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Wirtschaftsrecht
16.02.2012
Wirtschaftsrecht
KG Berlin: Gründung einer Ein-Personen-GmbH durch einen vollmachtlosen Vertreter

KG Berlin, Beschluss vom 14.12.2011 - 25 W 48/11

Leitsätze:

1. Der rechtzeitige Eingang einer in elektronischer Form eingelegten Beschwerde unter Angabe des zutreffenden Aktenzeichens auf dem Server des Handelsregisters wahrt auch ohne Zuordnung zur entsprechenden elektronischen Akte die Beschwerdefrist.


2. Die Gründung einer Ein-Personen-GmbH durch einen vollmachtlosen Vertreter ist als einseitige nicht empfangsbedürftige Willenserklärung nach § 180 Satz 1 BGB unheilbar nichtig.

sachverhalt

A.

Der Geschäftsführer der Beteiligten meldete diese mit Schreiben vom 26. Januar 2011 zur Eintragung in das Handelsregister an. Mit Beschluss vom 18. Februar 2011 hatte das Amtsgericht Charlottenburg die Beteiligte darauf hingewiesen, dass es ein Eintragungshindernis in dem Umstand sehe, dass die Beteiligte als Ein-Personen-GmbH durch einen vollmachtlosen Vertreter gegründet worden sei, was aber nach § 180 BGB unzulässig sei. Der Aufforderung, die Anmeldung zurückzunehmen, folgte die Beteiligte nicht, sondern trug mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 10. März 2011 ihren gegenteiligen Standpunkt vor. Schließlich wies das Registergericht mit Beschluss vom 27. April 2011 die Anmeldung zurück. Es liege hier ein Fall des § 180 Abs. 1 BGB vor, da der Gründungsakt einer GmbH ein streng einseitiges Rechtsgeschäft sei. Eine Vertretung ohne Vertretungsmacht und eine nachfolgende Genehmigung seien daher ausgeschlossen.

Gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 27. April 2011 in elektronischer Form zugestellten Beschluss hat die Beteiligte mit am 27. Mai 2011 beim Registergericht eingegangenem elektronischen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich darauf, dass die Gründung einer Ein-Personen-GmbH eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und diese der Genehmigung durch den
vollmachtlos vertretenen Gründungsgesellschafter zugänglich sei. Insbesondere bestehe kein über die allgemeinen Haftungsregeln hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis. Die Erklärung des Gesellschafters über die von ihm übernommene Einlage sei dem Geschäftsführer gegenüber abzugeben und damit empfangsbedürftig, so dass die Ausdehnung der Eigenschaft der ersten drei zwingenden Anmeldungsvoraussetzungen (Firma, Sitz und Gegenstand) nicht auch auf diese Vierte erfolgen dürfe, sondern umgekehrt durch den Charakter der wesentlichen vierten Voraussetzung die gesamte Anmeldung als empfangsbedürftige Erklärung anzusehen sei. Der Rechtsverkehr sei während des Schwebezustandes bis zur Genehmigung der Erklärung des vollmachtlosen Vertreters durch den Gesellschafter hinreichend durch § 179 BGB geschützt. 

Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14. Juni 2011 nicht abgeholfen.

aus den gründen

B.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

I)

Die Beschwerde ist zwar zulässig. Sie ist in der Frist des § 63 FamFG eingelegt worden. Die Beschwerde ist am 27. Mai 2011 - und damit am letzten Tag der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG - in elektronischer Form auf dem Server des ITDZ eingegangen. Zwar erfolgte von dort die Auflösung zur elektronischen Akte beim Registergericht erst am 31. Mai 2011 und damit nach Fristablauf. Da dieser Ablauf jedoch vom Notar nicht beeinflusst werden kann, hat er mit der fristgerechten Absendung der Beschwerde in elektronischer Form an das Registergericht alles in seiner Macht Stehende getan. Die Beschwerde ist auch gemäß § 64 FamFG formgerecht begründet worden.

Die Beteiligte besitzt auch die notwendige Beschwerdeberechtigung i. S. d. § 59 FamFG. Gegen die Zurückweisung der Anmeldung steht der GmbH die Beschwerde zu (BayObLG NJW-RR 1987, 1177; Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl. 2009, § 59 Rn. 33).

II)

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.


Bei der Beurkundung vom 26. Januar 2011 handelte es sich nicht um irgendeine Gesellschaftererklärung, sondern um die Schaffung des Gesellschaftsvertrages einer GmbH. Da alleinige Gesellschafterin die Firma G nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn mit Sitz in Istanbul/Türkei, war somit die Errichtung einer sog. Ein-Personen-GmbH zu beurkunden. Die Beurkundung hatte unter Beachtung der Bestimmungen des GmbH-Gesetzes und des BGB zu erfolgen (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 15. April 1993, 9 W 26/93, zitiert nach juris, Rn. 15).

Denn die Beteiligte wurde ausdrücklich als „Gesellschaft mit beschränkte Haftung" mit dem Sitz in Berlin gegründet. In § 4 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages wurde ausdrücklich bestimmt, dass einzelnen Geschäftsführern durch Beschluss der Gesellschafterver-sammlung Einzelvertretungsbefugnis sowie Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden könne. Damit aber handelt es sich ausdrücklich um eine GmbH, auf die deutsches Recht Anwendung finden sollte und findet.

Die am 26. Januar 2011 notariell beurkundete GmbH-Gründung war unwirksam. Der Erklärende Önn  Ynn  handelte nämlich als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Dies war un-zulässig. Denn die Gründung einer Ein-Personen-GmbH ist eine einseitige nicht empfangs-bedürftige Willenserklärung (KG, Beschluss vom 18. Mai 2004, 1 W 7349/00, zitiert nach juris, Rn. 6; OLG Schleswig, a.a.O., Rn. 17 m. w. N.; OLG Hamm, DB 1983, 2679; LG Berlin, GmbHR 1996, 123; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Aufl., S. 2; RdNr. 7; Scholz-Emmerich, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 1 Rn. 34, a. A. Dürr, GmbHR 2008, 408, 411 f.). Die Abgabe dieser Erklärung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht war daher nach § 180 Satz 1 BGB unheilbar nichtig (vgl. GroßKomm-GmbHG/Ulmer, 2005, § 2 Rn. 27a; MünchKomm-BGB/Schramm, 6. Aufl. 2012, § 180 Rn. 3; a. A. Dürr, a.a.O.). Eine etwaige nachträgliche Genehmigung der türkischen Alleingesellschafterin, wie sie nach dem Inhalt der notariellen Urkunde Nr. 22/2011 des Notars Dr. Mnnn - Mnnnn g vom 26. Januar 2011 offenbar vorgesehen war, hätte daran nichts zu ändern vermocht. Die GmbH-Errichtung hätte allenfalls durch eine erneut notariell zu beurkundende Erklärung nachgeholt werden können (vgl. OLG Schleswig, a.a.O., Rn. 17).

Die Auffassung der Beteiligten, die Erklärung des Gesellschafters über die von ihm über-nommene Einlage sei eine dem Geschäftsführer gegenüber abzugebende empfangsbedürf-tige Willenserklärung, wodurch die gesamte Anmeldung zu einer solchen werde, überzeugt nicht. Der Gesellschafter verpflichtet sich nämlich bereits im Gesellschaftsvertrag zur Übernahme seines Anteils (vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2010, § 3 Rn. 17; Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 42). Dabei handelt es sich um den mitgliedschaftlichen Beitrag des jeweiligen Gesellschafters (Michalski, a.a.O.), nicht aber um eine bloß schuldrechtliche Verpflichtung (Michalski, a.a.O.), wie die Beteiligte offenbar fälschlich annimmt. Die Verpflichtung zur Leistung der Einlage entsteht nämlich durch Aufnahme der Nennbeträge in den Gesellschaftsvertrag (Michalski, a.a.O., § 3 Rn. 43 m. w. N.). Erst bei deren Fälligkeit, die sich nach dem Gesellschaftsvertrag richtet (Scholz/ Emmerich, a.a.O., § 3 Rn. 53), ist es dann die Aufgabe des Geschäftsführers, die Stamm-einlagen einzufordern (Scholz/Emmerich, a.a.O.), womit der Geschäftsführer als Empfänger der Willenserklärung des Gesellschafters über die Höhe seiner Beteiligung ausscheidet. Erklärungsempfänger der Gründungserklärung ist demgegenüber der Rechtsverkehr (Grooterhorst, NZG 2007, 605, 610). Aus dessen Sicht ist die Errichtung einer juristischen Person ein wichtiger Vorgang, über dessen Wirksamkeit sogleich Klarheit bestehen muss (Grooterhorst, a.a.O.), so dass es dem Alleingesellschafter nicht gestattet werden kann, den Gründungsvorgang längere Zeit offen zu halten und die Handlungsfähigkeit der Vor-GmbH, die Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG und die Vorbelastungshaftung des Alleingesellschafters in der Schwebe zu halten (Grooterhorst, a.a.O.).

Damit aber ist - entgegen der Ansicht der Beteiligten - kein Grund für eine von den zwin-genden Vertragsangaben gemäß § 3 Abs. 1 Nrn. 1 - 3 GmbHG abweichende Behandlung der Angabe gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG ersichtlich. So hat der Gesetzgeber den § 3 Abs. 1 GmbHG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 reformiert, ohne an den Mangel des notwendigen Inhalts bei Nr. 4 andere Folgen zu knüpfen als bei den Nrn. 1 - 3. Vielmehr gilt für alle Bestandteile des notwendigen Inhalts, dass Mängel den Gesell-schaftsvertrag nichtig machen (Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O., § 3 Rn. 22), obwohl dieses Rechtsproblem seit langem gemeinhin bekannt war. Dies hat der Gesetzgeber noch dadurch bestätigt, dass er - auch nach In-Kraft-Treten des MoMiG am 1. November 2008 - bei Schaffung des § 399 Abs. 4 FamFG in Kenntnis dieses Problems (der Aufsatz von Dürr, GmbHR 2008, 408 ff. erschien weit vor In-Kraft-Treten des FamFG) dieselbe Nichtig-keitsfolge an eine Verletzung von § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 GmbHG geknüpft hat.

Damit ist aber davon auszugehen, dass die vom Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebene Gründungserklärung nichtig ist. Auf die Ansicht der Beteiligten, der Rechtsverkehr sei während des Schwebezustandes bis zur Genehmigung der Erklärung des vollmachtlosen Vertreters durch den Gesellschafter hinreichend durch § 179 BGB geschützt, kommt es folglich nicht mehr an. 

C.

I. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, denn die Sache hat im Hinblick auf die Frage, ob es sich bei der Gründung einer Ein-Personen-Gesellschaft um ein sog. streng einseitiges Rechtsgeschäft, das nicht in vollmachtloser Vertretung erfolgen kann, handelt, grundsätzliche Bedeutung (§ 70 FamFG).

II. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzulegen. Die Beteiligten müssen sich dabei durch einen bei dem Bun-desgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde, ent-halten. Sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat, beginnend mit der schriftlichen Bekanntgabe des an-gefochtenen Beschlusses zu begründen. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Rechtsbeschwerdeanträge sowie die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung oder, soweit die Rechtsbeschwerde auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützt wird, die Tatsachen, die den Mangel ergeben, enthalten.

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