BGH: Haftung des die interne Kompetenzordnung missachtenden Gesellschafters
BGH, Beschluss vom 2. Juni 2008 - II ZR 67/07
Leitsätze
a) Ein Gesellschafter, der sich bei seinem geschäftsführenden Handeln über die in der Gesellschaft intern zu beachtende Kompetenzordnung hinweg-setzt, haftet für die Schäden, die durch die schuldhafte Missachtung dieser internen Bindungen entstehen.
b) Das Gericht darf sich ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständi-gengutachtens gemäß § 286 ZPO nur dann der Bewertung eines - qualifizierten Parteivortrag darstellenden - Privatgutachtens, gegen das der Gegner Einwendungen erhoben hat, anschließen, wenn es eigene Sachkunde besitzt und darlegt, dass es deswegen in der Lage ist, die strei-tigen Fragen abschließend zu beurteilen.
HGB §§ 114, 116, 161; ZPO § 286 B
Aus den Gründen
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist im Umfang von 1.230.781,17 € (= 447.380,39 € + 639.114,86 € + 144.285,92 € - Entrümpelungskosten -) nebst Zinsen begründet und führt insoweit - unter Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde - gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
I. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) mehrfach in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
1. a) Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz, nachdem ihr erstinstanzlicher Vortrag hierzu unsubstantiiert war, zur Schadenshöhe unter Vorlage von drei Gutachten des Dipl.-Ing. S. eine Differenz zwischen den Verkaufspreisen der Grundstücke und den ihrer Ansicht nach darüber liegenden tatsächlichen Verkehrswerten dargelegt. Diese Privatgutachten stellten - lediglich - qualifizierten Parteivortrag dar (BGH, Urt. v. 14. April 1981 - VI ZR 264/79, VersR 1981, 576 f.; Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 402 Rdn. 2 m.w.Nachw.). Hiergegen hat die Beklagte (GA II, 23 bis 28) umfängliche Einwendungen erhoben. Die daraufhin von der Klägerin vorgelegte Gegenäußerung des Privatgutachters stellte wiederum nur Parteivortrag dar, dem sich das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 GG angeschlossen hat. Das Berufungsgericht hätte den qualifizierten Parteivortrag der Klägerin nur dann - wie geschehen - gemäß § 286 ZPO seiner Entscheidung zugrunde legen dürfen, ohne dadurch den Anspruch der Beklagten aus Art. 103 GG zu verletzen, wenn es eigene Sachkunde besaß und darlegte, dass es deswegen in der Lage war, die streitigen Fragen abschließend zu beurteilen (vgl. Sen.Beschl. v. 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524 ff., Tz. 9). Anderenfalls musste das Berufungsgericht, wie von den Parteien beantragt, zu dem tatsächlichen Wert der Grundstücke im Zeitpunkt der Veräußerung Beweis erheben durch Einholung des beantragten gerichtlichen Sachverständigengutachtens.
b) Dieser Verstoß gegen Art. 103 GG ist entscheidungserheblich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beweisaufnahme zu abweichenden Verkehrswerten und damit zu einem niedrigeren oder gar zur Feststellung des Fehlens eines Schadens geführt hätte.
2. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Ersatzfähigkeit der Entrümpelungskosten in Höhe von 282.198,75 DM (= 144.285,92 €) betreffend das Grundstück G. straße hat das Berufungsgericht wiederum unter Verstoß gegen Art. 103 GG den Vortrag der Beklagten übergangen, dass die Ge-fahr des Rücktritts des Käufers vom Vertrag bestand, wenn die eingemauerten Schuttreste nicht auf Kosten der H. , & Co. KG (= Verkäuferin) beseitigt, und die infolge der Entfernung der Mauern teilweise eingestürzte Kellerdecke auf deren Kosten wieder hergestellt würden. Hätte das Berufungsgericht diesen Vortrag zur Kenntnis genommen, ist nicht ausgeschlossen, dass es den Schadensersatzanspruch der Klägerin insoweit mangels pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten verneint hätte.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung ihrer Berufung in Höhe von 556.800,00 DM (= 284.687,31 €) wegen pflichtwidrigen Verhaltens im Zusammenhang mit den Vertragsschlüssen und den hierauf geleisteten Zahlungen an die Herren Se. und W. wendet. Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen insoweit nicht vor. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 2. Halbs. ZPO abgesehen.
III. Für das wieder eröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Der Beklagten ist es trotz des schuldhaften Unterlassens der - wie vom Berufungsgericht zutreffend festgestellt - gebotenen Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses über die Veräußerung der Grundstücke O. - Allee, B. straße und O. straße/H. straße nicht verwehrt, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass dieses Unterlassen nicht zu einem Schaden auf Seiten der betroffenen Kommanditgesellschaften und damit der Kommanditisten geführt hat (Sen.Urt. v. 4. November 1996 - II ZR 48/95; WM 1996, 2340 f. mit Anm. Goette DStR 1997, 81, 82; Mayen in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB 2. Aufl. § 114 Rdn. 40 f. m.w.N.).
Sollte das nunmehr einzuholende Sachverständigengutachten zur Feststellung von über den Verkaufspreisen liegenden Verkehrswerten führen, wird das Berufungsgericht dem - gegebenenfalls noch zu ergänzenden - Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, dass höhere Preise als die tatsächlich erzielten im Zeitpunkt des Verkaufs der jeweiligen Grundstücke nicht realisierbar waren.
Hinsichtlich des Grundstücks B. straße 4 ist der Vortrag der Beklagten zu beachten und gegebenenfalls durch die angebotenen Beweismittel aufzuklären, dass es dort einen Schwammbefall gab, der zu der nachträglichen Kaufpreisreduzierung geführt hat. Sollte es einen solchen Befall gegeben haben, hätte dessen Vorhandensein den Wert des Grundstücks gemindert, was der Gutachter im Rahmen der Erstellung des Verkehrswertgutachtens zu berücksichtigen hätte.
Das Berufungsgericht wird sich auch - gegebenenfalls sogar vor Einholung eines Sachverständigengutachtens - mit dem beweisbewehrten Vortrag der Beklagten zu befassen haben, dass die jeweils betroffenen Kommanditisten mit der Veräußerung der Grundstücke durch die Beklagte - nachträglich - ein-verstanden waren. Ein solches Einverständnis könnte auch stillschweigend erklärt worden sein, indem die Kommanditisten über den jeweiligen Verkauf und die damit verbundene Sonderausschüttung informiert wurden (siehe z.B. Anl. B 4, Schreiben vom 4. September 2000) und im Anschluss daran den auf sie entfallenden Anteil der jeweiligen Sonderausschüttung entgegengenommen haben, ohne gegen den Verkauf des Grundstücks zu protestieren. Insoweit be-steht in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren für die Parteien Gelegenheit zu gegebenenfalls ergänzendem Vortrag. Sollte etwa - auch - der Rechtsvorgänger der Klägerin, die die Kommanditanteile erst zwei bis drei Jahre nach der Veräußerung der Grundstücke erworben hat, die anteiligen Erlöse in Kenntnis der Veräußerungen widerspruchslos entgegengenommen haben, könnte der actio pro socio der Klägerin der Einwand aus § 242 BGB entgegenstehen.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 22.02.2006 - 105 O 18/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 08.03.2007 - 23 U 65/06 -