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Wirtschaftsrecht
26.07.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Karlsruhe: Haftung der Kredit gebenden Bank wegen Aufklärungsverschuldens

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2012 - 17 W 36/12


Leitsatz


1. Kommt die Haftung der Kredit gebenden Bank (Bausparkasse) wegen Aufklärungsverschulden untere mehreren Gesichtspunkten in Betracht, dann ist jede einzelne Pflichtverletzung nicht nur für die Frage der Verjährung, sondern auch für den Umfang der Rechtskrafterstreckung als gesonderter Streitgegenstand zu betrachten.




2. Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen für die Verjährung des Anspruchs wegen einer arglistigen Täuschung über die Höhe der Vermittlungsprovisionen mittels eines sogenannten "Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags" kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass die von dem Anleger eingeschalteten Rechtsanwälte durch den im Jahre 2004 bekannt gewordenen Prüfbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin-Bericht) Kenntnis bzw. grob fahrlässig keine Kenntnis davon gehabt haben, dass die finanzierende Bank (Bausparkasse) bei Abschluss des Vorausdarlehensvertrages die arglistige Täuschung gekannt habe.


Sachverhalt


I. Die Antragsteller verlangen von der Antragsgegnerin (Bausparkasse) im Wege des Schadensersatzes wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen die Rückabwicklung eines kreditfinanzierten Kaufs einer vermieteten Eigentumswohnung.


Die Antragsteller wurden im Dezember 1996 von einem für die H GmbH (künftig: H) tätigen Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung in W zu erwerben. Die H vertrieb seit dem Jahre 1990 in großem Umfang von der Antragsgegnerin finanzierte Anlageobjekte. Die Anleger unterschrieben u.a. neben dem Besuchsbericht (Anlage M 4) auch einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag (Anlage M 2) sowie einen Antrag auf Abschluss eines Vorausdarlehens. Außerdem erklärten sie ihren Beitritt zu der für die Eigentumswohnung bestehenden Mietpoolgemeinschaft. Der Vermittler rechnete ihnen in dem Besuchsbericht eine monatliche Belastung für Zinsen und Tilgung unter Berücksichtigung einer „Mietpoolauschüttung von z.Zt." 294 DM vor. Mit notariellem Vertrag erwarben sie daher eine 22,17 m2 große Eigentumswohnung in W, ...-straße ..., von der Verkäuferin, der L GmbH (L).


Zur Finanzierung des Kaufpreises und sämtlicher Erwerbsnebenkosten (Gesamtaufwand von 105.716 DM) diente ein Vorausdarlehen der M-Bank im Nennbetrag von 109.000 DM vom 06./09.12.1996 (Anlage M 3). Das Darlehen wurde vereinbarungsgemäß durch Bestellung einer Grundschuld gesichert.


Mit dem am 29.12.2011 beim Landgericht eingegangenen Klageentwurf begehren die Antragsteller Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflichtverletzung der Antragsgegnerin. Sie haben u.a. den Vorwurf der arglistigen Täuschung bezüglich der versprochenen Mietpoolausschüttung der Immobilie erhoben sowie geltend gemacht, dass sie auch über die im Kaufpreis versteckten Innenprovisionen irregeführt worden seien, welchen die Beklagte finanziert habe, um dem Strukturvertrieb den entsprechenden Gewinn zukommen zu lassen. Die Antragsteller begehren der Sache nach negative Feststellung, dass sie zu weiteren Zahlungen aus den Darlehensverträgen nicht verpflichtet sind, und positive Feststellung, dass die Antragsgegnerin zum Ersatz des bisherigen und künftigen Schadens aus dem Erwerb der Immobilie verpflichtet ist.


Vorausgegangen ist dem Verfahren der Rechtsstreit LG Karlsruhe 2 O 68/00; OLG Karlsruhe 17 U 94/01, Urteil vom 28.12.2001), in welchem die auf Schadensersatz gerichtete Klage des Antragstellers als Kläger aus eigenem und fremden Recht der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin abgewiesen wurde (Anlagen D 2, D 2a, D 3).


Das Landgericht hat den Antragstellern die für ihr Rechtsschutzbegehren erbetene Prozesskostenhilfe verweigert, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Einem Erfolg der angekündigten Klage stehe schon der Einwand der rechtskräftigen Entscheidung entgegen. Denn mit der beabsichtigten Klage werde lediglich der bereits ausgeurteilte Streitgegenstand erneut zur Entscheidung unterbreitet. Zumindest aber müsse das Begehren an der von der Antragsgegnerin erhobenen materiell-rechtlichen Einrede der Verjährung scheitern. Denn der damalige Prozessvertreter der Antragssteller habe bereits umfassend Kenntnis von sämtlichen möglichen Aufklärungspflichtverletzungen der Antragsgegnerin gehabt. Dies folge aus den seinerzeit von ihm bei Gericht eingereichten Schriftsätzen (Anlagen D 2 und D 2a). Diese Kenntnis müssten sich die Antragsteller zurechnen lassen.


Gegen den, den Antragstellern am 23.04.2012 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 24.04.2012 eingegangene sofortige Beschwerde, welcher die Antragsgegnerin entgegengetreten ist. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.


Aus den Gründen


II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller ist begründet.


Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der beabsichtigten Rechtsverfolgung der Antragsteller hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden, § 114 Satz 1 ZPO. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach Maßgabe der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller dem Landgericht zu übertragen.


1. Die Erfolgsaussicht für das angekündigte Rechtsschutzbegehren folgt hier bereits aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG.


Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebieten die vorgenannten Verfassungsnormen eine weit gehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 78, 104, 117 f). Diese verfassungsrechtliche Prämisse verfehlt der angefochtene Beschluss, weil das Landgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung gem. § 114 Satz 1 ZPO überspannt, sodass der Zweck der Prozesskostenhilfe, den Unbemittelten den weit gehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen, vereitelt wird (vgl. BVerfG NJW 2000, 1936, 1937).


Die vom Landgericht für die Verweigerung der Prozesskostenhilfe angeführten Gründe werden dem verfassungsrechtlichen Gebot nicht gerecht. Das Landgericht berücksichtigt nicht, dass bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens der Antragsteller der hier geltend gemachte Haftungsgrund der arglistigen Täuschung über die Höhe Innenprovisionen höchstrichterlich bestätigt ist und auch nach seiner Auffassung grundsätzlich in Betracht kommt (vgl. z.B. Urteil LG Karlsruhe vom 18.11.2011 - 10 O 528/08), sodass der Erfolg einer (zulässigen) Klage hauptsächlich von der Entscheidung über das von der Antragsgegnerin geltend gemachte Gegenrecht abhängt. Daher darf den Antragstellern die Prozesskostenhilfe hier nur verweigert werden, wenn diejenigen Tatsachen, welche die Einrede der Verjährung begründen, eindeutig feststehen, sodass die von der Antragsgegnerin behauptete Rechtsfolge unzweifelhaft ist.


Davon kann im Streitfall jedoch keine Rede sein (vgl. 2.). Vielmehr hat das Landgericht die hiermit verbundenen Zweifelsfragen unter Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden und den Beschwerdeführern damit den Zugang zu den ordentlichen Gerichten verweigert. Außerdem hat es bei seiner Entscheidung erheblichen Rechtsvortrag der Antragsteller unbeachtet gelassen. Damit ist der Anspruch der Rechtssuchenden auf das rechtliche Gehör verletzt, Art. 103 GG.


2. Das Landgericht hat die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrages damit begründet, dass der Zulässigkeit der beabsichtigten Klage die materielle Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess entgegenstehe und ihrer Begründetheit die Verjährungseinrede der Antragsgegnerin. Mit dieser Begründung kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben.


a) Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts wird die beabsichtigte Rechtsverfolgung durch die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils nicht gehindert, soweit die Antragsteller ihr Begehren auf den Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung über die Höhe der tatsächlichen Vertriebsvergütungen stützen.


Zutreffend geht das Landgericht noch davon aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung als negative Prozessvoraussetzung eine neue Verhandlung über denselben Streitgegenstand verbietet. Es hat jedoch die Rechtsprechungsgrundsätze rechtsfehlerhaft angewendet, wenn es annimmt, die nunmehr geltend gemachte Pflichtverletzung (Täuschung über Innenprovisionen) gehöre bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebenssachverhalt, sodass Identität der Streitgegenstände bestehe.


Der Senat (Urteil vom 21.12.2011 - 17 U 259/10, juris) hat demgegenüber aus der neueren Rechtsprechung zur Verjährung von Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Anlageberatung (vgl. BGH BKR 2010, 118 Rn. 14 f.; NJW-RR 2010, 1693) gefolgert, dass jede einzelne Pflichtverletzung als gesonderter Streitgegenstand zu betrachten sei. Denn der zur Substantiierung des Klagebegehrens erforderliche Sachverhalt ist jeweils ein anderer, soweit es um verschiedene Aufklärungspflichten innerhalb des Pflichtenkanons eines Anlageberaters im Zusammenhang mit einem Beratungsvorgang geht. Hinsichtlich des Umfanges der Rechtskraftwirkung eines die Schadensersatzklage eines Kapitalanlegers abweisenden Urteils besteht daher ein Gleichlauf mit der Beurteilung der Verjährung von Ansprüchen wegen der Verletzung mehrerer Aufklärungspflichten, so dass die einzelnen Pflichtverstöße, auch wenn sie in einem einheitlichen Beratungsvorgang erfolgt sind, als unterschiedliche Streitgegenstände zu behandeln sind (Im Ergebnis ebenso OLG Celle MDR 2012, 364).


Dieser Rechtssatz ist verallgemeinerungsfähig und kann ohne weiteres auf den Streitfall angewendet werden, bei dem die Haftung der Kredit gebenden Bank wegen eigenen Aufklärungsverschuldens unter mehreren Gesichtspunkten in Rede steht. Darauf hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller in dem Schriftsatz vom 21.03.2012 ausdrücklich hingewiesen. Gleichwohl hat sich das Landgericht über diese Entscheidung hinweggesetzt und sie in dem angefochtenen Beschluss nicht einmal erwähnt. Stattdessen hat das Landgericht ausgeführt, es sei für die Einrede der rechtskräftigen Entscheidung „unerheblich, auf welche rechtliche Aufklärungspflichtverletzung, also welche Anspruchsgrundlage, die Antragsteller ihre Klage nunmehr stützen wollen". Damit hat das Landgericht das Verfahrensgrundrecht der Antragsteller auf rechtliches Gehör verletzt. Denn das Gericht muss nicht nur das tatsächliche, sondern auch das rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und bei seiner Entscheidung berücksichtigen, soweit es erheblich ist (BVerfG NJW 1980, 2698; NJW-RR 1993, 383; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, vor § 128 Rn. 6b).


Auch wenn das Landgericht der Senatsentscheidung nicht folgen oder sie mit der Antragsgegnerin für unerheblich halten will, durfte es nach Maßgabe dieser Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren nicht darüber hinweggehen, weil der Rechtskrafteinwand dem Rechtsschutzbegehren der Antragsteller, wie unter 1. dargestellt, jedenfalls nicht zweifelsfrei im Wege steht. Mit dem beanstandeten Vorgehen hat das Landgericht das Grundrecht der Antragsteller (Art. 103 GG) daher auch in entscheidungserheblicher Weise verletzt.


b) Darüber hinaus durfte das Landgericht die Erfolgsaussicht nicht mit der Begründung verneinen, sämtliche Ansprüche der Antragsteller seien jedenfalls verjährt. Denn die Verjährungseinrede der Antragsgegnerin greift gerade nicht mit der vom Landgericht angenommenen Selbstverständlichkeit ein. Vielmehr ist bei der gebotenen summarischen Betrachtung die Wirkung des Gegenrechts zumindest insoweit zweifelhaft, als wiederum der von den Antragstellern verfolgten Anspruchsgrund in Bezug auf die arglistige Täuschung über die Innenprovisionen betroffen ist.


aa) Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, aus den Schriftsätzen des damaligen Prozessbevollmächtigten der Antragsteller, Rechtsanwalt C, ergebe sich eine umfassende Kenntnis aller in Betracht kommenden Pflichtverletzungen der Antragsgegnerin. Diese Begründung trägt jedoch die Verweigerung der nachgesuchten Prozesskostenhilfe nicht. Auch insoweit hat das Landgericht das Grundrecht der Antragsteller auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es sich nicht mit den Gründen des Senatsurteils vom 03.05.2011 (17 U 177/08) auseinandergesetzt hat, die allgemeine Rechtssätze zu der auch hier zu beurteilenden Rechtsfrage enthalten und von dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ausdrücklich als Rechtsargument in das Prozesskostenhilfe-Verfahren eingeführt worden sind (Schriftsatz vom 21.03.2012, S. 5 f.).


Es kann nach den vom Landgericht in Bezug genommenen Anwaltsschriftsätzen (Anlagen D 2, D 2a) keine Rede davon sein, dass dem Prozessbevollmächtigten, dessen Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis sich die von ihm vertretenen Anleger ab dem Zeitpunkt der Bevollmächtigung gem. § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen müssen, bereits im Jahre 2000 Umstände bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben waren, die eine Aufklärungspflicht der Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt des Wissensvorsprungs über ein arglistige Täuschung der Anleger durch die Vertriebsbeauftragten und/oder dessen Untervermittler begründeten.


Eine hinreichende Kenntnis des Rechtsanwalts C von einem entsprechenden Wissensvorsprung der Antragsgegnerin über eine aktive Täuschung der Anleger durch Verwendung des irreführenden Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags (OFA) im Hinblick auf das hier in Rede stehende Objekt in W ist nach den von der Antragsgegnerin in den Rechtsstreit eingeführten Passagen der Anwaltsschriftsätze nicht festzustellen. Vielmehr ergibt die Lektüre, dass der im Vorprozess von Rechtsanwalt C vorgetragene Haftungsgrund ersichtlich auf einer von einem Wissensvorsprung der finanzierenden Bank bzw. Bausparkasse unabhängigen Zurechnung des Verkäufer- oder Vermittlerhandelns in Anwendung des § 278 BGB (vgl. Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 07.02.2012 S. 10: „der Bank zuzurechnende Täuschung des Vertriebs"; ebenso S. 12, 68) aufbaute oder - wie dem Senat aus anderen Zusammenhang bekannt ist - allenfalls auf das hier untaugliche Rechtsinstitut eines Einwendungsdurchgriffs gem. § 9 Abs. 3 VerbrKrG abstellte.


Ein spezifisches eigenes Aufklärungsverschulden der Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt des aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs wurde von Rechtsanwalt C nicht geltend gemacht. Auf der Grundlage dies von ihm falsch angelegten Rechtsrahmens begnügte sich Rechtsanwalt C unter Verkennung der so genannten Trennungstheorie mit dem Vortrag einer arglistigen Täuschung der Anleger durch Vertriebsmitarbeiter über die in dem Formular zum Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag aufgelisteten Provisionen (vgl. etwa Klageschrift im Vorprozess, Anlage D 2, Seite 18), weil er irrtümlich der Meinung war, die Antragsgegnerin müsse sich das vorsätzliche Aufklärungsverschulden von Verkäufer und Vertriebsbeauftragten ohne Weiteres zurechnen lassen. Das ist aber rechtlich haltlos. Denn das dolose Verhalten des Vermittlers durch Falschangaben zum Anlageobjekt oder zur Rendite der Kapitalanlage wird der Bank, die sich auf die Rolle des Kreditgebers beschränkt, sich nicht selbst arglistig verhält oder gar an unlauteren Machenschaften von Verkäufer oder Vertrieb beteiligt und keinen Wissensvorsprung hat, nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (sog. Trennungstheorie) gerade nicht zugerechnet (Senatsurteil vom 03.05.2011 - 17 U 177/08, Umdruck S. 22). Ganz offenbar war der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller seinerzeit mangels ausreichender Kenntnis von den haftungsbegründenden Tatsachen nicht in der Lage, substantiiert zur Kenntnis der Antragsgegnerin von der Täuschungshandlung der Vertriebsmitarbeiter vorzutragen und eine hierauf gestützte Klage mit Erfolg zu erheben, wie die klagabweisenden Entscheidungen aus der damaligen Zeit belegen.


Nicht entscheidungserheblich ist daher der bloße Umstand, dass die Antragsteller im Vorprozess die „versteckten Innenprovisionen" zum Thema ihres Klagevorbringens gemacht haben. Es fehlt der Hinweis auf ein konkretes Vorbringen des Prozessbevollmächtigten, aus dem sich dessen maßgebliche Kenntnis von der Kenntnis der Antragsgegnerin in Bezug auf den hier verfolgten Haftungsgrund der Täuschung über Innenprovisionen ergibt. Einen solchen Textbezug zeigt die Antragsgegnerin nicht auf. Zwar hat das Landgericht einen solchen in dem angegriffenen Beschluss behauptet, indem es ohne weitere Begründung auf die Seiten 17 und 19 des Schriftsatzes von Rechtsanwalt C vom 16.06.2000 verweist. Dort ist aber gerade nicht die Rede davon, dass die Antragsgegnerin über versteckte Innenprovisionen im Bilde gewesen sein soll (vgl. Anlage D 2a). Vielmehr wird lediglich der Themenkomplex „versteckte Innenprovisionen" angesprochen, wobei sich der konkrete Vorwurf der Täuschung gegen die Geschäftsführer von H richtet und ein Bezug zu dem hier in Rede stehenden Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag gerade nicht hergestellt wird. Hinreichende Indizien dafür, dass seinerzeit auf der Seite der Antragsteller „umfassende Kenntnis" herrschte, wie das Landgericht meint, liegen nicht vor. Der schriftsätzliche Klägervortrag im Vorprozess enthielt nicht die konkrete Behauptung, die Antragsgegnerin selbst habe Kenntnis vom täuschenden Inhalt des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsvertrages gehabt. Die Antragsgegnerin selbst bestreitet bis heute ihre Kenntnis von der Verwendung der Formulare gegenüber den Anlegern und damit ihre Kenntnis von der darin liegenden arglistigen Täuschung (vgl. nur das Senatsurteil 17 U 177/08, S. 17 und Schriftsatz vom 07.02.2012, S. 80 ff.).


Rechtsanwalt C hat seinerzeit, wie dem Senat bekannt ist, darüber hinaus lediglich den pauschalen Vorwurf erhoben, die Antragsgegnerin habe sich an einem betrügerischen Anlagekonzept beteiligt bzw. die Geschäftsidee des Vertriebs in kollusivem Zusammenwirken mitgetragen (vgl. Senatsurteil 17 U 177/08, S. 25). Ein solches Vorbringen reicht jedoch bei Weitem nicht zur Anspruchsbegründung. Einem entsprechenden Versuch hat der Bundesgerichtshof, worauf insbesondere die Antragsgegnerin stets im Zusammenhang mit der Schlüssigkeit von Schadensersatzklagen ihrer Kreditkunden hinweist (vgl. auch jetzt Schriftsatz vom 07.02.2012, S. 70), in der bekannten Entscheidung vom 20.03.2007 (XI ZR 414/04) eine „eindeutige Absage" erteilt.


bb) Soweit sich die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Verjährungseinrede - sogar in erster Linie (Schriftsatz vom 07.02.2012, S. 12 ff.) - auf den Prüfbericht von E (BaFin-Bericht) bezieht, der bereits auf die vom Vertrieb angeblich arglistig verschwiegenen Innenprovisionen hingewiesen habe, kann sie damit die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage nicht in Frage stellen.


Zunächst geht es im Streitfall nicht um den Vorwurf einer Täuschung durch Unterlassen, sondern durch positives Tun (Verwendung des OFA-Formulars). Außerdem folgt aus der zitierten Senatsrechtsprechung zur Verjährung (zuletzt Urteil vom 24.05.2011 - 17 U 229/10) nicht eine generelle Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Anleger hinsichtlich sämtlicher in Betracht kommender Haftungsgründe. Dieses Urteil betraf den Vorwurf einer arglistigen Täuschung des Vertriebs über die Mietpoolerträge und den entsprechenden Wissensvorsprung der finanzierenden Antragsgegnerin. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin folgt hieraus für die vorliegende Streitsache, in der es um einen anderen Haftungsgrund geht, nichts zu Gunsten der Antragsgegnerin. Denn für die Antragsteller musste sich aufgrund der Presseberichte nicht aufdrängen, dass sie die Antragsgegnerin selbst und unmittelbar wegen der dieser bei Abschluss des Vorausdarlehens bekannten Täuschung über die Innenprovisionen und damit aus anderen Gründen als die im Vorprozess angeführten für ihren Schaden haftbar machen konnten.


Der Senat hat in dem bereits erwähnten Urteil vom 03.05.2011 (17 U 177/08) die Verjährungseinrede der Antragsgegnerin in einem ähnlich gelagerten Fall wie hier zurückgewiesen. An der zu Grunde liegenden Rechtsauffassung hält der Senat fest. Demgegenüber will die Antragsgegnerin für den Eintritt der Verjährung genügen lassen, dass einem (bis spätestens 31.12.2005 zu bestellenden) Prozessbevollmächtigten der Antragsteller bereits im Jahre 2004 der Prüfbericht von E (BaFin-Bericht) bekannt gewesen sei, aus dem sich nicht nur die Zusammenarbeit der Antragsgegnerin mit H ergeben habe, sondern auch tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Vertriebsmitarbeiter deutlich höhere Provisionen erhalten haben, als im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag mitgeteilt werde (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 07.02.2012, S. 47 f.). Diese Erwägung vermag die Einrede der Verjährung nicht zu stützen.


Eine den Lauf der Verjährungsfrist auslösende Kenntnis der Antragsteller von allen Anspruchsvoraussetzungen, von denen eine Haftung der Antragsgegnerin infolge Wissensvorsprungs im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung durch den Verkäufer Eigentumswohnung oder den von diesem eingeschalteten Vertrieb abhängt, insbesondere also auch der Kenntnis eines Verantwortlichen der Antragsgegnerin (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) von einer arglistigen Täuschung der Antragsteller bei Vertragsabschluss, kann jedenfalls zu diesem frühen Zeitpunkt nicht angenommen werden. Für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährungsfrist im Verhältnis zur Antragsgegnerin ergeben die aufgrund des Prüfberichts von E zu gewinnenden Erkenntnisse nichts. Es kann keine Rede davon sein, dass ein auch mit der Sache vertrauter Rechtsanwalt spätestens im Dezember 2004 die anspruchsbegründenden Umstände kannte bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit kennen, also in jedem Fall Kenntnis von der Kenntnis der Antragsgegnerin haben musste.


Das folgt insbesondere nicht aus dem von der Antragsgegnerin zitierten Abschnitt des Prüfberichts auf Seite 39 (4.2.2.1.2.2.). Zwar betrifft die Passage ganz offensichtlich unmittelbar die Antragsteller (Eheleute M und N). Es wird davon berichtet, dass zugunsten des Vertriebs in höherem Umfang, als gegenüber den Kreditnehmern ausgewiesen (gemeint ist offenbar im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag), Provisionen geflossen und aus dem Kaufpreis abgezweigt worden sind. Allerdings stellen die Prüfer lediglich eine Vermutung auf, dass ein Teil des Kaufpreises an die Vertriebsgesellschaft zurückgeflossen sei, deren Umfang (so genannte weiche Kosten) nicht nachvollzogen werden könne. Auf der Basis dieser Informationen über eine „generelle Provisionspraxis" der H hätten die Antragsteller allenfalls den schlüssigen Vorwurf einer arglistigen Täuschung durch den Vertrieb erheben, allerdings keine Angaben dazu machen können, in welcher Höhe tatsächlich in ihrem Falle Provisionszahlungen erfolgten. Insoweit lag es nahe, dass die Antragsgegnerin eine etwa von den Anlegern vorgenommene Abschätzung der Größenordnung der geflossenen Provisionen in Abrede genommen (wie das später in den Rechtsstreitigkeiten vor dem Senat auch geschehen ist) und daher einer Haftungsklage von vornherein die Grundlage entzogen hätte.


Die Anleger selbst und auch etwa ein von ihnen beauftragter Rechtsanwalt konnten aber aufgrund des Prüfberichts im Jahre 2004 nicht mehr wissen als die Prüfer selbst, denen lediglich die von der Antragsgegnerin überlassenen Unterlagen zur Verfügung standen. Insbesondere hatten sie weder im Jahre 2004 noch in den Folgejahren die Möglichkeit, dem im Bericht geäußerten Verdacht nachzugehen und zur Gewissheit zu erstarken. Denn es ist gerichtsbekannt, dass sich die Antragsgegnerin einer weiteren Kenntnisnahme der Anlegeranwälte widersetzt hat und ihnen jeden Einblick in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft per einstweiliger Verfügung hat untersagen lassen.


Entscheidend kommt jedoch auch im Streitfall hinzu, dass die Antragsteller aufgrund der Darlegungen im Prüfbericht keinen Grund zu der Annahme hatten, die Antragsgegnerin selbst hätte Kenntnis von der Auflistung der Vertriebsvergütungen durch den Vertrieb und der darin liegenden arglistigen Täuschung gegenüber den Anlegern gehabt. Das ergibt sich aus der von der Antragsgegnerin zitierten Passage des Prüfberichts gerade nicht. Insoweit reicht es aber entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin nicht aus, dass die Anspruchssteller in der Person eines Prozessbevollmächtigten aus dem Prüfbericht die Umstände kannten, aus denen sich die institutionelle Zusammenarbeit der Antragsgegnerin mit der Verkäuferseite und dem Vertrieb ergab. Denn für den Verjährungsbeginn genügt nicht bereits die Kenntnis der für die Begründung der Wissensvermutung ausreichenden Tatumstände. Erforderlich ist vielmehr, dass die Gläubiger Tatsachen kennen bzw. grob fahrlässig nicht kennen, aus denen sich die positive Kenntnis des Beklagten von der arglistigen Täuschung ergeben.


Die von der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Haftung einer Finanzierungsbank aus einem vorvertraglichen Aufklärungspflichtschulden wegen eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs aufgestellte Beweiserleichterung in Form der Wissensvermutung ist für die Frage des Beginns der Verjährung irrelevant. Die Beweisvermutung ersetzt nicht die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis des Anspruchstellers von den die Rechtspflicht der Beklagten zur Aufklärung begründenden Umstände. Deshalb darf nicht von der Feststellung abgesehen werden, wann die Anspruchsteller bzw. ihr Prozessvertreter Kenntnis davon erlangt haben, dass die Antragsgegnerin ihrerseits die arglistige Täuschung der Anleger in dem OFA-Formular durch den Vertrieb erkannt hatte. Denn erst an diesen Wissensvorsprung knüpft die Rechtspflicht der Antragsgegnerin zur Aufklärung ihrer Vertragspartner an.


III. Damit erweist sich das Begehren der Antragsteller als begründet. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist der angefochtene Beschluss daher aufzuheben und das Verfahren gem. § 572 Abs. 3 ZPO hinsichtlich der Entscheidung über die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe sowie zur Herbeiführung eines sachgerechten Antrags (§ 139 ZPO) zurückzuverweisen.


Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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