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Wirtschaftsrecht
17.09.2020
Wirtschaftsrecht
LG Berlin: Haftung einer Ratingagentur für Anleiheratings

LG Berlin, Urteil vom 5.5.2020 – 11 O 5/19

Volltext: BB-Online BBL2020-2128-1

Sachverhalt

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen eines behaupteten fehlerhaft erstellten Ratings im Kontext eines Erwerbs von Anleihen der MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden:“Emittentin“) geltend.

Die Emittentin war Eigentümerin des Luxus-Kreuzfahrtschiffes „MS Deutschland“ und hatte dieses im Jahr 2010 für € 42 Mio. erworben (vgl. Anlage K 4, S. 24). Gemäß Bilanz zum 31 .12.2010 betrug das Anlagevermögen der Emittentin ca. € 50 Mio. und zum 31.12.2011 ca. € 46 Mio. (vgl. Anlage K 3, S.96 u. 117). Den wesentlichen Teil des Anlagevermögens stellt dabei die MS Deutschland dar (vgl. Anlage K 3, S. 109).

Die Beklagte ist eine international tätige Ratingagentur mit Sitz in Berlin; nach einer Beauftragung nimmt sie eine wirtschaftliche Analyse eines Unternehmens oder eines Finanzinstrumentes vor. Jene Analyse mündet schließlich in einen Bericht (sog. Corporate .Bond Rating, im Folgenden: „CBR;), welcher das jeweilige Unternehmen bzw. das Finanzinstrument seiner Bonität nach in ein bestimmtes Rating einstuft; „A/AA" ist insofern die beste, „D' die schlechteste Bonitätseinstufung. Vorliegend beauftragte o.g. Emittentin nunmehr die Beklagte unter anderem mit einem so genannten „lnitial Rating" mit Datum vom 08.1 0.2012: ein solches „lnitial Rating“ ist gemäß der gegebenen Auftragsbeschreibung eine „erste verbindliche Bewertung der Anleihe mit offiziellem Status und wird auf Basis des geprüften Emissionsprospekts durchgeführt.“ (vgl. Anlage K 1).

Die Beklagte wurde von der Emittentin unter dem 8.10.2012 beauftragt, die von dieser zu begebenden, börsennotierten lnhaber-Teilschuldverschreibungen (WKN: A1RE7V; lSlN: DE000A1RE7V0; im Folgenden: „Anleihe“)zu bewerten. Die Beklagte sollte hierfür insgesamt ein Honorar von € 50.000,- erhalten (vgl. Anlage K 1).

Hintergrund der Bewertung war die - der Beklagten bekannte - Absicht der Emittentin, ihre Anleihen an der Frankfurter Börse anzubieten.

Die Beklagte bewertete die Anleihe sodann gemäß ihrem CBR-Bericht vom 28.11.2012 mit der Bonitätseinstufung „A", der sechstbesten von insgesamt 20 möglichen Bonitätseinstufungen, mit einem geringen Ausfallrisiko (Anlage K 2, s. 1 ff.). Zugleich kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Emittentin selbst nur mit „CCC+" zu bewerten ist, was der niedrigsten Bewertung für noch solvente Unternehmen mit einem sehr hohen Ausfallrisiko entspricht (,Anlage K 2, S. 9 u. 13) Die sog. Recovery Rating Notation, die Erlösquote bei Förderungsausfällen, bewertete die Beklagte ebenfalls als gut, es sei insbesondere aufgrund der Sicherungshypothek an dem Schiff „davon auszugehen, dass im Falle von Forderungsausfällen bestehende Verpflichtungen erfüllt werden können" und „eine generell vollständigen Absicherung des Nennbetrages der Anleihe gegeben" (Anlage K 2, S. 16 f.).

Dem Rating ist hierbei unter anderem das Kurzbewertungsgutachten vom 22.10.2012 eines lngenieursbüros zum Verkehrswert des Schiffes zugrunde gelegt worden, wobei von einem aktuellen Marktwert des Schiffes von USD 100,0 Mio. bzw. ca. € 76,6 Mio. auszugehen sei (abgedruckt im Prospekt, Anlage K 3, S. 92 ff .).

ln ihrem CBR-Bericht bezieht sich die Beklagte ausdrücklich auf dieses Wertgutachten und dass dieses auf einer Zustandsbesichtigung im Mai 2011 basiere, wobei Bewertungsmaßstab Ersatzbeschaffungskosten mit einem altersgemäßen Abschlag, die Marktentwicklung kleinerer Kreuzfahrtschiffe sowie die berichteten Preise von Verkäufen von Kreuzfahrtschiffen seien. Ferner führt ,die Beklagte aus, dass angesichts des nach diesem Kurzwertgutachten ermittelten Werts des Schiffes von ca. € 76,6 Mio. dies bei einer Vollplatzierung der Anleihe von € 60,0 Mio. einer Beleihung von 78 % entspricht (Anlage K 2, S, B). Ein unmissverständlicher Hinweis, dass dieses Wertgutachten fehlerhaft sein könne oder dass ein Risikoabschlag geboten sein könne, findet sich im gesamten CBR-Bericht nicht (vgl. Anlage K 2).

lm Wertpapierprospekt der Emittentin vom 28.11.2012 findet sich sodann jene o.g. Bonitätseinstufung „A" der Beklagten zu der Anleihe auf Seiten 11 und 62 wieder, wie folgt:

„B.17 Rating

Entfällt, nachdem die Emittentin kein Rating hat. Gemäß Ratingbericht vom 28. November 2012 wurden die lnhaber-Teilschuldverschreibungen von der Scope Ratings GmbH mit dem Anleiherating „A" bewertet. Die Scope Ratings GmbH ist [...] Rating-Agentur gemäß Verordnung (EG) Nr. 1060/2009)."

(Anlage K 3, S. 11).

„15. Rating

Die lnhaber-Teilschuldverschreibungen wurde im November 2012 von der Scope Ratings GmbH, Potsdamer Platz 1, 10785 Berlin, mit dem Rating „A" bewertet. Die Scope Ratings GmbH hat ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Scope Ratings GmbH definiert ein Rating der Note „A" wie folgt: überdurchschnittliche Bonität - geringes Ausfallrisiko - vereinzelt Risikoelemente vorhanden, die sich bei Veränderungen des wirtschaftlichen Umfeldes negativ auswirken können. Der Ratingbericht ist auf der lnternetseite der Emittentin unter www.msdeutschland-gmbh.de/anleihe veröffentlicht.

Die Scope Ratings GmbH hat der Aufnahme der vorstehenden Angaben über das Rating der Anleihe in der vorstehenden From und in dem vorstehenden Zusammenhang zugestimmt.

Die Scope Ratings GmbH ist [...] Rating-Agentur gemäß Verordnung (EG) Nr. 1060/2009) [...] registriert."

(Anlage K 3, S. 62).

Auf Seite 34 des Prospektes ist ferner, unter anderen, ein Risikohinweis enthalten, wonach das dem Prospekt beigefügte Verkehrswertgutachten vom 22.10.2012 „fehlerhaft“ sein könnte und ein etwaiger, tatsächlich niedrigerer Verkehrswert die Besicherung der Anleihe negativ beeinflussen könne (Anlage K 3, S. 34).

Die Klägerin enwarb mit Datum vom 13.12.2012 über die   Anleihen im Nennbetrag von   ,-. Hierfür zahlte die Klägerin €   ,- (vgl. Anlage K 5a).

lm Jahr 2013 erhielt die Klägerin hierfür Zinsen in Höhe von €    ,- und bekam in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt €   ,- seitens des lnsolvenzverwalters der Emittentin.

Am 27.04.2018 verkaufte die Klägerin die ihr verbliebenen Anleihen und erhielt nach Abzug von Kosten noch €  ,-.

Die Emittentin geriet im Jahr 2014 in Zahlungsschwierigkeiten und ging insolvent. Am 01.'01.2015 wurde das lnsolvenzverfahren über das Vermögen der Emittentin eröffnet.

Der lnsolvenzverwalter beauftrag[t]e drei Makler mit der Bewertung der MS Deutschland, die zu einem geschätzten Marktwert des Schiffes von rd. € 18 Mio. gelangten; im allerbesten Falle, wenn man in französische Balkone investiere, wären hiernach ca. € 30 Mio. zu erzielen (vgl. Bericht des lnsolvenzverwalters vom 01.02.2015, S. 24, Anlage K 4).

Die Klägerin behauptet, das Rating der Beklagten sei fehlerhaft gewesen. Tatsächlich hätte die Bonität der Anleihe der Emittentin bei einem sorgfältigen Rating schlechter bewertet werden müssen. Die Beklagte hätte ohne triftigen Grund auf einen ihr erkennbar fehlerhaften Verkehrswert des Schiffes vertraut, der nicht realistisch gewesen sei. Hierfür habe es zahlreiche Anhaltspunkte gegeben, wie dass das Schiff statt mit 600 Passagieren nur mit 520 Passagieren ausgelegt gewesen sei, und dass es - angeblich - nur für rd. € 38,57 Mio. versichert gewesen sei. Die Sicherheit der Anleihe sei zentraler Beweggrund für den Kauf gewesen; gerade wegen der von der Beklagten verliehenen Bonitätseinstufung „A" und der im CBR belegten Vollbesicherung der Anleihe hätten die Klägerin eine sichere Anleihe angenommen, bei der ein Teil- oder Totalverlust nicht möglich sei. Die Klägerin habe insofern der Bewertung der Beklagten vertraut.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie hätte sowohl einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB (im Rahmen der sog. Expertenhaftung) als auch nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (im Folgenden: „VSD"). Die Beklagte habe im Sinne von § 311 Abs. 3 S. 2 BGB Gewähr für die Sicherheit der o.g. Anleihe übernommen; ferner habe sie ein mittelbares Eigeninteresse am Verkauf solcher Finanzinstrumente, die sie positiv bewertet hat. Jenes Schuldverhältnis habe sie schließlich mit ihrer fehlerhaften Bonitätseinstufung jedenfalls fahrlässig und somit schuldhaft verletzt. Auch ein VSD sei wegen der vorhandenen Leistungs- und Gläubigernähe sowie der Erkennbarkeit der Einbeziehung der Anleger in den Rating-Vertrag zwischen der Beklagten und der Emittentin gegeben. Der Kreis potentiell Geschädigter sei jedenfalls hinreichend bestimmbar. lm Übrigen habe die Beklagte ein Schutzgesetz - nämlich § 264 a StGB - verletzt, so dass auch ein deliktischer Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB bestehe.

Die Klägerin hat mit ihrer am 20.12.2018 eingereichten und am 13.02.2019 zugestellten Klage zunächst Zahlung von €   begehrt (Bd. I Bl. 2 d.A.). Mit Schriftsatz vom 04.09.2019 hat sie die Klage sodann wegen der im Jahr 2013 erhaltenen Zinsen in Höhe von € ,- angepasst, welche sie von der ursprünglichen Klageforderung nun abgezogen hat. (Bd. I Bl. 133 d.A.). ln der mündlichen Verhandlung am 14.02.2020 hat die Klägerin ferner ihren Antrag um Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten erweitert (Bd. ll Bl. 83 d.A.).

Die Klägerin beantragt nunmehr,

Die Beklagte zu verurteilen, an Sie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet,. ihr CBR-Bericht stelle klar, dass es sich beim Rating nur um eine prognostische Meinungsäußerung handele und er insofern heterogene Ergebnissen gerade betone: So sei explizit beschrieben, die Bonität der Emittentin sei schwach, die Forderungen der Anleger seien jedoch mittels einer erstrangigen Schiffshypothek gesichert. Auch die letztliche Bonitätseinstufung fuße insofern auf einer offengelegten und im o.g. Bericht nachvollziehbar erläuterten und selbstentwickelten Methodik. Verwertet worden seien hierbei- wie vertraglich vereinbart - die seitens der Emittentin bereitgestellten lnformationen. Die mit Datum vom 03.09.2013 veröffentlichte Herabstufung der Anleihe auf ein „,BBB-"-Rating sei entgegen der Ansicht der Kläger gerade keinem Fehler bei der ursprünglichen Bewertung geschuldet gewesen, sondern schlicht einer Änderung der Datenlage mit neuen Geschäftszahlen der Emittentin.

Die Beklagte meint, ein Schadensersatzanspruch sei aber auch schon grundsätzlich nicht gegeben: Es bestünde weder eine Haftungsgrundlage noch habe die Beklagte eine Pflichtverletzung begangen. Jedenfalls liege keine Kausalität zwischen einer (unterstellten) Pflichtverletzung und Kaufentschoidung seitens der Klägerin vor. Ein Fall von § 311 Abs. 3 S. 2 BGB komme vorliegend nicht in Betracht; die insofern von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze seien für Ratingagenturen wegen einer fehlenden Vergleichbarkeit gerade nicht einschlägig. Auch ein VSD bestehe vorliegend nicht: Eine Haftung scheitere bereits am Kriterium der Schutzbedürftigkeit, die Klägerin könne sich an ihren Vermögenverwalter bzw. Anlageberater wenden. Ferner behauptet die Beklagte, das Rating sei für einen unbestimmten Personenkreis gedacht, so dass auch eine Erkennbarkeit nicht gegeben sei. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 a StGB scheitere zudem am Vorsatz, der nicht gegeben ist. lm Übrigen erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze und beigefügten Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB bzw. aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugrunde Dritter.

1. Das Gericht sieht vorliegend die Anknüpfung für eine Haftung der Beklagten als beauftragte Ratingagentur in der entsprechenden Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs zu den Gewährspersonen, die - wie Treuhänder oder Wirtschaftsprüfer - in besonderem Maße ein Vertrauen für eine Anleihe oder eine Beteiligung beim Anleger hervorrufen. Denn diese übernehmen aufgrund der Autorität ihrer besonderen Stellung und/oder aufgrund eines Wissensvorsprungs in besonderem Maße Gewähr für die Sicherheit der Anleihe oder Beteiligung. Der Bundesgerichtshof führt treffend aus:

„Bei fehlerhafter Prüfung von Prospektangaben haftet der Wirtschaftsprüfer aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter also weniger für die Richtigkeit dieser Angaben als dafür, dass er ihnen durch seinen Prüfbericht Unbedenklichkeit bescheinigt bzw. Glaubwürdigkeit verliehen und dadurch die von dem fehlerhaften Prospekt ausgehende Gefahr für die Anlageinteressenten erhöht hat."

(BGH, Urteil vom 08.06.2004 - X ZR 283/02; NJW 2004, 3420,3421 f.)

So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat durch ihr Rating, welches ja gerade für den Emissionsprospekt und die Bewerbung der konkreten Anleihe beauftragt war, eine Unbedenklichkeit bescheint, die trügerisch war, und damit die Gefahr für die Anleger erhöht.

Von der Sachlage her rechtfertigt der vorliegende Sachverhalt es nicht, die Beklagte anders zu behandeln. Denn sie hat nicht aus freien Stücken ein Rating veröffentlicht, sondern im Auftrag der Emittentin. Ihrer Meinung kam dabei aufgrund ihrer - ausdrücklich und mehrfach betonten - Eintragung als europäischer Ratingagentur sowie ihres Fachwissens ein besonderes Gewicht zu, gleichsam einem „Gütesiegel" für die zu zeichnende Anleihe. Sie hatte dabei aber auch Zugriff auf Informationen und nach ihren Angaben zumindest ein (telefonisches) Management-Gespräch geführt, welches den Anlegern nicht zur Verfügung stand. So kannte die Beklagte auch den Begehungsbericht des Ingenieurbüros aus Mai 2011 und ersichtlich auch das damalige Kurzwertgutachten, welches noch von € 70 Mio. Marktwert ausging (Anlage B 14).

Die Beklagte hatte dabei auch ein (zumindest mittelbar) wirtschaftliches Interesse an dem Erfolg der Anleihe. Nicht nur, dass sie natürlich das vereinbarte Honorar von € 50.000,- rechtfertigen musste. Zusätzlich lag es nahe, dass bei einem positiven Rating und einem Erfolg der Anleihe eher auch Folgeaufträge winken, als bei einem negativen und mithin unbrauchbaren Rating. Denn - und dies verkennt die Beklagte - ging es ihr und der Emittentin von Anfang an darum, dass das Rating im Wertpapierprospekt und auch auf ihrer Internetseite veröffentlicht wird. Damit war die Beklagte ausdrücklich einverstanden. Das Rating hatte mithin bewusst und gewollte einen werbenden Charakter und vermittelte, gerade auch in der Art der Darstellung, eine vermeintliche Sicherheit, die es so nie gab.

Mit der Darstellung in der entsprechenden Form im Prospekt hat sich die Beklagte ausdrücklich einverstanden erklärt (Anlage K 3, S. 62). Die Beklagte war also damit einverstanden, dass im Prospekt - zwei Mal - mit dem „A"-Rating geworben wird und mit ihrer Sachkunde als europäische Rating-Agentur, zugleich aber kein Wort über das „CCC+"-Rating der Emittentin enthalten ist. Dabei wird in Zusammenhang mit dem Rating im Prospekt auch kein Wort erwähnt, dass dieses ganz maßgeblich auf dem Kurzwertgutachten beruht. Ein Anleger hat mithin überhaupt keinen Anlass, sich den Rating-Bericht im lnternet noch anzuschauen. Und selbst wenn er dies getan hätte: Auch der Rating-Bericht selbst enthält keinerlei Hinweis darauf, dass die Heranziehung eines Gutachter-Marktwertes ohne jeden Sicherheitsabschlag schon per se fehlerhaft sein könnte. Daher hat ein Anleger auch, anders als die 4. Zivilkammer in ihrem Urteil vom 31.10.2019 - 4 O 52119 - meint, gar keinen Anlass aus dem im Prospekt an gänzlich anderer Stelle verorteten Risikohinweis, das Wertgutachten könne fehlerhaft sein, einen Schluss auf die Fehlerhaftigkeit des Ratings zu ziehen (hierzu im Einzelnen weiter unten).

Die Fehlerhaftigkeit des Ratings steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Dazu bedarf es gar nicht der Heranziehung der - evidenten - nachträglichen Umstände, wie dass die Beklagte selbst nur rund 10 Monate später ihr Rating massiv korrigieren musste oder dass das Schiff im Rahmen der Insolvenz gerade einmal rund € 18,0 Mio. erbrachte.

Wer nämlich eine Anleihe - unstreitig - maßgeblich aufgrund ihrer Sicherheit als positiv bewertet, der hat in ganz besonderem Maße Anlass, die Sicherheit vorsichtig zu bewerten. Das ergibt sich schon aus dem allgemeinen kaufmännischen Grundprinzip der vorsichtigen Bewertung.(§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), welches erst-recht für jede Ratingagentur Maßstab sein sollte. Das hat die Beklagte nicht einmal erwogen. Sie hat völlig unkritisch gerade ein einziges, für sich zudem relativ Aussageloses Kurzgutachten herangezogen, welches auch noch im Auftrag der Emittentin selbst erstellt wurde, und dessen Wert schlicht eins zu eins übernommen.

Dabei war für das ja gerade zu bewertende Szenario des Zahlungsausfalls überhaupt kein Grund gegeben, dass man überhaupt mehr als den Buchwert erlösen können würde. Im Faile eines Notverkaufs lag es auf der Hand, dass Erwerber niemals mehr als den Buchwert zahlen würden, eher noch weniger. Die Beklagte selbst erklärt aber, nicht einmal einen Sicherheitsabschlag vorgenommen zu haben. Die weitere Entwicklung war nach alledem vorhersehbar. Die operativen Probleme der Beteiligungsgesellschaft waren bekannt, ebenso das schwierige Umfeld usw. Eine Vielzahl an notleidenden Schiffsfonds- und Anleihen in Folge der Finanzkrise 2007 war zudem ebenfalls Ende 2012 jedem Fachmann, der den Markt beobachtet, bekannt - oder hätte zumindest bekannt sein müssen - , wie auch, das[s] es in einem derartigen Umfeld sehr schwierig ist, überhaupt auch nur Buchwerte für Schiffe zu erhalten.

Der Streit, ob – so die überwiegende Meinung - für die vorliegende Frage der sogenannten „Sachwalter-" bzw. „Expertenhaftung" auf das Rechtsinstitut des Vertrages zugunsten Dritter zurückgegriffen werden soll, oder -- so wohl die Intention des Gesetzgebers, der die Rechtsprechung bisher nur spärlich folgt -- diese seit der Schuldrechtsmodernisierung unter § 311 Abs. 3 BGB fällt, kann vorliegend offen bleiben. Beide Sichtweisen führen in der Regel ohnehin zu identischen Ergebnissen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. § 328 Rn. 34), so auch vorliegend.

Die Verfasser des SchuldRModG hatten bei der Sachwalterhaftung" in erster Linie die Haftung von Sachverständigen und anderen Auskunftspersonen im Auge, die nicht selbst ein lnteresse an einem Vertragsabschluss haben, gleichwohl aber durch ihre Äußerungen entscheidend zum Vertragsabschluss beitragen, weil sich ein Verhandlungspartner auf ihre Objektivität und Neutralität verlässt. Als Beispiele wurden in den Gesetzesberatungen vor allem die Haftung von Rechtsanwälten für Parteigutachten im Rahmen der sog. „Due-Diligence-Prüfung" sowie für „Third party legal opinions" diskutiert (MüKoBGB/Emmerich, BGB, 8. Aufl., BGB, § 311 Rn. 194 unter Verweis auf Begr. RegE, BT-Drs. 1416040, 163 und Ausschussbericht, BT-Drs. 1417052, 190 li.Sp.).

Aus Sicht der Kammer liegt es daher zwar näher, vorliegend ebenfalls unmittelbar § 311 Abs. 3 BGB anzuwenden: Eine Rating-Agentur, die wie hier, ausdrücklich vom' Emittenten beauftragt wurde, die Bonität der Anleihe zu prüfen, unternimmt letztlich in der Sache nichts anderes als eine solche „Due-Dilligence-Prüfung" für den Kreis der Anleger.

Aber selbst wenn man dem nicht folgte, liegen die - vermeintlich strengeren – Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor (im Folgenden: „VSD').

3.

Die hiesige Kammer folgt - soweit es die Voraussetzungen für die Annahme eines VSD angeht -zunächst der nahezu vorbildlichen Darstellung des von den Parteien mehrfach zitierten Urteils der 4. Zivilkammer in deren Urteil vom 31.10.2019 - 4 O 52119 - in einem Parallelverfahren:

Grundsätzlich können Personen, welche eine besondere, staatlich anerkannte Sachkunde besitzen und in jener Eigenschaft gutachterliche Stellungnahmen liefern - wie etwa Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige - gemäß den Grundsätzen des VSD gegenüber solchen Personen haften, denen gegenüber der Auftraggeber von dem erstellten Gutachten bestimmungsgemäß Gebrauch macht (vgl. nur BGH, Urteil vom 20.04.2004 - X ZR 250/02, Rn. 12f. - juris; Urteil vom 08.06.2004 – X ZR 283/02, Rn. 16-19; Urteil vom 24.04.2014 – lll ZR 156/13, Rn. 16 – juris; Urteil vom 07.12.2017 – lX ZR 25/17, Rn. 14 - juris).

Wesentlich bei einer solchen Haftung ist, dass eine von Sachkunde geprägte Stellungnahme oder Begutachtung denjenigen, Zweck hat, das Vertrauen eines Dritten zu erwecken und - für den Sachkundigen hinreichend erkennbar - Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen zu werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 20.04.2004 - X ZR 250/02, Rn. 13 m.w.N. - juris; Urteil vom 06.04.2006 – III ZR 256/04, Rn. 13 - juris; Urteil vom 07.05.2009 – lll ZR 277/08, Rn. 17 m.w.N.).

Der Kreis der Einbezogenen beschränkt sich hierbei letztlich auf solche Dritte, in deren Interesse die Leistung des Schuldners nach der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung der Parteien zumindest auch erbracht werden soll (vgl. nur BGH, Urteil vom 02.04.1998 – Ill ZR 245/96, Rn. 9 – juris; sog. ergänzende Vertragsauslegung im Sinne von §§ 133, 157 BGB). Tragender Gesichtspunkt für die Beschränkung des Kreises der einbezogenen Dritten ist insofern das Anliegen, das Haftungsrisiko für den Schuldner kalkulierbar zu halten. Er soll die Möglichkeit haben, sein Risiko bei Vertragsschluss zu berechnen und gegebenenfalls zu versichern. Er soll für Schäden Dritter nicht einstehen müssen, wenn ihm nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung des Vertragszwecks nicht zugemutet werden kann, sich ohne zusätzliche Vergütung auf das Risiko einer erweiterten Haftung einzulassen (vgl. nur BGH, Urteil vom 07.05.2009 - lll ZR 277/08, Rn. 17 m.w.N. - juris).

Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrages somit folgenden Voraussetzungen: Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der (Haupt-) Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger selbst (sog. Leistungsnähe). Der Gläubiger muss ferner ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages haben (sog. Einbeziehungsinteresse bzw. Gläubigernähe). Ebenso muss für den Schuldner die Leistungsnähe des Dritten und dessen Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages hinreichend erkennbar und zumutbar sein (Erkenn- und Zumutbarkeit). Schließlich muss noch nach Treu und Glauben ein Bedürfnis für eine Ausdehnung des Vertragsschutzes bestehen, weil der Dritte sonst nicht genügend geschützt wäre (sog. Schutzbedürfnis) (vgl. nur BGH, Urteil vom 17.11.2016 – lll ZR 139/14, Rn. 15 m.w.N. - juris; Leyens, in: JuS 2018, Rn. 220).

Diese Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung der 4. Zivilkammer aber aus Sicht der hiesigen Kammer vorliegend insgesamt erfüllt, und zwar auch soweit es eine Pflichtverletzung der Beklagten angeht. lm Einzelnen:

a)

Die Beklagte - welche gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 (in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 513/2011) registriert und folglich als Ratingagentur staatlich anerkannt ist (vgl. S. 62 des Wertpapierprospekts der o.g. Emittentin, Anlage K 3) - gehört zu einem Personenkreis, dessen Berichte wegen der Sachkunde und der von ihnen erwarteten Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt für Anleger von besonderer Bedeutung sind: Bei einem wie hier gegebenen Auftragsrating (sog. solicited rating u.a. in der Form eines „lnitial Rating") genießt eine Ratingagentur insofern ebenso wie ein Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger eine hohe Reputation und Verantwortung und muss letzlich wie eine Expertin für Bonitäts- und Risikobewertungen gesehen werden (so ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2018 - 6 U 50/17, Rn. 29 - juris; Halfmeier, VuR 2014, Rn. 330). Ferner nimmt sie ein besonderes Maß ein Vertrauen für sich in Anspruch, welches sich vorliegend insbesondere auch aus ihrer staatlichen Anerkennung ergibt (ebenso: Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Auflage 2013, § 32, Rn. 68).

Die grundsätzliche Bestätigung eines Drittschutzes zu Gunsten betroffener Anleger bei einem - wie hier gegebenen - Auftragsrating ist insofern letztlich nötige Konsequenz der bisherigen Entwicklungen im Recht: Das Gericht schließt sich insofern der Auffassung an, dass Anlegern im Falle eines fehlerhaften Ratings gegenüber einer Ratingagentur grundsätzlich ein Anspruch nach den Grundsätzen des VSD zustehen kann (vgl. u.a. Halfmeier, VuR 2014, Rn. 331; Amort, in: EuR 2013, Rn.276), jedenfalls wenn es sich, wie hier, um einAuftragsrating handelt(socauch:

MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019, BGB § 328 Rn. 248).

Das seitens der Beklagten u.a. zitierte Urteil des OLG Dresden vom 6. März 2019 (5 U 1146/18) ist hingegen mangels gegebener Vergleichbarkeit nicht einschlägig; so wird hierin gerade explizit betont, dass die betroffene Ratingagentur nicht registriert und somit staatlich gerade nicht anerkannt war, weswegen sie nicht zum o.g. Personenkreis der Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger gehören könne (vgl. Rn^16 - BeckRS 2019, 4673).

b)

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch von einer Leistungsnähe der Kläger auszugehen. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist eine gegenständliche oder jedenfalls unmittelbare Leistungsberührung des Dritten, d.h. der Dritte muss den Gefahren einer Schutzpflichtverletzung ebenso stark ausgesetzt sein wie der Gläubiger (hier: Die Emittentin) selbst. Bei einer Gutachtertätigkeit liegt beispielsweise das Risiko, einen Schaden zu erleiden, in der grundsätzlichen Möglichkeit, im Vertrauen auf die Richtigkeit des Gutachtens einen wirtschaftlich ungünstigen Vertrag zu schließen, d.h. letztlich keine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Eine solche Folge kann den Dritten gleichermaßen wie den Gläubiger treffen (vgl. nur BGH, Urteil vom 06.05.2008 - Xl ZR 56/07, Rn. 29 m.w.N. - juris; Urteil vom 26.06.2001 – X ZR 231/99, Rn. 16 m.w.N.; Urteil vom 22.01.1968 – VllI ZR 195/65, Rn. 20 m.w.N.). Jene Konstellation ist mit den vorliegenden Gegebenheiten im Ergebnis vergleichbar. lm Unterschied zu der insofern von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf vom 8. Februar 2018 (6 U 50117) bezog sich das Rating der Beklagten gerade nicht auf o.g. Emittentin, sondern explizit auf die von den Klägern am 22.März 2013 erworbenen Anleihe; die genannte Entscheidung verneint jedoch eine Leistungsnähe des Dritten nur, wenn es sich um ein so gena[n]ntes Unternehmensrating handelt. Nur hier negiert genanntes Gericht, dass solch ein Rating unter jenen Umständen bestimmungsgemäß gerade zur Erlangung von Leistungen Dritter verwendet werden soll (vgl. OLG Düsseldorf vom 08.02.2018 – 6 U 50/17, Rn. 31 - juris). Ob hingegen anderes bei einem - wie hier gegebenen - Anleihenrating gilt, ist gerade offen gelassen worden (vgl. ebd., a.a.o.). Hierzu gibt es bisher schlicht keine einschlägige Rechtsprechung, weswegen sich, letztlich (erneut) entwickelter Grundsätze in o.g. Gutachtertätigkeit bedient werden muss: So war vorliegend Gegenstand des Ratings der Beklagten die Beurteilung o.g. Anleihe bzw, ihrer Absicherung im Rahmen des erwähnten „lnitial Rating“, welches ausweislich der gegebenen Auftragsbeschreibung der o.g. Emittentin vom 8. Oktober 2012 eine „erste verbindliche Bewertung der Anleihe mit offiziellem Status“ (vgl. Anlage K1) sein sollte. Darüber hinaus hatte die Beklagte der Verwendung im Wertpapierprospekt der o.g. Emittentin vom 28.11.2012 – welcher gerade für potentielle Anleger bestimmt war – ausdrücklich zugestimmt (dort S. 62, Anlage K 3). Folglich war es für beide Vertragsparteien, d.h. die Beklagte und o.g. Emittentin, klar erkennbar und auch beabsichtigt, dass jedenfalls das Ergebnis des Ratings solchen potentiellen Anlegern wie den Klägern zur Kenntnis gelangen und gegebenenfalls von jenen bei ihrer Bewertung der Anleihe der o.g. Emittentin und bei ihrer Entscheidungsfindung herangezogen werden würde.

Dass die Beklagte in ihren Allgemeinen Rahmenbedingungen nach § 7 (vgl. Anlage K1) hinweist, nicht für die Richtigkeit gemachter Angaben bzw. Einschätzungen oder Mitteilungen zu garantieren, führt letztlich zu keiner anderen Beurteilung: Der Sinn eines Ratings besteht insofern darin, dass Dritte sich auf jenes verlassen bzw. jener Bewertung vertrauen können; sie sind folglich gerade zur lnformation von Anlegern gedacht und sollen letztlich die Finanzierungsmöglichkeit der bewerteten Anleihe günstig beeinflussen. Wenn eine Ratingagentur die Bonität und finanzielle Ausfallwahrscheinlichkeit einer Anleihe bewertet und jene lnformationen bestimmungsgemäß einem Dritten im Rahmen des Emissionsprospektes für diese Anleihe zur Verfügung stellt, so muss sie sich hieran letztlich auch festhalten lassen. Der Beklagten muss insofern bewusst gewesen sein, dass die Kläger gerade auf die Richtigkeit ihrer Angaben vertrauen und jene mit in ihre Entscheidungsfindung einfließen lassen; Schutzpflichtverletzungen sind sie folglich (mindestens) ebenso stark ausgesetzt wie die Emittentin selbst, Eine gegenständliche oder jedenfalls unmittelbare Leistungsberührung liegt somit vor.

c)

Ferner ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - ein erkennbares berechtigtes lnteresse der o'g' Emittentin an einer Einbeziehung der Kläger in den Schutzbereich des Vertrages mit der Beklagten bzw. die erforderliche Gläubigernähe gegeben. Jenes Einbeziehungsinteresse ist genanntem (Rating-)Vertrag der o.g. Emittentin mit der Beklagten im Wege einer so genannten ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. §§ 133, 157 BGB) zu entnehmen; wegen einer generellen Vergleichbarkeit soll insofern auch hier die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Gutachterhaftung herangezogen werden: Danach ist eine anfängliche Gegenläufigkeit der lnteressen unbeachtlich, weil Gutachter letztlich eine besondere Sachkunde besitzen und in der Öffentlichkeit besonderes Vertrauen genießen. Sie stehen insofern nicht „im Lager“ des Gläubigers, sondern haben objektiv zu sein, denn nur hieraus begründet sich die sachliche Beweiskraft des Gutachtens für den verfolgten Hauptvertrag. Der Gläubiger will folglich gerade die Richtigkeit des Gutachtens, um einen Dritten zu einer Vermögensdisposition zu bewegen; er hat insofern ein Interesse daran, dass der Gutachter nach bestem Wissen und Gewissen arbeitet und entsprechend als Sachverständiger einsteht, so dass der Dritte jenen Angaben Vertrauen schenkt (vgl. nur BGH, Urteil vom 02.04.1998 - lll ZR 245/96-, Rn.9 m.w.N. – juris sowie BGH, Urteil vom 10.11.1994 -lll ZR 50/94, juris Rn 10).

So liegt der Fall auch hier. Die von der Beklagten bereits oben zitierte Rechtsprechung des OLG Düsseldorf vom 08.02 .2018 (6 U 50/17) verneint auch hier eine Gläubigernähe nur, wenn es sich um ein so genanntes Unternehmensrating handelt. Ob jene bei einem - wie hier gegebenen - Anleihenrating anders zu beurteilen wäre, lässt sie (erneut) explizit offen (vgl. ebd., Rn. 31). Die wohl inzwischen herrschende Literaturmeinung bejaht dies mit überzeugenden Gründen, ebenso wie die 4. Zivilkammer in ihrem eingangs zitierten Urteil (siehe Nachweise oben). Die Verwendung jenes Ratings der Beklagten sollte letztlich unmittelbar die Erlangung des Kaufpreises für die o.g. Anleihe bewirken - und gerade nicht lediglich das Unternehmen selbst bewerten; es handelt sich um ein doch recht eindeutig werbendes Rating im Prospekt, dem schon durch den Hinweis darauf, es handele sich um eine Ratingagentur nach EU-Recht ein besonderes Gewicht zukommt, wonach diese wohl neutral und nach anerkannten Grundsätzen handeln würde. Das Rating sollte somit gerade Grundlage für eine konkrete Kaufentscheidung potenzieller Anleger sein. Hierbei musste die o.g. Emittentin auch an der Richtigkeit des Ratings der Beklagten interessiert sein, schließlich sollten potentielle Anleger, wie die Klagepartei, jener Einschätzung der Beklagten Vertrauen schenken können. Folglich hatte o.g. Emittentin im Ergebnis ein berechtigtes lnteresse an einer Einbeziehung der Kläger in den Schutzbereich des Vertrages mit der Beklagten; eine Gläubigernähe muss bejaht werden.

d)

Die sogenannte Leistungsnähe und das Einbeziehungsinteresse der o.g. Emittentin in den Schutzbereich des Vertrages mit der Beklagten sind für die Beklagte entgegen ihrer Ansicht ebenso bei Vertragsschluss erkennbar gewesen. Das Vertragsrisiko war insofern kalkulierbar (hinsichtlich der Voraussetzungen vgl. nur BGH, Urteil vom 20.04.2004 - X ZR 250/02, Rn.26 - juris): Die Beklagte musste einerseits wissen, dass potentielle Anleger - wie die Kläger - ihr Rating für eine Entscheidungshilfe zur Kenntnis nehmen; schließlich war ihr die Verötfenlichung ihres Ratings im Wertpapierprospekt der o.g. Emittentin vom 28. November 2012 bekannt, sie hatte jenem explizit zugestimmt. Auch ist das gesamte CBR auf ihrer lnternetseite veröffenflicht worden, der Link hierzu fand sich ebenfalls im genannten Wertpapierprospekt. Der Drittbezug der Leistung der Beklagten war folglich gerade ein wesentlicher Zweck des Ratings; jedenfälls die Leistungsnähe war somit offenkundig erkennbar (vgl. ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2018 - 6 U 50/17, Rn. 32 -juris).

Gleiches gilt auch im Ergebnis für den Kreis potentiell geschützter Anleger: So war vorliegend die Anzahl möglicher Anspruchsgläubiger gerade nicht - wie bei einem Unternehmensrating - unbegrenzt (vgl. hierzu LG Düsseldorf, Urteil vom 17.03.2017 -10 O 181/15, Rn. 15- juris). ln einem solchen Fall müsste sehr wohl berücksichtigt werden, dass Ratingagenturen hier an einer entsprechenden Anlageentscheidung kein eigenes wirtschaftliches lnteresse haben und insofern richtigerweise betonen, dass ihre Unternehmensbewertung - welche letztlich den Charakter einer bloß generellen Bonitätsbewertung des betrachteten Unternehmens hat - gerade keine Anlageempfehlung darstellt; der Kreis potentieller Anleger ist insofern folglich wegen eines unkontrollierbaren und gleichsam unüberschaubaren Veröffentlichungsgrades nicht mehr hinreichend. erkennbar (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2018 – 6 U 50/17 , Rn. 33 - juris). Jene Konstellation ist hingegen vorliegend gerade nicht gegeben; es handelt sich schließlich um ein Anleihe- und nicht um ein Unternehmensrating. Auch das bereits mehrfach genannte OLG Düsseldorf lässt es insofern - erneut - offen, ob auch bei einem Anleihenrating eine unzulässige Ausweitung des Haftungsrisikos gegeben ist (vgl. Urteil vom 08.02.2018 - 6 U 50/17, Rn. 33 - juris). vorliegend lässt sich zwar feststellen, dass die Beklagte insofern nicht die genaue Identität oder konkrete Anzahl der potentiellen Anleger kannte. Das ist jedoch unschädlich (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.1994 – lll ZR 50/94, Rn. 10 m.w.N. - juris).

Der Beklagten war unzweifelhaft nicht nur das Gesamtvolumen der Emission in Höhe von € 60,0 Mio. bekannt, sondern auch, dass es sich konkret um maximal 60.000 lnhaber-Schuldverschreibungen im Nennwert von je € 1.000,- handelt vgl. Anlage K2, S 4 sowie Anlage K 3). Die Beklagte wusste, dass ihr Rating somit von potentiell bis zu 60.000 tatsächlichen Anlegern zur Anlageentscheidung gemacht werden könnte. Entsprechend war auch ihr Honorar mit pauschal € 50.000,- nicht gerade gering.

Auch der Bundesgerichtshof bejaht bei einer größeren möglichen Anzahl potentieller lnvestoren eine entsprechende Erkennbarkeit für den Schuldner, soweit jedenfalls eine summenmäßige Beschränkung möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.04.2004 - X ZR 250102,Rn.27-29 - juris). Das ist hier mit einer maximalen Höhe von € 60,0 Mio. der Fall, so dass ein Haftungsrisiko der Beklagten im Ergebnis insoweit beschränkt und für sie letztlich noch berechenbar bleibt (vgl. ebenso Halfmeier, in: VuR 2014, Rn. 330). Das Einbeziehungsinteresse der o.g. Emittentin in den Schutzbereich des Veilrages mit der Beklagten war für jene Beklagte bei Vertragsschluss folglich gleichsam erkennbar.

e)

Die Schutzbedürftigkeit der Klagepartei ist vorliegend aus Sicht des Gerichts ebenfalls nicht zweifelhaft (entgegen der Ansicht der 4. Zivilkammer in ihrem Urteil vom 31.10.2A1g, die dies jedoch im Ergebnis offen ließ). Insbesondere ändert auch der Umstand einer möglichen Anlageberatung oder Vermögensverwaltung auf Klägerseite hieran nichts.

Grundsätzlich ist ein Dritter schutzwürdig, wenn er keine eigenen vertraglichen Ansprüche, die denselben oder jedenfalls einen gleichwertigen Inhalt haben, hat (vgl. Gottwald, in: MüKo, 8. Auflage 2019, § 328, Rn. 191 m.w.N.). lnsoweit kommen hiervorliegend grundsätzlich als potentielle Anspruchsgegner für die Kläger die Emittentin, die Projektverantwortlichen, mögliche Anlageberater oder Vermittler und der Sachverständige, der die Schiffsbewertung durchgeführt hat in Betracht.

Eine unbillige Ausdehnung des Vertragsschutzes auch auf eine Auftrags-Ratingagentur ist vorliegend nicht erkennbar. Denn diese steht mit Gründern, Hintermännern, Treuhändern oder Wirtschaftsprüfern auf derselben Stufe: Sie verfügt über dieselben lnformationsquellen und verfolgt - wie diese alle im Auftrag der Emittentin - denselben Zweck, nämlich letztlich die Anleihe nach außen hin zu bewerten oder zu überwachen und damit zugleich für eine gewisse Sicherheit gegenüber den Anlegern zu sorgen - eine Sicherheit mit der, wie erwähnt, ja gerade auch ausdrücklich im Prospekt geworben wurde; dort ist es der zuverlässige Treuhänder, ein andermal ein gewissenhaftes Testat und hier eben ein gutes Rating einer vertrauensvollen Ratingagentur.

Ob Ansprüche hier gegen weitere potentiellen Anspruchsgegner bestehen, erscheint von daher ohne Relevanz. Diese haften nach der Rechtsprechung des. Bundesgerichtshofs als Gesamtschuldner. Und es ist kein Grund erkennbar, warum hier etwas anderes gelten sollte. Die Klagepartei steht nicht schlechter oder besser, weil sie eventuell auch einen Anspruch gegen diese weiteren Personen hat.

Aus § 311 Abs. 3 BGB ergäbe sich dies ohnehin unmittelbar, da hier die Frage gar nicht aufgeworfen würde. Mehrere Schuldner haften gesamtschuldnerisch und der geschädigten Partei steht es frei, ob sie alle oder nur einzelne in Anspruch nimmt. Die Beklagte und die 4. Zivilkammer verkennen aber auch die Anforderungen an die „Schutzwürdigkeit“ im Sinne des VSD. Auch diese ist gegeben.

Der Drittschutz im Rahmen des VSD entfällt nämlich gerade nicht, wenn der andere Anspruch andere Voraussetzungen hat oder nicht gleichwertig ist. So läge es aber hier. Ein eventueller Ersatzanspruch der Klagepartei aus Prospekthaftung, sei es gegen die Emittentin „im engeren Sinne" oder gegen den Anlageberater oder Vermögensverwalter „im weiteren Sinne" schließt eine Haftung aus VSD gerade nicht aus (MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019, BGB § 328 Rn. 191). Der Bundesgerichtshof hat dies ausdrücklich entschieden, die Ausführungen überzeugen und gelten auch vorliegend:

„Die von der Rechtsprechung geforderte Schutzbedürftigkeit des Dritten ist gegeben. Sie kann fehlen, wenn der geschädigte Dritte eigene vertragliche Ansprüche, auch gegen andere Schuldner, zum Beispiel den Gläubiger, hat, die denselben oder einen gleichwertigen lnhalt haben wie diejenigen, die er auf dem Weg über seine Einbeziehung in den Schutzbereich eines zwischen anderen geschlossenen Vertrags durchsetzen will [...] Hier kommt ein eigener vorvertraglicher Anspruch des Kl. in Betracht, nämlich ein Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung. Dieser richtet sich sowohl gegen die Initiatorin Wirtschaftsprüfungsgutachtens als auch gegen die bekl. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Der Prospekthaftungsanspruch ist jedoch dem Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht gleichwertig, auch wenn er im vorliegenden Fall hinsichtlich des lnhalts der Leistungspflicht des Schuldners dem Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht nachstehen mag, weil in beiden Fällen der Schuldner auf Grund der Lebenserfahrung, dass ein wesentlicher Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist (BGHZ 123, 106 [114], und BGH, NJW 2002,1711 [unter III 3]), verpflichtet ist, den geschädigten Prospektgläubiger bzw. Dritten so zu stellen, als hätte er die Anlage nie getätigt (Ersatz des negativen Interesses; vgl. für die Prospekthaftung Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. d. KapitalanlageR, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 155).

Die fehlende Gleichwertigkeit ergibt sich schon aus der unterschiedlichen Zielrichtung der beiden Rechtsinstitute. Die Prospekthaftung geht davon aus, dass im lnteresse des Kapitalanlegeschutzes auf eine wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung über das Risiko möglicher Anlagen hingewirkt werden muss und dass zu: diesem Zweck, weil der Emissionsprospekt in der Regel die einzige lnformationsquelle für den Anlageinteressenten darstellt (BGHZ 77, 172 [176] = NJW 1980, 1840; BGHZ 111, 314 [317] = NJW 1990, 2461), die Prospektverantwortlichen haftbar gemacht werden müssen (BGHZ 79, 337 [341] = NJW 1981, 1449). Die Prospekthaftung ist somit eine Haftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit von Werbeaussagen. Demgegenüber ist die Haftung wegen eines fehlerhaften Gutachtens oder Prüfberichts aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter eine Berufshaftung der Experten gegenüber Dritten, die auf dem besonderen Vertrauen beruht, das Experten auf Grund der von ihnen erwarteten beruflichen Sachkunde und persönlichen Zuverlässigkeit in Anspruch nehmen (vgl. Canaris, ZHR 163 (1999), 206 [220 ff.]., 232 ff., 243]1; Schwab, JuS 2002, 872 [876]; Schwarze, AcP 203 [2003], 349 [357]; Gottwald, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 328 Rdnrm. 105, 138). Bei fehlerhafter Prüfung von Prospektangaben haftet hier der Wirtschaftsprüfer aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter also weniger für die Richtigkeit dieser Angaben als dafür, dass er ihnen durch seinen Prüfbericht Unbedenklichkeit bescheinigt bzw. Glaubwürdigkeit verliehen und dadurch die von dem fehlerhaften Prospekt ausgehende Gefahr für die Anlageinteressenten erhöht hat."

(BGH, Urteil vom 08.06.2004 - X ZR 283/02; NJW 2004, 3420,3421 f.)

Gerade die letzteren Überlegungen führen vorliegend zu einer Haftung der Beklagten. Denn sie hat zusätzlich durch ihr Rating, unabhängig von der Richtigkeit des Prospektes und unabhängig von der Richtigkeit des (Kurz-)Verkehrswertgutachtens, in den Worten des Bundesgerichtshofs, der Anleihe eine zusätzliche „Unbedenklichkeit bescheinigt bzw. Glaubwürdigkeit verliehen".

Auf die Frage, ob mithin die Klagepartei vorliegend ggfs. weitere Ersatzansprüche, wie von der Beklagten behauptet, gehabt hätte, kommt es somit gar nicht an.

Derartige Ansprüche sind im Übrigen auch keineswegs zwingend ersichtlich. Die Beklagt trägt selbst nicht - jedenfalls nicht substantiiert - vor, dass das Kurzwertgutachten des lngenieurbüros falsch gewesen wäre oder der von der Emittentin herausgegebene Verkaufsprospekt (vgl. Replik vom 19.11.2019, S. 14; Bd. ll, Bl. 23 der Akte).

lnsoweit kann wiederum auf das Urteil der.4. Zivilkammer verwiesen werden: Soweit die o.g. Emittentin im Wertpapierprospekt vom 28.11.2012 das Rating der Beklagten wiedergibt (vgl. Anlage K 3, S. 62), ist jenes nicht falsch wiedergegeben, die Beklagte hat jenes Rating schließlich tatsächlich so getätigt. Selbiges gilt auch für o.g. Kurzbewertungsgutachten vom 22.11.2012: Auch jenes ist im Wertpapierprospekt insoweit korrekt publiziert worden (vgl. Anlage K 3, S. 92-94). Ein fehlerhafter Wertpapierprospekt liegt somit jedenfalls nicht vor, weswegen auch jeglicher mögliche vertragliche Anspruch aus diesem Gesichtspunkt gegen o.g. Emittentin verneint werden muss. Auch war das für o.g. Kurzbewertungsgutachten verantwortliche lngenieurbüro nicht schadensnäherer Akteur. Die Klägerin moniert insofern nicht eine Fehlerhaftigkeit jenes Kurzbewertungsgutachtens, sondern, dass sich die Beklagte bei ihrem Rating hierauf vollumfänglich (und ungeprüft) stützte. Welcher vertragliche Anspruch der Kläger gegenüber o.g. lngenieursbüro insofern einen gleichwertigen Inhalt haben soll, ist für das Gericht nicht erkennbar (so auch LG Berlin, Urteil vom 31.10.2019 – 4 O 52/19-, S. 11).

Aber auch soweit die Beklagte vorliegend auf die   , als vermeintliche Vermögens- bzw. Anlageberaterin der Klagepartei, verweist, ist ein kausaler, pflichtwidriger Haftungstatbestand nicht substantiiert vorgetragen. Ob die Klagepartei dabei auf Aussagen der   vertraut hat oder darauf, die   werde ihrerseits die Anlage auch noch einmal auf Plausibilität prüfen, kann dahinstehen. Denn entscheidend ist doch, dass die     [eb]enso wie die Anleger auf das vorgelagerte Rating der unabhängigen Beklagten vertrauen konnten; gegenteiliges trägt die Beklagte nicht vor, sie hält ja selbst daran fest, ihr Rating vermeintlich gewissenhaft und ordentlich erstellt zu haben. Wie gezeigt, kommt es darauf aber nicht an, denn die     würde allenfalls neben der Beklagten haften, nicht aber anstelle der Beklagten.

f)

Der erkennende Richter ist schließlich von einer Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB überzeugt, § 286 ZPO (entgegen der Ansicht der 4. Zivilkammer in ihrem Urteil vom 31.10.2019).

Zwar handelt es sich bei einem Rating grundsätzlich um eine Meinungsäußerung und einer Ratingagentur kommt ein weiter Ermessensspielraum zu. Allerdings muss die Analyse einer beworbenen Kapitalanlage „neutral, sachkundig und im Bemühen um objektive Richtigkeit erarbeitet werden“. Die „Art des Vorgehens bei der Prüfung als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse müssen vertretbar, das heißt diskutabel, erscheinen" (vgl. BGH, Urteil vom 17.06.1997 –VI ZR 114/96 -, juris Rn. 10; Kammergericht, Urteil vom 12.05.2006 – 9U 127/05, juris Rn. 29). Dies gilt bei einem öffentlichen, unbeauftragten Rating, und erst recht bei einem Auftragsrating wie dem vorliegende, welches ausdrücklich mit dem Wissen der Ratingagentur in den Emissionsprospekt auf der Homepage der Emittentin zu Werbezwecken eingestellt wurde.

Aus Sicht des erkennenden Gerichts war, wie Eingangs bereits ausgeführt, nach diesen Maßstäben das „A"-Rating der Beklagten schlicht nicht vertretbar, ja indiskutabel. lm Einzelnen:

(aa.)

Das von der Beklagten ermittelte Rating ist nicht in vertretbarer Weise erstellt worden. Das von der Beklagten angewendete Modell war aus Sicht des Gerichts schon aus einer ex ante Sicht nicht vertretbar, weil für den vorliegenden Fall ungeeignet (vgl. dazu Halfmeier; in: VuR 2014, Rn. 330). Die von der Beklagten angewendete „Matrix" und die damit einhergehende Gewichtung im Rahmen des Gesamtverhältnisses war erkennbar für das vorliegende Bewertungsobjekt ungeeignet, denn sie enthält mathematisch eine Übergewichtung des Sicherheiten-Faktors, der im vorliegenden Fall, wo das Sicherungsgut zugleich einziges Erwerbsobjekt der Emittentin ist, nicht zu rechtfertigen ist.

Es erschließt sich dem Gericht nicht, wie man vorliegend zu einem Rating von „A" für die Anleihe eines Unternehmens gelangen kann, welches man im gleichen Atemzug selbst nur mit „CCC+"bewertet (so aber Ratingbericht; Anlage K 2, S. 9). Die Fachpresse bezeichnet diesen Umstand unstreitig als „erstaunlich" und bemerkt: „Fragwürdig ist nicht, warum Scope die Emission jetzt abstuft, sondern warum die Agentur die Mittelstandsanleihe je mit A bewerten konnte“ (Anlage K 6). Eine schlüssige Antwort auf diese berechtigte Frage hat die Beklagte im Verlaufe dieses Rechtsstreits nicht zu geben vermocht.

Die Beklagte legt auf Seiten 30 ff. ihrer Klageerwiderung vom 17.06.2019 zwar Schritt für Schritt dar, wie sie - quasi mathematisch zwingend - zu dem „A"-Rating gekomrnen sein will. Maßgeblich beruht das Rating demnach auf zwei Säulen, dem „lssuer Rating", also der Bewertung der Emittentin und ihrem Umfeld, und dem „Recovery Rating", welches sich mit der Erlösquote bei Verwertung sowie mit dem Ausfallrisiko laufender Zahlungen befasst (Klageerwiderung, S. 35). Bei dem gefundenen relativ schlechten „CCC+"-lssuer Rating, welches man sogar noch schlechter hätte bewerten können), gelange man aufgrund der vorgegebenen „Matrix" in Verbindung aufgrund der bestmöglichen Recovery Rating Note „10" eben zu dem „A"-Rating.

Das mag alles in dieser Allgemeinheit so sein. Die Beklagte hat bei Anwendung ihrer allgemeinen „Matrix" aber offensichtlich vollkommen übersehen, dass vorliegend zwischen dem Sicherungsgut und dem Geschäftsmodell der Emittentin ein besonderer Zusammenhang bestand: Es handelt sich nämlich bei dem Sicherungsgut zugleich um die einzige Einnahmequelle der Emittentin, das einzige Schiff. Geht es der Emittentin in Folge der Marktentwicklung, höherer Konkurrenz und schlechterer Umsätze schlecht, so hat dies vorliegend unmittelbar Auswirkungen auf das Sicherungsgut, und umgekehrt). Der Wert eines zum Handel oder zur Kreuzfahrt genutzten Schiffes korrespondiert dabei evident mit dessen erzielbaren Umsätzen und seiner Auslastung.

Das Gericht vermisst jede Erklärung, warum eine solche Sicherheit genauso viel Einfluss auf die Gesamtbewertung haben soll, wie es eine Bankbürgschafft, hinterlegtes Treuhandgeldoder ein Gold-De[p]ot haben soll. Es vermisst insbesondere jede Erklärung, weshalb die zugrundegelegte Standard-"Matrix" eins zu eins angewendet wurde, der grundsätzlich eine leichte Übergewichtung der Recovery Reate inne liegt, anstatt, wie vorliegend geboten, die lssuer Reate stärker zu gewichten.

Die vorgegebenen Standard-„Matrix“ bedurfte daher vorliegend jedenfalls offensichtlich einer händischen Korrektur. Und eine solche ist nicht erfolgt. Die Beklagte hat einfach ihre Standard-Matrix auf den vorliegenden Fall übertragen und das Ergebnis nicht weiter hinterfragt. Dazu bestand aber gerade aufgrund im Zuge der Finanzkrise ab 2007 aufgetretenen, mannigfachen Schwierigkeiten im Schiffssektor, bei der eine Vielzahl von lnsolvenzen von Schiffsfonds publik geworden waren, ebenso Anlass, wie aus dem jüngsten Umsatzrückgang in Folge der Fukushima-Katastrophe im März 2011, welche die Beklagte ja selbst erwähnt. Die Beklagte wusste daher oder hätte es jedenfalls einpreisen müssen, das gerade bei einer Schiffs-Unternehmung ein so enger Zusammenhang zu Art und Auslastung des Schiffes besteht, dass - gerade in Abweichung zu der Standard-Matrix - eine Höhereinpreisung des lssuer Rating geradezu zwingend erscheint. Dabei ist es denklogisch nicht begründbar, dass die Beklagte einerseits das Risiko von Umsatzrückgängen und Naturkatastrophen bei der Emittentin einpreist, aber nicht im Rahmen der Sicherheit, wenn doch das Geschäft der Emittentin allein auf dieser Sicherheit beruht.

Die Beklagte bringt es selbst treffend auf den Punkt:

„Ein operierendes Unternehmen ist mehr wert, als die Summe seiner einzelnen Vermögensgegenstände. Diese schaffen ihren eigenen Wert im funktionalen Zusammenhang zueinander. Die Auflösung dieses funktionalen Zusammenhangs im Rahmen der Zerschlagung führt regelmäßig zu einem massiven Wertverlust" (Klageerwiderung, S. 75).

Genau weil das so ist und weil die Beklagte wusste, dass es vorliegend nur einen einzigen Wert gibt, hätte man den „funktionalen Zusammenhang" besonders stark gewichten müssen, und damit dem lssuer Rating ein besonderes hohes Gewicht.

Wie sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Protokoll der, mündlichen Verhandlung vom 24.10.2017 - 58 O 44/17 - ergibt, unterhält die Beklagte ein Ratingkommittee, welches das Rating nochmals prüft. Man möchte meinen, dass der Beklagten daher die Notwendigkeit einer zwingenden (menschlichen) Plausibilitätsprüfung im Einzelfall daher sehr wohl bewusst war. Wie der Zeuge Frank Neumann dort ausführt, „geht der fertige Report an das Ratingkommitee, das mit den zugrunde liegenden Werten nichts mehr selbst zu tun hat". Wenn das Ratingkommitee die zugrunde gelegten Werte nicht mehr prüft, möchte man meinen, dass es dann gerade prüft, ob das Gesamtergebnis im Einzelfall vertretbar ist, also ob nicht doch eine Verschiebung in Abweichung von der “Matrix" erforderlich ist (so wie hier also eine erforderliche, händische Umgewichtung). Die sodann stattfindende Plausibilitätskontrolle muss vorliegend aber offenkundig versagt haben, denn das Ratingkommittee sah „keinen Grund", an den Ergebnissen des Analyseteams zu zweifeln" (vgl. Anlage B 15, S. 5) - daher wurde das Analyserating auch unverändert übernommen, mit für den vorliegenden Fall nicht vertretbarer Gewichtung.

Hinzu kommt weiter, dass das vorliegende Modell, namentlich die bereits erwähnte „Matrix“ in allen denkbaren Fällen, wenn die Recovery Rating Note „10" ist, zu einem Ergebnis von „AAA“ –„A-“gelangt (es sei denn das lssuer Rating ist „CC" oder „C", nur dann kommt man zu einem „BBB“), siehe Anlage B 9, S. 9. Mathematisch ist darin erkennbar eine stärkere, übergewichtige Einpreisung der Sicherheits-Säule, des Recovery Rating, gegeben, die somit umso mehr im vorliegenden Falle einer Hinterfragung bedurft hätte.

lnsofern gibt es 20 denkbare Einstufungen im lssuer Rating von „C" bis „AAA" (ohne „D" - lnsolvenz), aber nur 10 im Recovery Rating (von“1" bis "10"). Wenn sich das lssuer-Rating mithin um eine minimale Stufe verringert, zum Beispiel von einem guten „A" auf „A-" ändert sich bei gleichbleibender mittlerer Revocery Rate „5" die Gesamteinstufung nicht, es bleibt in beiden Fällen bei einer Gesamtbewertung von „A+". Und noch signifikanter wird dies bei der bestmöglichen Recovery von „10": Nach der von der Beklagten verwendeten Matrix hätte selbst eine Rückstufung beim lssuer Rating um 3 Stufen, z.B. von „AA" über “M-" auf „A+" auf die Gesamtnote gar keine Auswirkung, es bliebe [stets] bei ;,AAA" (vgl. Anlage B 9, S. 9). Das ist mathematisch angesichts des Verhältnisses von 2: 1 Bewertungsstufen nicht überzeugend und lässt sich nur mit einer grundsätzlich angelegten Stärker-Berücksichtigung der Recovery Rate begründen (für die es vorliegend gerade keinen Anlass gab).

Für ihre Standard-"Matrix" und die aufgezeigte, leichte Übergewichtung der Recovery Rating mag die Beklagte ihre Gründe haben, weshalb sie dies allgemein bei der Anleihen Bewertung so gewichtet, und dies mag in ihren Ermessensspielraum fallen (wobei die Beklagte in der Klageerwiderung auf Seite 73 selbst ausführt, „die Unternehmensbewertung macht als lssuer Rating [...] die Hälfte des lnitial Rating aus", was so mithin nicht richtig sein dürfte).

Für eine solche Gleich- oder Übergewichtung zugunsten der Recovery Rate gibt es aber aufgrund des vorgegebenen Sachverhaltes überhaupt keinen plausiblen Grund. Auf die obigen Ausführungen ist zu verweisen. Wenn ein Fonds oder ein Unternehmen mit nur einem einzigen Objekt seine Erträge erwirtschaftet, sei es ein Einkaufzentrum oder ein Schiff, und dieses zugleich einziges Sicherungsobjekt ist, dann liegt bei vernünftiger objektiver Betrachtung ein so starker Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Ertragslage und dem Wert des Sicherungsgutes nahe, dass man eine Übergewichtung des Sicherungsanteils bei der Gesamtwürdigung nicht rechtfertigen kann, sondern allenfalls eine Untergewichtung. Fallen Umsätze und Erträge geringer aus oder ganz weg, weil die Betreibergesellschaft in einem sehr schwierigen Umfeld agiert und ein hohes Risiko ausweist, dann nützt einem ein teuer gekauftes Einkaufszentrum überhaupt nichts als einzige Sicherheit, ebenso wenig wie ein teures Schiff.

Die von der Beklagten angewandte Methodik ist damit schlicht nicht nachvollziehbar. Alle sachlichen Gründe sprechen aus Sicht des Gerichts evident dafür, vorliegend eine Übergewichtung des lssuer-Rating annehmen müssen, ggfs. noch eine Gleichgewichtung, nicht aber eine Übergewichtung des Recovery Ratings im Rahmen des Gesamtratings.

Dafür, dass im Übrigen eine unangebrachte Übergewichtung des Recovery Rating zu einem insgesamt unvertretbaren Gesamtrating führte, spricht aus Sicht des Gerichts schließlich auch, dass die Beklagte nicht plausibel erklären konnte, weshalb sie nur 10 Monate später die Herabsetzung mit einer schlechten Geschäftsentwicklung rechtfertigt, wenn doch die angeblich so maßgebliche Sicherheit unverändert geblieben wär. Die - quasi absehbar - riskante Geschäftsentwicklung hätte von vorneherein stärker in die Gesamtnote einfließen müssen.

All die von der Beklagten für die spätere Korrektur angeführten Gründe hierfür waren beim ersten Rating auch als Risikofaktoren erkennbar urrd einstellbar. Sofern sich die Beklagte damit verteidigt, die Herabstufung habe ihren Grund darin, dass die Beteiligungsgesellschaft schlechte Halbjahreszahlen ausgewiesen und die erwarteten Prognosen würden nicht erreicht, wäre zu erwarten, dass genau diese Risiken bereits eingepreist wären. So wurde als Begründung u.a. angeführt, statt € 54 - 57 Mio. Umsatz hätte die Emittentin nur € 52 - 54 Mio. erzielt und auch der Gewinn vor Steuern und Abschreibungen soll mit € 1-2Mio. statt € 5 -7,5 Mio. geringer ausgefallen sein (vgl. Anlage K 6).

Genau derartiges aber hatte die Beklagte doch schon vorhergesehen. ln ihrem Rating aus November 2012 führte sie ausdrücklich die Möglichkeit an, dass man weniger Umsatz erzielt, ja es müsse sogar „davon ausgegangen werden, dass das Unternehmen weiterhin. Marktanteile im Luxussegment verlieren wird" (Anlage K 2, S. 1 1).

(bb.)

Selbst wenn man die aus Sicht des Gerichts zwingend gebotene Abweichung von der Standard-“Matrix" außer Acht lassen wollte, und unterstellt, es hätte auch keiner händischen Korrektur bedurft, ist zusätzlich die Rating-Analyse nicht ordentlich erstellt worden.

Es wurden aus Sicht des Gerichts der fehlerhaften Methodik auch noch leichtfertig falsche Daten zu Grunde gelegt (vgl. Halfmeier, in: VuR 2014, Rn. 330). Für die Beurteilung sind dabei nur der Zeitraum der Abgabe des Ratings und die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse maßgebend (vgl. Amort, in: EuR 2013, Rn. 277 f.; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 32, Rn. 74). Und zu diesem Zeitraum gab es allenfalls einen verlässlichen Wert für den Wert der Sicherheit, nämlich den Buchwert des Schiffes.

Es geht mithin gar nicht um die Frage, ob das Kurzwertgutachten zum Schiffswert fehlerhaft war, sondern darum, dass es überhaupt keinen Grund im Rahmen des Recovery Ratings gab, hier auf einen solchen angeblichen Marktwert zu vertrauen, wenn doch die Emittentin selbst, die als Betreibergesellschaft mit ihrem Schiff bestens vertraut ist, das Schiff selbst mit einem geringeren Wert bewertet. Zudem ging das Kurzwertgutachten von einem vermeintlichen Marktwert im Falle eines „freien Verkaufs aus", also eben ja gerade nicht im zu bewertenden Falle der lnsolvenz (vgl. Anlage K 3, S. 94).

Wenn die Beklagte vorliegend eine Anleihe, wie gezeigt, maßgeblich aufgrund deren Sicherheit als positiv bewertet. dann hat sie in besonderem Maße Anlass, die Sicherheit vorsichtig zu bewerten. Die Sicherheit der Anleihe wurde hier immerhin mit der bestmöglichen Stufe, 10 von 10 bewertet. Dies führt, wie gezeigt, im Rahmen der vorgegebenen Matrix zu einer Übergewichtung, weshalb erst recht mit dieser Höchstnotenvergebung sparsam umzugehen sein sollte. Davon kann hier aber keine Rede sein. Da im Rahmen der Bewertung der Sicherheit wiederum die vorgelagerte „Coupon Payment Analyse" nur zu einem Wert von 80 von 100 geführt hatte (vgl. Anlage B 9, S 2), war ganz maßgeblich die höchstmögliche „Principal Recovery Rate" von 10 ausschlaggebend (vgl. dazu Klageerwiderung; S. 35 ff.). Diese führte - ohne Abschlag trotz der nicht ganz perfekten „Coupon Payment Analyse" – immer noch zu einem Höchstwert einer Recovery Rate von 10. Die Beklagte hat also nicht nur einen höchst unvorsichtigen Wert ihrer Analyse zugrunde gelegt und diesen nicht verifiziert; sie hat dann auch noch quasi aufgerundet (und das im Rahmen einer “Matrix", die auch noch eine nicht zu rechtfertigende Übergewichtung vorsieht).

Spätestens bei einer händischen Plausibilitätsprüfung hätte mithin auffallen müssen, dass allein aufgrund derartiger Auf-Rundung sowie Übergewichtung der Recovery Rate das Gesamtrating von „A" zustande kam (was aber, wie oben gezeigt, niemand bei der Beklagten zum Anlass nahm, das Ergebnis zu hinterfragen). Jedenfalls aber hätte die Beklagte erkennen können, dass die Sicherheit bei ihrem Rating eine ganz zentrale Rolle hatte, weshalb erst recht vorsichtig zu bewerten gewesen wäre. Wenn man einen nebulösen Marktwert eines dreiseitigen Kurzgutachtens hat und einen Buchwert, der immerhin testiert ist bzw. von der Eignerin selbst als unter dem Marktwert angesiedelt wird, welchen Grund gibt es, dann noch einen fiktiven Marktwert anzuwenden? Aus Sicht des Gerichts schlicht keinen (es sei denn man möchte bewusst positiv werten, was bei einem Auftragsgutachten jedenfalls unterschwellig stets mitschwingen mag, wer möchte schon seinem Auftraggeber missfallen?).

Die Notwendigkeit bei zwei oder drei möglichen Werten für ein Sicherungsgut den vorsichtigeren zu nehmen, ergibt sich wie Eingangs erwähnt, schon aus dem allgemeinen kaufmännischen Grundprinzip der vorsichtigen Bewertung (vgl. S 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Dies sollte doch erst recht für jede Ratingagentur Maßstab sein. Die Beklagte ist selbst Kaufmann und beschäftigt nach eigenen Angaben „Profis" in allen Bereichen. Das Prinzip der vorsichtigen Bewertung ist ihr daher präsent.

Sie selbst führt auch in ihrer allgemeinen Methodik zur Bewertung von Unternehmensanleihen aus, dass sich das „Asset Screening [...] auf die Analyse von Werthaltigkeit und Liquidierbarkeit von Vermögensgegenständen" fokussieren soll. Maßgeblich seien dabei grundsätzlich „bilanzielle Positionen", wobei auch „Rechte" als stille Reserven berücksichtigt werden können (Anlage B 9, S. 11). Verwertbare (Marken-)Rechte im großen Stil gab es hier aber nicht und sie spielten auch im CBR-Bericht der Beklagten keine wesentliche Rolle (außer das die starke Marke wiederholt erwähnt wird). Dass darüber hinaus von einer massiven stillen Reserve in Form des Schiffswertes ausgegangen sein soll, erschließt sich nicht. Vielmehr gab es aus Sicht des Gerichts keinen Anlass von einer stillen Reserve in Form eines tatsächlich höheren Schiffswertes auszugehen. Das dreiseitige Kurzgutachten bot hierfür keine solide Grundlage, da es den Wert nur auf einer „Vergleichsbasis" ermittelt hatte, also Umsätze und Auslastungen gar nicht, und auch von einem „freien Verkauf" ausging (vgl. Anlage K 3, S. 94). Und auch dass stille Reserven eher die Regel als die Ausnahme sein sollen (so Replik, S. 32; Bd. ll Bl. 41 d. A.), dürfte weder zwingend sein, noch vorliegend etwas ändern: Selbst wenn das so wäre, wäre im Rahmen einer Bewertung als Sicherungsgut stets die vorsichtigst mögliche Bewertung heranzuziehen, also im Zweifel eben keine stillen Reserven zu unterstellen.

Mithin wäre es geboten gewesen, dass die Beklagte allenfalls auf den bilanzierten Wert des Schiffes abstellt, und nicht irgendeinen beliebigen Gutachterwert eines einzigen Gutachters. Nach ihrer eigenen Vorgaben wäre die „bilanzielle Position" des „Assets" maßgeblich. Zudem hätte es vor dem Hintergrund, dass es um die ,.Liquidierbarkeit" geht, auch eines erheblichen Sicherheitsabschlages bedurft. Denn, auch das muss jedenfalls der Beklagte bekannt sein, von der man erwarten kann, dass sie den Markt insgesamt beobachtet, im Rahmen einer lnsolvenz lassen sich selbst Buchwerte nur selten erzielen. Das gilt bei (Gewerbe-)lmmobilien ebenso grundsätzlich wie bei Schiffen. Wenn die Beteiligungsgesellschaft eines einzigen Schiffs insolvent geht, weil das Schiff nicht mehr gebucht wird und keine Umsätze mehr erzielt, welcher andere als der „Zerschlagungswert“ soll in diesem Szenario denn zum Tragen kommen.

Schon nach dem Bilanzwert aber wäre von einer Unterbesicherung der Anleihe auszugehen gewesen. Das Schiff war von der Emittentin selbst in ihrer Bilanz mit. nur rd. € 46 Mio. zum 31.12.2011 bewertet (vgl. Anlage K 3, S. 96 u. 117). Wenn selbst die eigene Auftraggeberin, die als Betreibergesellschaft am nächsten an dem Schiff „dran" ist, dieses nur mit rd. € 46 Mio. bewertet, gibt es überhaupt keinen Grund, einen höheren Wert anzunehmen, wie die Beklagte es getan hat, sondern allenfalls einen niedrigeren.

Das hat die Beklagte nicht einmal erwogen. Sie hat völlig unkritisch gerade ein einziges, für sich zudem relativ aussageloses Kurzgutachten herangezogen, welches auch noch im Auftrag der Emittentin selbst erstellt wurde, und dessen Wert eins zu eins übernommen. Dabei wäre allenfalls der Buchwert des Schiffes heranzuziehen, denn es ist überhaupt nicht erkennbar, weshalb im Falle einer lnsolvenz man mehr als den Buchwert erlösen können soll. Die Beklagte selbst erklärt, nicht einmal einen Sicherheitsabschlag vorgenommen zu haben.

Die weitere Entwicklung war nach alledem vorhersehbar. Die operativen Probleme der Beteiligungsgesellschaft waren bekannt, ebenso das schwierige Umfeld usw. Die Vielzahl an notleidenden Schiffsfonds- und Anleihen in Folge der Finanzkriese war zudem ebenfalls Ende 2012 bekannt oder hätte zumindest der Beklagten bekannt sein müssen, wie auch, das[s] es in einem derartigen Umfeld sehr schwierig ist, überhaupt auch nur Buchwerte für Schiffe zu erhalten.

lm Juni 2011 war der Wertgutachter, so die Beklagte selbst, noch zu einer Einschätzung von rd. € 70,0 Mio. gekommen (Anlage B 14). Ein Jahr später sollen es dann € 76,6 Mio. gewesen sein; die von der Beklagten in den Raum gestellten, wertsteigernden Maßnahmen sind aber weder konkretisiert noch dargelegt. Vielmehr wird in dem Mai-Besichtigungsbericht zwar erwähnt, dass Maßnahmen im Rahmen des Werftaufenthalts getroffen werden aber dann liegt doch eher nahe, dass diese bereits in die Bewertung eingeflossen waren. Schon von daher wären - aus sich heraus - Zweifel an dem Wert von € 76,6 Mio. angebracht gewesen, denn unstreitig verliert ein Schiff im Laufe der Zeit eher an Wert, so dass doch eher von einem Wert unter als über € 70,0 Mio. auszugehen wäre. Wie gezeigt kommt es darauf aber nicht an. Angesichts eines Verkaufspreises von € 42,0 Mio. im Jahr 2010 und einer Bilanzierung von bis zu max. € 46,0 Mio. Ende 2011 lässt sich jedenfalls von einer Vollbesicherung der Anleihe über € 60,0 Mio. nicht im Ansatz sprechen.

Gerade professionelle Kaufleute und Marktbeobachter, wie man sie bei einer Rating-Agentur vermutet, wissen zudem oder müssen. es jedenfalls wissen, dass Gutachterwerte auf dem Papier, zumal wenn ein Gutachter, wie hier, von Seiten eines nicht unparteiischen Auftraggebers beauftragt wird, das eine sind, die tatsächlichen Preise jedoch in der Regel erheblich abweichen können. Auf diesen Umstand weist sie ja selbst hin. Daher sind in der Regel gerade entsprechende Risikoauf- bzw. -abschläge einzustellen. Und in der Tat kann für die Beklagte nichts anderes gelten, als für einen Anleger: Die Beklagte hat den Risikohinweis in dem Emissionsprospekt, dass das Verkehrswertgutachten fehlerhaft sein könnte, eben wohl vernommen, aber keinerlei Schlüsse daraus gezogen. Dem Umstand, dass auch ein Anleger diesen Hinweis vernommen haben müsste, kommt indes - anders als die Beklagte und die 4. Zivilkammer in ihrem Urteil meint - eben gerade keinerlei Bedeutung zu. Denn es war ja gerade die Aufgabe der Beklagten, eine Einschätzung vorzunehmen, ob gleichwohl von einer hohen Besicherung auszugehen ist. Es mutet absurd an, wenn die Beklagte nun die ihr obliegende Aufgabe einer (plausiblen) Bewertung im Nachhinein den Anlegern auferlegen möchte.

Der Anleger konnte vielmehr darauf vertrauen, dass die Beklagte gerade auch die mögliche Fehlerhaftigkeit des Kurzgutachtens berücksichtigt hat, Genau das hat sie aber nicht. Anders als der einfache Anleger verfügte sie insofern auch über einen „Wissensvorsprung". Denn sie konnte natürlich den Schluss ziehen, dass die Berücksichtigung eines solchen fiktiven Marktwertes, gleich, ob fehlerhaft oder richtig, im Rahmen der Ausgangsfrage schlicht verfehlt ist, weil vorsichtig zu bewerten ist. Dabei wusste die Beklagte auch, dass der Wert des Schiffes nicht nur durch veränderte Marktgegebenheiten und Zeitablauf niedriger ausfallen kann, sondern gerade wenn es um die Liquidierung geht. Die Beklagte räumt selbst ein, dass (natürlich) in dem späteren lnsolvenzverfahren nur ein Bruchteil des vermeintlichen Marktwertes erzielt werden konnte, denn „die Auflösung dieses funktionalen Zusammenhangs im Rahmen der Zerschlagung führt regelmäßig zu einem massiven Wertverlust" (Klageerwiderung, S.'75).

(cc.)

Die Kausalität des fehlerhaften Ratings, Übergewichtung des Besicherungsratings einerseits sowie Heranziehung eines (angeblich richtigen) Marktwertes statt des vorsichtigen Buchwertes andererseits, war zur Überzeugung des Gerichts aus kausal für die Anlageentscheidung der Klägerin.

Die Beklagte hat vorliegend dem Emissionsprospekt und der Anleihe quasi ihren „Gütestempel" aufgedrückt, indem sie die Anleihe mit „A" bewertet hatte. lnsofern ist nicht erkennbar, weshalb von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen wäre, wonach die Kausalität eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung zu vermuten ist. Das Rating der Beklagte war gerade auch für den Emissionsprospekt vorgesehen. Die Wiedergabe des Ratings mit „A", so wie dort geschehen, erfolgt mit Einverständnis der Beklagten (Anlage K 3, S. 62). Der hiesige Sachverhalt rechtfertigt somit keinerlei Abweichung. lm Gegenteil, die Annahme, dass jemand eine Anleihe, die von einer renommierten Rating-Agentur mit „A" und mit einem ausdrücklich niedrigen Risiko bewertet wird, (auch) deswegen zeichnet, erscheint lebensnah (und jedenfalls lebensnäher als manch anderer fingierter Prospektfehler, der sich irgendwo im Kleingedruckten versteckt).

Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie gerade auch aufgrund des im Emissionsprospektes veröffentlichten „A"-Ratings sich zu dem Kauf der Anlage entschieden hatte. Das erscheint ohne weiteres glaubhaft. Das Rating war weder zwingende Auflage, sondern freiwillig. Die Emittentin hat es gerade von sich aus in Auftrag gegeben und auch auf ihrer Internetseite damit geworben. Der Emittentin ging es mithin erkennbar gerade darum, dass man das positive Rating, welches auch im Prospekt gleich zwei Mal erwähnt wird, zur Kenntnis nimmt. Entsprechend glaubt das Gericht der Klägerin, dass sie - und jedenfalls für sie die    - natürlich das positive „A."-Rating zur Kenntnis genommen hat.

Die Beklagte hat hiergegen nichts vorgetragen, was diesen Kausalzusammenhang widerlegen könnte. Das Gericht vertritt insofern, wie auch die 4. Zivilkammer in ihrem Urteilvom 31.10.2019, die Auffassung, dass ein Anleger, der sich auf einen Prospektfehler oder ein fehlerhaftes Gutachten stützt, dies grundsätzlich auch vollständig zur Kenntnis nehmen muss; er muss insofern ein begründetes Vertrauen in dessen Aussagen entwickelt haben (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 29. Aufl., § 328 Rn. 43 m.w.N.). Der Anleger bzw. Dritte kann insbesondere keine „Rosinenpickerei“ betreibe[n] und sich nur auf einzeln, gar aus dem Zusammenhang gerissene Aussagen beschränken. Es gilt der Grundsatz, dass der Dritte, hier also die Anleger, ein Gutachten auch inhaltlich zur Kenntnis genommen haben müssen, das Vertrauen auf die bloße Existenz eines Gutachtens genügt nicht.

Umgekehrt gilt der Grundsatz, dass der Anleger auf die Vollständigkeit eines Emissionsprospektes vertrauen darf. Er hat grundsätzlich keinen Anlass, von sich aus Nachforschungen zu betreiben oder dortige Aussagen in Frage zu stellen.

Vorliegend kann es vor diesem Hintergrund dahinstehen, ob die Klägerin auch den CBR-Bericht selbst auf der lnternetseite aufgerufen und vollständig gelesen hat und ob sie dazu überhaupt verpflichtet war.

Auf die vermeintlich unvollständigen Lektüre dieses Berichts oder Prospektes im Übrigen, insbesondere auch den von der 4.Zivilkammer rekurrierten Risikohinweis, das Kurzwertgutachten könne ja fehlerhaft sein, kann sich die Beklagte nicht stützen. Die 4. Zivilkammer verkennt in ihrem Urteil vom 31.10.2019, dass es nicht um die Frage geht, ob das Kurzwertgutachten per se richtig oder falsch ist, sondern, dass es überhaupt schon verfehlt war, auf einen solchen vermeintlichen Gutachter-"Marktwert“ - jedenfalls ohne erhebliche Risikoabschläge - im Falle einer lnsolvenz zurückzugreifen. Nur ein professioneller Marktbeobachter, wie die Beklagte, hatte mithin Anlass, zu wissen, dass etwa Schiffsfonds in der Vergangenheit schon häufiger Schwierigkeiten hatten und dass es im Falle der lnsolvenz regelmäßig nur geringere Erlöse für Sachwerte zu erzielen sind.

Die von der Beklagten ausdrücklich genehmigte Form der Darstellung mit Verweis auf einen Link und ohne Erwähnung des relativ schlechten lssuer Ratings im Prospekt, S. 62, gab insofern aus Sicht des Gerichts allerdings schon gar keinen Anlass, weiter nachzusch"r"n ,nd noch zusätzlich einen Bericht im lnternet aufzurufen. Die Aussage ist (bewusst) ziemlich eindeutig: Die Beklagte bewertete die Anleihe mit „A", „überdurchschnittliche Bonität - „geringes Ausfallrisiko, vereinzelt Risikoelemente vorhanden [...] (Anlage K 3, S. 62).

Die Beklagte hat der Aufnahme - nur - des Ergebnisses des Ratings in dieser Form, also ohne Wenn und Aber, zugestimmt. Dort steht gerade nicht, dass man den Ratingbericht noch lesen solle, oder dass das Rating fehlerhaft sein könne, oder eine Haftung nur bei vollständiger Lektüre auch des Rating Berichtes in Betracht käme. Nichts, außer dass der Ratingbericht veröffentlicht ist. Hätte die Beklagte wenigstens auf das relative schlechte „CCC"-Teil-Rating zur Emittentin hingewiesen, aber nicht einmal das. Dabei stellt die Suche und Lektüre im lnternet noch eine zusätzliche Stufe für einen Anleger dar, der doch gerade auf die Vollständigkeit des Prospektes vertrauen darf.

Aber selbst wenn man den Ratingbericht vollständig gelesen hätte oder dieser im Prospekt mit abgedruckt gewesen wäre, welche weiteren Schlüsse hätte ein durchschnittlicher Anleger ziehen sollen? Eben keine. Der CBR-Bericht erwähnt, wie gezeigt, mit keinem Wort, dass die Heranziehung des Marktwertes aus einem Gutachten per se fehlerhaft sein könnte, selbst wenn dieses Gutachten den Wert zutreffend ermittelt. Denn der CBR-Bericht erwähnt gerade nicht, dass bei der Bewertung einer Sicherheit gerade mit Vorsicht vorzugehen ist, weshalb man doch allenfalls den vorsichtigeren Buchwert hätte nehmen sollen, womit sodann eine Unterbesicherung vorhanden gewesen wäre.

Der CBR-Bericht erwähnt selbst nicht einmal die mögliche Fehlerhaftigkeit des Kurzwertgutachtens, was sich aus dem Emissionsprospekt ergeben soll. lnsofern erscheint es zweifelhaft, ob man insoweit der 4. Zivilkammer folgen kann - worauf es hier nicht ankommt -, ob die Beklagte sich mit einem Risikohinweis im Prospekt der Emittentin an ganz andere Stelle berufen kann und ob ein Anleger aus der Fehlerhaftigkeit des Gutachtens zwingend darauf schließen muss, dass auch das Rating falsch sein könne. Denn, wie gesagt, der Anleger kann ja gerade darauf vertrauen, dass die Beklagte auch die mögliche Fehlerhaftigkeit berücksichtigt hat, sie also, obwohl der Marktwertfalsch sein kann, gleichwohl zu dem guten Bewertungsergebnis kam.

Schließlich lässt der CBR-Bericht auch gerade nicht ohne weiteres erkennen, dass eine Übergewichtung im Rahmen der Matrix zugunsten des Recovery Ratings vorhanden ist, welche sichnicht rechtfertigen lässt (s.o.)

Auch die 4. Zivilkammer führt in ihrem Urteil vom 31.10.2019 aus: „lnsoweit käme eine Haftung nur in Betracht, wenn sich aus diesem Kurzbericht ergäbe, dass entscheidende Punkte im Rahmen der Bewertung unberücksichtigt blieben. Nur dann könnte von einem fehlerhaften Rating und einer Pflichtverletzung im Sinne des $ 280 BGB gesprochen werden." lm Ratingbericht wird aber die positive Gesamtbewertung ja gerade mit der Schiffshypothek und dessen Marktwert begründet: „Über" diesen Mechanismus ist generell eine vollständige Absicherung des Nennbetrages der Anleihe gegeben." (vgl. CBR, Anlage K 2, S. 17). Entscheidend ist aber, dass hiervon keine Rede sein kann, wenn man den vorsichtigen (Buch-)Wert oder den Zerschlagungswert ansetzt. Auch der Ratingbericht unterstellt mithin eine Vollbesicherung, für die aufgrund des „funktionalen Zusammenhangs" zwischen Schiff und Unternehmung, wie es die Beklagte weiß (vgl. Klageerwiderung, S. 75), keine Rede sein kann.

Vielmehr wird auch dieser Umstand vielmehr relativiert, in dem in dem in Bezug genommenen Kurzwertgutachten ausgeführt wird, dass der Buchwert (nur) eine „bilanzielle Größe" sei, was sich aus dem Kurzwertgutachten auf Seite 94 des Emissionsprospektes ergebe (und die Beklagte auf Seite 77 ihrer Klageerwiderung anführt). Genau dies ist doch der Punkt: Der Anleger wird ja gerade hierdurch in die lrre geführt. Die Beklagte nimmt den vermeintlichen Marktwert, und der Buchwert wird zugleich verharmlost, dann muss das Rating ja richtig sein. Genau das Gegenteil war aber der Fall.

Selbst wenn mithin der „aufmerksamen Leser", wie die 4. Zivilkammer meint, hätte aufgrund des Kurzberichtes und des Emissionsprospektes hätte erkennen können, dass der Buchwert des Schiffes deutlich unterhalb des Marktwertes lag, hätte sich daraus kein Rückschluss auf ein falsche Rating ergeben. Abgesehen davon, dass die 4. Zivilkammer hier in ihrem Urteil vom 31.10.2019 die Anforderungen an einen aufmerksamen Prospektleser überspannen dürfte, so wird dort selbst angeführt, dass es sich ja um eine sogenannte stille Reserve handeln könnte. Der Anleger hätte mithin - erneut - darauf .vertrauen können und dürfen, dass die professionelle Beklagte natürlich bei ihrer Bewertung all das schon berücksichtigt hatte, insbesondere dass es einmal einen niedrigen Buchwert und einmal einen hohen Marktwert gab. Allein die Kenntnis von diesen unterschiedlichen Werten lassen insoweit aber gerade für einen Laien keinen Rückschluss darauf zu, dass man zwingend den ein oder anderen Wert zugrunde legen hätte müssen. Der Anleger konnte mithin darauf vertrauen, dass die Beklagte als „Profi", natürlich den plausibleren Wert genommen hat. Wie gezeigt war aber gerade dies nicht der Fall.

4.

Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung ihres Schadens, so wie von ihr zuletzt unstreitig berechnet. Ohne das unvertretbare „A-"Rating hätte die Klägerin die Anlage nicht erworben, weshalb ihr der nach Abzug erhaltener Zinsen, Zahlungen durch den lnsolvenzvenrualter und des Verkaufserlöses verbleibende Schaden gemäß S 249 BGB zu erstatten ist.

5.

Der Klageanspruch ist auch weder verjährt noch sonst weiter zu kürzen.

a)

Die Klageforderung ist nicht verjährt. Das Gericht sieht für einen Eintritt der Verjährung vor dem 31.12.2018 keine Anhaltspunkte. Die Korrektur des Ratings im Jahr 2013 ließ nicht zwingend erkennen, dass das erste Rating fehlerhaft war, denn die Beklagte hatte diese Herabsetzung ja gerade mit anderen Umsatz- und Gewinnentwicklungen gerechtfertigt und nicht mit einem eigenen Fehler. Auch haben die Beklagte bzw. die Emittentin die Anleger ersichtlich nicht einmal hierüber direkt informiert. Und auch das Ausbleiben einer einzelnen Kuponzahlung, sei es Ende 2014 oder vorher, lässt keinerlei Rückschlüsse darauf zu, dass das ursprüngliche „A"-Rating fehlerhaft gewesen ist und die Sicherheit - ja gerade für den Fall des Ausbleibens von Zahlungen - nicht ausreichen würde.

Frühester Zeitpunkt für eine fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB dürfte vorliegend somit die unzureichende Vewertung bzw. Bewertung der Sicherheit durch den lnsolvenzverwalter sein, worüber es erstmals im Rahmen des lnsolvenzverfahrens, namentlich mit Bericht des lnsolvenzverwalters aus Februar 2015 Anhaltspunkte gab.

Zuvor konnten die Anleger, wie gezeigt, darauf vertrauen, dass die Beklagte die Sicherheit der Anlage - wohlgemerkt mit höchstmöglicher Recovery Note - in vertretbarer Weise als sehr gut eingeschätzt hatte. Dies erwies sich erst dann als Trugschluss, als klar wurde, dass im Rahmen der lnsolvenz nicht annähernd der angeblich richtige Marktwert zu erzielen ist, und die Anleihe zu Unrecht aufgrund einer Fehlgewichtung als sicher eingestuft worden war.

Nachdem Verjährung gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB - von einer denkbaren Kenntnis im Jahr 2015 ausgehend - somit frühestens mit Ablauf des 31.12.2018 eintreten konnte, hat die Klageerhebung vorliegend noch rechtzeitig den Eintritt der Verjährung gehemrnt. Denn die Klageeinreichung am 20.12.2018 und die anschließende Zustellung am 13.02.2019 erfolgte noch „demnächst" im Sinne von § 167 ZPO.

lnsbesondere wurden auch die Gerichtskosten unverzüglich eingezahlt, nämlich schon am 22.01.2019 und mithin sogar noch vor Fälligkeit der Kostenrechnung vom 24.01.201g(vgl. Bd. I Bl. 22 d. A.).

b)

Auch eine Anspruchskürzung kommt nicht in Betracht. Ein Mitverschulden durch die Beklagte im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB oder ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB ist zwar grundsätzlich denkbar, aber vorliegend nicht - und jedenfalls nicht substantiiert - vorgetragen.

Sofern die Klägerseite durch die   als Anlageberaterin oder Vermögensverwalterin vertreten worden ist und diese eine eigene Pflichtverletzung begangen hätte, tritt auch ein solcher Anspruch allenfalls neben den Anspruch der Klägerin, nicht an dessen Stelle (s.o.). Dies rechtfertigt von daher keine Anspruchskürzung im hiesigen Verhältnis zwischen Klägerin und Ratingagentur. Und selbst wenn die Klägerseite sich überdies ein Fehlverhalten ihres Anlageberaters bzw. Vermögensverwalters über § 278 BGB als eigenes zurechnen lassen müsste, wiegt dies jedenfalls nicht so schwer, wie die vorrangige Pflichtverletzung der Beklagten. Die Beklagte hatte mit ihrem fehlerhaften Rating die Kausalkette für die anschließende Schadensentwicklung erst in Gang gebracht. Hinzu kommt, dass ein Anlageberater oder Vermögensvervalter grundsätzlich nur die Plausibilität des Konzeptes der Anlage zu prüfen hat, nicht aber noch im Pflichtenkreis Dritter deren Bewertung. Regelmäßig kommt daher ein Anlageberater und Vermögensverwalter vielmehr seinen eigenen Sorgfaltspflichten nach, wenn er sich nach Ratings und Bewertungen anderer, Fachleute erkundigt. Vorliegend lag ein solches Rating in Form des Ratings der dafür spezialisierten Beklagten gerade vor.

Auch sofern die Klägerin vorliegend die Anleihe weit unter Wert verkauft hat, kann darin kein Mitverschulden zu sehen sein. Vielmehr entsprach es der Schadensminderungspflicht der Klägerin, einen etwaigen Resterlös noch zu erzielen, da nach dem Verkauf des Schiffes und damit des einzigen realen Wertes der insolventen Emittentin nicht ersichtlich wäre, dass überhaupt noch weitere Zahlungen aus der lnsolvenzmasse erfolgen.

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1ZPO.

Die Klägerin hat insoweit die Kosten der teilweisen Klagerücknahme betreffend den bereits im Jahr 2013 erlangten Betrag von €    ,- an Zinszahlungen zu tragen, welcher rd. 10 % der ursprünglichen Klageforderung ausmacht.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO

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