BGH: Grundpreisangabe im Internet
BGH, Versäumnisurteil vom 19.5.2022 – I ZR 69/21
ECLI:DE:BGH:2022:190522UIZR69.21.0
Volltext: BB-Online BBL2022-1601-4
Amtliche Leitsätze
a) § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV geht mit seiner Forderung, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, nicht über die Mindestharmonisierung der Richtlinie 98/6/EG hinaus. § 2 Abs. 1 Satz 1 PAnGV konkretisiert damit lediglich das Erfordernis der klaren Erkennbarkeit des Grundpreises aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG.
b) Da der Grundpreis als Preis je Maßeinheit auf den Verkaufspreis bezogen ist, ist er nicht schon dann klar erkennbar, wenn er für sich genommen deutlich wahrnehmbar ist. Vielmehr ist er nur dann als solcher klar erkennbar, wenn er in dem Sinne in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises steht, dass er zusammen mit diesem auf einen Blick wahrgenommen werden kann (Fortführung von BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 163/06, GRUR 2009, 982 = WRP 2009, 1248 - Dr. Clauder's Hufpflege).
Sachverhalt
Der Kläger, ein eingetragener Verein, ist ein Interessenverband von Online-Unternehmen. Der Beklagte ist Online-Händler.
Der Kläger stellte am 13. Oktober 2019 fest, dass der Beklagte im Internet Kraftfahrzeugzubehör - ein Hydro-Stößel-Additiv mit einem Volumen von 300 ml und eine Keramik-Paste mit einem Gewicht von 50 g - anbot, ohne den Grundpreis anzugeben.
Nachfolgend ist jeweils die erste Seite des Angebots eingeblendet:
In einem In einem vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Beklagte verpflichtet worden, es zu unterlassen, Angebote für Kraftfahrzeugzubehör zu veröffentlichen und/oder unter Angabe von Preisen zu bewerben und/oder Angebote bzw. Preiswerbung zu unterhalten, ohne den Grundpreis und den Gesamtpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar anzugeben. Soweit der Kläger außerdem begehrt hatte, dem Beklagten zu verbieten, Kraftfahrzeugzubehör anzubieten und/oder zu bewerben, ohne den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, ist sein Antrag zurückgewiesen worden.
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe den Grundpreis "in unmittelbarer Nähe" des Gesamtpreises anzugeben. Er beantragt im vorliegenden Hauptsacheverfahren, den Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr betreffend Kraftfahrzeugzubehör Angebote zu veröffentlichen und/oder unter Angabe von Preisen zu werben und/oder Angebote bzw. Preiswerbung zu unterhalten,
bei denen es sich nach Volumen von 10 ml und mehr angebotene und/oder beworbene Ware in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung handelt, für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengenangabe (Grundpreis) "in unmittelbarer Nähe" (als Konkretisierung des Merkmals "klar erkennbar") zum Gesamtpreis angegeben werden. Ausgenommen sind kosmetische Mittel, die ausschließlich der Färbung oder Verschönerung der Haut, des Haares oder der Nägel dienen,
und/oder
bei denen es sich um nach Gewicht von 10 g und mehr angebotene und/oder beworbene Ware in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung handelt, für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) "in unmittelbarer Nähe" (als Konkretisierung des Merkmals "klar erkennbar") zum Gesamtpreis angegeben werden. Ausgenommen sind kosmetische Mittel, die ausschließlich der Färbung oder Verschönerung der Haut, des Haares oder der Nägel dienen,
wenn dies wie nachstehend wiedergegeben erfolgt: (es folgt eine vollständige Einblendung der oben auszugsweise wiedergegebenen Angebote des Beklagten).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Der ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Der Kläger hat beantragt, über sein Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Aus dem Gründen
8 A. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil der Grundpreis nicht mehr gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben werden müsse. Zur Begründung hat es ausgeführt:
9 Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse sei nur vorgesehen, dass der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein müssten. § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV gehe mit dem Erfordernis der "unmittelbaren Nähe" über die Mindestanforderungen der Richtlinie 98/6/EG hinaus. Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt erlaube den Mitgliedstaaten nur für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007, nationale Vorschriften beizubehalten, die restriktiver oder strenger seien als diese Richtlinie. § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV müsse daher nach Ablauf des 12. März 2013 unionsrechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass das Erfordernis der "unmittelbaren Nähe" keine Anwendung mehr finde. Maßgebend sei nach Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 98/6/EG, ob der Verbraucher anhand einfacher Vergleiche eine fundierte Entscheidung treffen könne. Dies setze beim Onlinehandel nicht notwendig voraus, dass Gesamt- und Grundpreis "auf einen Blick" wahrnehmbar seien. Es reiche aus, wenn der Grundpreis, soweit es dessen Angabe bedürfe, auf derselben Internetseite dargestellt werde wie der Gesamt- bzw. Verkaufspreis und zwar unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar. Der durchschnittliche Internetnutzer sei daran gewöhnt, dass für ein Erfassen aller wesentlichen Angaben häufig ein Scrollen erforderlich sei.
10 B. Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil der Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 118/20, GRUR 2021, 1516 Rn. 13 = WRP 2022, 62 - Eigennutzung, mwN).
11 C. Die Revision des Klägers hat Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu C I). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht verneint werden (dazu C II).
12 I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt (dazu C I 2), der Klageantrag hinreichend bestimmt (dazu C I 3) und besteht für die Klage ein Rechtsschutzbedürfnis (dazu C I 4).
13 1. Die Zulässigkeit der Klage ist auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/18, BGHZ 231, 116 Rn. 12 - Deutsche Digitale Bibliothek II, mwN).
14 2. Die Klagebefugnis des Klägers folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (aF).
15 a) Am 1. Dezember 2021 ist § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (BGBl. I 2020 S. 2568) in Kraft getreten (vgl. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 dieses Gesetzes). § 15a Abs. 1 UWG bestimmt aber, dass § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF nicht auf Verfahren anzuwenden ist, die am 1. September 2021 bereits rechtshängig sind. Da der Streitfall an diesem Stichtag bereits rechtshängig war, ist weiterhin § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF anzuwenden.
16 b) Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF stehen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.
17 Diese Vorschrift regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis, die als Sachurteilsvoraussetzung nicht nur im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung bestanden haben, sondern auch im Revisionsverfahren noch fortbestehen muss. Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, ist der Senat auch als Revisionsgericht nicht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden. Das Revisionsgericht hat vielmehr selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Klagebefugnis erfüllt sind; es kann sich hierbei des Freibeweises bedienen. Die Tatsachen, aus denen sich die Klagebefugnis ergibt, müssen spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben und im Revisionsverfahren fortbestehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - I ZR 35/21, GRUR 2022, 490 Rn. 20 = WRP 2022, 441 - Influencer III, mwN).
18 c) Das Berufungsgericht ist von der Klagebefugnis des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF ausgegangen. Der Kläger hat mit der Klageschrift ausführlich zu seiner Anspruchsberechtigung vorgetragen und insbesondere dargelegt, dass ihm mehr als 20 Händler angehören, die bundesweit über das Internet Kraftfahrzeugzubehör vertreiben. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Angaben nicht zutreffen.
19 3. Der Unterlassungsklageantrag ist im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
20 a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 90/20, BGHZ 231, 38 Rn. 19 - Influencer I, mwN).
21 Der Streitgegenstand wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch den Klageantrag, in dem sich die von der Klagepartei in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem die Klagepartei die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 18 - Biomineralwasser; Urteil vom 25. Juni 2020 - I ZR 96/19, GRUR 2020, 1226 Rn. 23 = WRP 2020, 1426 - LTE-Geschwindigkeit, mwN). Richtet sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform wie beispielsweise eine Werbeanzeige, so ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (BGHZ 194, 314 Rn. 24 - Biomineralwasser; BGH, GRUR 2020, 1226 Rn. 24 - LTE-Geschwindigkeit, mwN). Der Streitgegenstand umfasst dann grundsätzlich alle Beanstandungen, zu der die konkrete Verletzungsform Anlass geben kann (BGH, GRUR 2020, 1226 Rn. 24 - LTE-Geschwindigkeit, mwN). Der weit gefasste Streitgegenstandsbegriff darf nicht dazu führen, dass der Beklagte neuen Angriffen des Klägers gegenüber schutzlos gestellt oder gezwungen wird, sich von sich aus gegen eine Vielzahl von lediglich möglichen, vom Kläger aber nicht konkret geltend gemachten Aspekten zu verteidigen. Der Kläger ist daher gehalten, substantiiert diejenigen Aspekte darzulegen, auf die er seinen Klageangriff stützen will (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2017 - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 Rn. 16 = WRP 2018, 413 - Tiegelgröße, mwN). Dabei kann der Kläger sich darauf beschränken, die konkrete Verletzungsform nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu beanstanden. Dazu muss er diesen Gesichtspunkt in seinem Klageantrag umschreiben, wobei er zur Verdeutlichung auf die konkrete Verletzungsform Bezug nehmen kann (vgl. BGHZ 194, 314 Rn. 25 - Biomineralwasser; BGH, GRUR 2020, 1226 Rn. 25 - LTE-Geschwindigkeit).
22 b) Der vom Kläger gestellte Klageantrag genügt diesen Anforderungen und grenzt den Streitgegenstand erkennbar ab. Der Kläger hat durch den in seinem Unterlassungsantrag enthaltenen Zusatz und den Vortrag zu seinem Klagebegehren klargestellt, dass er nicht allgemein eine Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung des Angebots von und der Werbung für Waren ohne Grundpreisangabe begehrt, sondern dass die Verurteilung des Beklagten ausschließlich unter dem Gesichtspunkt erfolgen soll, dass der Grundpreis "in unmittelbarer Nähe" zum Gesamtpreis anzugeben ist. Zur Verdeutlichung seines Begehrens hat der Kläger im Klageantrag auf die konkrete Verletzungsform - die in den Anlagen K 7 und K 7a wiedergegebenen Werbeanzeigen - Bezug genommen.
23 4. Für die Klage besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
24 a) Erkennt der Unterlassungsschuldner durch eine Abschlusserklärung eine gegen ihn ergangene Unterlassungsverfügung als nach Bestandskraft und Wirkung einem entsprechenden Hauptsachetitel gleichwertig an, wird dadurch das Rechtsschutzinteresse für eine Hauptsacheklage beseitigt, weil sie einen dem Unterlassungstitel gleichwertigen Vollstreckungstitel entstehen lässt (BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 177/07, GRUR 2010, 855 Rn. 16 = WRP 2010, 1035 - Folienrollos, mwN).
25 b) Der Kläger hat bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einen Vollstreckungstitel gegen den Beklagten erwirkt, durch den dieser im Hinblick auf die auch dem Streitfall zugrundeliegenden Angebote von Kraftfahrzeugzubehör verpflichtet worden ist, es zu unterlassen, Angebote zu veröffentlichen und unter Angabe von Preisen zu bewerben, ohne "Grundpreis und Gesamtpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar" anzugeben. Nach dem Vortrag des Klägers hat der Beklagte im Hinblick auf diese Entscheidung eine Abschlusserklärung abgegeben.
26 c) Dennoch besteht für das vorliegende Hauptsacheverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis. Aus dem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Urteil ergibt sich, dass der Vollstreckungstitel nicht die Verpflichtung des Beklagten umfassen soll, den Grundpreis "in unmittelbarer Nähe" des Gesamtpreises anzugeben. Der Klageantrag im vorliegenden Hauptsacheverfahren geht damit über den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Vollstreckungstitel hinaus.
27 II. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht verneint werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Beklagte dadurch gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV verstoßen, dass er in der beanstandeten Internetwerbung den Grundpreis nicht in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben hat.
28 1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV hat derjenige, der Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, neben dem Gesamtpreis (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV) auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben. Diese Vorschrift hat ihre unionsrechtliche Grundlage in der Richtlinie 98/6/EG (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2019 - I ZR 85/18, GRUR 2019, 641 Rn. 13 = WRP 2019, 724 - Kaffeekapseln, mwN).
29 2. Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zu Recht zugrunde gelegt, dass der Beklagte in den beanstandeten Angeboten gewerbs- oder geschäftsmäßig Waren in Fertigpackungen nach Gewicht und Volumen angeboten hat und dies die Pflicht zur Angabe des Grundpreises nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV auslöst.
30 a) Der Beklagte hat in den beanstandeten Werbeanzeigen als Online-Händler gewerbs- oder geschäftsmäßig Waren (ein Hydro-Stößel-Additiv und eine Keramik-Paste) nach Volumen bzw. Gewicht (300 ml bzw. 50 g) in Fertigpackungen angeboten.
31 aa) Für den Begriff der Fertigpackung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV gilt die Legaldefinition in § 42 Abs. 1 des am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetzes über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie über Fertigpackungen (Mess- und Eichgesetz - MessEG; vgl. BGH, GRUR 2019, 641 Rn. 16 - Kaffeekapseln; vgl. auch § 2 Nr. 2 PAngV in der ab dem 28. Mai 2022 geltenden Fassung). Danach sind Fertigpackungen Verpackungen beliebiger Art, in die in Abwesenheit des Käufers Erzeugnisse abgepackt und die in Abwesenheit des Käufers verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann. So liegt es im Streitfall.
32 bb) Der Begriff des Anbietens gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV umfasst jede gezielt auf den Absatz eines bestimmten Produkts gerichtete werbliche Ankündigung, durch die der Verbraucher so viel über das Produkt und dessen Preis erfährt, dass er sich für den Kauf entscheiden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2013 - I ZR 123/12, GRUR 2014, 403 Rn. 8 = WRP 2014, 435 - DER NEUE, mwN). Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Der Inhalt der beanstandeten Werbeanzeigen ist so konkret gestaltet, dass der Abschluss des Geschäfts aus der Sicht der Kunden ohne weiteres möglich erscheint (vgl. BGH, GRUR 2014, 403 Rn. 10 - DER NEUE).
33 b) § 2 Abs. 1 PAngV ist zwar nicht anzuwenden auf Waren, die über ein Nenngewicht oder Nennvolumen von weniger als 10 Gramm oder Milliliter verfügen (§ 9 Abs. 4 Nr. 1 PAngV) und - auch darauf stellt der Klageantrag ab - bei kosmetischen Mitteln, die ausschließlich der Färbung oder Verschönerung der Haut, des Haares oder der Nägel dienen (§ 9 Abs. 5 Nr. 2 PAngV). Die vom Beklagten angebotenen Waren verfügen aber über ein Nenngewicht bzw. Nennvolumen von mehr als 10 Gramm bzw. Milliliter. Es handelt sich dabei auch nicht um kosmetische Mittel.
34 3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, seit dem 12. Juni 2013 sei das in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV vorgesehene Erfordernis, den Grundpreis "in unmittelbarer Nähe" des Gesamtpreises anzugeben, im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG nicht mehr anzuwenden, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
35 a) Mit der Richtlinie 2005/29/EG werden die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern auf Unionsebene vollständig harmonisiert. Daher dürfen die Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG keine strengeren Maßnahmen erlassen als die, die in der Richtlinie festgelegt sind und zwar selbst dann nicht, wenn die Maßnahmen ein höheres Verbraucherschutzniveau bezwecken (vgl. Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG; EuGH, Urteil vom 23. April 2009 - C-261/07 und C-299/07, Slg. 2009, I-2949 = GRUR 2009, 599 Rn. 52 - VTB-VAB und Galatea; Urteil vom 9. November 2010 - C-540/08, Slg. 2010, I-10909 = GRUR 2011, 76 Rn. 30 - Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag; Urteil vom 10. Juli 2014 - C-421/12, GRUR Int. 2014, 964 Rn. 55 - Kommission/Belgien).
36 Dieser Grundsatz der Vollharmonisierung wurde durch die Öffnungsklausel in Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG in der bis zum 6. Januar 2020 geltenden Fassung (aF) modifiziert. Danach konnten die Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007 in dem durch die Richtlinie 2005/29/EG angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beibehalten, die restriktiver oder strenger waren als die Richtlinie und zur Umsetzung von Richtlinien erlassen worden waren, die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. Mit der am 7. Januar 2020 in Kraft getretenen Richtlinie (EU) 2019/2161 zur Änderung der Richtlinien 93/13/EWG, 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union wurde diese bereits zum 12. Juni 2013 ausgelaufene Öffnungsklausel durch eine neue - Haustürwerbung und Kaffeefahrten betreffende - Öffnungsklausel ersetzt (vgl. Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie [EU] 2019/2161). Diese Neuregelung ändert aber nichts daran, dass nach dem 12. Juni 2013 in dem durch die Richtlinie 2005/29/EG angeglichenen Bereich ein Verstoß gegen nationale Vorschriften, die zur Umsetzung mindestharmonisierender Richtlinien erlassen wurden und die restriktiver oder strenger als die Richtlinie 2005/29/EG sind, wettbewerbsrechtlich nicht sanktioniert werden kann, sofern keine andere (sachliche) Öffnungsklausel greift (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 - I ZR 135/20, GRUR 2021, 1320 Rn. 20 = WRP 2021, 1290 - Flaschenpfand III, mwN; vgl. auch Köhler, WRP 2013, 723 Rn. 1).
37 b) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass danach ein Verstoß gegen das sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV ergebende Gebot, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, wettbewerbsrechtlich nicht mehr sanktioniert werden kann. Dieses Gebot fällt zwar in den durch die Richtlinie 2005/29/EG angeglichenen Bereich (dazu C II 3 b aa); es wurde aber weder zur Umsetzung einer Klausel, die über die Mindestharmonisierung hinausgehende nationale Vorschriften zulässt, erlassen (dazu C II 3 b bb) noch ist es restriktiver oder strenger als die Richtlinie 2005/29/EG (dazu C II 3 b cc).
38 aa) Das Gebot, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, fällt in den durch die Richtlinie 2005/29/EG angeglichenen Bereich.
39 (1) Der durch die Richtlinie 2005/29/EG angeglichene Bereich im Sinne von Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG aF betrifft nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG unlautere Geschäftspraktiken im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts. In Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29/EG werden Geschäftspraktiken definiert als jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt. Darunter fällt grundsätzlich auch die Angabe des Grundpreises beim Angebot von Waren (zur Angabe des Verkaufspreises beim Angebot von Waren vgl. BGH, GRUR 2021, 1320 Rn. 21 - Flaschenpfand III, mwN).
40 (2) Das sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV ergebende Gebot, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, liegt nicht deshalb außerhalb des durch die Richtlinie 2005/29/EG angeglichenen Bereichs im Sinne von Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG aF, weil nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG bei einer Kollision der Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen unionsrechtlichen Vorschriften, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, die Letzteren vorgehen und für diese besonderen Aspekte maßgebend sind. Die beiden Bestimmungen stehen nebeneinander und regeln unterschiedliche Bereiche. Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG betrifft allein das Verhältnis unionsrechtlicher Vorschriften zueinander. Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG aF regelt dagegen das - hier in Rede stehende - Verhältnis des Unionsrechts zum nationalen Recht. Danach würde selbst für den - hier nicht vorliegenden (vgl. dazu unten Rn. 51) - Fall, dass es sich bei den Vorschriften der Richtlinie 98/6/EG um mit den Bestimmungen der Richtlinie 2005/29/EG im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG kollidierende und gegenüber diesen Bestimmungen vorrangige Regelungen handelte, gelten, dass auf der Grundlage der Richtlinie 98/6/EG erlassene nationale Vorschriften, die über die von dieser Richtlinie vorgesehene Mindestharmonisierung hinausgehen und restriktiver oder strenger als die Bestimmungen der Richtlinie 2005/29/EG sind, nach Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG aF nur bis zum 12. Juni 2013 beibehalten werden konnten (vgl. BGH, GRUR 2021, 1320 Rn. 30 bis 32 - Flaschenpfand III, mwN).
41 bb) Auch soweit § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV bestimmt, dass der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben ist, hat diese Vorschrift ihre unionsrechtliche Grundlage in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG. Sie beruht insoweit nicht auf der Regelung des Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG und damit nicht auf einer Klausel über eine Mindestangleichung im Sinne von Art. 3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG, die über die Mindestharmonisierung hinausgehende nationale Vorschriften zulässt.
42 (1) Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG ist bei Erzeugnissen, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden, neben dem Verkaufspreis (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG) der Preis je Maßeinheit (Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 98/6/EG) anzugeben. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG müssen der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Nach Art. 10 der Richtlinie 98/6/EG hindert diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht, unbeschadet ihrer Verpflichtung aus dem Vertrag für die Unterrichtung der Verbraucher und den Preisvergleich günstigere Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten.
43 (2) Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG ein Erfordernis, den Grundpreis "in unmittelbarer Nähe" des Gesamtpreises anzugeben, nicht ausdrücklich vorsehen. Dieses Erfordernis ergibt sich aber aus dem Ziel dieser Regelungen und dem Zweck der Richtlinie 98/6/EG. Der Verordnungsgeber war berechtigt, den Wortlaut der Richtlinie bei der Umsetzung ins nationale Recht entsprechend zu konkretisieren.
44 Richtlinien, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, sind nach Art. 288 Abs. 3 AEUV (vgl. vorher Art. 249 Abs. 3 EGV) hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Die dem Mitgliedstaat damit aufgegebene Umsetzung muss gewährleisten, dass das in der Richtlinie formulierte Ziel als Ergebnis erreicht wird (BGH, Urteil vom 14. Juli 2011 - III ZR 200/10, WM 2012, 371 Rn. 20 mwN). Eine Pflicht zur Umsetzung unter Übernahme des Wortlauts der Richtlinie besteht nicht (EuGH, Urteil vom 20. März 1996 - C-96/95, Slg. 1997, I-1653 Rn. 35 = NVwZ 1998, 48 - Kommission/Deutschland), auch wenn sich die Übernahme des Richtlinienwortlauts in das nationale Recht immer als unbedenkliche Form der Umsetzung einer Richtlinie erweist (vgl. Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 288 AEUV Rn. 120 [Stand Januar 2022]).
45 Der nationale Verordnungsgeber hat den Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG in zulässiger Weise dahin konkretisiert, dass der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben ist, weil damit das Ziel dieser Regelungen und der Zweck der Richtlinie 98/6/EG vollständig erreicht wird.
46 Mit der Angabe des Verkaufspreises und des Preises je Maßeinheit bei Erzeugnissen, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden, soll nach Art. 1 der Richtlinie 98/6/EG für eine bessere Unterrichtung der Verbraucher gesorgt und ein Preisvergleich erleichtert werden. Wie sich aus Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 98/6/EG ergibt, verfolgt diese Richtlinie das Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und die Politik der Mitgliedstaaten betreffend eine genaue, transparente und unmissverständliche Information der Verbraucher über die Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse zu unterstützen und zu ergänzen. Nach Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 98/6/EG trägt die Verpflichtung, den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit anzugeben, merklich zur Verbraucherinformation bei, da sie den Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten bietet, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 98/6/EG haben die Mitgliedstaaten für die Effizienz der in der Richtlinie 98/6/EG enthaltenen Regelungen Sorge zu tragen.
47 Es liegt auf der Hand, dass das mit der Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG, nicht nur den Verkaufspreis (Gesamtpreis), sondern auch den Preis je Maßeinheit (Grundpreis) klar erkennbar anzugeben, verfolgte Ziel, Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten zu bieten, Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen, nur erreicht wird, wenn der Grundpreis in der Weise in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben wird, dass beide Preise auf einen Blick wahrgenommen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 163/06, GRUR 2009, 982 Rn. 13 = WRP 2009, 1248 - Dr. Clauder's Hufpflege). § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV geht daher mit seiner Forderung, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, nicht über die Mindestharmonisierung der Richtlinie 98/6/EG hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2013 - I ZR 139/12, GRUR 2014, 576 Rn. 17 f. = WRP 2014, 689 - 2 Flaschen GRATIS; vgl. auch Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 16/10145, S. 14 f.; aA OLG Hamburg, LMuR 2020, 402 [juris Rn. 4]; WRP 2021, 88 [juris Rn. 13]; Köhler, WRP 2013, 723 Rn. 22 und 47). Vielmehr konkretisiert § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV damit lediglich das Erfordernis der klaren Erkennbarkeit des Grundpreises aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG. Da der Grundpreis als Preis je Maßeinheit auf den Verkaufspreis bezogen ist, ist er nicht schon dann klar erkennbar, wenn er für sich genommen deutlich wahrnehmbar ist. Vielmehr ist er nur dann als solcher klar erkennbar, wenn er in dem Sinne in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises steht, dass er zusammen mit diesem auf einen Blick wahrgenommen werden kann. Ein in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises platzierter Grundpreis eröffnet die in Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 98/6/EG geforderte optimale Möglichkeit für einfache Preisvergleiche.
48 Nichts Anderes gilt für die am 28. Mai 2022 in Kraft tretende Neuregelung der Verpflichtung zur Grundpreisangabe in § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV, die zwar nicht mehr das Erfordernis einer Grundpreisangabe "in unmittelbarer Nähe" des Verkaufspreises enthält, wohl aber nach wie vor das - im Wortlaut der Richtlinie ebenso wenig enthaltene - Erfordernis, dass der Grundpreis "neben" dem Gesamtpreis genannt wird, das nicht nur im Sinne von "zusätzlich", sondern darüber hinaus im Sinne von "nebeneinander" verstanden werden kann. Außerdem ist in der Neuregelung das sich zuvor aus § 1 Abs. 7 Satz 2 PAngV aF ergebende Gebot eingefügt, dass der Grundpreis (unter anderem) "klar erkennbar" sein muss. Die Vorgabe, dass der Grundpreis neben dem Gesamtpreis klar erkennbar anzugeben ist, ist unter Berücksichtigung des Zwecks der Richtlinie, Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten zu bieten, Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen, dahin zu verstehen, dass Gesamtpreis und Grundpreis auch weiterhin auf einen Blick wahrnehmbar sein müssen (vgl. Amtliche Begründung zur Novellierung der Preisangabenverordnung, BR-Drucks. 669/21, S. 36; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 4 PAngV nF Rn. 6).
49 cc) Das sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV ergebende Gebot, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, ist auch nicht restriktiver oder strenger als die Richtlinie 2005/29/EG. Die in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG geregelten und durch § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV ins nationale Recht umgesetzten Informationspflichten sind vielmehr zugleich wesentliche Informationspflichten gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG.
50 (1) Nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG, der durch § 5a Abs. 4 UWG in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung beziehungsweise § 5b Abs. 4 UWG in der ab dem 28. Mai 2022 geltenden Fassung ins nationale Recht umgesetzt wird, gelten die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden Liste des Anhangs II verwiesen wird, als wesentlich. In der Liste des Anhangs II zur Richtlinie 2005/29/EG wird zwar lediglich die Pflicht zur Angabe des Grundpreises bei der Werbung unter Angabe von Preisen (Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98/6/EG, § 2 Abs. 1 Satz 2 PAngV), nicht aber die - hier in Rede stehende - Pflicht zur Angabe des Grundpreises beim Angebot von Waren (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG, § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV) genannt. Dennoch gilt nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG nicht nur die Pflicht zur Angabe des Grundpreises bei der Werbung unter Angabe von Preisen, sondern auch die Pflicht zur Angabe des Grundpreises beim Angebot von Waren als wesentlich. Auch bei dieser Pflicht handelt es sich um eine im Unionsrecht festgelegte Informationsanforderung in Bezug auf kommerzielle Kommunikation. Da die Liste des Anhangs II nicht erschöpfend ist, steht einer Einstufung dieser Pflicht als wesentlich nicht entgegen, dass sie in dieser Liste nicht ausdrücklich genannt ist (BGH, GRUR 2019, 641 Rn. 32 - Kaffeekapseln).
51 (2) Die sich danach aus Art. 7 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2005/29/EG in Verbindung mit der Liste des Anhangs II zu dieser Richtlinie ergebende Verpflichtung, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises anzugeben, wird nicht nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG durch die entsprechende Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG verdrängt, weil insoweit keine Kollision vorliegt (zur Verpflichtung, den Verkaufspreis anzugeben vgl. BGH, GRUR 2021, 1320 Rn. 44 bis 48 - Flaschenpfand III).
52 Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG setzt eine Kollision der Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen unionsrechtlichen Vorschriften, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, voraus. Ob eine Kollision im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorliegt, ist in Bezug auf konkrete Bestimmungen zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-632/16, GRUR 2018, 940 Rn. 32 bis 41 = WRP 2018, 1049 - Dyson; Urteil vom 13. September 2018 - C-54/17 und C-55/17, GRUR 2018, 1156 Rn. 58 bis 68 = WRP 2018, 1304 - Wind Tre und Vodafone Italia; Urteil vom 10. September 2020 - C-363/19, GRUR 2020, 1230 Rn. 55 bis 62 = WRP 2020, 1420 - Konsumentombudsmannen; Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-632/16 vom 22. Februar 2018 Rn. 84 mit Fn. 28; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2020 - I ZR 176/19, GRUR 2020, 1002 Rn. 47 = WRP 2020, 1300 - Zigarettenausgabeautomat; BGH, GRUR 2021, 1320 Rn. 46 - Flaschenpfand III).
53 Soweit die Richtlinie 2005/29/EG über ihren Art. 7 Abs. 5 die Vorschriften der Richtlinie 98/6/EG integriert, fehlt es an einem Kollisionsfall (vgl. Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., Einf. PAngV Rn. 14; Büscher/Schilling, UWG, 2. Aufl., Einl. PAngV Rn. 30; zum Begriff der Kollision vgl. EuGH, GRUR 2018, 1156 Rn. 60 f. - Wind Tre und Vodafone Italia). Insoweit ergänzen sich die Richtlinien vielmehr (zum entsprechenden Verhältnis der Richtlinie 2005/29/EG zur Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - C-544/13 und C-545/13, GRUR 2015, 1028 Rn. 78 = WRP 2015, 1206 - Abcur). Das ergibt sich auch daraus, dass die Verweisung in Art. 7 Abs. 1 und 5 in Verbindung mit der Liste des Anhangs II der Richtlinie 2005/29/EG auf Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98/6/EG keinen Anwendungsbereich hätte, wenn die Richtlinie 2005/29/EG hinsichtlich der in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98/6/EG geregelten Aspekte von vornherein nicht anwendbar wäre (BGH, GRUR 2021, 1320 Rn. 47 - Flaschenpfand III).
54 Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zwar entschieden, dass der Aspekt des Verkaufspreises, der in einer Werbung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden angegeben ist, durch die Richtlinie 98/6/EG geregelt werde, und die Richtlinie 2005/29/EG hinsichtlich dieses Aspekts gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG nicht zur Anwendung komme (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 - C-476/14, GRUR 2016, 945 Rn. 44 f. = WRP 2016, 1096 - Citroën Commerce). Der Senat hat sich dem angeschlossen (BGH, Urteil vom 10. November 2016 - I ZR 29/15, GRUR 2017, 286 Rn. 15 = WRP 2017, 296 - Hörgeräteausstellung). Die Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union beziehen sich allerdings allein auf die im dortigen Verfahren in Rede stehende Kollision von Art. 3 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 98/6/EG mit Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG. Sie stehen der Annahme nicht entgegen, dass die Anwendbarkeit der Richtlinie 2005/29/EG nicht ausgeschlossen ist, wenn keine Kollision mit einer Regelung der Richtlinie 98/6/EG vorliegt.
55 D. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, da sie nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Danach ist die Klage begründet. Der Beklagte hat gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 PAngV verstoßen, weil er in der beanstandeten Internetwerbung den Grundpreis nicht in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben hat. Darin liegt eine nach § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 UWG unlautere (dazu sogleich) und nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung, die den vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG begründet.
56 I. Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die (Nr. 1) der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und (Nr. 2) deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gemäß § 5a Abs. 4 UWG gelten als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG auch Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.
57 II. § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG (vgl. BGH, GRUR 2017, 286 Rn. 15 - Hörgeräteausstellung, mwN), nach dem eine Geschäftspraxis als irreführend gilt, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte. Art. 7 Abs. 5 dieser Richtlinie, auf dessen Grundlage § 5a Abs. 4 UWG erlassen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2017 - I ZR 232/16, GRUR 2018, 438 Rn. 28 = WRP 2018, 420 - Energieausweis), bestimmt, dass die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden Liste des Anhangs II der Richtlinie verwiesen wird, als wesentlich gelten.
58 III. Der Beklagte hat dem Verbraucher mit der beanstandeten Internetwerbung eine wesentliche Information vorenthalten. Die hier in Rede stehende Pflicht, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, ist eine wesentliche Informationspflicht (siehe oben Rn. 49).
59 IV. Es ist davon auszugehen, dass der Verbraucher diese wesentliche Information nach den Umständen benötigte, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet war, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein Unternehmer, der geltend macht, dass der Verbraucher - abweichend vom Regelfall - eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und dass das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, trifft eine sekundäre Darlegungslast (BGH, GRUR 2019, 641 Rn. 31 - Kaffeekapseln, mwN). Der Beklagte hat keinen in diese Richtung gehenden Sachvortrag gehalten.
60 V. Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats konnte sich die Unlauterkeit des Verstoßes gegen Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation auch aus § 3a UWG ergeben. Daran hat der Senat nicht festgehalten. Die Unlauterkeit ist in diesen Fällen nunmehr allein nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG zu beurteilen (BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19, Rn. 16 bis 23 - Knuspermüsli II, mwN zur Veröffentlichung bestimmt).
61 VI. Der Beklagte ist danach entsprechend dem Klageantrag zur Unterlassung zu verurteilen. Dabei kann im Tenor der im Antrag enthaltene Klammerzusatz "als Konkretisierung des Merkmals 'klar erkennbar'", bei dem es sich um ein bloßes Begründungselement handelt, ebenso entfallen wie der Zusatz "ausgenommen sind kosmetische Mittel, die ausschließlich der Färbung oder Verschönerung der Haut, des Haares oder der Nägel dienen", der mit Blick darauf, dass es sich bei den beanstandeten konkreten Verletzungsformen um Werbung für Kraftfahrzeugzubehör handelt, überflüssig ist.
62 E. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici; Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021, 3303 Rn. 32 f. - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Insbesondere besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass der nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG anzugebende Preis je Maßeinheit nur dann im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG klar erkennbar ist, wenn er in der Weise in unmittelbarer Nähe oder neben dem Verkaufspreis angegeben wird, dass beide Preise auf einen Blick wahrnehmbar sind.
63 F. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 2 ZPO.