 eGA I) zurückgestellt.

Das Landgericht hat den Beklagten zu diesem Tatkomplex zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 122.754,00 EUR und zur Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe von 120.650,46 EUR (vgl. Position Nr. 10) verurteilt und die Voraussetzungen einer Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG bejaht. Es hat die Verurteilung darauf gestützt, dass der Beklagte den ursprünglichen Beratervertrag vom 08.10.2010 mit einem vereinbarten Tagessatz von 960,00 EUR zzgl. 5 % Overheadpauschale ohne hinreichenden Grund und ohne Notwendigkeit durch einen neuen Beratervertrag vom 01./05.09.2011 zu einem überhöhten Tagessatz von 1.500,00 EUR ersetzt habe. Nach den Feststellungen des Strafurteils, denen die Kammer folge, habe es nach Abschluss des neuen Beratervertrages gegenüber dem ursprünglichen Beratervertrag keine inhaltliche Veränderung der Aufgaben Js gegeben, dieser habe keine eigenen Entscheidungsbefugnisse gehabt und habe an keiner Geschäftsführer-, Prokuristen- und Hauptabteilungsleiterbesprechung teilgenommen. Dass J nach außen den Titel Interimmanager getragen habe, rechtfertige allein nicht eine derart hohe Aufstockung des Tagessatzes (S. 40 ff. des angefochtenen Urteils). Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass die Klägerin ab dem 15.09.2011 492,00 EUR pro Manntag zu viel an Herrn J gezahlt habe, hat das Landgericht seiner Berechnung des hierdurch entstandenen Schadens die im Zeitraum vom 15.09.2011 bis Ende 2013 von J abgerechneten 249,5 Tage zugrunde gelegt, da es diese – unzutreffend – als unstreitig angesehen hat (S. 43 des angefochtenen Urteils).

Im Übrigen hat das Landgericht die Klage zu dem Komplex „IT-Beratervertrag/J“ abgewiesen, da der Beklagte seine Pflichten als Geschäftsführer der Klägerin infolge der wiederholten Beauftragung Js zu einem Tagessatz in Höhe von 960,00 EUR zzgl. 5 % Overheadpauschale nicht verletzt habe (S. 37 ff. des angefochtenen Urteils). Das Landgericht ist insofern den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen M gefolgt und hat den ursprünglich vereinbarten Tagessätze für die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten Js in Höhe von 960,00 EUR als nicht unangemessen hoch und die Vereinbarung einer Overheadpauschale als üblich eingeschätzt.

(7.2) Die Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien noch rechtshängigen Teils der Klageforderung zu Position Nr. 7 begründet und führt zu der beantragten Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

(7.2.1) Die Klägerin erlitt durch die wiederholte Beauftragung des IT-Beraters J zu einer objektiv überhöhten Vergütung einen Schaden in Höhe von insgesamt 313.086,00 EUR, für den der Beklagte nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet.

(7.2.1.1) Unter Berücksichtigung der Qualifikation und der von J entfalteten Tätigkeiten wäre nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme durch den Senat allenfalls ein Tagessatz von 600,00 EUR angemessen gewesen.

(7.2.1.1.1) Der Senat stützt sich insoweit maßgeblich auf das von der Klägerin in Auftrag gegebene sog. K-Gutachten (Anlage K 12), das er nach entsprechendem Hinweis an die Parteien in der Terminverfügung vom 03.08.2022 verwertet hat und das eine größere Überzeugungskraft hat als das gerichtliche Gutachten des Sachverständigen M. Zudem hat der Zeuge T, einer der beiden Privatsachverständigen, im Rahmen seiner Vernehmung am 12.12.2022 die Vorgehensweise bei der Erstellung des Gutachtens erläutert. Bei beiden Verfassern des K-Gutachtens handelt es sich um Wirtschaftsprüfer, wobei der Zeuge  T seinen eigenen glaubhaften Angaben zufolge über ein ausgesprochenes IT-Verständnis verfügt. Das Gutachten diente auftragsgemäß der abschließenden Quantifizierung der durch die an J vergebenen Beratungsaufträge entstandenen finanziellen Schäden der Klägerin. Schwerpunkt der Arbeit war der am 01./05.09.2011 mit J geschlossene Beratervertrag, der eine Laufzeit bis zum 31.12.2014 aufwies. Die Sachverständigen werteten dazu die von J im Zeitraum von 2009 bis 2013 geführten Akten und Unterlagen zu den IT-Projekten aus. Ferner hatten sie Zugriff auf die bei dem Hauptabteilungsleiter HA 0 befindlichen Projektakten zu IT-Projekten. Die Analyse der Akten führte zu dem Ergebnis, dass J als Organisationsberater bzw. Projektmitarbeiter, in seltenen Fällen auch als Projektleiter arbeitete (S. 18 des K-Gutachtens). Ferner flossen Js fachliche und berufliche Qualifikation und Expertise in die Bewertung ein (S. 19 des K-Gutachtens). Der Erfahrungshintergrund des Js, der bis zum Jahr 2000 Mitglied des Aufsichtsrats war, und seine guten Kontakte zur Stadt A konnten nach Einschätzung der Sachverständigen eine höhere Vergütung nicht rechtfertigen, da J diese Kenntnisse für seine Tätigkeit schlicht nicht benötigte (S. 20 des K-Gutachtens). Der Fremdvergleichsanalyse legten die Sachverständigen das tatsächlich auf J passende Tätigkeitsprofil eines als Freelancer (d.h. ohne eigene Administration) tätigen Organisationsberaters/-managers (ohne Zusatzqualifikation durch Fortbildungen bzw. programmiertechnisches Know-How) zugrunde und stellten dazu auch Honorarvergleiche mit anderen B-Vertragspartnern an (S. 20 ff. des K-Gutachten). Das Gutachten gibt insofern Auskunft über die Bedingungen, zu denen Aufträge an die C GmbH vergeben werden konnten, diese war seit dem Jahr 2010 IT-Dienstleister für die Klägerin. Der globale Rahmenvertrag zwischen der Klägerin als Auftraggeberin und der C1 GmbH als Auftragnehmerin sieht Stundensätze – je nach Qualifikation – in Höhe von 75,00 EUR bis 105,00 EUR vor (S. 20, 21 des K-Gutachtens). Aus einem Angebot der C GmbH vom 24.07.2013 für ein SEPA-Projekt ergeben sich Stundensätze von 90,00 EUR für einen SAP-Berater (diese Qualifikation besaß J nicht) und 105,00 EUR für einen Projektleiter (S. 21 des K-Gutachtens). J war, wie auch die weitere Beweisaufnahme durch den Senat ergeben hat, tatsächlich nur unterstützend für den Projektleiter der Klägerin tätig und hatte keine programmiertechnischen Kenntnisse. Auch die von dem Beklagten in der Klageerwiderung beschriebenen üblichen Tätigkeiten von J (Bl. 142 ff. d.A., Bl. 220 eGA I) lassen nicht erkennen, dass J in herausgehobener Position für die Klägerin tätig wurde, erst recht ergibt sich daraus keine Management-Tätigkeit. Insgesamt kommen die Sachverständigen auf der Grundlage ihrer Ermittlungen und einer Marktanalyse zu einem angemessenen Tagessatz für eine Freelancer-Tätigkeit im beratenden IT-Segment von 600,00 EUR, die Vereinbarung einer Overhead-Pauschale sei in der Branche unüblich (S. 23 des K-Gutachtens). Der Zeuge T hat diese Ergebnisse im Rahnen seiner Aussage bestätigt und ergänzt, dass die in dem Gutachten vorgenommenen Wertungen von einem ausgewiesenen IT-Fachmann, dem Wirtschaftsprüfer D1, vorgenommen worden seien. Dieser, so der Zeuge T, sei Mitglied des aus zwölf Wirtschaftsprüfern mit ausgewiesener IT-Erfahrung bestehenden Fachausschusses für IT-Wesen im IDW. Hieraus ergibt sich, dass die Feststellungen des Privatgutachtens von besonderer Expertise getragen sind.

(7.2.1.1.2) Auch die Vernehmung der Zeugen U, V und W hat ergeben, dass J in verschiedenen IT-Projekten im Betrieb der Klägerin mitarbeitete, ohne Projektleiter gewesen zu sein. Aus diesem Grund sind die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen M keine Grundlage für die Bestimmung des angemessenen Tagessatzes. Denn der Sachverständige ging von falschen Anknüpfungstatsachen aus, indem er unterstellte, J sei durchgängig als Projektleiter tätig geworden. Unter dieser Prämisse kam er zu der Einschätzung, der bis zum Jahr 2011 abgerechnete und gezahlte Tagessatz von 1.008,00 EUR inkl. Overhead-Pauschale sei nicht unangemessen hoch gewesen. Dem folgt der Senat, anders als das Landgericht, nicht. Für die von J übernommenen Tätigkeiten, die keine besonderen Fähigkeiten im IT-Bereich voraussetzten, ist ein Tagessatz von 600,00 EUR mehr als angemessen. Die Klägerin unterhielt im streitgegenständlichen Zeitpunkt eine – wenn auch nicht sehr große – IT-Abteilung, die von dem Zeugen U geleitet wurde. Für komplexere Aufgabenstellungen griff sie, wie auch in dem K-Gutachten und von den Zeugen beschrieben, auf externe IT-Dienstleister zurück. Zwar musste z.B. die Implementierung neuer Software-Lösungen im Betrieb der Klägerin umgesetzt werden, was naturgemäß mit einem zusätzlich zum „Tagesgeschäft“ zu bewältigenden Arbeitsaufwand einherging. Bei diesen verschiedenen IT-Projekten wirkte J jedoch lediglich unterstützend mit und übernahm organisatorische Aufgaben (Einladungen zu Sitzungen, Protokollführung, Versendung von Protokollen). Die Sitzungen, an denen er teilnahm und in denen er Protokoll führte, wurden von dem zuständigen Abteilungsleiter, dem Zeugen U, geleitet. Notwendige Entscheidungen wurden von den zuständigen Mitarbeitern der Klägerin getroffen und die Abarbeitung anstehender Aufgaben übernahmen die zuständigen IT-Dienstleister, wie der Zeuge W ausgesagt hat. Auch dies deckt sich mit den Ermittlungen der K-Gutachter. Eine leitende Funktion oder inhaltliche Verantwortung für die verschiedenen IT-Projekte hatte der Zeuge J nicht. Dass er, wie der Beklagte behauptet, für die Klägerin unentbehrlich war, kann erst recht nicht festgestellt werden; im Gegenteil: Die Beendigung seiner Tätigkeit konnte durch relativ geringfügige interne Umstrukturierungen aufgefangen werden. Der Weggang Js infolge fristloser Kündigung durch den neuen Geschäftsführer E1 gestaltete sich für die Klägerin nach den Feststellungen der Strafkammer unproblematisch, es wurde ein Mitarbeiter aus der Personalabteilung in die Abteilung des Zeugen U versetzt, der mit ca. 60 % seiner Arbeitskraft die bisherigen Aufgaben Js übernahm und der monatliche Personalkosten von 4.500,00 EUR verursachte. Ein neuer IT-Beratervertrag wurde nicht geschlossen (S. 71/72 des Strafurteils und S. 45 f. des K-Gutachtens). Auch der Zeuge U hat im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Senat bestätigt, dass nach dem Ausscheiden Js dessen Aufgaben intern umverteilt worden seien.

(7.2.1.1.3) Es kann daher offenbleiben, ob J überhaupt über IT-Kenntnisse verfügte, die ihn für eine Tätigkeit als Projektleiter qualifiziert hätten; nach dem Eindruck des Senats war dies nicht der Fall. Die besonderen Kenntnisse kommunaler Strukturen, die bei dem in A gut vernetzten J vorhanden gewesen sein mögen und die er selbst in seinem Angebot vom 23.08.2011 (Anlage K 13) betonte, rechtfertigten mit dem K-Gutachten keine höhere Vergütung, da J diese für die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit schlicht nicht benötigte. Eine Overhead-Pauschale hält der Senat mit dem K-Gutachten im vorliegenden Fall für unüblich. Sie dient der pauschalen Abgeltung von Reise-, Büro- und weiteren Gemeinkosten (S. 11 des gerichtlichen Gutachtens). Hier stellte die Klägerin J aber ein Büro zur Verfügung, von dem aus er im Wesentlichen arbeitete. Es mag zwar sein, dass J teilweise von zu Hause arbeitete; Büroräume hatte er hierfür aber nicht angemietet, sondern auf seinen Rechnungen ist seine Privatanschrift ausgewiesen. Hierbei ist zudem einschränkend zu berücksichtigen, dass J von zu Hause aus keinen Zugriff auf die IT-Systeme der Klägerin hatte. Soweit er ausgesagt hat, er habe von zu Hause aus Dinge gedanklich vorbereitet und skizziert und sei des Öfteren telefonisch angesprochen worden, hat er den Umfang dieser Tätigkeit weder quantifiziert noch ist ersichtlich, dass ihm hierdurch Kosten entstanden.

(7.2.1.1.4) Die Aussage des Zeugen J steht dem gefundenen Beweisergebnis auch im Übrigen nicht entgegen. Der Zeuge hat sich selbst zwar als Projektleiter beschrieben, allerdings blieb die Beschreibung der von ihm entfalteten Tätigkeiten sehr oberflächlich. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge sich nach dem Inhalt eines vorab von seinem Zeugenbeistand zur Akte gereichten ärztlichen Attestes einer Fachärztin für Neurologie seit August 2021 in neurologischer Behandlung befindet. Die Ärztin bescheinigt, dass der Zeuge unter progredienten objektivierbaren Gedächtnisstörungen leide. Der Senat misst daher den Feststellungen der K-Gutachter, die die von J entfalteten Tätigkeiten auf der Grundlage vorgefundener Arbeitsergebnisse beurteilen konnten, einen weitaus höheren Beweiswert zu als der subjektiven Einschätzungen des Zeugen J, die sich im Übrigen nicht mit den Aussagen der Mitarbeiter der Klägerin decken.

(7.2.1.2) Die Vereinbarung einer überhöhten Vergütung stellt ein pflichtwidriges Verhalten i.S.d. § 43 Abs. 1 GmbHG des Beklagten dar. Aus lit. C) d. des Verhaltenskodex der Klägerin ergibt sich, dass die Auswahl von Lieferanten und Dienstleistern in einem geordneten Verfahren nach objektiven und nachvollziehbaren Kriterien erfolgt. Aufträge sollen „soweit möglich“ auf der Basis von Wettbewerbsangeboten vergeben werden. Damit war die Einholung von Vergleichsangeboten nicht in jedem Fall zwingend vorgeschrieben, Ausnahmen sind zulässig, was vor allem bei der – wie hier – wiederholten Beauftragung eines mit dem Unternehmen vertrauten IT-Beraters grundsätzlich in Betracht kommen kann. Für den hier maßgeblichen Fall einer möglichen Pflichtwidrigkeit aufgrund sorgfaltswidriger Vorbereitung einer unternehmerischen Entscheidung, die zur Zahlung einer überhöhten Vergütung führt, gilt, dass der Geschäftsführer darzutun und zu beweisen hat, dass die Entscheidung auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen und ausreichender Information beruhte (BGH, Beschluss vom 14.07.2008, II ZR 202/07, juris, Rn. 4; KG Berlin, Urteil vom 24.02.2011, 19 U 83/10, juris, Rn. 47). Der Beklagte hat zu seiner Entlastung nichts Substantielles vorgetragen. Insbesondere war die Tätigkeit Js für die Klägerin nicht unentbehrlich.

(7.2.1.3) Angesichts des Umfangs der Überschreitung – J erhielt ab dem Jahr 2007 einen Tagessatz von 960,00 EUR zzgl. 5 % Overheadpauschale, mithin 1.008,00 EUR, ab dem Jahr 2011 sogar 1.500,00 EUR – bejaht der Senat insoweit ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten.

(7.2.1.4) Der Schaden der Klägerin besteht in der Differenz zwischen dem von J in den Jahren 2007 bis 2013 abgerechneten und an ihn tatsächlich gezahlten Honorar in Höhe von (netto) 592.986,00 EUR und dem bei einem angemessenen Tagessatz von 600,00 EUR geschuldeten Honorar in Höhe von (netto) 279.900,00 EUR, mithin 313.086,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die tabellarische Übersicht in der Antragsschrift (S. 19, Bl. 63 d.A., Bl. 92 eGA I) Bezug genommen. Soweit der Beklagte durch das Landgericht wegen dieses Vorwurfs zur Zahlung von 122.754,00 EUR verurteilt wurde, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Klageforderung insoweit durch die Teilzahlung Js in dieser Höhe erloschen ist, §§ 422 Abs. 1 Satz 1, 362 Abs. 1 BGB. Die Verurteilung betrifft die Erhöhung des Tagessatzes von 1.008,00 EUR inkl. Overheadpauschale auf 1.500,00 EUR und die auf dieser Grundlage abgerechneten 249,5 Manntage. Das Landgericht hat insofern zutreffend angenommen, dass der Beklagte seine Pflichten als Geschäftsführer aus § 43 Abs. 1 GmbHG grob fahrlässig verletzte, indem er mit J bei Abschluss des neuen Beratervertrages vom 01./05.09.2011 trotz unveränderten Aufgabengebietes eine objektiv überhöhte Vergütung in Höhe von 1.500,00 EUR vereinbarte. Das Landgericht hat sich auch insofern nach vorherigem Hinweis vom 14.10.2019 (Bl. 985 d.A., Bl. 1779 eGA I) auf die Feststellungen aus dem Strafverfahren gestützt. Dem hat der Beklagte mit seiner Berufungsbegründung nichts Erhebliches entgegengesetzt.

(7.2.2) Der Beklagte schuldet auch Schadensersatz in Höhe von 90.450,00 EUR, soweit J nach Abschluss des neuen Beratervertrages vom 01./05.09.2011 insgesamt 150,75 Manntage zu viel abrechnete, weil ein entsprechender Beratungsbedarf der Klägerin nicht bestand. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 77.246,00 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt. Wegen des darüber hinausgehenden Betrages von 13.204,00 EUR waren das angefochtene Urteil abzuändern und der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

(7.2.2.1) Das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit dem Abschluss des neuen Beratervertrages war in mehrfacher Hinsicht pflichtwidrig.

(7.2.2.1.1) Zunächst ist dem Beklagten vorzuwerfen, dass dem Abschluss des Vertrages keine interne Bedarfsermittlung vorausging. Der bisherige Beratervertrag vom 08.12.2010 (Anlage K 8) sah vor, dass J IT-Projekte übernahm und je nach Aufwand abrechnete. Demgegenüber wurde in dem neuen Beratervertrag vom 01./05.09.2011 (Anlage K 9) eine feste wöchentliche Arbeitszeit von zunächst drei Tagen vereinbart. Zudem sollte J mit Aufgaben eines Interimsmanagements für alle IT-bezogenen Aufgaben betraut werden, d.h. eine herausgehobene Position im Unternehmen einnehmen, die mit einem entsprechend hohen Tagessatz von 1.500,00 EUR vergütet werden sollte. Dem Abschluss eines solchen Vertrages hat eine Prüfung vorauszugehen, ob diese feste Bindung durch einen entsprechenden Bedarf im Unternehmen gerechtfertigt ist. Die Beauftragung erfolgte auf der Grundlage eines Angebots Js vom 23.08.2011 (Anlage K 13), dessen Annahme der Beklagte mit Verfügung vom 02.09.2011 (Anlage K 14) anordnete. Es ist nicht dokumentiert, dass der Beklagte das Angebot vor der Annahme in seinem Unternehmen prüfen ließ (vgl. auch S. 22 des K-Gutachtens). Die eigene, nicht durch nähere Angaben untermauerte Einschätzung Js in dem Angebot, „für einen geordneten Ablauf der IT Belange der B GmbH ist m.E. eine intensivere Betreuung notwendig. Ich biete an, zunächst bis Ende 2011 an ca. 3 Tagen / Woche als „Interimsmanager“ zu einem Tagessatz von 1.500 € zu arbeiten“ machte eine durch den Beklagten zu veranlassende Überprüfung im Haus der Klägerin nicht entbehrlich. Der Beklagte ist der Darlegungslast, die ihn in diesem Zusammenhang trifft, nicht nachgekommen. Die pauschale Behauptung, Herr U sei involviert gewesen (Bl. 148 d.A., Bl. 226 eGA I), wird durch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen gerade nicht belegt. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Strafurteil, dass der Beklagte schon vor Abschluss des Beratervertrages vom 08.12.2010, der eigentlich bis zum 31.12.2014 laufen sollte, den konkreten Bedarf für den Abschluss dieses Vertrages nicht bei dem zuständigen Hauptabteilungsleiter U erfragte (S. 58 des Strafurteils). Gleiches gilt erst recht für den neuen Beratervertrag (vgl. S. 65 des Strafurteils), dem nach den Feststellungen des Landgerichts eine echte Unrechtsvereinbarung zugrunde lag. Ferner enthält das Strafurteil auf S. 68 und 69 die Feststellung, dass auch dem am 28.02.2012 vereinbarte Nachtrag (Anlage K 9), nach dem J ab dem 01.03.2012 bis zum 31.12.2012 weiterhin drei Arbeitstage pro Woche leisten sollte, keine Rückfrage des Beklagten an den zuständigen Abteilungsleiter U oder an die betroffene IT-Abteilung hinsichtlich des tatsächlichen Bedarfs vorausging. Zu demselben Ergebnis kommt auch das von der Klägerin beauftragte K-Gutachten (S. 26). Es wäre daher Sache des Beklagten, substantiiert darzulegen, dass er den Abteilungsleiter U mit einer Bedarfsermittlung beauftragt hatte. Dieser Darlegungslast ist er nicht nachgekommen. Der vom Senat vernommene Zeuge U hat zudem bekundet, die Erhöhung des Aufgaben- und Tätigkeitsumfangs sei nicht gerechtfertigt gewesen. Er, der Zeuge, sei von der Vereinbarung überrascht worden. Ähnliche Feststellungen hat auch die Strafkammer getroffen. Auf S. 63 des Strafurteils heißt es:

„Nach Erhalt des Angebots nebst Vertragsentwurf entschloss sich der Zeuge U, den Angeklagten F auf die aus seiner Sicht nicht nachvollziehbare Begründung für eine erhöhte Vergütung und das Fehlen des Erfordernisses von Tätigkeitsnachweisen anzusprechen. Der Angeklagte F wies ihn jedoch sofort brüsk mit den Worten zurück: „Wer ist hier der Geschäftsführer?".“

(7.2.2.1.2) Tatsächlich bestand bei der Klägerin kein erhöhter Beratungsbedarf, der die Vereinbarung fester Arbeitszeiten für J hätte rechtfertigen können. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte die Klägerin jedenfalls keinen Bedarf für die Beauftragung eines Interimsmanagers, diese Funktion übte Herr J bei der Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt aus, was sich schon daraus ergibt, dass er keinerlei Entscheidungsbefugnis hatte und nicht organisatorisch in die Geschäftsprozesse der Klägerin eingebunden war (S. 42 der Urteilsgründe). Damit korrespondieren die bereits erörterten Ergebnisse der von der Klägerin beauftragten Untersuchung. Insbesondere diente Js Tätigkeit nicht als Ersatz für das krankheitsbedingte Ausscheiden der Prokuristin Ameely (S. 12, 13 des K-Gutachtens). Gegenteiliges wird von dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten auch nicht substantiiert behauptet. Im Gegenteil stellte die Strafkammer in ihrem Urteil fest, dass dem Beklagten und J bekannt war, dass ein erhöhter Beratungsbedarf überhaupt nicht bestand und das Angebot des J nur dazu diente, den wahren Sachgrund zu verschleiern und eine formell korrekte Aktenlage herbeizuführen. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang auf ein bestehendes Vertragsverhältnis mit den Aer Cgesellschaft mbH hingewiesen, die von der Klägerin als IT-Dienstleister beauftragt war, so dass ein rückläufiger Bedarf bei der Klägerin selbst zu erwarten gewesen sei. Dies wird durch die Ergebnisse des K-Gutachtens und die Aussage des Zeugen T bestätigt, auf das der Senat sich auch insoweit stützt. Demnach war im Jahr 2011 die Einführung von TRAS weitgehend abgeschlossen, so dass damit die Notwendigkeit einer Ausweitung des Auftragsvolumens nicht zu begründen war (S. 27 des K-Gutachtens). Die Auswertung der von J in den IT-Laufwerken der Klägerin gespeicherten Office-Dokumente ergab, dass deren Anzahl ab 2011 tendenziell sank (S. 36 ff. des K-Gutachtens). Damit korrespondiert ein für einen Organisationsberater geringer E-Mail-Verkehr (S. 38 des K-Gutachtens). Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitstage von drei auf zwei Tage, die auf Wunsch des Js ab dem 01.09.2013 erfolgte, für andere Mitarbeiter keine erkennbaren Auswirkungen für die Arbeit der IT-Abteilung der Klägerin. Auch der Weggang Js konnte, wie bereits ausgeführt, unproblematisch kompensiert werden. Das K-Gutachten ermittelte durch die Auswertung der Akten und Unterlagen der Projekte, an denen J von 2011 bis 2013 beteiligt war, für den Zeitraum von 2011 bis 2013 einen nominalen Bedarf an 4,5 bis 5 Beratertagen je Monat (S. 6, 25 ff. des Gutachtens). J war dabei in der Regel nicht als Projektleiter tätig, sondern konnte maximal die interne Projektorganisation übernehmen, er hatte ferner keinen Zugriff auf Programme und wirkte auch nicht an der technischen Umsetzung der von ihm begleiteten Projekte mit (S. 29 des K-Gutachtens). Für die Erstattung des K-Gutachtens werteten die Sachverständigen ein von J begleitetes Projekt exemplarisch aus und kamen zu dem Ergebnis, dass die hierfür abgerechneten neun Arbeitstage angesichts des nicht besonders aufwändigen Arbeitsergebnisses nicht nachvollziehbar seien (S. 29, 30 des K-Gutachtens).

(7.2.2.1.3) Auch die konkrete Vertragsgestaltung ist zu beanstanden, denn der neue Beratervertrag vom 01./05.09.2011 enthielt keine Pflicht zum Führen von Tätigkeitsnachweisen. In dem alten Beratervertrag vom 08.12.2010 war in § 3 Abs. 5 vereinbart, dass der Auftragnehmer die Projektzeiten in einem Tätigkeitsnachweis festzuhalten hatte. Ein sachlicher Grund, J die Tätigkeitsnachweise bei dem neuen Vertrag zu erlassen, ist nicht ersichtlich. Die Vereinbarung von drei festen Arbeitstagen pro Woche genügt hierfür allein nicht. Es wäre vielmehr angebracht gewesen, ihn zumindest die Tage, an denen er vor Ort war, und die Projekte, an denen er arbeitete, auflisten zu lassen. Dies gilt umso mehr, als er – anders als der Vertrag suggeriert – tatsächlich nicht als Interimsmanager, sondern unverändert als externer IT-Berater tätig wurde. Die Überprüfung des Umfangs der erbrachten Dienstleistungen ist für den Auftraggeber bei freien Beratungsverhältnissen ohnehin erschwert, noch dazu im projektbezogenen IT-Bereich, wo oftmals keine verkörperten Arbeitsergebnisse präsentiert werden können. Die konkrete Vertragsgestaltung ermöglichte der Klägerin demgegenüber keine mit zumutbarem Aufwand durchzuführende Kontrolle, welche Leistungen J erbrachte hatte und ob die Rechnungen sachlich und rechnerisch richtig waren. Zu diesem Ergebnis kommen auch die Privatsachverständigen (S. 31 des K-Gutachtens). Aus dem eigenen Vorbringen des Beklagten ergibt sich zudem, dass die fehlenden Inhaltsangaben von Mitarbeitern der Klägerin moniert wurden, die darauf drängten, dass J seine Tätigkeit spezifizierten sollte. Spätere Rechnungen Js enthielten sodann die Tage, an denen J für die Klägerin tätig wurde. Ab dem 30.11.2012 ging J dazu über, in den Rechnungen die Aufgaben, an denen er arbeiteten, näher zu beschreiben. Es finden sich dann Schlagworte wie „Analyse der Server-Gruppenlaufwerksverzeichnisse“, „Workflowmanagement“, „TRAS kommunal“; an dem letztgenannten Projekt arbeitete er nach dem Inhalt der Rechnung vom 31.01.2013 im Januar 2013 neun Manntage und stellte die Summe von 16.065,00 EUR in Rechnung. Eine nähere Aufschlüsselung der Tätigkeiten erfolgte allerdings auch hier nicht, so dass den Mitarbeitern der Klägerin eine Überprüfung der sachlichen Richtigkeit der Rechnung nicht möglich war.

(7.2.2.1.4) Durch die fehlende bzw. fehlerhafte Bedarfsermittlung und die konkrete Ausgestaltung des Vertrages beging der Beklagte damit – neben der Vereinbarung einer weit überhöhten Vergütung – weitere Pflichtverletzungen, mit denen sich das Landgericht nicht befasst hat. Der Beklagte schuf durch die Einräumung dieser Vertrauensstellung eine besondere Gefahrenlage für die Klägerin. Dem IT-Berater J wurde ohne nachvollziehbaren Grund die Möglichkeit eingeräumt, sich durch überhöhte Abrechnungen für nicht benötigte und zu hoch vergütete Leistungen zu Lasten der Klägerin zu bereichern. Dies gilt umso mehr, da unterstellt werden kann, dass der Beklagte wusste oder damit rechnete, dass eine Überprüfung des Umfangs der Tätigkeit wegen fehlender oder unzureichender Aufzeichnungen bzw. Tätigkeitsnachweise, die nach dem Vertrag nicht geschuldet waren, nicht erfolgen würde bzw. erfolgen konnte. Aus diesem Grund bedurfte die streitige Behauptung der Klägerin, eine Überprüfung der Rechnungen sei auf Veranlassung des Beklagten nicht erfolgt, keiner Aufklärung. Abgesehen davon ist die Behauptung des Beklagten, der Zeuge V habe darauf hingewirkt, dass J trotz der vertraglichen Regelung Leistungsbeschreibungen aufführte, durch den Inhalt der Rechnungen widerlegt. Soweit allen Rechnungen nach den Feststellungen des K-Gutachtens nachträglich Screenshots des E-Mail-Posteingangs von J beigefügt wurden, handelt es sich ersichtlich nicht um taugliche Tätigkeitsnachweise. Vielleicht diente dieses „Manöver“ nach den Feststellungen der Strafkammer dazu, den von D beauftragten Wirtschaftsprüfer zufrieden zu stellen. Dass J möglicherweise berechtigt gewesen wäre, auf der Grundlage des alten Beratervertrages weiterhin Leistungen nach tatsächlichem Umfang abzurechnen oder dass der Beklagte den alten Beratervertrag mit J hätte fortsetzen können, beseitigt die begangenen Pflichtverletzungen nicht.

(7.2.2.2) Das Verhalten des Beklagten ist als mindestens grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich zu bewerten. Der Verschuldensmaßstab bezieht sich auf die Pflichtverletzung, nicht auf den Schadenseintritt, so dass dem Beklagten bei Abschluss des Vertrages nicht bewusst sein musste, dass J auf der Basis des neuen Beratervertrages überhöht abrechnen würde (vgl. Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 276 Rn. 10). Soweit der Beklagte meint, er habe auf das Angebot Js aus August 2011 eingehen müssen, um J an das Unternehmen zu binden, da er so wichtig gewesen sei, beseitigt dies die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht. Zum einen ist bereits nicht feststellbar, dass eine Kündigung des alten Beratervertrages durch J konkret drohte. Der Zeuge J hat zwar ausgesagt, er wäre auf der Grundlage der alten Bedingungen nicht zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit für die Klägerin bereit gewesen. Dies erachtet der Senat bereits nicht als glaubhaft, weil der Zeuge eigenen Angaben zufolge im Jahr 2011 keine anderen Auftraggeber hatte und er von der Klägerin bereits auf der Grundlage des alten Beratervertrages sehr gut (nämlich objektiv überhöht) bezahlt wurde. Zudem hätte J nicht zur Unzeit kündigen dürfen, § 627 Abs. 2 BGB. Abgesehen davon gab es keine Rechtfertigung, den alten Beratervertrag zugunsten eines nicht bedarfsgerechten Dienstvertrages mit einer objektiv unangemessenen Vergütung zu beenden. Schlussendlich hat die weitere Entwicklung nach dem Ausscheiden Js gezeigt, dass er für die Klägerin keineswegs unentbehrlich war, so dass die Erwägung des Beklagten widerlegt ist. Dies hat der Beklagte mindestens grob fahrlässig verkannt.

(7.2.2.3) Der kausal verursachte Schaden liegt in der Belastung der Klägerin mit einem für sie nachteiligen Vertrag und den hierdurch verursachten Zahlungsverpflichtungen, die sie auch vollständig erfüllte.

(7.2.2.3.1) Die Klägerin ist so zu stellen, als ob sie den neuen Beratervertrag mit J nicht geschlossen hätte. Nach der Differenzhypothese ist die durch den pflichtwidrigen Abschluss des Vertrages eingetretene Gesamtvermögenslage der Klägerin mit derjenigen zu vergleichen, die sich ohne den Vertrag ergeben hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.2008, II ZR 62/07, juris, Rn. 8). Dafür, dass durch die Fortsetzung des alten Beratervertrages zu den dort vereinbarten Bedingungen (die ebenfalls überhöht waren) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) Verbindlichkeiten der Klägerin verursacht worden wären, die ggf. zu einer Reduzierung des Schadens führen, trägt der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Hierzu hat er nichts vorgetragen, sondern sich auf den Standpunkt gestellt, J hätte seine Tätigkeit für die Klägerin zu den alten Bedingungen nicht fortgesetzt.

(7.2.2.3.2) Die Klägerin hat ihren Schadensersatzanspruch auf die überhöhte Abrechnung von 150,75 Tagessätzen beschränkt und ist bereit, die restlichen 98,75 Tage, für die das K-Gutachten einen tatsächlichen Beratungsbedarf ermittelt hat, mit einem Tagessatz von 600,00 EUR zu vergüten. Damit hat sie eingeräumt, dass J in diesem Umfang für sie tätig war und ein entsprechender Beratungsbedarf im IT-Bereich von ihm abgedeckt wurde.

(7.2.2.3.3) Der Beklagte ist für seine Behauptung, der abgerechnete Aufwand sei auch über die von der Klägerin akzeptierten 98,75 Manntage hinaus durch die von J erbrachten Leistungen aufgewogen worden, beweisfällig geblieben.

(7.2.2.3.3.1) Falls J für die Klägerin verwertbare Dienstleistungen im abgerechneten Umfang erbracht hätte, würde es sich um einen Fall der Vorteilsausgleichung handeln, für deren Umfang und Wert der Beklagte nach allgemeinen Regeln darlegungs- und beweisbelastet ist. Denn der Wert der aufgrund des pflichtwidrig abgeschlossen Vertrages erbrachten Gegenleistung ist nur in die Schadensberechnung einzubeziehen, soweit die Gegenleistung für die Gesellschaft von Nutzen ist (vgl. Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 43 Rn. 46).

(7.2.2.3.3.2) Die von J erstellten Rechnungen bilden keine Grundlage für die Feststellung des Arbeitsumfangs, da sie aus Gründen, die der Beklagte zu vertreten hat, keine aussagekräftigen Tätigkeitsnachweise enthalten und die Klägerin nicht zu einer Überprüfung in der Lage war. Auch in dem K-Gutachten werden die durch die fehlenden Tätigkeitsnachweise verursachten Schwierigkeiten bei der Verifizierung der erbrachten Leistungen beschrieben, 55,2 der abgerechneten Tage seien überhaupt nicht belegbar (S. 7). Zudem werteten die Wirtschaftsprüfer, die das Gutachten erstatteten, die via Internet öffentlich zugänglichen Niederschriften über Sitzungen und Anwesenheitslisten der durch J wahrgenommenen Verpflichtungen aus regionalpolitischen Ämtern (z.B. Rats- und Ausschusssitzungen) aus und stellten zahlreiche zeitliche Überschneidungen mit Tagen fest, die J mit dem vollen Tagessatz gegenüber der Klägerin abrechnete (S. 34 des K-Gutachtens). Umgekehrt wurden auch Tage identifiziert, an denen J nachweisbar für die Klägerin tätig war, die aber nicht in seine Abrechnungen einflossen (S. 35, 37, 38, 39 des K-Gutachtens). Hieraus zogen die Sachverständigen, wie der Zeuge T im Rahmen seiner Aussage bestätigt hat, nachvollziehbar den Schluss, dass die Abrechnungen Js keine verlässliche Grundlage für einen Tätigkeitsnachweis darstellen (S. 36 des K-Gutachtens). Diese Ungereimtheiten wurden durch die Aussage des Zeugen J, auf den der Beklagte sich insoweit bezogen hat, nicht ausgeräumt.

(7.2.2.3.4) Es besteht auch ein Zurechnungszusammenhang zwischen den Pflichtverletzungen des Beklagten und dem Schaden, soweit J zu viele Manntage abrechnete. Denn damit realisierte sich ein Risiko, zu dessen Minimierung eine Bedarfsermittlung durchzuführen und dem Dienstverpflichteten die Vorlage von Tätigkeitsnachweisen aufzugeben war.

(8) Vermarktung von Stahlschrott im Jahr 2008

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus diesem Komplex einen Anspruch auf Zahlung von (noch) 26.908,78 EUR. Auf die einseitige Teil-Erledigungserklärung der Klägerin war festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe von 100.000,00 EUR erledigt ist. Die verspätete Abgabe der Erledigungserklärung – die ratenweise Zahlung des Betrages von 100.000,00 EUR durch die X GmbH erfolgte bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens – wirkt sich auf die Begründetheit des Feststellungsanspruchs der Klägerin nicht aus. Mit dieser Maßgabe ist die Berufung des Beklagten unbegründet.

(8.1) Das Landgericht hat dazu in dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils die folgenden Feststellungen getroffen:

„Nach Preisabfragen bei acht verschiedenen Unternehmen nahm der Beklagte unter dem 07.11.2007 ein Angebot der Firma X GmbH (nachfolgend: X) vom 12.10.2007 über den Ankauf des bei der Klägerin im Jahr 2008 anfallenden Stahlschrotts an. Das Angebot beinhaltete einen Mindestpreis von 150,00 EUR/t Schrott sowie eine Zusatzvergütung bei Überschreitung einer bestimmten Preisreferenz.

Unter dem 31.12.2008 erteilte die X eine Gutschrift in Höhe von 98.712,10 EUR netto, mit der sie den angekauften Stahlschrott für das Jahr 2008 nachvergütete. Gleichwohl erfolgte auf die Gutschrift keine Zahlung der X an die Klägerin. Stattdessen wurde dieser Betrag mit Rechnungsbeträge aus insgesamt sieben Rechnungen (Gesamtrechnungsbetrag in Höhe von 105.560,00 EUR) verrechnet. Gegenstand dieser Rechnungen waren Sortierungs- und Entsorgungskosten der X für den von der Klägerin in den Monaten Juni bis Dezember 2008 angekauften Schrott.

Nach erfolgter Verrechnung mit dem Gesamtrechnungsbetrag verblieb ein Betrag in Höhe von 6.847,90 EUR, der seitens der Klägerin an die X gezahlt wurde.“

Das Landgericht hat zu diesem Punkt das Strafurteil im Wege des Urkundenbeweises verwertet. Die Strafkammer sah es nach durchgeführter Beweisaufnahme als erwiesen an, dass der Beklagte sich im Februar 2009 entschloss, endgültig auf den bestehenden Anspruch der Klägerin auf die Nachvergütung der Stahlschrottmengen für das Jahr 2008 zu verzichten. Hintergrund war die persönliche Bekanntschaft des Beklagten mit dem Geschäftsführer der X GmbH L (man traf sich regelmäßig zum Essen, um „Kundenpflege“ zu betreiben), der sich bei seinem Angebot an die Klägerin verkalkuliert hatte. Denn die X war unabhängig von den Marktverhältnissen verpflichtet, an die Klägerin eine Mindestvergütung zu zahlen. L hatte es versäumt, mit seinem eigenen Abnehmer (Fa. F1), an den die X GmbH den Stahlschrott verkaufte, ebenfalls eine Mindestvergütung zu vereinbaren, so dass die Fa. F1 der X GmbH den Stahlschrott nur zu den aktuellen Marktpreisen vergütete. Der X GmbH drohten daher erhebliche Verluste. Die X GmbH zahlte der Klägerin zur Vermeidung dieses Verlustes zunächst eine zu geringe – unter den vereinbarten Preisen – liegende Vergütung; wegen der Einzelheiten wird auf die Übersicht auf S. 23 der Anspruchsbegründung (Bl. 67 d.A., Bl. 96 eGA I) verwiesen. Der Beklagte wurde nach den Feststellungen des Strafurteils (S. 44, 45, 48, 49) wiederholt von Mitarbeitern auf die Problematik angesprochen, dass sich die X GmbH nicht an die vertraglichen Absprachen halte. Im Februar 2009 kamen der Beklage und L überein, das Problem endgültig aus der Welt zu schaffen: Die X GmbH erstellte der Klägerin die oben beschriebene Gutschrift über 98.712,10 EUR, die die Differenz zwischen der vereinbarten und der tatsächlich gezahlten Vergütung beinhaltete. Gleichzeitig stellte die X GmbH der Klägerin sieben Rechnungen über Sortierungs- und Entsorgungskosten wegen einer erfundenen „Störschrottproblematik“ über einen Nettobetrag von 105.560,00 EUR (Anlage K 31 zum Schriftsatz vom 22.04.2016 im Anlagenband) aus. Dem Beklagten war dabei bewusst, dass die X GmbH nicht berechtigt war, die Sortierungs- und Entsorgungskosten von der Klägerin zu beanspruchen, es handelte sich um Scheinrechnungen. Der Beklagte veranlasste, dass diese Rechnungen und die Gutschrift in der Buchhaltung der Klägerin erfasst wurden. Zudem zeichnete er einen Vermerk ab, mit dem er die vermeintliche Berechtigung der Gegenansprüche der X GmbH bestätigte. Damit verzichtete der Beklagte für die Klägerin auf die Geltendmachung einen durchsetzbaren Anspruch in Höhe von mindestens 98.712,10 EUR. L wurde in dem Strafverfahren rechtskräftig wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt.

Dazu der Bundesgerichtshof in dem Beschluss vom 20.06.2018 (4 StR 561/17, juris, Rn. 8):

„Den Schwerpunkt des vorwerfbaren Verhaltens des Angeklagten K. bildeten nach den Feststellungen das Verwenden der Scheinrechnungen und das Abzeichnen des Bestätigungsvermerks jeweils am 20. Februar 2009, auf deren Grundlage die berechtigte Forderung bei der C ausgebucht und eine rechtzeitige Geltendmachung ihrer bestehenden Ansprüche gegen die X durch die Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene verhindert wurde (vgl. BGH, Urteil vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Pflichtwidrigkeit 4; Beschlüsse vom 16. Februar 1996 - 3 StR 185/94, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 24; vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 303). Durch sein Vorgehen verletzte der Angeklagte F vorsätzlich den in § 4 Ziffer (1) der Geschäftsordnung der C aufgestellten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der es ihm untersagte, Scheinrechnungen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26, 32). Zugleich verstieß er gegen die ihm gemäß § 41 GmbHG obliegende Pflicht zu ordnungsgemäßer Buchhaltung, indem er seinen Entschluss, die berechtigte Forderung der von ihm geführten C aus sachwidrigen Gründen nicht einziehen zu lassen, durch die Vorlage und Billigung der Scheinrechnungen verschleierte (vgl. BGH, Urteile vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 333 f.; vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 275 ff.; Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 303).“

Das Landgericht hat den Beklagten auf der Grundlage der nicht näher angegriffenen Schadensberechnung der Klägerin zur Zahlung von 126.908,78 EUR verurteilt. Durch die Unterschreitung der vereinbarten Mindestpreise durch die X GmbH entgingen der Klägerin Einnahmen in Höhe von 120.060,88 EUR, wie sich aus der tabellarischen Übersicht in der Anspruchsbegründung (Bl. 67 d.A., Bl. 96 eGA I) ergibt. Die Tabelle enthält für den Oktober 2008 einen Schreibfehler; es errechnet sich ein Schaden von 13.637,40 EUR anstelle der aufgeführten 13.367,40 EUR, die errechnete Summe ist mit dieser Maßgabe korrekt. Zudem sorgte der Beklagte durch die Einbringung der Scheinrechnungen in die Buchhaltung der Klägerin dafür, dass die Klägerin im Wege der Verrechnung eine unberechtigte Forderung der X GmbH in Höhe von 6.847,90 EUR für nicht geschuldete Sortierungskosten bezahlte.

(8.2) Der Beklagte schuldet der Klägerin für diese Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG und nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB Schadensersatz. Ein Verhalten, das – vom Bundesgerichtshof im Strafverfahren bestätigt – den Straftatbestand der Untreue erfüllt, stellt gleichzeitig eine jedenfalls grob fahrlässige Verletzung der Pflichten aus § 43 Abs. 1 GmbHG dar. Die Berufung des Beklagten setzt der Verurteilung nichts Erhebliches entgegen.

(8.3) Von der berechtigten Forderung der Klägerin in Höhe von 126.908,78 EUR sind die von der X GmbH auf den Vergleich vom 24.01.2020 in dem Rechtsstreit 1 O 357/17 Landgericht Duisburg (Anlage K 57, Bl. 393 eGA II) gezahlten 100.000,00 EUR (netto) abzuziehen, § 422 Abs. 1 Satz 1, 362 Abs. 1 BGB. Wegen dieser Zahlung ist der Rechtsstreit in der Hautsache erledigt. Eine darüber hinausgehende Gesamtwirkung zugunsten des Beklagten scheidet aus. Der Senat verweist auf die Ausführungen zum Tatkomplex „G“.

(8.3.1) Die Klägerin hat den Rechtsstreit in dem Schriftsatz vom 04.01.2023 (Bl. 364 eGA I) in Höhe von 100.000,00 EUR einseitig für erledigt erklärt und mitgeteilt, dass die X GmbH den Vergleichsbetrag in Raten in der Zeit vom 13.03.2020 bis zum 03.08.2020 gezahlt habe (Bl. 392 eGA II). Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung ausdrücklich nicht angeschlossen.

(8.3.2) Der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig. Der Übergang vom ursprünglichen Sachantrag zur (einseitigen) Erledigungserklärung stellt eine privilegierte Klageänderung nach § 264 Nr. 2 ZPO dar, die auch in der Berufungsinstanz uneingeschränkt zulässig ist. In den Fällen des § 264 Nrn. 2 und 3 ZPO kommt § 533 ZPO, der besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klageänderung in der Berufungsinstanz normiert, von vorneherein nicht zur Anwendung (BGH, Urteil vom 07.06.2001, I ZR 157/98, juris, Rn. 19; Urteil vom 19.03.2004, V ZR 104/03, juris, Rn. 25; Urteil vom 11.12.2015, V ZR 26/15, juris, Rn. 32). Der Zulässigkeit der Klageänderung steht auch nicht entgegen, dass hinsichtlich dieses Tatkomplexes nur der Beklagte Berufung eingelegt hat. Einer Anschlussberufung der Klägerin bedarf es nicht, da sie mit dem modifizierten Antrag nicht mehr erreichen will, als ihr in der Sache mit der erstinstanzlichen Entscheidung zugesprochen worden ist. Damit geht das Begehren der in erster Instanz erfolgreichen Klägerin nicht über eine Abwehr der Berufung hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2011, V ZR 197/10, juris, Rn. 12; Urteil vom 07.05.2015, VII ZR 145/12, juris, Rn. 29).

(8.3.3) Der Antrag ist auch begründet. Auf eine einseitige Erledigungserklärung des Klägers ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen, wenn die Klage bis zu dem geltend gemachten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (BGH, Urteil vom 01.06.2017, VII ZR 277/15, juris, Rn. 30). Hier war bei der Klageerhebung im September 2014 die Klage hinsichtlich dieses Tatkomplexes zu Nr. 8 in vollem Umfang zulässig und begründet. Erst ein nach Rechtshängigkeit eingetretener Umstand – das teilweise Erlöschen der Forderung aufgrund der Erfüllung durch die Gesamtschuldnerin des Beklagten – führte zur Unbegründetheit der Klage. Dass die Klägerin die Erledigungserklärung erst (verspätet) in der Berufungsinstanz abgegeben hat, steht der begehrten Feststellung nicht entgegen, sondern kann sich allenfalls im Rahmen der Kostenentscheidung zu ihren Lasten auswirken (BGH, Urteil vom 11.12.2015, V ZR 26/15, juris, Rn. 31, 32).

(9) Vermarktung von Stahlschrott im Jahr 2009

Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin von dem Beklagten aus diesem Komplex die Zahlung von 23.901,50 EUR aus § 43 Abs. 2 GmbHG beanspruchen kann. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist unbegründet.

(9.1) In dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils hat das Landgericht festgestellt:

„Im Jahr 2009 wurde kein Vertrag über die Abnahme von Stahlschrott zwischen der Klägerin und der X geschlossen. Gleichwohl erfolgte der Verkauf jeweils ohne vorangegangene Vereinbarung an die X zu den jeweils aktuellen Marktpreisen.“

Die Klägerin hat hierzu behauptet, dem Beklagten seien monatlich Preisänderungsmitteilungen der Firma P GmbH & Co, KG (nachfolgend: Firma P) zugegangen, aus denen hervorgehe, dass die monatlichen Einkaufspreise regelmäßig über denen der X gelegen hätten. Gleichwohl habe der Beklagte in Kenntnis der höheren Ankaufspreise der Firma P den gesamten anfallenden Stahlschrott zu niedrigeren Preisen an die X verkauft. Infolgedessen sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von 23.901,50 EUR entstanden. Diesen hat die Klägerin in der Anspruchsbegründung in tabellarischer Form aufgeschlüsselt (Bl. 69 d.A., Bl. 98 eGA I). Der Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin von der P GmbH & Co. KG monatliche Preisänderungsmitteilungen erhalten habe bzw. dass sich diese in den Geschäftsunterlagen der Klägerin befänden (Bl. 149 d.A., Bl. 227 eGA I), er habe davon jedenfalls keine Kenntnis gehabt bzw. diese seien ihm nicht vorgelegt worden (Bl. 1080 d.A., Bl. 1967 eGA I). Die Klägerin hat dies mit Nichtwissen bestritten (Bl. 1095 d.A., Bl. 1995 eGA I). Ferner hat der Beklagte bereits in der Klageerwiderung geltend gemacht, wenn diese Angebote bekannt gewesen wären, hätte er sie angenommen. Im Übrigen sei der Zeuge W für die Abwicklung der Geschäfte primär verantwortlich gewesen (Bl. 149 d.A., Bl. 227 eGA I). Auf dieses Bestreiten hat die Klägerin reagiert, indem sie dem Beklagten in der Replik ein Überwachungsverschulden vorgeworfen hat (S. 14 der Replik Bl. 198 d.A., Bl. 310 eGA I).

Das Landgericht hat zur Frage der Übersendung von Preisänderungsmitteilungen durch die Fa. P im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.06.2020 (Bl. 1136 ff. d.A., Bl. 2081 ff. eGA I) die Zeugin P und den Zeugen Q vernommen. Die Aussage der Zeugin P war unergiebig. Auf der Grundlage der Aussage des Zeugen Q sah es das Landgericht als erwiesen an, dass die Klägerin monatliche Preisänderungsmitteilungen der Fa. P erhalten habe. Seine Ansprechpartner bei der Klägerin, so der Zeuge, seien Herr W und Frau G1 gewesen, mit dem Beklagten habe er keinen Kontakt gehabt. Das Landgericht hat auf dieser Grundlage eine Pflichtverletzung des Beklagten bejaht. Dass der Beklagte nicht persönlich mit dem Zeugen Q hinsichtlich der Preisänderungsmitteilungen kommuniziert habe, stehe der Annahme einer Pflichtverletzung des Beklagten nicht entgegen. Der Beklagte habe jedenfalls grob fahrlässig gegen seine Organisations- und Überwachungspflichten als Geschäftsführer verstoßen, indem der Stahlschrott im Jahr 2009 an die X verkauft werden konnte, obwohl die Firma P den Schrott zu höheren Preisen abgenommen hätte. Vor dem Hintergrund, dass der bei der Klägerin angefallene Stahlschrott bereits im Jahr 2008 nicht ordnungsgemäß vergütet worden sei und die X stattdessen sieben Scheinrechnungen ausgestellt habe, hätte der Beklagte im Jahr 2009 besonderes Augenmerk auf die Vermarktung des Stahlschrottes legen und dafür Sorge tragen müssen, dass die Vermarktung, im Jahr 2009 nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit vonstatten gehe (S. 47 ff. des angefochtenen Urteils).

(9.2) Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG zutreffend bejaht, auch wenn es zu der Kompetenzverteilung bei der Klägerin, der internen Abwicklung dieser Geschäfte und der konkreten Weisungslage mangels Sachvortrags der Parteien keine Feststellungen treffen konnte.

(9.2.1) Denn der Verkauf des Stahlschrotts an eine Gesellschaft, mit deren Geschäftsführer der Beklagte schon im Zusammenhang mit der Vermarktung des Stahlschrotts im Jahr 2008 strafbare Handlungen zu Lasten der Klägerin begangen hatte, stellt sich als pflichtwidrig da. Bei dieser Sachlage wäre ein ordnungsgemäß handelnder Geschäftsführer verpflichtet gewesen, den Geschäftskontakt mit der Fa. X GmbH, deren Geschäftsführer offensichtlich unzuverlässig und nicht bereit war, sich an vertragliche Absprachen zu halten, komplett zu beenden. Es wäre daher Sache des Beklagten gewesen, substantiiert vorzutragen, welche Vorkehrungen und Anweisungen er zur Sicherstellung einer marktgerechten Verwertung des Stahlschrotts ergriffen hatte. Der pauschale Verweis auf die primäre Verantwortlichkeit des Hauptabteilungsleiters W ist unzureichend. Zudem ergibt sich aus den verwertbaren Feststellungen im Strafurteil, dass der Beklagte von seinen Mitarbeitern wiederholt auf das Thema „Stahlschrott“ angesprochen wurde und sich aufgrund seiner Bekanntschaft mit L persönlich in die Angelegenheit einbrachte. Der Beklagte hat auch nicht etwa bestritten, sich dafür eingesetzt zu haben, dass die Klägerin weiterhin mit der Fa. X GmbH zusammenarbeitet.

(9.2.2) Der Beklagte handelte auch grob fahrlässig. Der Senat geht davon aus, dass dem Beklagten die Preisänderungsmitteilungen der Fa. P und damit die günstigere Verwertungsmöglichkeit bekannt waren. Diese Behauptung der Klägerin ist streitig. Im Rahmen der Geschäftsführerhaftung muss sich der Beklagte hinsichtlich des (Organisations-)Verschuldens entlasten, ein Beweisantritt fehlt. Auch kann der Senat Rückschlüsse aus dem Inhalt des Gesprächs vom 15.10.2009 ziehen, zu dem die Klägerin in dem Schriftsatz vom 13.03.2020 (Bl. 1095 d.A.) wie folgt vorgetragen hat:

„Der Beklagte hatte auch positive Kenntnis von den höheren Ankaufspreisen bei P, denn gerade im Hinblick auf diese fand am 15.10.2009 ein Gespräch zwischen dem Beklagten und Herrn W für die Klägerin und Herrn L für die X statt, dessen Ergebnis die Absprache war, dass jedenfalls für den Monat Oktober 2009 ein Preis von EUR 80,00 netto je Tonne Schrott gezahlt werden sollte.

Das substantiierte Vorbringen der Klägerin zu diesem Punkt gilt nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, da der Beklagte hierzu nicht mit hinreichender Substanz erwidert hat. Tatsächlich zahlte die X GmbH, wie sich aus der tabellarischen Übersicht auf S. 25 der Anspruchsbegründung vom 14.08.2014 (Bl. 69 d.A.) ergibt, im Monat Oktober 2009 einmalig einen Preis von 80,00 EUR pro Tonne, was den Wahrheitsgehalt des Vortrags der Klägerin unterstreicht. Hieraus ergibt sich, dass der Beklagte auch im Jahr 2009 hinsichtlich der Problematik der Verwertung des Stahlschrotts zu marktüblichen Preisen auf dem Laufenden war und jedenfalls im Oktober 2009 Vorkehrungen traf, um seinem Bekannten L die lukrativen Aufträge zu erhalten. Die einmalige Zahlung eines höheren Preises im Monat Oktober 2009 diente bei der gegebenen Sachlage offensichtlich der Rechtfertigung, weiter mit der X GmbH zusammenzuarbeiten und lästige Nachfragen aus der Abteilung zu unterbinden.

(9.2.3) Der Klägerin ist infolge des grob fahrlässigen Verhaltens des Beklagten ein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden. Wenn der Beklagte sich pflichtgemäß verhalten und seinen Mitarbeitern die Weisung erteilt hätte, nicht mehr mit der X GmbH zusammenzuarbeiten, hätte die Klägerin den Stahlschrott in den meisten Monaten des Jahres 2009 zu besseren Konditionen an die Fa. P verkaufen können, deren Angebote der Klägerin vorlagen. Gegen die Berechnung der Klägerin hat der Beklagte keine erheblichen Einwendungen erhoben. Soweit er in der Berufungsbegründung andeutet, es müssten weitere Positionen in die Gesamtsaldierung aufgenommen werden, hat er diese nicht konkret benannt.

(10) Gutachterkosten K GmbH & Co. KG

In Bezug auf die Kosten für das von der Klägerin beauftragte sog. K-Gutachten in Höhe von 120.650,46 EUR (Anlage K 16) hat das Landgericht den Beklagten zutreffend zur Zahlung verurteilt, die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist unbegründet. Die Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des nach § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Schadens (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 249 Rn. 58; BGH, Urteil vom 28.02.2017, VI ZR 76/16, juris, Rn. 6; Urteil vom 17.12.2019, VI ZR 315/18, juris). Angesichts der unzureichenden Dokumentation der Tätigkeit Js war die Klägerin insofern auf externen Sachverstand angewiesen, die sehr aufwändige Aufarbeitung konnte (und musste) die Klägerin nicht mit eigenem Personal vornehmen, zumal Sachverstand gefragt war. Anders als das Landgericht gemeint hat, hält der Senat das Privatgutachten auch nicht für ungeeignet, sondern für überzeugender als das gerichtliche Gutachten. Das kann aber offenbleiben, da Mängel des eingeholten Gutachtens oder sogar seine objektive Ungeeignetheit in der Regel keinen Einfluss auf die Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten haben (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 249 Rn. 58). Die von dem Beklagten bestrittene Angemessenheit des gezahlten Honorars hat das Landgericht durch den Sachverständigen M überprüfen lassen, der die veranschlagten Stundensätze und die Anzahl der geleisteten Stunden für branchenüblich hielt. Dagegen hat der Beklagte keine Einwendungen erhoben.

(11) Fahrerabordnung an die Stadt A

Aus diesem Sachverhaltskomplex, der Gegenstand der Klageerweiterung vom 02.09.2015 (Bl. 324 d.A.), dem Beklagten zugestellt am 07.10.2015 (Bl. 393 d.A.) ist, kann die Klägerin insgesamt noch Zahlung von 266.028,81 EUR beanspruchen. In Höhe von 15.000,00 EUR ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

(11.1) In dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils hat das Landgericht Folgendes festgesellt:

„Im Oktober 2006 wandte sich die Stadt A an die Klägerin mit der Bitte um Bereitstellung eines Mitarbeiters als Fahrer für die damalige Bürgermeisterin H1. Ab dem 24.10.2006 wurde Herr I1 (vormals (..)) als Fahrer der Bürgermeisterin abgeordnet und war ab diesem Zeitpunkt ausschließlich für die Stadt A tätig. Im Jahr 2009 wurde Herr I1 als Fahrer für den Nachfolger der Bürgermeisterin eingesetzt. Für diesen war Herr I1 bis zum 05.02.2010 tätig. Ab dem 06.02.2010 bis zum 31.03.2014 war Herr J1 als Fahrer für Herrn Bürgermeister K1 tätig. Eine entsprechende Rechnungsstellung der Klägerin an die Stadt für die entstandenen Personalkosten, die die Klägerin weiterhin in vollem Umfang trug, erfolgte nicht. Erst nach Ausscheiden des Beklagten stellte die Klägerin der Stadt A am 28.04.2014 Personalkosten für Herrn J1 in Höhe von 278.039,49 EUR in Rechnung (Anlage K26, Bl. 355 d.A.). Unter dem 19.05.2014 stellte die Klägerin der Stadt A Personalkosten für Herrn I1 in Höhe von 231.974,60 EUR in Rechnung (Anlage K 28, BI. 361 d.A.).“

Auch insofern hat das Landgericht nach konkretem Hinweis vom 14.10.2019 die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren durch urkundliche Verwertung des Strafurteils zugrunde gelegt. Die Strafkammer hat den Beklagten wegen dieser Vorgänge, die sie als zwei Taten der Untreue gewertet und jeweils die Voraussetzungen eines Vermögensschadens großen Ausmaßes (§§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StGB) bejaht hat, jeweils zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren verurteilt. Die Strafkammer sah es als erwiesen an, dass der Beklagte es bewusst unterließ, die Personalkosten für die abgeordneten Fahrer an die Stadt A weiterzugeben bzw. vorteilhaft zu regeln, obwohl dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Hintergrund war die vage Hoffnung des Beklagten, ein gutes Verhältnis zu vermeintlich wichtigen Personen der Stadt A zu pflegen (S. 189 des Strafurteils).

Dazu der Bundesgerichtshof in dem Beschluss vom 20.06.2018 (4 StR 561/17, juris, Rn. 20):

„In den Tatkomplexen III. 4 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten F rechtlich zutreffend jeweils wegen Untreue durch aktives Tun verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen stellte der Angeklagte K. der Stadt A über mehrere Jahre zwei von der C angestellte und von ihr mit rund 194.000 bzw. 233.000 Euro entlohnte Mitarbeiter ohne Rechtsgrund und Gegenleistung als Fahrer für ehrenamtliche Bürgermeister zur Verfügung, weil er sich einen „guten Draht zur Stadtspitze“ erhoffte. Den Schwerpunkt seines pflichtwidrigen Verhaltens im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB bildete das Abzeichnen der Abordnungsverfügungen im Oktober 2006 und im Februar 2010, aufgrund derer die Mitarbeiter der Klägerin bei fortlaufenden Entgeltzahlungen durch die GmbH den Fahrdienst für die ehrenamtlichen Bürgermeister der Stadt A übernahmen und damit Arbeitsleistungen ausführten, die wirtschaftlich nicht der C zu Gute kamen (BGH, Beschluss vom 20.06.2018, 4 StR 561/17, juris, Rn. 20).“

Das Landgericht hat den Schaden der Klägerin anhand der Anlagen K 25 bis K 28 auf insgesamt 428.864,06 EUR geschätzt und diesen Betrag nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden behandelt (S. 52 des angefochtenen Urteils). Abzüglich der Zahlungen der Stadt A in Höhe von 175.923,95 EUR und in Höhe von 17.850,00 EUR (die zur Teilerledigungserklärung führte) errechnet sich der vom Landgericht zugesprochene Betrag in Höhe von 235.090,11 EUR.

Der Beklagte verfolgt mit seiner hiergegen gerichteten Berufung seinen Antrag auf Klageabweisung weiter und wiederholt seine erstinstanzliche Auffassung, die Klägerin hätte ihre Bilanzen korrigieren müssen, da es sich bei einer etwaigen unentgeltlichen Fahrergestellung um eine (verdeckte) Gewinnausschüttung gehandelt habe. Die Klägerin beansprucht mit ihrer Berufung aus diesem Tatkomplex die Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 30.938,70 EUR. Sie rügt, das Landgericht habe die Vorschrift des § 249 Abs. 1 BGB falsch angewendet, indem es die gesamten Zahlungen der Stadt A in Höhe von 175.923,95 EUR und 17.850,00 EUR auf ihren Schaden angerechnet habe, obgleich es nur den Nettobetrag hieraus in Höhe von 147.835,25 EUR bzw. 15.000,00 EUR habe anrechnen dürfen. Die Umsatzsteuer in Höhe von 28.088,70 EUR bzw. 2.850,00 EUR sei bei ihr als Schaden verblieben, da die Umsatzsteuer angefallen sei und sie – die Klägerin – sie jeweils an das Finanzamt abgeführt habe.

(11.2) Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

(11.2.1) Das Landgericht hat die Haftung dem Grunde nach zutreffend bejaht. Der Beklagte verletzte durch die entschädigungslose Überlassung von Personal der Klägerin an die Stadt A mindestens grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten, wodurch der Klägerin ein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstand. Die aufgewendeten Personalkosten, für die die Klägerin infolge der von dem Beklagten veranlassten Abordnung keine Arbeitsleistung erhielt, hat der Beklagte nach § 43 Abs. 2 GmbHG zu ersetzen.

(11.2.2) Der Beklagte hat der Haftung dem Grunde nach nichts Erhebliches entgegengesetzt. Auch mit der Berufungsbegründung (S. 9) substantiiert er nicht, in welchen Punkten die getroffenen Feststellungen unzutreffend sein sollen, es fehlt eine Auseinandersetzung mit der überzeugenden Beweiswürdigung des Landgerichts. Soweit der Beklagte meint, dass die verbilligte Überlassung von Arbeitskräften an verbundene Unternehmen eine verdeckte Gewinnausschüttung darstelle, ist dies für den Schadensersatzanspruch der Klägerin ohne Relevanz. Denn die bei der Klägerin eingetretene Vermögensminderung würde durch etwaige steuerliche Auswirkungen nicht beseitigt. Ferner wiederholt der Beklagte seine Auffassung, es habe jederzeit eine Aufrechnungsmöglichkeit der Stadt A bestanden, da die Fahrergestellung eine Überentnahme der Mitgesellschafterin dargestellt habe. Unabhängig davon, dass die Stadt A keine Gesellschafterin der Klägerin ist, ist diese Rechtsansicht nicht nachvollziehbar. Das etwaige Bestehen einer erleichterten Befriedigungsmöglichkeit durch Aufrechnung lässt den Schaden nicht entfallen. Eine Aufrechnung wurde zu keinem Zeitpunkt erklärt.

(11.3) Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet und führt zu der beantragten Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

(11.3.1) Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Der Senat hält die im Termin geäußerten Bedenken gegen die Verfolgung des Zahlungsanspruchs hinsichtlich des Umsatzsteueranteils von 2.850,00 EUR aus der Zahlung der Stadt A in Höhe von 17.850,00 EUR nicht aufrecht. Die Klägerin ist auch insoweit durch das erstinstanzliche Urteil beschwert.

(11.3.1.1) Die Klägerin hatte im Rechtsstreit zunächst die gesamten der Stadt A in Rechnung gestellten Beträge inklusive der nach ihrer Behauptung bei Rechnungsstellung an das Finanzamt abgeführten Umsatzsteuer (insgesamt 510.014,09 EUR) abzüglich einer Teilzahlung der Stadt A in Höhe von 175.923,95 EUR (brutto) geltend gemacht, mithin 334.090,14 EUR. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.11.2019 (Bl. 996 d.A.) hat die Klägerin den Rechtsstreit zunächst in Höhe von 68.061,33 EUR für erledigt erklärt, nachdem die Stadt A im Vergleichswege weitere 17.850,00 EUR (brutto) gezahlt und die Klägerin eine Umsatzsteuererstattung in Höhe von 50.211,33 EUR erhalten hatte. Allerdings hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.01.2020 (Bl. 1047 ff. d.A., Bl. 1910 ff. eGA I) klargestellt, dass sie nur noch den nach Abzug der erhaltenen Zahlungen bei ihr verbliebenen Nettoschaden geltend macht. Von dem zuletzt gestellten Antrag über 1.227.655,47 EUR entfielen daher insgesamt nur noch 266.028,81 EUR auf die Kosten für die Fahrerabordnung. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 235.090,11 EUR verurteilt und dabei nur die Nettobeträge abzüglich der Zahlungen der Stadt A – diese in voller Höhe, d.h. brutto – angesetzt. Wegen der Zahlung in Höhe von 17.850,00 EUR erfolgte die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei.

(11.3.1.2) Damit hat das Landgericht übersehen, dass die Klägerin bezüglich des Umsatzsteueranteils in Höhe von 2.850,00 EUR ihre einseitige Teil-Erledigungserklärung vom 07.11.2019 (Bl. 996 d.A.) konkludent widerrufen und sie die Klage stattdessen teilweise zurückgenommen hat, indem sie nur noch Zahlung der Nettobeträge beansprucht hat. Dies ist nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig, da sich der Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.2001, I ZR 157/98, juris, Rn. 19; Urteil vom 14.03.2014, V ZR 115/13, juris, Rn. 14; Urteil vom 19.11.2014, VIII ZR 191/13, Rn. 23). Damit hat die Klägerin mit der Berufungsbegründung die Klage hinsichtlich des Umsatzsteuerbetrages von 2.850,00 EUR nicht (erneut) geändert, sondern sie verfolgt einen Zahlungsantrag weiter, den das Landgericht mit der Feststellung der Erledigung fehlerhaft behandelt hat, indem es den Umsatzsteueranteil zu Unrecht von der berechtigten (Netto-)Klageforderung abzogen hat.

(11.3.2) Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Der Senat hat zu der streitigen Behauptung der Klägerin, sie habe die Umsatzsteuer, die in den der Stadt A gestellten Rechnungen ausgewiesen war, an das Finanzamt gezahlt, den Zeugen  V vernommen (S. 14 des Protokolls, Bl. 327 eGA II). Dieser hat bestätigt, dass die Klägerin zunächst ca. 80.000,00 EUR Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat, nachdem die Klägerin die Leistungen für die Fahrerabordnung der Stadt in Rechnung gestellt hatte. Die Forderungen gegen die Stadt A konnten nur teilweise realisiert werden, so dass die restlichen Forderungen als uneinbringlich ausgebucht wurden. Dies führte zu einer Umsatzsteuererstattung in Höhe von ca. 50.000,00 EUR, wegen derer die Klägerin erstinstanzlich den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt hatte; auch insofern hat sie von der Erledigungserklärung Abstand genommen. Der Restbetrag in Höhe von 30.938,70 EUR, der beim Finanzamt verblieb und den sich die Klägerin – anders als die Nettozahlungen der Stadt A – damit nicht im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muss, ist daher noch von dem Beklagten zu erstatten.

c)

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1, 291 BGB. Wegen des Verzugsbeginns verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung. Ferner waren die späteren Reduzierungen der Klageforderung durch Leistungen von Gesamtschuldnern des Beklagten bei der Zinsstaffel zu berücksichtigen. Aus den Teilzahlungen der X GmbH wurde dabei jeweils der Mehrwertsteueranteil herausgerechnet.

d)

Der Beklagte kann die Leistung nicht gem. § 214 BGB wegen des Eintritts der Verjährung verweigern. Einer Wiederholung der erstinstanzlich erhobenen Verjährungseinrede in der Berufungsinstanz bedurfte es nicht (Ellenberger in: Grünberg, BGB, 82. Aufl., § 214 Rn. 2; BGH, Urteil vom 15.12.1988, IX ZR 33/88, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 14.04.2020, 10 U 466/19, juris, Rn. 37 m.w.N.; OLG Köln, Urteil vom 25.09.2020, 19 U 248/19, juris).

aa)

Der Senat folgt der Auffassung des Landgerichts, dass aufgrund der im Anstellungsvertrag vereinbarten Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften die Schadensersatzansprüche gem. § 48 BeamtStG (§ 46 BRRG a.F.) i.V.m. § 80 Abs. 1 S. 1 LBG NW (§ 46 Abs. 2 BRRG a.F.) in drei Jahren von dem Zeitpunkt an verjähren, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. Ohne Rücksicht auf die Kenntnis beträgt die Frist im beamtenrechtlichen Bereich zehn Jahre ab Begehung der Handlung (§ 80 Abs. 1 Satz 1 LBG NW).

(1) Die Verweisung führt nicht zu einer Verjährungserleichterung zugunsten des Beklagten, so dass § 202 Abs. 1 BGB der Vereinbarung nicht entgegensteht. Zwar beträgt die Regelverjährungsfrist im beamtenrechtlichen Bereich drei Jahre und ist damit kürzer als die fünfjährige Verjährungsfrist des § 43 Abs. 4 GmbHG. Gegenstand einer Verjährungsvereinbarung kann jedoch nicht nur die Länge der Verjährungsfrist sein, sondern alle in den §§ 194 ff. BGB geregelten Umstände, die die Verjährung beeinflussen (Grothe in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 202 Rn. 5). Hier führt die Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften zu einem abweichenden Verjährungsbeginn, denn maßgeblich ist sowohl nach § 46 Abs. 2 Satz 1 BRRG a.F. als auch nach § 80 Abs. 1 Satz 1 LBG NW (anwendbar nach § 1 Abs. 1 LBG NW) die Kenntnis des Dienstherrn, die häufig – so auch hier – faktisch zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führen wird. Maßgeblich ist hier, dass ohne Rücksicht auf die Kenntnis die Frist im beamtenrechtlichen Bereich zehn Jahre ab Begehung der Handlung (§ 80 Abs. 1 Satz 1 LBG NW) beträgt, so dass sie deutlich länger als die ebenfalls kenntnisunabhängig beginnende Frist des § 43 Abs. 4 GmbHG ist. Damit ist im direkten Vergleich die Regelung des § 43 Abs. 4 GmbHG günstiger für den Geschäftsführer.

(2) Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Verweisung. Eine Vereinbarung über eine Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist des § 43 Abs. 4 BGB ist zulässig (BGH, Urteil vom 16.09.2002, II ZR 107/01, juris), auch eine Verlängerung der Frist unter Berücksichtigung der allgemeinen Grenze des § 202 Abs. 2 BGB ist möglich (Beurskens in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 43 Rn. 107; Fleischer in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 4. Aufl., § 43 Rn. 408). Aufgrund der Wertung des § 46 Nr. 8 GmbHG setzt jedenfalls eine Erleichterung der Verjährung im Anstellungsvertrag einen Beschluss oder das Einverständnis der Gesellschafterversammlung voraus. Abgesehen davon, dass die Verweisung zu keiner Verjährungserleichterung führt, wurde die Klausel jedenfalls mit Zustimmung der damaligen Alleingesellschafterin in den Anstellungsvertrag übernommen.

bb)

Maßgeblich für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist ist damit in entsprechender Anwendung der beamtenrechtlichen Regelungen die Kenntnis der Gläubigerin des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB), mithin die Kenntnis der Klägerin. Für die Kenntnis kommt es auf die subjektive Situation desjenigen Organs an, dem die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukommt (Grothe in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 199 Rn. 36, 37; BGH, Urteil vom 12.05.2009, VI ZR 294/08, juris, Rn. 11, 12), so dass hier der Aufsichtsrat das maßgebliche Gremium ist. Das Landgericht hat zu diesem Punkt den Zeugen R vernommen und konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Verfehlungen des Beklagten vor dem Jahr 2013 im Aufsichtsrat thematisiert wurden (S. 22 des angefochtenen Urteils), der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat keinen früheren Verjährungsbeginn bewiesen. Auch insofern sieht sich der Senat an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

cc)

Die Verjährung wurde hinsichtlich aller in der Berufungsinstanz noch anhängigen Ansprüche rechtzeitig vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist gehemmt, § 204 Abs.1 Nr. 1 BGB.

(1) Der Senat tritt der Auffassung des Landgerichts bei, dass die Zustellung des Mahnbescheids vom 02.01.2014 mangels hinreichender Individualisierbarkeit der verfolgten Ansprüche keine auf den Zeitpunkt der Einreichung des Mahnantrags zurückwirkende Hemmung der Verjährung bewirkte, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 167, 688 ff. ZPO.

(2) Eine Hemmung trat hinsichtlich der Positionen Nrn. 1 bis 10 mit der Zustellung der Anspruchsbegründung vom 14.08.2014 am 15.09.2014 ein, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, §§ 261 Abs. 2, 262 Satz 1, 697 Abs. 2 Satz 1 ZPO (BGH, Urteil vom 23.09.2008, XI ZR 253/07, juris, Rn. 29). Die Klageerweiterung vom 02.09.2015 (Bl. 324 d.A.), mit der die Fahrerkosten (Position Nr. 11) in den Rechtsstreit eingeführt wurden, wurde aufgrund Verfügung vom 01.10.2015 am 07.10.2015 zugestellt und bewirkte die Hemmung.

(3) Die zunächst ohne Zustimmung des Aufsichtsrats erhobene Klage war geeignet, die Verjährung zu hemmen (Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 46 Rn. 40; Beurskens in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 43 Rn. 108; BGH, Urteil vom 13.02.1989, II ZR 209/88, juris, Rn. 22; Urteil vom 03.05.1999, II ZR 119/98, juris). Der notwendige Gesellschafterbeschluss lag zu diesem Zeitpunkt bereits vor, er datiert aus März 2014.

3.

Von einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht, die beide Parteien beantragt haben, hat der Senat zugunsten einer eigenen Sachentscheidung abgesehen. Ein wesentlicher Verfahrensmangel zu Lasten des Beklagten, insbesondere im Zusammenhang mit der Verwertung der Erkenntnisse aus dem Strafverfahren, liegt nicht vor. Soweit das Landgericht den Sachvortrag der Klägerin zu der Position Nr. 7, J habe unter Geltung des neuen Beratervertrages vom 01./05.09.2011 150,75 Manntage zu viel abgerechnet, übergangen und eine notwendige Beweisaufnahme zu diesem Punkt unterlassen hat, hat der Senat die fehlenden Feststellungen durch Vernehmung der Zeugen J, T, U, V und W selbst getroffen.

II.

1.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 91a Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 und Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

a)

Der Senat hat der Klägerin in entsprechender Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt, soweit sie sich in Bezug auf die Position Nr. 8 mit ihrem Antrag auf Feststellung, dass der Rechtsstreit in Höhe von 100.000,00 EUR erledigt sei, erfolgreich gegen die Berufung des Beklagten verteidigt. Die Klägerin wäre bei einer gewissenhaften Prozessführung bereits im ersten Rechtszug zur Abgabe der Erledigungserklärung im Stande gewesen. Die letzte mündliche Verhandlung vor dem Landgericht fand am 26.06.2020 statt, das angefochtene Urteil wurde am 12.10.2020 verkündet. Die Klägerin schloss den Vergleich, durch den sich die X GmbH zur Zahlung verpflichtete, bereits am 24.01.2020 und vereinnahmte die Zahlungen, die zu einer Reduzierung der Klageforderung zu diesem Tatkomplex führten, in der Zeit von März bis August 2020. Die gebotene Mitteilung dieser Tatsachen, die für die Beurteilung der Begründetheit der Klageforderung zu Nr. 8 erkennbar von Bedeutung waren, hätte dem Landgericht Anlass geboten, sich hierauf bei seiner Verfahrensführung einzustellen; ggf. wäre nach § 156 Abs. 1 ZPO oder nach § 128 Abs. 2 ZPO zu verfahren gewesen. Die Situation stellt sich nicht anders dar als im Berufungsverfahren, in dem die Klägerin den Eingang der Zahlung ebenfalls erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung offenbarte, den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärte und den Senat veranlasste, in das schriftliche Verfahren überzuleiten. Bei einer rechtzeitigen Mitteilung hätte sich die berechtigte Forderung der Klägerin daher voraussichtlich bereits im erstinstanzlichen Verfahren reduziert. Die zusätzlichen Kosten im Berufungsverfahren wären dann überhaupt nicht angefallen (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2015, V ZR 26/15, juris, Rn. 36 ff.). Spätestens nachdem der Beklagte am 13.11.2020 Berufung gegen das angefochtene Urteil eingelegt hatte, wäre eine Mitteilung über die vereinnahmten Zahlungen veranlasst gewesen. Dann wäre in einem frühen Stadium des Verfahrens bekannt gewesen, dass es in Bezug auf den anteiligen Betrag von 100.000,00 EUR nicht mehr um die Hauptsache, sondern nur noch um das Kosteninteresse der Klägerin geht. Auch dann wären im Berufungsverfahren insgesamt erheblich geringere Kosten entstanden.

b)

Soweit die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf die Position Nr. 7 in Höhe von 200.000,00 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Senat dies im Rahmen der Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten berücksichtigt, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Denn in Bezug auf diese Position war die Klage vor der Beendigung der Rechtshängigkeit durch die übereinstimmende Erledigungserklärung in vollem Umfang begründet.

c)

Im Übrigen orientiert sich die Kostenquote an dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen unter Berücksichtigung der Streitwerte in beiden Instanzen, wobei in beiden Instanzen sämtliche Kosten (Gerichts- und Anwaltsgebühren) ungeachtet der prozessualen Erklärungen der Klägerin jeweils nach dem höchsten Streitwert (I. Instanz: 1.295.716,80 EUR; II. Instanz: bis zu 1,0 Mio. EUR) angefallen sind.

2.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

C.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird endgültig auf bis zu 1.000.000,00 EUR festgesetzt.


[1] Soweit in diesem Urteil auf Fundstellen in dem Strafurteil verwiesen wird, beziehen sich die angegebenen Seitenzahlen auf die von der Klägerin vorgelegte Anlage K 38 im Anlagenband I zum Schriftsatz vom 30.11.2018.

 

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