BGH: Haftung eines Organs für unerlaubte Bankgeschäfte
BGH, Urteil vom 9.11.2023 – III ZR 105/22
ECLI:DE:BGH:2023:091123UIIIZR105.22.0
Volltext: BB-Online BBL2024-2-5
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Amtliche Leitsätze)
a) Wer entgegen § 32 Abs. 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, macht sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG strafbar. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person, trifft die strafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist (Bestätigung von BGH, Urteile vom 15. Mai 2012 – VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177 Rn. 19 und vom 12. Dezember 2019 – IX ZR 77/19, NJW-RR 2020, 292 Rn. 35 [BB 2020, 399]).
b) Die objektive Organstellung allein ist nicht hinreichend, um eine Haftung zu begründen. Es bedarf zusätzlich des Verschuldens, § 276 BGB, das gesondert fest- gestellt werden muss.
c) Interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer juristischen Person können zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen. Es bestehen jedoch in je- dem Fall gewisse Überwachungspflichten, die das danach unzuständige Organ zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch das zuständige Organ nicht mehr gewährleistet ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Oktober 1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 377 f. [BB 1996, 2531]).
KWG § 32 Abs. 1, § 54; StGB § 14 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 276 A, § 823 Bf
Sachverhalt
Der Kläger macht aus eigenem sowie von seiner Ehefrau abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche wegen gescheiterter Investitionen in Tochtergesellschaften der E. C. AG (nachfolgend auch: Gesellschaft) mit Sitz in der Schweiz geltend. Der Beklagte war "Direktor" der Gesellschaft und Geschäftsführer der Tochtergesellschaften, die als Projektgesellschaften Immobilienprojekte durchführen sollten. Inzwischen sind die E. C. AG und die Projektgesellschaften insolvent. Keine dieser Gesellschaften verfügte über eine Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften.
Am 6. April 2018 schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit der E. C. AG einen "Beteiligungsvertrag", nach dem sie 50.000 € in das Projekt "M. K. " investierten. Der Vertrag sah eine Laufzeit von 24 Monaten, eine Verpflichtung "zur vollständigen Rückzahlung der Investitionssumme bis spätestens zum Ende der vorgenannten Festlegungsfrist" und eine feste Verzinsung von 6 % p.a. vor. Die E. C. AG wurde beim Vertragsschluss durch K. B. , Mitglied des Verwaltungsrats und Prokurist der Projektgesellschaften, vertreten.
Der Kläger hat behauptet, die E. C. AG sei eine reine Briefkastenfirma gewesen, die gesamte Geschäftstätigkeit sei über die deutschen Projektgesellschaften abgewickelt worden. Auf Vorgabe des Beklagten und des K. B. sei den Investoren eine feste Verzinsung zugesagt worden. Kerngeschäft der E. C. AG sei das Einsammeln von Geldern gewesen. Der Kläger begehrt Rückzahlung des von ihm investierten Betrags nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung seiner Rechte aus dem Beteiligungsvertrag sowie die Feststellung des Verzugs des Beklagten mit der Annahme dieser Rechte aus dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. C. AG.
Der Beklagte hat sich insbesondere damit verteidigt, lediglich Direktor mit einem eingeschränkten Aufgabenbereich gewesen zu sein. Er sei als Architekt allein mit der Leitung und Überwachung der Bauprojekte von der technischen Seite befasst gewesen. Die Wahrnehmung von Aufgaben im finanziellen Bereich sei ihm nicht übertragen gewesen. Dementsprechend habe er keine Kenntnis von den Beteiligungsverträgen gehabt, die K. B. für die E. C. AG abgeschlossen habe.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen geringen Teil der Zinsen stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Aus den Gründen
6 Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
7 Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG zu. Deutsche Gerichte seien zuständig und nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, § 3 StGB sei deutsches Recht anwendbar. Die E. C. AG habe gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG, der Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sei, verstoßen, indem sie unbedingt rückzahlbare Gelder angenommen und damit im Inland gewerbsmäßig ein Einlagengeschäft ohne die hierzu erforderliche Erlaubnis betrieben habe.
8 Der Beklagte habe das Betreiben der unerlaubten Bankgeschäfte (mit) zu verantworten. Wirkten die Bankgeschäfte für eine juristische Person, ergebe sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB und treffe danach denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für diese tätig sei.
9 Der Beklagte hafte als Organ der E. C. AG. Er sei nach dem insofern maßgeblichen Schweizer Recht als Direktor der Gesellschaft deren Organ und für diese neben K. B. alleinvertretungsberechtigt gewesen. Der Direktor sei zwar kein zwingendes Organ einer Aktiengesellschaft, auf ihn könnten jedoch Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse übertragen werden.
10 Der Beklagte hafte aber auch ohne organschaftliche Stellung als Leitungsperson der E. C. AG. Selbst im Falle einer Beschränkung seiner Geschäftsführungsbefugnisse sei er bei der Gesamtbetrachtung seiner Stellung in der E. -C. Gruppe für das Betreiben der unerlaubten Bankgeschäfte mitverantwortlich gewesen. Er sei bei der E. C. AG alleinvertretungsberechtigt und zudem Geschäftsführer der Projektgesellschaften gewesen. Auch im Außenverhältnis, nämlich im Internetauftritt und in der Werbebroschüre, sei er als maßgeblich handelnde Person aufgetreten. Dort sei angegeben, man habe von Anfang an auf Eigenkapital bei der Finanzierung gesetzt. Auf eine Beschränkung seiner Zuständigkeit könne sich der Beklagte nicht berufen, da das Einwerben privater Gelder wesentlicher Teil des Geschäftsmodells der E. C. Gruppe gewesen sei. Zudem habe den Beklagten als Geschäftsführer der Projektgesellschaften eine grundsätzliche Verantwortung auch für die Finanzierung und für die Frage, wie und in welcher Art und Weise die Finanzmittel eingeworben werden sollten, getroffen. Auf eine Haftung aufgrund von § 25a KWG komme es daher nicht an.
11 Der Beklagte habe schuldhaft, jedenfalls fahrlässig, gehandelt. Ein eventueller Verbotsirrtum sei jedenfalls vermeidbar gewesen. Dem Beklagten habe klar sein müssen, dass es nicht ohne weiteres zulässig sei, Gelder von Privatpersonen einzuwerben und für die Durchführung von Gewerbeprojekten zu nutzen. Im Falle einer Nachfrage hätte er eine entsprechende Auskunft über die Erlaubnispflicht der streitgegenständlichen Geschäfte erlangen können, so dass er hätte nachfragen müssen.
12 Dem Kläger und seiner Ehefrau sei ein Schaden in Höhe der Anlagesumme entstanden, den geltend zu machen der Kläger berechtigt sei.
II.
13 Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
14 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte und die Anwendbarkeit deutschen Rechts bejaht. Auch die Revision bringt hiergegen nichts vor.
15 2. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht zudem davon ausgegangen, dass § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG (in der hier maßgeblichen bis zum 11. August 2022 geltenden Fassung) ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist und dass die E. C. AG hiergegen verstoßen hat. Dagegen lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht sicher beurteilen, ob der Beklagte für aus den Bankgeschäften der E. C. AG entstandene Schäden haftet.
16 a) Zutreffend hat das Berufungsgericht zugrunde gelegt, dass derjenige, der entgegen § 32 Abs. 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG strafbar macht. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person, so ist diese zivilrechtlich der Betreiber der Geschäfte; die strafrechtliche Verantwortlichkeit ergibt sich in diesen Fällen aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Sie trifft denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist (BGH, Urteile vom 15. Mai 2012 - VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177 Rn. 19 und vom 12. Dezember 2019 - IX ZR 77/19, NJW-RR 2020, 292 Rn. 35; jew. mwN).
17 Daraus folgt, dass die objektive Organstellung allein nicht hinreichend ist, um eine Haftung zu begründen. Es bedarf zusätzlich des Verschuldens, § 276 BGB, das dementsprechend gesondert festgestellt werden muss. Zwar begründen die generelle Legalitätspflicht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26 Rn. 22) wie auch die Pflichten des Geschäftsleiters nach § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG weitreichende Sorgfaltspflichten. Diese schließen eine Delegation von Aufgaben und damit eine Übertragung von Verantwortung jedoch nicht aus. So können etwa interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1996 - VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 377). Dies beruht auf dem Gedanken, dass der Geschäftsführer den ihm zukommenden Handlungspflichten für die Gesellschaft als Ganzes auf unterschiedliche Weise nachkommen kann. Auch durch organisatorische Maßnahmen kann er zur Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Pflichten beitragen, indem er etwa an einer Regelung mitwirkt, durch die jedem Geschäftsführer bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Durch eine derartige Aufteilung der Geschäfte wird die Verantwortlichkeit des nicht betroffenen Geschäftsführers nach innen und außen beschränkt, denn im allgemeinen kann er sich darauf verlassen, dass der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigt. Doch verbleiben dem nicht betroffenen Geschäftsführer in jedem Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist (vgl. BGH aaO S. 377 f mwN).
18 Wie die interne Organisation der Gesellschaft ausgestaltet ist, entzieht sich in der Regel ebenso der Wahrnehmung des einzelnen Anlegers wie die Umstände, aus denen sich Anhaltspunkte ergeben können, die das Organ verpflichten, die Führung der Geschäfte auch außerhalb seines eigentlichen Verantwortungsbereichs näher zu kontrollieren und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um deren Gesetzmäßigkeit sicherzustellen. Bezüglich dieser Umstände trifft daher das Organ nach allgemeinen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 4. Februar 2021 - III ZR 7/20, NJW 2021, 1759 Rn. 19).
19 b) Ob der Beklagte für die Bankgeschäfte der E. C. AG im Allgemeinen und den Vertragsschluss mit dem Kläger und seiner Ehefrau im Besonderen nach diesen Maßstäben verantwortlich war, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts offen. Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Organ der E. C. AG war. Zu dessen Behauptung, für den Abschluss von Verträgen nicht zuständig gewesen zu sein und von den Beteiligungsverträgen keine Kenntnis gehabt zu haben, hat es keine Feststellungen getroffen. Unterstellt man diese Behauptung, kommt eine Haftung des Beklagten nur wegen der Verletzung von Überwachungspflichten in Betracht. Ob solche bestanden, hat das Berufungsgericht indes nicht erörtert.
20 Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts genügen auch nicht, um dem Senat die Würdigung zu ermöglichen, ob für den Beklagten Anhaltspunkte bestanden, die Überwachungspflichten ausgelöst hätten. Insbesondere kann allein daraus, dass ihm bekannt war, dass die E. C. AG Gelder einwarb, nicht darauf geschlossen werden, es sei für ihn erkennbar gewesen, dass die Gesellschaft Einlagen- und damit Bankgeschäfte betrieb. Gegenteiliges folgt auch nicht aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (NJW-RR 2017, 547). Soweit dort ausgeführt ist, die Unzuständigkeit eines Geschäftsführers für den Abschluss von Verträgen lasse seine Verantwortlichkeit dann nicht entfallen, wenn diese Tätigkeit Teil des Geschäftsmodells der Gesellschaft sei, lag dem die Feststellung zugrunde, dass "sämtliche entsprechenden Geschäftsabschlüsse mit seinem [des Geschäftsführers] Wissen und Wollen" erfolgt waren (OLG Frankfurt aaO Rn. 28). Bei einer solchen Kenntnis - die hier gerade nicht festgestellt ist - bestehen nach den dargestellten Maßstäben bereits nicht mehr nur Überwachungspflichten, sondern ist das Organ zum Einschreiten gegen die Geschäftspraxis verpflichtet.
21 Hinreichende Feststellungen zu einem Verschulden des Beklagten ergeben sich auch nicht aus den Erwägungen des Berufungsgerichts, dass der Beklagte (auch) faktischer Geschäftsführer der E. C. AG gewesen sei. Soweit es festgestellt hat, in Werbematerialien der Gesellschaft sei ausgeführt, man habe "von Anfang an auf Eigenkapital bei der Finanzierung der Projekte gesetzt", lässt sich hieraus nichts dafür herleiten, dass der Beklagte Kenntnis von den unerlaubten Bankgeschäften hatte oder hätte haben müssen. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass - wie die Revision zutreffend rügt - aus der Ankündigung, "Eigenkapital" einwerben zu wollen, nicht geschlossen werden kann, dass K. B. Fremdkapital in Form von Einlagen einwerben würde. Denn der Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG besteht gerade darin, dass die eingeworbenen Gelder nicht Eigenkapital waren und damit am Risiko der Gesellschaft teilgenommen hätten, sondern es sich um Fremdkapital handelte, das sich durch eine unbedingte Rückzahlungsverpflichtung auszeichnete.
III.
22 Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache ist, da sie zur Endentscheidung nicht reif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO).