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Wirtschaftsrecht
28.01.2009
Wirtschaftsrecht
AG Leipzig: Haftung der Bank wegen fehlerhafter Beratung eines Zertifikate-Anlegers

AG Leipzig, Urteil vom 10.11.2008 - 115 C 3759/08

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt Schadenersatz aus einem Beratungsfehler der Beklagten.

Die Tochter der Klägerin beabsichtigte eine 3-jährige Ausbildung auf einer Privatschule zu machen, für die Gebühren in Höhe von ca. 23 000,00 Euro anfallen sollten. Ein Betrag in Höhe von 30 000,00 Euro wurde daher von Verwandten der Tochter zur Verfügung gestellt. Am 22.12.2006 begab sich die Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge , zur Niederlassung der Beklagten am Augustusplatz in Leipzig in der Absicht, die 30 000,00 Euro als Festgeld anzulegen. Die Beklagte warb zu diesem Zeitpunkt mit einem Zins in Höhe von 4,5 %. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden an eine Beraterin, die Zeugin vermittelt. Die Zeugin erstellte ein Risikoprofil mit dem Ehepaar, bei dem folgende Fragen wie folgt beantwortet wurden:

- Bei meinen Anlagen steht ausschließlich die Sicherheit im Vordergrund:                                        stimme voll zu

- In Geldangelegenheit gehe ich nur ungern Risiken ein:                                                                        stimme voll zu

- Ich möchte gerne höhere Redentien erzielen und bin dafür bereit, Risiken zu akzeptieren:                stimme nicht zu

- Auch wenn nur ein Teil meines Vermögens verloren geht, würde mich das stark belasten:                stimme voll zu

Die Zeugin empfahl der Klägerin 10 000,00 Euro als Festgeld anzulegen und für den Restbetrag in Höhe von 20 000,00 Euro ein "Premium Express Defensiv VIII Zertifikat" zu erwerben. Hierbei handelt es sich um eine Finanzinnovation mit einem schwankenden Kurs, der an den EURO STOXX 50 gekoppelt ist. Falls der Index währen der Laufzeit über 50 % fällt, entfällt die Kapitalgarantie zum Ende der Laufzeit und es können erhebliche Verluste eintreten. Nur wenn der Dow Jones EURO STOXX 50 zu den Beobachtungsterminen, welche jeweils am 21.1. eines Kalenderjahres, erstmals am 21.1.2008, sind, über dem Stand des Indexes zum Zeitpunkt des Erwerbes des Zertifikates liegt, besteht ein Rückgaberecht des Anlegers. Die Anlage ist nicht durch den Einlagesicherungsfonds garantiert.

Die Klägerin erwarb das Zertifikat und zahlte am 12.1.2007 20 400,00 Euro ein. Zum Beobachtungstermin am 21.1.2008 war der Kurs gefallen, so dass ein Rückgaberecht nicht bestand. Die Klägerin benötigte jedoch einen über das Festgeld in Höhe von 10 000,00 Euro hinausgehenden Betrag, so dass sie das Zertifikat am 6.3.2008 für 17 928,00 zurückgab.

Die Klägerin hat ihre Ansprüche gegen die Beklagte mit Schreiben vom 15.2.2008 geltend gemacht. Die Beklagte hat Ansprüche mit Schreiben vom 29.2.2008 abgelehnt. Daraufhin hat die Klägerin den Prozessbevollmächtigten beauftragt, der die Beklagte am 25.3.2008 nochmals erfolglos zur Schadenersatzleistung aufgefordert hat.

Die Klägerin trägt vor, sie habe der Zeugin geschildert, dass sie das Geld für die 3-jährige Ausbildung ihrer Tochter ab September 2007 benötige und dieses sukzessive über den Zeitraum der Ausbildung verbraucht werden soll. Sie sei über die Risiken des Zertifikates nicht aufgeklärt worden. Die Zeugin habe gesagt, da sie zunächst nicht die volle Summe benötige, könne sie das Geld auch besser anlegen und 7 % Zinsen verdienen. Auch auf mehrfache Nachfrage, ob es sich auch um eine sichere Anlage handele, habe die Zeugin dies bejaht. Sie habe betont, dass es sich um eine sichere Anlage handele. Sie habe auch weder eine Produktbeschreibung noch sonstige Unterlagen erhalten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3 887,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin den Wunsch geäußert habe, 30 000,00 Euro als Festgeld anzulegen und diese sukzessive verbrauchen zu wollen. Die Klägerin habe lediglich auf die Möglichkeit der Festgeldanlage hingewiesen. Die Zeugin habe auf die steuerlichen Belange hingewiesen, die im Rahmen eines Anlagegeschäftes beachtet werden sollten. Insbesondere habe sie die Klägerin darauf hingewiesen, dass bei einer Festgeldanlage ein Zinsgewinn im Rahmen des zu erteilenden Freistellungsauftrages Berücksichtigung finden würde, mit der Folge, dass der Zinsgewinn zu versteuern sei. Die Zeugin habe daraufhin die Anlagemöglichkeit des Zertifikates erläutert. Das Risikoprofil habe ergeben, dass die Klägerin Informationen bis zur sogenannten Risikoklasse 5 wünsche. Die Zeugin habe auch detailliert über die Risiken aufgeklärt, wie z. B., dass eine vorzeitige Rückzahlung bereits nach einem Jahr möglich sei, bisher auch gute Erfahrungen mit solchen vorzeitigen Rückzahlungen gemacht wurden, sie jedoch nicht garantieren könne. Keinesfalls habe sie 7 % garantiert. Die Klägerin habe auch keine Notwendigkeit dargelegt für den Verkauf des Zertifikates, so dass die Geltendmachung des Differenzbetrages nicht schlüssig dargelegt sei. Auch könne der Zinsbetrag in Höhe von 1 055,70 Euro nicht verlangt werden, da die Beklagte gesetzlich verpflichtet sei, den Zinsgewinn im Rahmen des erteilten Freistellungsauftrages unmittelbar steuerlich zu berücksichtigen.

Das Gericht hat die Klägerin persönlich angehört. Darüber hinaus wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen und . Wegen des Ergebnisses der Anhörung der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 19.8.2008 und 21.10.2008 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 3 887,20 Euro aus 280, 249 Abs. 1, 252 BGB. Es liegt ein Beratungsfehler vor. Die Klägerin und der Zeuge haben glaubhaft dargelegt, dass sie der Zeugin gesagt haben, dass

das Geld für die 3-jährige Ausbildung der Tochter angelegt und daher sukzessiv verbraucht werden solle. Dies bestätigte auch die Zeugin teilweise. Alle Beteiligten sagten auch übereinstimmend aus, dass die Klägerin geäußert hat, das Geld als Festgeld anlegen zu wollen. Die Zeugin hat ein Risikoprofil erstellt. Die Zeugin selbst sagte aus, dass aufgrund des Risikoprofils feststand, dass die Eheleute ~ sehr sicherheitsorientiert und sehr konservativ sind. Sie hatte daher die Einlassung der Klägerin und die Aussage des Ehemannes, dass sie eine sichere Anlage wollten, vollumfänglich bestätigt. Dennoch hat die Zeugin das Zertifikat angeboten. Dies begründete sie damit, dass sie auf die steuerlichen Belange zu sprechen gekommen sei, da die Einlage steuerfrei sei, soweit das Geld für mindestens 1 Jahr angelegt werde. Viele Leute würden auch bei einem sicherheitsorientierten Risikoprofil mehr Risiko eingehen, wenn auf den steuerlichen Vorteil hingewiesen würde. Ein steuerlicher Vorteil setzt jedoch voraus, dass der Sparerfreibetrag der Eheleute überhaupt ausgeschöpft ist. Bei einer Anlage über 30 000,00 Euro bei 4,5 Zinsen wäre der Sparerfreibetrag von 1 602,00 Euro nicht ausgeschöpft gewesen. Die Zeugin sagte, dass sie nicht mehr wisse, ob sie nach weiteren Anlagen bzw. nachgefragt habe, ob der Freibetrag ausgeschöpft sei. Nach Aussage der Zeugin war der angebliche Steuervorteil jedoch gerade der Grund für eine höhere Risikobereitschaft. Die Aussage der Zeugin ist daher in sich nicht schlüssig, so dass ihr nicht gefolgt werden kann. Zu den einzelnen Hinweisen, Erläuterungen und Aufklärung im vorliegenden Fall hat die Zeugin auch keine konkrete Aussage getroffen. Sie bekundete lediglich, dass sie jeweils eine ausführliche Aufklärung tätige und sie dies auch sicherlich vorliegend getan habe. Diese Aussage ist jedoch nicht geeignet, die glaubhaften Aussagen der Klägerin und des Zeugen zu widerlegen. Die Aussage des Zeugen   stimmte mit der Einlassung seiner Ehefrau überein. Das Gericht ist daher der Überzeugung, dass das Zertifikat als eine sichere Anlage mit einem höheren Prozentsatz als das Festgeld dargestellt, zumindest eine Sicherheit suggeriert wurde. Dies ist auch teilweise der Aussage der Zeugin selbst zu entnehmen, die bekundete, dass in den letzten Jahren das Zertifikat jedes Jahr fällig geworden sei. Nachdem der Grund der Anlage bekannt und das Risikoprofil erstellt war, hätte das Zertifikat nicht empfohlen werden dürfen. Dies stand bereits dem Wunsch der Kläger entgegen, die zum einen eine sichere Anlage und zum anderen einen sukzessiven Verbrauch begehrten. Das Zertifikat im Zusammenhang mit einem steuerlichen Vorteil zu verkaufen, hätte steuerliche Nachteile vorausgesetzt, die offensichtlich nicht geprüft wurden. Aufgrund dieser Umstände folgt das Gericht auch den Aussagen der Klägerin und des Zeugen, die übereinstimmend aussagten, dass sie über das Risiko in keinster Weise aufgeklärt wurden. Es liegt damit ein Beratungsfehler vor.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Klägerin hätte bei einem Zinssatz von 7 % ein Risiko vermuten müssen. Sie hat jedoch, ebenso wie der Zeuge, glaubhaft bekundet, dass sie mehrmals nachgefragt habe, ob die Anlage auch wirklich sicher sei. Auch trifft es zu, dass der Klägerin mit Schreiben vom 19.1.2007 der Abschluss des Erwerbes bestätigt und diesem Schreiben die Risiken zu entnehmen sind. Der Kauf war jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits aufgrund eines Beratungsfehlers abgeschlossen. Eine nachträgliche Aufklärung steht dem Anspruch nicht entgegen.

Die Klägerin hat daher Anspruch auf Schadenersatz.

Insoweit ist zunächst der Kursverlust in Höhe von 2 472,00 Euro zu ersetzen. Es handelt sich um einen adäquat verursachten Schaden. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Grund der Veräußerung. Der Klägerin steht es aufgrund der Falschberatung frei, die Anlage zu verkaufen.

Die Klägerin kann darüber hinaus gemäß § 252 BGB die entgangenen Zinsen für eine Anlage auf einem Festgeldkonto in Höhe von 4,5 % vom 12.10.2007 bis 6.3.2008 aus einem Betrag in Höhe von 20 400,00 Euro verlangen. Dies entspricht dem geltend gemachten Betrag in Höhe von 1 055,70 Euro. Insoweit liegt auch ein schlüssiger Vortrag vor. Soweit die Beklagte insoweit auf einen möglichen steuerlichen Abzug hinweist, ist ein solcher nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 359,50 EUR aus §§ 280, 249 BGB. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes war aufgrund der fehlerhaften Beratung erforderlich und ist im Rahmen des Schadenersatzanspruches zu ersetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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