OLG Köln: Haftung von Betreibern einer Internet-Handelsplattform für fehlende Pflichtangaben der Händler
OLG Köln, Urteil vom 20.12.2013 - 6 U 56/13
Amtliche Leitsätze
1. Enthält ein Online-Händler Verbrauchern Informationen vor, die das Unions-recht als wesentlich einstuft, kann die Spürbarkeit des Verstoßes nicht damit ver-neint werden, dass es sich um einen nicht verfolgungswürdigen „Ausreißer" ge-handelt habe.
2. Betreiber einer Internet-Handelsplattform haften für fehlende Pflichtangaben der Händler grundsätzlich erst, nachdem sie auf die klare Rechtsverletzungen dieser Art hingewiesen worden sind; zur vorausschauenden Einfügung von Pflichtfeldern in eigene Online-Formula¬¬re, die die Händler zur Erfüllung der Informationspflichten anhalten, sind sie nicht ohne Weiteres verpflichtet.
UWG §§ 3 Abs. 2, 4 Nr. 11, 5a Abs. 2 und 4
Die Revision wird nicht zugelassen.
Sachverhalt
I.
Die Beklagte betreibt unter „www.amazon.de" einen Online-Versandhandel, über den sie Waren aller Art im eigenen Namen anbietet. In die Website integriert ist eine laut Impressum von der Amazon Services Europa S.à.r.l. betriebene Plattform, auf der selbständige Händler Produkte anbieten („Market¬place"). Der klagende Verbraucherschutzverband hat die Beklagte wegen mehrerer im zweiten Quartal 2012 publizierter Angebote von Fernsehapparaten in Anspruch genommen, bei denen die Energieeffizienzklasse nicht angegeben war; zum Teil fehlten auch Angaben zur Leistungsaufnahme im Ein-Zustand und zum jährlichen Energieverbrauch. Das Landgericht, auf dessen Feststellungen wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Dies nimmt der Kläger hin, soweit die Klage sich auf erstmals schon vor dem 30.11.2011 angebotene Fernsehgeräte (Anlagen K 1 bis 4) und die Preisvergleichsseite „www.guenstiger.de" (Anlage K 10) bezogen hat. Dagegen verfolgt er mit der Berufung sein Begehren weiter, soweit Angaben bei Fernsehgeräten fehlten, die erstmals nach dem 30.11.2011 in Verkehr gebracht und von der Beklagten im eige-nen Namen (Anlagen K 5 und 6) oder von Drit¬ten auf der „Market¬place"-Plattform (Anlage K 7) angeboten wurden, und so¬weit Angaben auf Übersichtsseiten (Anlagen K 8 und 9) fehlten.
Unter Berücksichtigung der in der Berufungsverhandlung vorgenommenen Klarstel¬lungen beantragt der Kläger,
die Beklagte unter Abänderung des am 27.02.2013 verkündeten Urteils der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (84 O 147/12) zu verurteilen,
I. es bei Vermeidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
1. im Rahmen geschäftlicher Handlungen Verbrauchern im Internet neue Fernsehgeräte zum Kauf anzubieten oder anbieten zu lassen, ohne in der Produktbeschreibung die Energieeffizienzklasse die Leistungs¬auf¬nah¬me im Ein-Zustand sowie den jährlichen Energieverbrauch anzugeben, wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben:
- es folgen (mit „und/oder") Einblendungen der Anlagen K 5 - 7 -
und/oder
2. im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern für neue Fernsehge-räte wie in Anlage K 8 wiedergegeben mit preisbezogenen Informationen zu werben oder werben zu lassen, ohne die Energieeffizienzklasse anzugeben.
II. an den Kläger 200 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhe-bung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen; auf die gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen.
aus den Gründen
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Die Klage zu Nr. I 1 ist begründet, soweit sie sich auf die beanstan¬deten eigenen Angebote der Beklagten (Anlagen K 5 und 6) bezieht; in Bezug auf die in Rede ste-henden „Marketplace"-Angebote Dritter (Anlage K 7) ist sie vom Landgericht zu Recht abgewiesen worden.
a) Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Ein abstraktes Verbot des Fehlens von Informationen „in der Produktbeschreibung" hätte allerdings nicht ergehen können, weil dieser Begriff nicht eindeutig ist und die Parteien gerade darüber streiten, wie er zu verstehen ist und an welcher Stelle bei der Vermarktung die Informationen gemäß Art. 4 der Delegierten VO (EU) Nr. 1062/2010 zur Ergänzung der Richtlinie 2010/30/EU (nachfolgend nur: VO) zu erteilen sind. Durch bildliche Wiedergabe der angegriffenen Internetwerbun¬g (Anlagen K 5 bis 7) im Antrag hat der Kläger aber nunmehr klargestellt, dass sich sein Unterlassungsbegehren auf die konkreten Verletzungsformen beschränkt (vgl. BGH, GRUR 2012, 82 = WRP 2012, 198 [Rn. 19] - Auftragsbestätigung); diese bestimmen und begrenzen den Streitgegenstand (vgl. BGHZ 194, 314 = GRUR 2013, 401 = WRP 2013, 472 [Rn. 24] - Biomineralwasser m.w.N.), wobei beschreibende Zusätze zwar das Klageziel näher festlegen, nicht jedoch das Begehren auf außerhalb der konkreten Verletzungsform liegende Merkmale erstrecken können (vgl. BGH, a.a.O. [Rn. 25]; GRUR 2011, 340 = WRP 2011, 459 [Rn. 21] - Irische Butter). Wenn sich - wie im Streitfall - anhand der Klagebegründung und der Urteilsgründe feststellen lässt, welche konkreten Merkmale Grundlage des begehrten Verbots sind, bedarf es überhaupt keiner weiteren Verbalisierung im Antrag (vgl. BGH, GRUR 2013, 951 = WRP 2013, 1188 [Rn. 11] - Regalsystem), so dass sich deren Mehreindeutigkeit hier nicht auswirkt.
b) Der Klagenantrag ist auch im Übrigen ncht zu unbestimmt oder zu weit und des-halb unbegründet (vgl. BGH, GRUR 2013, 409 = WRP 2013, 496 [Rn. 21] - Steuer-büro m.w.N.).
aa) Die Bezugnahme auf „Fernsehgeräte" ist unschädlich. Sogar ohne Begrenzung des Klagebegehrens auf die konkreten Verletzungsformen würde es sich bei der Verwendung des weiteren, „Videomonitore" und „Fernsehapparate" umfassenden Begriffs (Art. 2 Nr. 1 VO) um eine unbedenkliche Verallgemeinerung handeln, denn die in Rede stehenden Informationspflichten (Art. 4 lit. b und c VO) gelten für Fern-sehgeräte aller Art gleichermaßen.
bb) Das Begehren bezieht sich - wie der Kläger in der Berufungsverhandlung erneut klargestellt hat - nur auf neue Fern¬seh¬geräte, also nicht auf Produkte aus zweiter Hand, auf die (gemäß Art. 1 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2010/20/EU) die Regeln der VO keine Anwendung finden.
cc) Einer ausdrücklichen Beschränkung des Antrags auf das Gebiet der Bundesre-publik Deutschland bedarf es nicht, denn dass die Entscheidungskompetenz der deutschen Wettbewerbsgerichte nur geschäftliche Handlungen mit bestimmungsgemäßer Auswirkung auf den deutschen Markt umfasst, versteht sich von selbst.
c) In Bezug auf die eigenen Angebote der Beklagten eines „Panasonic TX-P50VT50E 50 Zoll 3D Plasma-Fernsehers" und eines „Panasonic TX-P55STW50 55 Zoll 3D Plasma-Fernsehers" (Anlagen K 5 und 6) haftet sie dem Kläger gemäß §§ 3 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3 UWG auf Unterlassung. Nach dem unstreitigen Sachverhalt steht fest, dass sie auf unionsrechtlichen Vorschriften beruhende Infor-mationspflichten objektiv verletzt hat. Denn die ausführlichen Beschrei¬bungen der angebotenen Produkte enthalten unter „Wichtige Informationen" zwar Angaben zur Leistungsaufnahme der Fernsehgeräte im Ein-Zustand (Betriebsmodus) und zum jährlichen Energieverbrauch, jedoch keine Angabe der Energieeffizienzklasse des Modells, zu der Internethändler wie die Beklagte („bei denen nicht davon auszuge-hen ist, dass der Endnutzer das Gerät ausgestellt sieht") indessen verpflichtet sind (Art. 4 lit. b in Verbindung mit Anlage VI Nr. 1 lit. a der VO).
Dieses Fehlen von Pflichtangaben erweist sich als unlauter nach § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den zitierten Vorschriften der VO, bei denen es sich um Marktverhaltens¬regeln handelt, sowie nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG, wonach Informationen, die die kommerzielle Kommunikation betreffen und dem Verbraucher auf Grund einer unionsrechtlichen Regelung nicht vorenthalten werden dürfen, als wesentlich gelten. Mit ihrem Einwand, dass es sich bei dem Fehlen der Pflichtinformation über die Energieeffizienzklasse um absolute Einzelfälle („Ausreißer") gehandelt habe, die in einem Massengeschäft wie dem ihren nicht zu vermeiden seien, dringt die Beklagte nicht durch.
aa) Vergeblich wendet die Beklagte ein, die Anwendung von § 5a Abs. 4 UWG, mit dem Art. 7 Abs. 5 der (UGP-) Richtlinie 2005/29/EG in deutsches Recht umgesetzt worden ist, sei auf die im Anhang II zur Richtlinie genannten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts beschränkt. Das Gegenteil ist richtig: Gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie ist die Liste des Anhangs II nicht erschöpfend; der offene Beispielskatalog führt zu einer dynamischen Verweisung, so dass auch andere unionsrechtliche Informationspflichten aus dem Bereich der kommerziellen Kommunikation unter die Norm zu fassen sind (Köhler / Bornkamm, UWG, 31. A., § 5a Rn. 39 und 54a; Göt-ting / Nordemann, UWG, 2. A., § 5a Rn. 66).
bb) Werden den angesprochenen Verbrauchern wie im Streitfall Informationen vor-enthalten, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft, ist damit zugleich geklärt, dass das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Absatz Abs. 2 S. 1 UWG erfüllt ist (st. Rspr.: BGH, GRUR 2010, 852 = WRP 2010, 1143 [Rn. 21] - Gallardo Spyder; GRUR 2010, 1142 [Rn. 24] = WRP 2010, 1517 - Holzhocker; GRUR 2011, 82 = WRP 2011, 55 [Rn. 33] - Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; GRUR 2012, 842 = WRP 2012, 1096 [Rn. 25] - Neue Personenkraftwagen; GRUR 2013, 1169 = WRP 2013, 1459 [Rn. 19] - Brandneu von der IFA). Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Spürbarkeit solcher fehlender Pflichtangaben insbesondere nicht mit der Erwägung verneint werden, dass es sich dabei um bloße „Ausreißer" gehandelt habe und in einem solchen ungewollten Ausnahmefall lediglich ein nicht verfolgungswürdiger Bagatellverstoß vorliege.
(1) Soweit sich die Beklagte dafür auf das ersichtlich ohne Berücksichtigung der erwähnten höchstrichterlichen Rechtsprechung ergangene Urteil des Landgerichts Stutt¬gart vom 27.07.2011 - 38 O 34/11 KfH (am 15.11.2013 als pdf-Dokument online verfügbar unter www.iww.de/quellenmaterial/id/81555) beruft, überzeugt dies nicht. Die Grundentscheidung des Unionsgesetzgebers, dass der Verbraucher gewisse Basisinformationen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, würde unterlaufen, wenn in jedem Fall jeweils noch die Relevanz ihres Fehlens zu prüfen wäre (vgl. Senat, K&R 2010, 61 = MMR 2010, 103; Köhler / Bornkamm, a.a.O., Rn. 57; Seichter in: Ullmann jurisPK-UWG, 3. A., § 5a Rn. 9).
Hinzu kommt, dass die Beklagte in vorliegender Sache lediglich behauptet, anders als die Beklagte des Stuttgarter Verfahrens aber weder substantiiert dargetan noch urkundlich belegt hat, dass sie vor und nach den beiden streitbefangenen Angeboten „alles richtig gemacht" und durch geeignete organisatorische Vorkehrungen dafür gesorgt hat, dass ihre Mitarbeiter und Beauftragten, für deren Verhalten sie wie für eigene Zuwiderhandlungen auf Unterlassung haftet (§ 8 Abs. 2 UWG), in einschlägige Produktbeschreibungen alle erforderlichen Pflichtinformationen aufnehmen. Dagegen kann keine Rede davon sein, dass bereits der Kläger einen auf Wiederholungsgefahr gestützten Verletzungsunterlassungsanspruchs nicht hinreichend dargelegt hätte. Seine auf zwei einschlägige Fälle sowie die fehlenden Angaben auf zwei Über¬sichts¬seiten (Anlagen K 8 und 9) beschränkte Beanstandung stützt keinesfalls die Annahme, alle anderen von der Beklagten im Internet publizierten Angebote seien in Bezug auf die Angabe der Energieeffizienzklasse bei Fernsehgeräten fehlerfrei und die gerügten Verstöße fielen im Rahmen des von ihr betriebenen „Massengeschäfts" nicht ins Gewicht. Vielmehr müssen Art und Umfang des Geschäftsbetriebs der Beklagten diese erst recht veranlassen, die Erfüllung unionsrechtlicher Informati-onspflichten durch geeignete organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen.
(2) Aus der zu § 3 UWG 2004 ergangenen, einen Verstoß gegen die Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit nach § 1 Abs. 6 S. 1 PAngV betreffenden Entschei-dung des Bundesgerichtshofs vom 04.10.2007 (GRUR 2008, 442 = WRP 2008, 659 [Rn. 14 f.] - Fehlerhafte Preisauszeichnung) folgt nichts anderes. In jenem Fall war eine Ware am Regal mit einem höheren als dem in der Werbung angegebenen Preis ausgezeichnet, dem Kunden wurde an der Kasse aber von vornherein nur der beworbene Preis in Rechnung gestellt. Eine vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor. Den von der Beklagten angesprochenen Verbrauchern wird nicht versehentlich ein zu hoher Preis genannt, sondern eine als wesentlich anzusehende Information über Eigenschaften des Produkts vorenthalten.
(3) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04.06.1986 (GRUR 1987, 52 = WRP 1987, 101 - Tomatenmark) trägt zu den hier maßgeblichen Fragen ebenfalls nichts bei. Es betraf keine fehlenden Pflichtinfor¬mationen, sondern die Feststellung des Verbraucherverständnisses in Bezug auf die Verfügbarkeit von Waren bei einer nach dem Irreführungstatbestand des § 3 UWG 1909 zu beurteilenden Zeitungswerbung eines Lebensmittelmarktes (vgl. Senat, GRUR-RR 2013, 116 = WRP 2013, 370 - Grundpreisangabe bei amazon).
cc) Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag die erstinstanzliche Argumentation der Beklagten, dass ein Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt nicht etwa durch das Fehlen von Pflichtangaben oder das Vorliegen einer irreführenden geschäftlichen Handlung indiziert werde, sondern in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen und im Ergebnis zu verneinen sei, wenn ein Händler zur Aufklärung der Verbraucher benötigte Informationen über die von ihm angebotenen Waren seinen Lieferanten oder sonstigen Dritten überlassen habe, auf deren Zuverlässigkeit er sich habe verlassen dürfen.
Wie der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 19.09.2013 - C-435/11 - CHS Tour Services GmbH / Team24 Travel GmbH (GRUR 2013, 1157 [Rn. 41 ff.]) auf Vorabentscheidungsersuchen des Österreichischen Obersten Gerichtshofs vom 05.07.2011 überzeugend ausgeführt hat, ist eine Geschäftspraxis in Anbetracht von Wortlaut, Struktur und systema¬tischer Stellung der Art. 5 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG als „irreführend" anzusehen, wenn die in Art. 6 Abs. 1 aufgeführten Kriterien erfüllt sind, ohne dass danach noch zu prüfen wäre, ob auch die in Art. 5 Abs. 2 lit. a der Richtlinie aufgestellte Voraussetzung erfüllt ist, dass diese Praxis den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht. Maßgebend ist die Wirkung der Geschäftspraxis auf den Durchschnittsverbraucher ohne Rücksicht auf Umstände in der Sphäre des Unternehmens.
Angesichts dessen muss auch im Streitfall der bereits in anderen Verfahren (Senat, GRUR-RR 2013, 116 = WRP 2013, 370 - Grundpreisangabe bei ama¬zon; MD 2013, 938 - Himalaya-Salz) erfolglos gebliebene Versuch der Beklagten scheitern, ihrer anfänglichen (nicht ohne Weiteres auf spätere Ord¬nungs¬mittel¬verfahren übertragbaren) Erfolgshaftung für Verstöße ihrer Mitarbeiter und Beauftragten (§ 8 Abs. 2 UWG) durch Statuierung einer dem verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch fremden, an § 831 BGB orientierten Exkulpationsmöglichkeit zu entgehen.
d) Ohne Erfolg bleibt die Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen die Verneinung eines Unterlassungsanspruchs wegen fehlender Angaben zur Leistungsaufnahme im Ein-Zustand, zum jährlichen Energieverbrauch und zur Energieeffizienzklasse im Rahmen des Angebots eines Fernsehgeräts „Samsung UE 32EH4000" durch die Drittanbieterin „mars¬media GmbH" auf der „Marketplace"-Plattform (Anlage K 7) wendet.
aa) Als Betreiber der „Marketplace"-Plattform nennt das Impressum die nicht mit der Beklagten identische, konzernverwandte Ama¬zon Services Europa S.à.r.l. (Anlage B 1). Ob die Beklagte auch für den Internetauftritt dieser Gesellschaft verantwortlich ist (vgl. BGH, GRUR 2005, 864 [865] = WRP 2005, 1248 - Meißner Dekor II; GRUR 2011, 543 = WRP 2011, 749 [Rn. 11] - Änderung der Voreinstellung III; GRUR 2011, 617 = WRP 2011, 881 [Rn. 54] - Sedo), kann der Senat mit dem Landgericht offen lassen, denn jedenfalls haftet sie unter den Umständen des Streitfalles nicht wegen unzureichender Pflicht¬informa¬tionen der auf dem „Marketplace" agierenden, durch die Erklärung „Verkauf und Versand durch marsmedia GmbH" deutlich als für die Werbung verantwortlich bezeichneten Drittanbieterin.
bb) Wie bereits das Landgericht im Einzelnen zutreffend aus¬geführt hat, ist der Be-treiber einer Internet-Handelsplattform grundsätzlich nicht verpflichtet, jedes ihm übermittelte Angebot vor Veröffentlichung auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen (BGHZ 191, 19 = GRUR 2011, 1038 = WRP 2011, 1609 [Rn. 21] - Stiftparfüm m.w.N.).
Eine Haftung des Plattformbetreibers als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) der rechts¬verletzenden Handlung des Dritten erfordert mindestens bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGHZ 158, 236 [250] = GRUR 2004, 860 - Internet-Versteigerung I; GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223 [Rn. 30] - Kinderhochstühle im Internet). Hierfür fehlt es meist - so auch hier - an greifbaren Anhaltspunkten.
Anstelle einer Störerhaftung, die im Bereich des wettbewerbsrechtlichen Verhaltensunrechts (einschließlich des Unterlassens von Pflichtinformationen) auf Grund rechtsdogmatischer Erwägungen ausscheidet (vgl. BGH, GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223 [Rn. 48] - Kinderhochstühle im Internet), kommt allerdings eine täter¬schaftliche Haftung des Plattformbetreibers aus der Verletzung einer wettbewerbs¬rechtlichen Verkehrspflicht unter dem Gesichtspunkt des gefahrerhöhenden Verhaltens in Betracht (vgl. BGHZ 173, 188 = GRUR 2007, 890 = WRP 2007, 1173 [Rn. 22, 36] - Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH, GRUR 2012, 304 = WRP 2012, 330 [Rn. 60] - Basler-Haar-Kosmetik). Insoweit kann auf die zur Störer¬haf¬tung bei Schutzrechtsverletzungen entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden (Senat, MD 2010, 1093 - Schlank-Sensation Nr. 1; NJOZ 2012, 971 - Schlank-Geheim¬nis). Diese Haftung greift jedoch in aller Regel erst ein, wenn der Plattformbetreiber auf klare Rechtsverletzungen des Händlers hingewiesen worden ist; unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ist er insbesondere nicht verpflichtet, komplizierte Beurteilungen im Einzelfall durchzuführen, ob ein beanstandetes Angebot sich tatsächlich als wettbewerbswidrig erweist (vgl. BGH, GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223 [Rn. 48] - Kinderhochstühle im Internet m.w.N.). Erst nach Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung muss er nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt (vgl. BGHZ 191, 19 = GRUR 2011, 1038 = WRP 2011, 1609 [Rn. 20] - Stiftparfüm).
Dienste¬an¬bie¬ter, die von Nutzern bereitgestellte Informationen speichern, sind dar-über hinaus verpflichtet, die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende Sorgfalt anwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern (vgl. Erwägungsgrund 48 der Richtlinie 2000/31/EG; BGH, GRUR 2013, 1030 = WRP 2013, 1348 [Rn. 30] - File-Hosting-Dienst). Erhöhte Pflichten bestehen bei besonderer Gefahrengeneigt¬heit des angebotenen Dienstes, insbesondere wenn das Geschäftsmodell von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer angelegt ist oder der Diensteanbieter durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung fördert (vgl. BGHZ 194, 339 = GRUR 2013, 370 = WRP 2013, 332 [Rn. 22] - Alone in the Dark; BGH, GRUR 2013, 1030 = WRP 2013, 1348 [Rn. 30] - File-Hosting-Dienst m.w.N.).
cc) Im Streitfall kann keine Rede davon sein, dass das Geschäftsmodell des „Mar-ketplace" innerhalb des Internetauftritts der Beklagten Wettbewerbs¬ver¬stöße der hier in Rede stehenden Art geradezu provoziere. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht auch keine anlasslose Verpflichtung der Verantwortlichen für die „Market-place"-Plattform, in den für Händler vorgehaltenen Online-Formula¬¬ren („Upload-Sheets", vgl. Anlagen K 19 und 20) je nach Warengruppe bestimmte Pflichtfelder vorzusehen, um die Erfüllung sämtlicher (jedenfalls aller unionsrechtlich begründeter) Informationspflichten in Bezug auf das von dem Händler angebotene Produkt sicherzustellen. Eine solche nicht an konkrete Mängel eines einzelnen Angebotes anknüpfende, sondern die Umsetzung abstrakter Rechtsvorschriften im Voraus berücksichtigende Prüfpflicht würde - wie vom Landgericht zutreffend erkannt - auf eine unverhältnismäßige Erschwerung des legitimen Geschäftsmodells des Plattformbetreibers und eine unzumutbare Verpflichtung zur vorausschauenden Rechtskontrolle hinauslaufen.
Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob den Verantwortlichen für den „Marketplace", nachdem ihnen durch den vorliegenden Rechtsstreit die Anforderun-gen an die Information der Verbraucher über den Energieverbrauch von Fernsehgeräten vor Augen geführt worden sind, künftig zuzumuten sein könnte, die Nutzer der Plattform¬ durch Warnhinweise und Auswahlfelder in der für die betreffende Produktkategorie vorgesehenen Eingabemaske (vgl. Anlage K 19) zur Erfüllung ihrer im Unionsrecht begründeten Informationspflichten anzuhalten (vgl. OLG Düsseldorf, MMR 2013, 649 zur Abänderung der Eingabemaske durch den Betreiber einer Internethandelsplattform, um die Einhaltung der gesetzlichen Impres¬sums¬¬pflicht der Nutzer seiner Plattform zu ermöglichen). Denn zum einen bestünde selbst dann keine - vom Kläger mit seinem auf die konkrete Verletzungsform des Händlerangebots abzielenden Antrag aber vorausgesetzte - Erfolgsabwendungspflicht der „Marketplace"-Betreiber in dem Sinne, dass diese vorab zu überprüfen hätten, ob die Händler ihren Informationspflichten genügen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O. [650], das den mit der dortigen Klage verfolgten Hauptantrag abgewiesen hat, weil es der Beklagten nicht zuzumuten sei, sämtliche Angebote vor ihrer Einstellung in das Portal darauf zu überprüfen, ob sie die gesetzlich geforderten Angaben enthalten). Zum anderen kann hier nach Lage der Dinge auch nicht festgestellt werden, dass es nach dem vom Kläger am 09.05.2012 ermittelten und zum Gegenstand der Klage (nicht der Abmahnung vom 03.04.2012) gemachten Verstoß einer Drittanbieterin gegen die Informationspflichten beim Angebot von Fernsehgeräten noch zu weiteren, durch eine andere Gestaltung der Eingabemaske vermeidbaren Verstößen gekommen ist.
2. Die Berufung hat Erfolg, soweit das angefochtene Urteil die Klage mit dem auf bestimmte Seiten unter „www.amazon.de" bezogenen Antrag zu Nr. I 2 abgewiesen hat.
a) Der in zweiter Instanz nur noch gegen diese konkrete Verletzungsform gerichtete Angriff betrifft Übersichtsseiten des eigenen Internetauftritts der Beklagten, die ver-schiedene Fernsehgeräte auflisten und dem Verbraucher die Möglichkeit bieten, mittels eines elektronischen Verweises zu einzelnen Angeboten (vgl Anlagen K 5 und 6) zu gelangen. Klargestellt hat der Kläger, dass von seinem Begehren keine gebrauchten, sondern nur neue Fernsehgeräte erfasst sein sollen. Soweit der Antrag auf eine bestimmte, vom Senat klarstellend in der Urteilsformel wiedergegebene Unterseite des Internetauftritts (Anlage K 8) Bezug nimmt, umfasst er in dieser Fassung auch im Kern gleiche, das Charakteristische der konkreten Verletzungsform unberührt lassende Werbehandlungen (vgl. Anlage K 9), nach der ausdrücklichen Erklärung des Klägers in der Berufungsbegründung dagegen keine Übersichtsseiten fremder Preisvergleichsportale (vgl. Anlage K 10).
b) Mit dieser Einschränkung ist der Antrag zulässig und begründet.
aa) Anders als die Berufungserwiderung meint, ist der Kläger nicht gehindert, im Wege der Klagenhäufung unter Bezugnahme auf verschiedene konkrete Verlet-zungsformen sowohl einen Verstoß gegen Art. 4 lit. b VO in einzelnen Angeboten (Anlagen K 5 und 6) als auch den Verstoß gegen Art. 4 lit. c VO auf den Übersichts-seiten (Anlagen K 8 und 9) geltend zu machen.
bb) Artikel 4 lit. c VO verpflichtet alle Händler sicherzustellen, dass „bei jeglicher Werbung für ein bestimmtes Fernsehgerätemodell mit energie- oder preisbezogenen Informationen auch dessen Energieeffizienzklasse angegeben wird". Die Auffassung der Beklagten, einer Angabe der Effizienzklasse auf der Übersichtsseite bedürfe es im konkreten Fall nicht, trifft - wovon ersichtlich bereits das Landgericht ausgegangen ist - nicht zu. Maßgeblich ist, dass sie bei den auf der Übersichtsseite gelisteten neuen Fernsehgeräten Preise angeben, also mit Preisen geworben hat. Gemäß dem eindeutigen Gebot des Unionsgesetzgebers hat sie dann in unmittelbarem Zusammenhang damit auch die Energieeffizienzklasse des betreffenden Modells anzugeben. Daran fehlt es. Ob Angaben in der über einen elektronischen Verweis zugänglichen detaillierten Produktbeschreibung ausgereicht hätten, wenn dem Verbraucher auf der Übersichtsseite deutlich gemacht worden wäre, dass er die Angaben zur Energieeffizienz dort finde, erscheint zweifelhaft, kann aber dahin gestellt bleiben. Denn im Streitfall waren weder ein solcher deutlicher Hinweis noch Angaben zur Energieeffizienzklasse in der detaillierten Produktbeschreibung (Anlagen K 5 und 6) vorhanden.
Die Annahme eines Bagatellverstoßes, also der fehlenden Spürbarkeit des festge-stellten Verstoßes gegen unionsrechtlich begründete Informations¬pflich¬ten verbietet sich; zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorstehenden Erwägungen zu Nr. 1 c bb und cc verwiesen.
Wie sich aus alledem ergibt, ist auch die Behauptung der Beklagten, bei dem Ange-bot eines Fernsehgeräts „Philips 37PFL 3507H/12 37 Zoll LED Backlight" (Anlage K 9) seien Angaben auf der Produktdetailseite vollständig vorhanden gewesen und nur versehentlich nicht in den Produkttitel aufgenommen worden, gegenüber dem Unterlassungsanspruch des Klägers nicht erheblich.
3. Der zu Nr. II geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Zahlung einer angemessenen Abmahnkostenpauschale (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG) ist unbegründet, weil die im Berufungsverfahren nur noch in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße - wie oben zu Nr. 1 d cc angesprochen und in der Verhandlung vor dem Senat näher erörtert - nicht Gegenstand der Abmahnung vom 03.04.2012 gewesen ist. Soweit der Kläger die erstinstanzliche Abweisung der Klage hingenommen hat, bleibt es ohnehin bei dem entsprechenden Ausspruch des landgerichtlichen Urteils.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Ausgehend von insgesamt fünf verschiedenen konkreten Verletzungsformen, die Gegenstand der Unterlassungsklageanträge erster Instanz waren (Antrag zu Nr. I 1: Anlagen K 1 bis 4; Anlagen K 5 und 6; Anlage K 7; Antrag zu Nr. I 2: Anlagen K 8 und 9; Anlage K 10), beläuft sich das Unterliegen des Klägers in erster Instanz auf drei Fünftel und in zweiter Instanz (nach rechtskräftiger Klageabweisung in Bezug auf zwei konkrete Verletzungsformen) auf ein Drittel, das Unterliegen der Beklagten in erster Instanz auf zwei Fünftel und in zweiter Instanz auf zwei Drittel. Die Nebenforderung zu Nr. II bleibt für die Wertbemessung außer Betracht.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Das Urteil betrifft die tatrichterliche Anwendung gefestigter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.
Der Streitwert wird für das Verfahren erster Instanz in Abänderung der Fest¬setzung im angefochtenen Urteil auf 25.000,00 €, für das Berufungsverfahren auf 15.000,00 € festgesetzt.