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Wirtschaftsrecht
16.01.2015
Wirtschaftsrecht
VG Frankfurt a. M.: Grenzen des Designated Sponsoring

VG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.11.2014 – 2 K 1675/13

Amtliche LeitsÄtzE

Einem Designated Sponsor sind Kurspflegemaßnahmen wie die Eindämmung der Schwankungsbreite der Kurse für die von ihm betreuten Aktien, die nicht durch die Stellung von verbindlichen Quotes erfolgen und die mit einer Irreführung anderer Marktteilnehmer verbunden sind, nicht erlaubt.

Die Befugnisse eines Designated Sponsor werden abschließend durch die börsenrechtlichen Vorschriften bestimmt.

Keine börsenrechtlichen Vorschriften sind Verlautbarungen der Deutschen Börse AG.

Der die Marktintegrität schützende § 117 Satz 2 Börsenordnung Frankfurter Wertpapierbörse setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass die falschen oder irreführenden Signale für Angebot, Nachfrage oder Preis, von einem verständigen Marktteilnehmer bei seinen Entscheidungen berücksichtigt würden, da andernfalls die Marktintegrität nicht gefährdet wäre.

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein zum Börsenhandel bei der Beklagten zugelassenes Kreditinstitut. Vom Börsenträger, der Deutschen Börse AG, ist sie als Designated Sponsor nach § 77 der Börsenordnung der Beklagten für die an der Frankfurter Wertpapier Börse gehandelten Aktien der C AG (ISIN DE …, Börsenkürzel C ) im elektronischen Handelssystem Xetra beauftragt worden.

Gegenstand des streitgegenständlichen Beschlusses des Sanktionsausschusses vom 15.2.2013 ist das Handelsverhalten der Klägerin im Zeitraum vom 01.03. bis 13.4.2012.

In diesem Zeitraum stellte die Klägerin für die Aktie der C AG in 106 Fällen Kauforders auf im Orderbuch befindliche Verkaufsorders Dritter (so genanntes aktives Matching). Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage drei zum Schriftsatz der Beklagten vom 24.6.2013 Bezug genommen. Der überwiegende Teil dieser Orders führte unmittelbar zu einem Preis, der i.d.R. mindestens dem vorhergehenden Kurs entsprach oder höher lag. Bei mehr als der Hälfte der eingestellten bzw. ausgeführten Orders, nämlich in 57 Fällen, betrug der Gegenwert weniger als 100 €. Diese Preisfeststellungen führten dazu, dass der Preis auf dem aktuellen Niveau gehalten oder, sofern der Preis aufgrund Geschäfte Dritter zwischenzeitlich gefallen war, sich wieder erhöhte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 12.4.2013 Bezug genommen.

Die Klägerin teilte der um Auskunft ersuchenden Handelsüberwachungsstelle hierzu mit, die Aktie unterliege generell starken Kursschwankungen und durch ihre Handelsaktivitäten haben Sie die Schwankungsbreite der Aktienkurse eindämmen wollen. Der wirtschaftliche Sinn des Einzelgeschäftes habe dabei nicht immer im Vordergrund gestanden.

Unter dem 16.11.2012 leitete die Geschäftsführung der Beklagten ein Sanktionsverfahren ein. Am 30.11.2012 unterrichtete der Sanktionsausschuss die Klägerin von der Einleitung des Sanktionsverfahrens und forderte sie zur Stellungnahme auf. Die Klägerin erklärte, Geschäfte mit geringem Volumen stellten für sich betrachtet keinen Verstoß gegen § 117 Börsenordnung dar. Auch daraus, dass sich der wirtschaftliche Sinn der geringvolumigen Geschäfte nicht erschließe, folge nicht automatisch ein Verstoß gegen § 117 Börsenverordnung. Der wirtschaftliche Sinn eines Geschäftes sei nicht Zulässigkeitsvoraussetzung eines Börsengeschäfts, dieser könne nur aus der Perspektive des Handelnden, den die wirtschaftlichen Folgen des Geschäftes träfen, beurteilt werden. Als Designated Sponsor habe sie die Aufgabe, die Schwankungsbreite der betreuten Aktien mit eigenem Kapitaleinsatz gering zu halten, um den Markt zu unterstützen. In diesem Zusammenhang unterhalte sie i.d.R. einen Eigenbestand, für den sie das wirtschaftliche Risiko trage. Ihre Handelsaktivitäten seien daher auch vor dem Hintergrund der Risikobegrenzung zu sehen. Sie habe ihre Händler inzwischen angewiesen, Kleinstorders zu unterlassen. Die Tagesumsatzlisten und der Kursverlauf an den einzelnen Tagen lieferten keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die beanstandeten Orders in irgendeiner Weise unzulässig auf den ermittelten Preis ausgewirkt haben könnten. Auch sei aus den Umsatzlisten ersichtlich, dass die doppelte Anzahl geringvolumiger Geschäfte auf andere Handelsteilnehmer entfalle. Insofern entsprächen geringvolumige Geschäfte einer gängigen Marktpraxis.

Mit Beschluss vom 15.2.2013 belegte der Sanktionsausschusses der Beklagten die Klägerin wegen dieses Verhaltens mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 5000 €. Der Sanktionsausschuss führte zur Begründung im Wesentlichen aus, es liege neben dem Verstoß gegen § 72 Börsenordnung ein Verstoß gegen § 117 S. 2 Börsenordnung vor, auf den ein Ordnungsgeld in Höhe von 4000 € entfalle vor. Durch die Einstellung von Kauforders auf die im Orderbuch befindlichen Verkaufsorders habe die Klägerin eine nicht vorhandene Nachfrage vorgetäuscht und damit irreführend Nachfrage und Preis der gehandelten Aktien beeinflusst. Dieses Verhalten werde nicht durch ihre Aufgaben als Designated Sponsor gedeckt. Zu dieser gehöre nicht das aktive Matching von im Orderbuch befindlichen Orders Dritter sondern alleine das gleichzeitige und kontinuierliche Stellen von Kauf- und Verkaufsorders mit ausreichendem Volumen unter möglichst engem Spread, um für Liquidität und geringe Volatilität zu sorgen. Der wirtschaftliche Sinn der Handelsaktivitäten der Händler der Klägerin habe, wie sie in ihrem Schreiben vom 7.2.2013 selbst eingeräumt habe, in der Risikobegrenzung für den Eigenbestand gelegen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf eine gängige Marktpraxis berufen, da ein solches Handelsverhalten nach vernünftigem Ermessen nicht erwartet werden könne. Der Verstoß gegen § 72 Absatz 1 Börsenverordnung besteht darin, dass 34 Kundenorders und 51 Geschäfte im Designated Sponsoring über das Eigenhandelskonto P1 getätigt worden seien. Das Fehlverhalten der Börsenhändler sei der Klägerin wie eigenes Verschulden zuzurechnen, was aus § 22 Abs. 2 S. 1 BörsG folge.

Zur Begründung ihrer am 25.3.2013 eingegangenen Klage trägt die Klägerin vor, ein Verstoß gegen § 117 S. 2 Börsenordnung bestehe nicht. Die These, geringvolumigen Geschäfte fehle der wirtschaftliche Sinn, sei rechtlich nicht begründbar. Die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit werde für die Zulässigkeit eines Börsengeschäfts nicht gefordert. Eine Volumenbeschränkung gebe es nicht. Entsprechend habe die Beklagte sich auch nicht festgelegt, welche Geschäfte sie konkret als geringvolumig und damit regelwidrig ansehe. Es sei nicht hinreichend erkennbar und bestimmt, wann ein geringes Volumen des Geschäfts im Sinne der Beklagten vorliege. Da geringes Volumen der Geschäfte mangels entsprechender gesetzlichen Grundlage und hinreichender Bestimmtheit nicht unzulässig sei, könnten sie auch nicht eine nicht vorhandene Nachfrage vortäuschen und zu einem künstlichen Preisniveau früheren. Bei den beanstandeten Geschäften habe es sich auch nicht um, kreierte, abgesprochene oder sonst wie manipulierte Geschäfte gehandelt. Dadurch dass sie auf einige von Dritten stammenden Angebote eingegangen sei und Aktien zum angegebenen Preis erworben oder verkauft habe, sei es in den Handelssystemen der Beklagten zu entsprechenden Preisfeststellung gekommen, es sei nämlich exakt der Preis festgestellt worden, zu dem die Klägerin die Aktien von den Dritten erworben oder verkauft hatte. Auf diesem Preis habe die Klägerin keinerlei Einflussmöglichkeiten. Insofern es sei der festgesetzte Preis alleine die Folge des Geschäfts. Dies sei schlichtes wirtschaftliches Handeln ohne jegliche Manipulation. Dieser Preis wäre auch festgestellt worden, wenn eine deutlich größere Anzahl von Aktien gehandelt worden wäre. Es könne nicht festgestellt werden, dass sie diese Geschäfte nur deshalb tätigte, um fehlerhaft oder irreführend Angebot, Nachfrage oder Preis zu beeinflussen oder um eine nicht im marktgerechten Preis bzw. ein künstliches Niveau herbeizuführen. Aus der geringen Ordergröße könne diese nicht abgeleitet werden. Von einer vorgetäuschten Nachfrage könne angesichts dessen nicht die Rede sein. Aktien seien angeboten und erworben worden. Eindeutiger sei eine tatsächliche Nachfrage nicht zu dokumentieren. Aus ihrer Stellungnahme vom 30. Mai 2012. könne dies nicht geschlossen werden. Auch wenn der wirtschaftliche Sinn nicht im Vordergrund stehe, könne er durchaus existent sein. Ein Designated Sponsor nehme auch aktiv am Handelsgeschehen in den von ihm betreuten Aktien teil, indem er auf von anderen Marktteilnehmern in das Handelssystem der Beklagten eingestellten Kauf oder Verkaufsangebote handele und von diesen Aktien erwerbe oder an diese veräußere. Einzig diesem Zweck hätten die getätigten Geschäfte gedient. Die wirtschaftliche Begründung liege in der aktiven Handelsteilnahme. Zwar ging es nicht in erster Linie um eine Investmentidee doch hätten die Umsätze aufgrund der Aufgabenstellung und dem damit verbundenen Unterhalten eines Eigenbestandes eine wirtschaftliche Begründung. Die aktive Handelsteilnahme sei eine der Aufgaben des Designated Sponsors. Dies ergebe sich unter anderem aus Veröffentlichungen auf der Homepage der Beklagten. Dort werde ausgeführt, dem Designated Sponsor, komme u.a. die Aufgabe zu, mit eigenem Kapitaleinsatz die Volatilität möglichst gering zu halten. Aus der als Anlage zwei vorgelegten Umsatzliste gehe auch deutlich hervor, dass in dem hier relevanten Zeitraum auch andere Marktteilnehmer geringvolumige Geschäfte, nämlich Geschäfte von weniger als 30 Aktien getätigt hätten.

Die Klägerin beantragt, den Beschluss Sanktionsausschusses der Beklagten vom 15.2.2013 insoweit aufzuheben, als die Klägerin wegen eines Verstoßes gegen § 117 S. 2 Börsenordnung ein Ordnungsgeld in Höhe von 4000 € auferlegt wurde.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die für die Klägerin als Erfüllungsgehilfen tätigen Börsenhändler hätten durch die Eingabe der in der Anlage drei dokumentierten Kauforders irreführenden Nachfrage und Preis von gehandelten Wertpapieren beeinflusst (§ 117 S. 2 Halbs. 1,1. Alternative Börsenordnung) und damit zugleich auch ein künstliches Preisniveau herbeigeführt (§ 117 S. 2 Halbs. 1, 2 Alternative Börsenordnung) Die in der Anlage 3 aufgeführten Kauforders seien irreführend gewesen, weil ihnen keine marktgerechte Nachfrage zu Grunde gelegen habe. Dies habe die Klägerin in ihrer Einlassung vom 30.5.2012 selbst zugestanden, indem sie mitgeteilt habe, die Kauforders hätten die Schwankungsbreite der Aktienkurse beeinflussen sollen. Ihre Einlassung, der wirtschaftliche Sinn des Einzelgeschäftes habe hierbei nicht immer im Vordergrund gestanden, belege nachdrücklich, dass sie sich insoweit ganz bewusst nicht an den wirtschaftlichen Verhältnissen am Markt orientiert habe und auch nicht habe orientieren wollen. Damit habe sie für andere Marktteilnehmer den unzutreffenden Eindruck wirtschaftlich begründeter Umsätze erweckt. Bei ihrer Eingabe von Kauforders sei es der Klägerin demnach nicht darum gegangen, Börsengeschäfte zu einem marktgerechten Preis einzugehen, sondern um einen völlig anderen Zweck, nämlich der Eindämmung der Schwankungsbreite der Aktienkurse. Dieses Motiv werde den anderen Handelsteilnehmern aber nicht mitgeteilt, weshalb für diese der Eindruck entstehe, dass ein ausschließlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten agierender Handelsteilnehmer zu den festgestellten Börsenpreisen Wertpapiere der C AG kaufen würde. Darin liege die Irreführung im Sinne von § 117 S. 2 Börsenordnung. Mit ihrer Eingabe von Kauforders habe die Klägerin unmittelbar auf die Orderlage eingewirkt und damit den Preis, zu dem das Börsengeschäft über die Wertpapiere zustande gekommen wäre, beeinflusst. Damit sei zugleich ein künstliches Preisniveau herbeigeführt worden. Auf eine gängige Marktpraxis könne die Klägerin sich nicht berufen. Ein Verhalten, das mit einer Irreführung anderer Marktteilnehmer verbunden sei, sei keine gängige Praxis an Börsen. Die Geschäfte seien auch nicht von der Aufgabe als Designated Sponsor gedeckt. Dessen Aufgabe werde durch § 77 Abs. 1 S. 1 Börsenverordnung umschrieben. Hierzu gehöre nur die Stellung von verbindlichen Quotes, nämlich der gleichzeitigen Eingabe einer limitierten Kauf- und Verkaufsorder im Handelssystem. Das einseitige Einstellen von Orders werde deshalb von der Aufgabe des Designated Sponsors nicht umfasst.

Aus den Gründen

13        Die gegen die Frankfurter Wertpapierbörse, die als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter ihrem Namen verklagt werden kann (§2 Abs. 5 BörsG), gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Bei dem Beschluss des Sanktionsausschusses der Beklagten vom 15.2.2013 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der im Verwaltungsrechtsweg ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens angefochten werden kann (§ 22 Abs. 3 S. 2 BörsG in der Fassung vom 16.7.2007, BGBl I Seite 1330, 1351). Die einmonatige Klagefrist hat die am 25.3.2013 bei Gericht eingegangene Klage gewahrt, da der Beschluss des Sanktionsausschusses vom 15.2.2013 ausweislich der beigezogenen Behördenakten erst mit Schreiben vom 22.3.2013 an die Klägerin versandt worden war.

14        Die Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Sanktionsausschusses der Beklagten vom 15.2.2013 ist, soweit er mit der Klage angegriffen wird, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

15        Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Beschluss des Sanktionsausschusses ist § 22 Abs. 2 S. 1 BörsG in der oben genannten Fassung. Danach kann der Sanktionsausschuss einen Handelsteilnehmer mit einem Verweis, mit einem Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder mit einem Ausschluss von der Börse bis zu 30 Handelstagen belegen, wenn der Handelsteilnehmer oder eine für ihn tätige Hilfsperson vorsätzlich oder fahrlässig gegen börsenrechtliche Vorschriften verstößt, die eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels an der Börse oder der Börsengeschäftsabwicklung sicherstellen sollen.

16        Die Klägerin unterliegt der Sanktionsgewalt des Ausschusses, da sie ein zum Börsenhandel bei der Beklagten zugelassenes Unternehmen und damit Handelsteilnehmerin ist.

17        Im Zeitraum vom 1.3.2012 bis 13.4.2012 haben die für sie tätigen Börsenhändler, für deren Verhalten die Klägerin gem. § 22 Abs. 2 S. 1 BörsG einstehen muss, nicht nur gegen § 72 der Börsenordnung sondern auch gegen § 117 S. 2 der Börsenordnung der Beklagten vorsätzlich verstoßen.

18        Nach § 117 S. 2 der Börsenordnung der Beklagten ist es einem Handelsteilnehmer bei der Eingabe von Orders, der Eingabe von indikativen Quotes, der Eingabe von verbindlichen Quotes und der Eingabe von Geschäften in die Börsen-EDV untersagt, fehlerhaft oder irreführend Angebot, Nachfrage oder Preis von gehandelten Wertpapieren zu beeinflussen oder einen nicht marktgerechten Preis bzw. ein künstliches Preisniveau herbeizuführen, ohne dass dies einer gängigen Marktpraxis in Einklang mit der ordnungsgemäßen Durchführung des Börsenhandels nach Maßgabe der börsenrechtlichen Vorschriften entspricht.

19        § 117 S. 2 der Börsenordnung ist eine börsenrechtliche Vorschrift im Sinne des § 22 Abs. 2 S. 1 BörsG, die eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels an der Börse und der Börsengeschäftsabwicklung sicherstellen soll. Börsenrechtliche Vorschriften in diesem Sinne sind neben den Regelungen im BörsG und den Regelungen in Rechtsverordnungen, die auf der Grundlage des Börsengesetzes erlassen wurden, auch das Satzungsrecht der Beklagten (Hess VGH, Urteil vom 16.4.2008 -6 UE 142/07; Urteil vom 20.6.2012 - 6 A 2132/10, Urteil vom 6.2.2014 - 6 A 876/10). § 117 S. 2 der Börsenordnung dient, worauf bereits die Überschrift hinweist, dem Schutz des Vertrauens der Anlieger in die Integrität des Marktes im Sinne der Übereinstimmung des Marktpreises mit den tatsächlichen Verhältnissen, indem sie handelsgestützte Marktmanipulationen verbietet und sicherstellt, dass die Handelsteilnehmer ehrlich und redlich handeln. Damit dient sie der ordnungsgemäßen Durchführung des Börsenhandels.

20        Voraussetzung für einen Verstoß gegen § 117 S. 2 Börsenordnung der Beklagten ist, dass durch die Eingabe von Orders, von indikativen oder verbindlichen Quotes oder von Geschäften in die Börsen-EDV Angebot, Nachfrage oder Preis von gehandelten Wertpapieren beeinflusst wird und die Eingabe fehlerhaft oder irreführend ist. Allgemein für den Wertpapierhandel hat der Bundesgesetzgeber zur Einhaltung der sich aus europäischem Recht (RL 2003/6/EG- Marktmissbrauchsrichtlinie) ergebenden Pflicht zur Wahrung der Marktintegrität dies in § 20 a Abs. 1 Z. 2 WpHG wie folgt gefasst:

21        "Es ist verboten, Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufsaufträge zu erteilen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen.“

22        Zur näheren Bestimmung des § 117 S.2 der Börsenordnung der Beklagten kann auf § 20 a Abs. 1 Z. 2 WpHG zurückgegriffen werden, da diese Vorschrift genauso wie § 117 S. 2 der Börsenordnung der Beklagten zum Schutz der Marktintegrität die handelsgestützte Marktmanipulation verbietet und die Beklagte sich bei der Fassung des § 117 S. 2 an diese Vorschrift anlehnt. Irreführend ist die Eingabe von Orders, wenn sie geeignet ist, bei anderen Marktteilnehmern eine Vorstellung über die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Nachfrage, den Preis eines Wertpapiers zu erzeugen, die falsch ist (vgl. Vogel in: Assmann/Schneider WpHG, 5.Aufl., § 20 a, Rn. 150), Falsch ist die Vorstellung, wenn sich nicht der wahren Marktlage entspricht. Nicht der Marktlage entspricht sie unter anderem, wenn die Orders nicht wirtschaftlich begründet sind, weil ein redlicher Marktteilnehmer davon ausgeht, dass Kauf- bzw. Verkaufsaufträge unmittelbar wirtschaftlich und nicht anders motiviert sind. Bei wirtschaftlich nicht begründeten Orders kann damit eine falsche Vorstellung über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse begründet werden. Unerheblich ist, ob bei anderen Marktteilnehmern tatsächlich Fehlvorstellungen entstanden sind, denn die Vorschrift fordert nicht, dass ein anderer getäuscht worden ist. Es ist aber zu fordern, dass der unzutreffende Eindruck, der bei anderen Marktteilnehmern entstehen kann, von einem verständigen Anleger bei seinen Entscheidungen berücksichtigt würde, da andernfalls die Marktintegrität nicht gefährdet wäre.

23        Die in der von der Beklagten vorgelegten Anlage 3 für die Klägerin eingegebenen und ausgeführten Kauforders im Zeitraum vom 1.3.2012 bis 13.4.2012, die der Sache nach von der Klägerin nicht bestritten werden, waren irreführend in diesem Sinne, denn sie waren nicht wirtschaftlich begründet. Grund für diese Kauforders war, wie die Klägerin in ihrer Einlassung vom 30.5.2012 selbst zugesteht, die Schwankungsbreite der Aktienkurse einzudämmen. Es waren deshalb gerade keine ganz normalen Börsengeschäfte. Es kann nicht unterstellt werden, dass die Wertpapiere an einen anderen wirtschaftlich agierenden Marktteilnehmer zum gleichen Preis verkauft worden wären. Angesichts dessen ist es unerheblich, ob aus dem jeweiligen geringen Volumen der einzelnen Geschäfte hierauf geschlossen werden kann. Das geringe Volumen ist jedenfalls ein Indiz. Welchen wirtschaftlichen Zweck die Klägerin neben der Eindämmung der Schwankungsbreite des Aktienkurses verfolgt haben will, hat sie nicht substantiiert dargetan. Die bloße Handelsteilnahme ist kein eigener wirtschaftlicher Zweck. Die Handelsteilnahme ist Mittel, einen Zweck zu verfolgen aber nicht Selbstzweck.

24        Durch diese irreführenden Kauforders ist sowohl die Orderlage als auch der Preis beeinflusst worden. Die Handelsüberwachungsstelle der Beklagten hat hierzu unwidersprochen festgestellt, dass der Preis entweder auf dem aktuellen Niveau gehalten wurde, obwohl er bei Zugrundelegung der Marktverhältnisse starken Kursschwankungen unterworfen war, was die Klägerin selbst einräumt , oder dass der Preis, wenn er durch Geschäfte Dritter bereits gefallen war, wieder erhöht wurde. Die Beeinflussung des Preises war nach der Einlassung der Klägerin ja auch gerade deren Ziel.

25        Es ist auch plausibel, dass der durch die wirtschaftlich nicht begründeten Kauforders der Klägerin und der daraufhin jeweils festgestellte Preis von einem verständigen Anleger bei seinen Entscheidungen berücksichtigt wird, da für diesen Marktteilnehmer jeweils der Eindruck entsteht, dass der festgestellte Preis als Investment gezahlt wird. Das wahre Motiv wird den anderen Handelsteilnehmern nicht mitgeteilt.

26        Einer gängigen Marktpraxis in Einklang mit der ordnungsgemäßen Durchführung des Börsenhandels nach Maßgabe der börsenrechtlichen Vorschriften entsprachen die beanstandeten Orders der Klägerin nicht. Mit Käufen zur Eindämmung der Schwankungsbreite des Preises eines Wertpapiers müssen Marktteilnehmer an der Börse nicht rechnen. Ein solches Verhalten sehen die börsenrechtlichen Vorschriften nicht vor. Insbesondere kann die Klägerin sich für ihr Verhalten nicht auf ihre Aufgabe als Designated Sponsor berufen. Aufgabe des Designated Sponsor eines Wertpapiers ist es, für zusätzliche Liquidität in diesem zu sorgen, indem er temporäre Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage bei weniger liquiden Werten überbrückt. Hierzu hat er im fortlaufenden Handel nach Eingang einer Anforderung und in allen Auktionen für die von ihm betreuten Werte verbindliche Geld- und Briefkurse so genannte Quotes zu stellen (§ 77 Abs. 1 S. 1 der Börsenordnung der Beklagten). Der Designated Sponsor bietet somit an, zum Geldpreis zu kaufen und zum Briefpreis zu verkaufen, also als Handelspartner aufzutreten. Die Klägerin hat in den beanstandenden Fällen keine Quotes nach § 77 Abs. 1 der Börsenordnung der Beklagten gestellt, sondern ist einseitig auf die im Orderbuch befindlichen Orders Dritter eingegangen. Nicht von der Börsenordnung zugelassen sind Maßnahmen zur Eindämmung der Schwankungsbreite des Börsenkurses der betreuten Aktie, wenn mit diesen - wie im vorliegenden Fall - eine Irreführung der anderen Marktteilnehmer verbunden ist. Derartige Kurspflegemaßnahmen des Designated Sponsors sind nach der Börsenordnung der Beklagten nicht erlaubt. Die Befugnisse des Designated Sponsors werden abschließend durch die börsenrechtlichen Vorschriften bestimmt. Keine börsenrechtlichen Vorschriften sind dagegen Verlautbarungen der Deutschen Börse AG, da diese keine einseitige hoheitliche Regelungskompetenz hat. Ebenso wenig kann der Vertrag mit dem Emittenten zur Bestimmung der börsenrechtlichen Befugnisse des Designated Sponsors herangezogen werden. Der Designated Sponsor darf zwar auch außerhalb der Erstellung von Quotes aktiv werden. Hierbei muss er aber immer ein wirtschaftliches Interesse verfolgen. Hierzu zählen beispielsweise der Kauf und Verkauf zur Erzielung von Kursdifferenzgewinnen. Eine Risikobegrenzung für den eigenen Bestand durch Stützungskäufe ist deshalb nicht zulässig. Durch solche Stützungskäufe werden gerade falsche Signale an den Markt gegeben. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass Stabilisierungsmaßnahmen nach Art.8 der Marktmissbrauchsrichtlinie i.V.m. der VO 2273/2003 der Kommission- Safe Harbour VO) nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen während einer öffentlichen Primär-und Sekundäremission zulässig sind.

27        Zu Recht hat der Sanktionsausschuss das beanstandete Verhalten als mindestens bedingt vorsätzlich angesehen. Denn die Klägerin hat selbst dargelegt, dass durch ihre Kauforders die Schwankungsbreite der Aktienkurse eingedämmt und damit gezielt auf den Preis eingewirkt werden sollte. Die Befugnisse des Designated Sponsors sind aufgrund der eindeutigen Fassung des § 77 Abs. 1 der Börsenordnung der Beklagten auch nicht interpretations- und ausfüllungsbedürftig. Die für die Klägerin tätigen Börsenhändler haben sich damit eindeutig außerhalb des durch die börsenrechtlichen Vorschriften eröffneten Interpretations- oder Handlungsspielraums bewegt.

28        Das Handeln der für die Klägerin tätig gewordenen Börsenhändler ist ihr gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 BörsG in der oben genannten Fassung zuzurechnen. Die Börsenhändler waren Hilfspersonen der Klägerin, da die Klägerin sich ihrer zum Abschluss der Geschäfte bedient hat. Die Börsenhändler waren Hilfspersonen, auch wenn sie selbst der Sanktionsgewalt der Sanktionsausschuss unterliegen sollten. Hilfspersonen in diesem Sinne sind all diejenigen, die vergleichbar mit § 278 BGB für einen anderen tätig werden. So heißt es in der BT-Drucks. 833/06: "§ 22 n.F. entspricht § 20 a.F. Abs. 2 wird durch die Klarstellung ergänzt, dass auch für das Sanktionsverfahren entsprechend § 278 BGB eine Zurechnung des Verschuldens erfolgt, da die zugelassenen Handelsteilnehmer, sofern sie juristische Personen sind, also als solche nicht verschuldensfähig sind." Sinn und Zweck der Norm ist deshalb eine unmittelbare sanktionierbare Verantwortlichkeit juristischer Personen unabhängig von einer Haftung Dritter zu begründen.

29        Die vom der Sanktionsausschuss verhängte Sanktion ist nach Art und Höhe rechtlich nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für Ermessensfehler sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

30        Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen, da sie unterliegt (§ 154 Abs. 1 VwGO).

31        Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

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