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Wirtschaftsrecht
21.06.2023
Wirtschaftsrecht
EuGH-Schlussanträge: Google, Meta, Tik Tok – Auferlegung zusätzlicher Verpflichtungen in anderen Mitgliedstaaten als der Sitz nur durch einzelfallbezogene Maßnahmen

GA Szpunar, Schlussanträge vom 8.6.2023 – C-376/22

ECLI:EU:C:2023:467

Volltext: BB-Online BBL2023-1473-3

unter www.betriebs-berater.de

 

Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten dadurch zu beschränken, dass er gesetzliche Maßnahmen generell-abstrakter Natur ergreift, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen, ohne dass diese Maßnahmen in Bezug auf einen konkreten Einzelfall ergriffen werden.

 

I.          Einleitung

 

1.         Am 19. Oktober 2022 erließ der Unionsgesetzgeber die Verordnung (EU) 2022/2065(2) (im Folgenden: Digital Services Act), um harmonisierte Vorschriften für ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld festzulegen, in dem Innovationen gefördert und die Grundrechte wirksam geschützt werden(3). Zu diesem Zweck führt die Verordnung eine Reihe von Verpflichtungen für die Anbieter sogenannter „Vermittlungsdienste“ in Bezug auf Transparenzberichte, die Benennung von Kontaktstellen und die Verfahren zur Meldung rechtswidriger Inhalte ein(4). Die Verordnung tritt grundsätzlich ab dem 17. Februar 2024 in Kraft; dessen ungeachtet kommt sie auf Anbieter sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen bereits vor diesem Zeitpunkt zur Anwendung(5).

 

2.         Vorher wird auf Unionsebene keine vergleichbare Harmonisierung der Vorschriften zu diesen Aspekten vorgenommen werden(6).

 

3.         In jüngster Zeit haben einige Mitgliedstaaten Gesetze erlassen, die den Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft, die in ihrem Hoheitsgebiet zugänglich sind, ähnliche Verpflichtungen wie die vorstehend beschriebenen auferlegen(7). Die im Jahr 2020 erlassene österreichische Regelung, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, scheint sich in diese Entwicklung einzufügen(8).

 

4.         Seit 2002 wird der Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft jedoch weitgehend durch die Richtlinie 2000/31/EG(9) geregelt.

 

5.         Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 trägt nämlich jeder Mitgliedstaat dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet (dem Herkunftsmitgliedstaat) niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den „koordinierten Bereich“ im Sinne von Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie fallen. Das Prinzip, nach dem die Dienste der Informationsgesellschaft grundsätzlich dem Rechtssystem des Herkunftsmitgliedstaats unterworfen werden sollten, wird als „Herkunftslandprinzip“ bezeichnet.

 

6.         Im Einklang mit dieser Logik dürfen die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich nicht einschränken. Ein anderer Mitgliedstaat als der Herkunftsmitgliedstaat kann von diesem Prinzip nämlich nur durch Maßnahmen abweichen, die „im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“ ergriffen werden und die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a und b dieser Richtlinie genannten Bedingungen erfüllen.

 

7.         Dies ist der rechtliche Rahmen, in den sich die erste dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage einfügt. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Mitgliedstaat vom freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft abweichen kann, indem er nicht nur individuell-konkrete Maßnahmen, sondern auch generell-abstrakte gesetzliche Maßnahmen trifft, die sich auf eine bestimmte Kategorie von Diensten beziehen. Auf Ersuchen des Gerichtshofs beschränken sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Prüfung dieser Vorlagefrage.

 

8.         Diese Problematik bleibt auch im Rahmen des Digital Services Act aktuell, da diese Verordnung weder das Herkunftslandprinzip noch die Möglichkeit aufhebt, in den in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen Fällen von diesem Prinzip abzuweichen(10).

 

II.    Rechtlicher Rahmen

 

A.         Unionsrecht

 

9.         Die Richtlinie 2000/31 definiert in ihrem Art. 2 Buchst. a den Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ unter Verweisung auf Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535(11). Die Richtlinie 2015/1535 definiert einen Dienst der Informationsgesellschaft als „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“.

 

10.       Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 definiert den „koordinierten Bereich“ als „die für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft und die Dienste der Informationsgesellschaft in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten festgelegten Anforderungen, ungeachtet der Frage, ob sie allgemeiner Art oder speziell für sie bestimmt sind“.

 

11.       In Art. 3 („Binnenmarkt“) der Richtlinie 2000/31 heißt es:

 

„(1)       Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen.

 

(2)        Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen.

 

(3)        Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung auf die im Anhang genannten Bereiche.

 

(4)        Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft von Absatz 2 abweichen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

 

a)         Die Maßnahmen

 

i)          sind aus einem der folgenden Gründe erforderlich:

 

–          Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität, sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen,

ii)         betreffen einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft, der die unter Ziffer i) genannten Schutzziele beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt;

iii)         stehen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen.

b)         Der Mitgliedstaat hat vor Ergreifen der betreffenden Maßnahmen unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung,

–          den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, und dieser hat dem nicht Folge geleistet oder die von ihm getroffenen Maßnahmen sind unzulänglich;

–          die Kommission und den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat über seine Absicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet.

(5)        Die Mitgliedstaaten können in dringlichen Fällen von den in Absatz 4 Buchstabe b) genannten Bedingungen abweichen. In diesem Fall müssen die Maßnahmen so bald wie möglich und unter Angabe der Gründe, aus denen der Mitgliedstaat der Auffassung ist[,] dass es sich um einen dringlichen Fall handelt, der Kommission und dem in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat mitgeteilt werden.

(6)        Unbeschadet der Möglichkeit des Mitgliedstaates, die betreffenden Maßnahmen durchzuführen, muss die Kommission innerhalb kürzestmöglicher Zeit prüfen, ob die mitgeteilten Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind; gelangt sie zu dem Schluss, dass die Maßnahme nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, so fordert sie den betreffenden Mitgliedstaat auf, davon Abstand zu nehmen, die geplanten Maßnahmen zu ergreifen, bzw. bereits ergriffene Maßnahmen unverzüglich einzustellen.“

 

B.         Österreichisches Recht

12.       Das Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen (Kommunikationsplattformen-Gesetz)(12) (im Folgenden: KoPl‑G) wurde am 23. Dezember 2020 verabschiedet und trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Die in dessen Anwendungsbereich fallenden Diensteanbieter mussten die in diesem Gesetz vorgesehenen Verpflichtungen bis zum 31. März 2021 umgesetzt haben(13).

 

13.       § 1 KoPl-G bestimmt:

„(1)       Dieses Bundesgesetz dient der Förderung des verantwortungsvollen und transparenten Umgangs mit Meldungen der Nutzer über nachfolgend genannte Inhalte auf Kommunikationsplattformen und der unverzüglichen Behandlung solcher Meldungen.

(2)        In- und ausländische Diensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Kommunikationsplattformen (§ 2 Z 4) anbieten, unterliegen diesem Bundesgesetz, außer

1.         die Anzahl der mittels Registrierung für die Kommunikationsplattform zugangsberechtigten Nutzer in Österreich im vorangegangenen Kalenderjahr hat im Durchschnitt 100 000 Personen unterschritten und

2.         der mit dem Betrieb der Kommunikationsplattform im vorangegangenen Kalenderjahr in Österreich erzielte Umsatz beträgt weniger als 500 000 Euro.

(5)        Auf Verlangen eines Diensteanbieters hat die Aufsichtsbehörde festzustellen, ob dieser unter den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fällt.

…“

 

14.       § 2 Z 4 KoPl-G definiert eine „Kommunikationsplattform“ als einen „Dienst der Informationsgesellschaft, bei dem der Hauptzweck oder eine wesentliche Funktion darin besteht, im Wege der Massenverbreitung den Austausch von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt in Wort, Schrift, Ton oder Bild zwischen Nutzern und einem größeren Personenkreis anderer Nutzer zu ermöglichen“.

 

15.       § 3 KoPl-G bestimmt:

„(1)       Diensteanbieter müssen ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit und die Erledigung von Meldungen über auf der Kommunikationsplattform verfügbare, behauptetermaßen rechtswidrige Inhalte einrichten.

(4)        Diensteanbieter müssen darüber hinaus dafür sorgen, dass ein wirksames und transparentes Verfahren zur Überprüfung ihrer Entscheidung über die Sperrung oder Löschung eines gemeldeten Inhalts (Abs. 3 Z 1) eingerichtet ist. …“

 

16.       § 4 Abs. 1 KoPl-G lautet:

„Diensteanbieter sind verpflichtet, jährlich, im Fall von Kommunikationsplattformen mit über einer Million registrierten Nutzern halbjährlich, einen Bericht über den Umgang mit Meldungen über behauptete rechtswidrige Inhalte zu erstellen. Der Bericht ist der Aufsichtsbehörde spätestens einen Monat nach Ende des im Bericht erfassten Zeitraumes zu übermitteln und gleichzeitig auf der eigenen Website ständig und leicht auffindbar bereitzustellen.“

 

17.       § 5 KoPl-G bestimmt:

„(1)       Diensteanbieter haben eine Person zu bestellen, die die Voraussetzungen gemäß § 9 Abs. 4 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG (BGBl. Nr. 52/1991) erfüllt. Diese Person hat

1.         die Einhaltung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes zu gewährleisten,

2.         über eine für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderliche Anordnungsbefugnis zu verfügen,

3.         die für die Zusammenarbeit mit Behörden und Gerichten erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache zu besitzen, sowie

4.         über die für die Besorgung ihrer Aufgaben erforderliche Ressourcenausstattung zu verfügen.

(4)        Der Diensteanbieter hat eine natürliche oder juristische Person als Bevollmächtigten für behördliche und gerichtliche Zustellungen zu bestellen. …“

 

III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

18.       Die Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens, Google Ireland Limited (im Folgenden: Google), Meta Platforms Ireland Limited (im Folgenden: Meta Platforms) und Tik Tok Technology Limited (im Folgenden: Tik Tok), sind in Irland ansässige Unternehmen, die u. a. in Österreich Kommunikationsplattformen anbieten.

19.       Nach dem Inkrafttreten des KoPl‑G im Jahr 2021 beantragten die Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens bei der zuständigen Behörde, der Kommunikationsbehörde Austria (im Folgenden: KommAustria), nach § 1 Abs. 5 KoPl‑G die Feststellung, dass das KoPl‑G nicht auf sie anwendbar sei.

20.       Mit drei Bescheiden vom 26. März, 31. März und 22. April 2021 stellte die KommAustria jedoch fest, dass die Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens in den Anwendungsbereich des KoPl‑G fielen, da sie jeweils eine Kommunikationsplattform im Sinne des § 2 Z 4 KoPl‑G anböten.

21.       Die Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens fochten diese Bescheide vor dem Bundesverwaltungsgericht (Österreich) an, das ihre Beschwerden jeweils als unbegründet abwies.

22.       Zur Problematik, auf die sich die erste Vorlagefrage bezieht, führte das Bundesverwaltungsgericht erstens im Wesentlichen aus, dass das Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2000/31 nicht uneingeschränkt gelte, sondern eine Abweichung insbesondere dann gerechtfertigt sein könne, wenn es für das Erreichen und/oder die Beibehaltung eines hohen Schutzniveaus für hochwertige Güter, wie beispielsweise den Jugendschutz oder den Schutz der Menschenwürde, erforderlich sei. Seines Erachtens verfolge das KoPl‑G solche Ziele. Dieses Gesetz stelle nur die gesetzliche Grundlage dar, um bei einem gehäuften Verstoß konkrete Maßnahmen gegen einen im jeweiligen Einzelfall in ausreichender Weise individualisierten Adressaten ergreifen zu können. Im Feststellungsverfahren habe es jedoch (noch) nicht zum Erlass einzelner und speziell gegen die Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens gerichteter Maßnahmen kommen können, da diese bereits vorab und somit losgelöst von einem konkreten Einzel- bzw. Anlassfall einen Feststellungsbescheid begehrt hätten.

23.       Zweitens stellte das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf das Verfahren nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 fest, dass keine Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung aufgrund des KoPl‑G ergangen seien und dass dieses Gesetz lediglich erlassen worden sei, um eine gesetzliche Grundlage für den Erlass von Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung zu schaffen.

24.       In den gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Revisionen machen die Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, dem vorlegenden Gericht, geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht die Anwendbarkeit des KoPl‑G auf die von ihnen betriebenen Plattformen bestätigt habe. Insbesondere machen sie zum einen geltend, dass die Republik Irland und die Kommission nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 4 Buchst. b und Abs. 5 der Richtlinie 2000/31 über den Erlass des KoPl‑G unterrichtet worden seien, so dass ihnen dieses Gesetz nicht entgegengehalten werden könne, und dass zum anderen die durch dieses Gesetz eingeführten Verpflichtungen unverhältnismäßig und mit dem freien Dienstleistungsverkehr und dem Herkunftslandprinzip unvereinbar seien.

25.       Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs zwischen den Rechtssachen der Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens hat das vorlegende Gericht sie miteinander verbunden.

26.       Für das vorlegende Gericht steht fest, dass es sich bei den von den Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens u. a. in Österreich angebotenen Diensten um Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 handelt. Nach den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen geht das vorlegende Gericht davon aus, dass diese Dienste als „Kommunikationsplattformen“ im Sinne von § 2 Z 4 KoPl‑G zu beurteilen seien und die Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens die in § 1 Abs. 2 und 3(14) dieses Gesetzes vorgesehenen Voraussetzungen erfüllten und demnach in seinen Anwendungsbereich fielen.

27.       Das vorlegende Gericht erkennt an, dass auf der Grundlage des KoPl‑G tatsächlich individuell-konkrete Rechtsakte gegenüber einem Diensteanbieter ergriffen werden, wenn dieser gegen Verpflichtungen verstößt, die ihm durch dieses Gesetz auferlegt werden. Es ist jedoch der Ansicht, dass diese Verpflichtungen, denen ein Anbieter nachzukommen habe, ohne dass zuvor ein individuell-konkreter Rechtsakt erlassen werde, Anforderungen in Bezug auf die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft darstellten und daher in den koordinierten Bereich im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 fielen. Diese Anforderungen seien grundsätzlich geeignet, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft einzuschränken, da sie auch von Diensteanbietern zu erfüllen seien, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als Österreich hätten.

28.       Das vorlegende Gericht stellt fest, dass Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsmitgliedstaat des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen gestatte, vom Herkunftslandprinzip abzuweichen. Vor diesem Hintergrund fragt es sich, ob ein Mitgliedstaat von diesem Prinzip abweichen kann, indem er eine Maßnahme erlässt, die eine der Art nach allgemein umschriebene Kategorie von Diensten der Informationsgesellschaft betrifft, wie die Kommunikationsplattformen im Sinne des KoPl‑G.

29.       Das vorlegende Gericht stellt im Wesentlichen zum einen fest, dass der Gerichtshof bislang zu prüfen gehabt habe, ob generell-abstrakte Regelungen als Maßnahmen im Sinne des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 im Hinblick auf die in dieser Bestimmung genannten Gründe und Anforderungen gerechtfertigt sein könnten. Es führt insoweit die Urteile Ker-Optika(15), Airbnb Ireland(16) und A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln)(17) an. Zum anderen führt das vorlegende Gericht an, dass ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Airbnb Ireland(18) der Auslegung den Vorzug gegeben hätte, dass generelle Rechtsvorschriften nicht als Maßnahmen im Sinne von Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie eingestuft werden könnten und dass sie, wenn sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat aus Gründen einschränkten, die in den koordinierten Bereich fielen, nach Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie in jedem Fall unzulässig seien.

 

IV.    Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

30.       Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Mai 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juni 2022, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof drei Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Auf Wunsch des Gerichtshofs konzentrieren sich die vorliegenden Schlussanträge auf die erste Vorlagefrage, die wie folgt lautet:

Ist Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen, dass unter einer Maßnahme, die einen „bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“ betrifft, auch eine gesetzliche Maßnahme verstanden werden kann, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft (wie Kommunikationsplattformen) bezieht, oder erfordert das Vorliegen einer Maßnahme im Sinne dieser Bestimmung, dass eine Entscheidung bezogen auf einen konkreten Einzelfall (etwa betreffend eine namentlich bestimmte Kommunikationsplattform) getroffen wird?

31.       Schriftliche Erklärungen haben die Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens, die österreichische, die irische und die polnische Regierung sowie die Kommission abgegeben. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.

 

V.         Analyse

32.       Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten dadurch beschränken darf, dass er gesetzliche Maßnahmen generell-abstrakter Natur ergreift, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen, ohne dass diese Maßnahmen in Bezug auf einen konkreten Einzelfall ergriffen werden.

33.       Vorab weise ich darauf hin, dass für das vorlegende Gericht feststeht, dass es sich bei den von den Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens u. a. in Österreich angebotenen Diensten um Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 handelt. Das Vorabentscheidungsersuchen enthält zwar keine Angaben, die es dem Gerichtshof ermöglichen würden, die vom vorlegenden Gericht vorgenommene Einstufung zu überprüfen, doch wird diese Einstufung von den Parteien nicht bestritten. Meine Analyse in den folgenden Ausführungen beruht somit auf dieser Prämisse.

34.       Vor der Prüfung der Vorlagefrage (Abschnitt C) werde ich zunächst einige Bemerkungen zu der im Mittelpunkt des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens stehenden österreichischen Regelung machen (Abschnitt A) und sodann das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten darlegen (Abschnitt B).

 

A.         Österreichische Regelung

35.       Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Bestimmungen des KoPl‑G, mit denen die „Plattformverantwortlichkeit“ der Anbieter von Kommunikationsplattformen im Hinblick auf den Umgang mit Meldungen der Nutzer über Inhalte auf diesen Plattformen gestärkt werden soll(19).

36.       Solche im österreichischen Staatsgebiet tätige Anbieter fallen unabhängig davon, ob sie in diesem Mitgliedstaat oder im Ausland ansässig sind, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des KoPl‑G und haben daher bestimmte Verpflichtungen zu erfüllen. Diese betreffen unter anderem i) die Einrichtung eines Melde- und Überprüfungssystems für angeblich rechtswidrige Inhalte(20), ii) die Erstellung eines Transparenzberichts(21) und iii) die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten sowie eines Zustellungsbevollmächtigen(22). Die in den Anwendungsbereich des KoPl‑G fallenden Anbieter unterliegen der Aufsicht durch die Komm Austria. Im Rahmen dieser Aufsicht kann diese Behörde bei Verstößen gegen bestimmte im KoPl‑G festgelegte Verpflichtungen Geldstrafen in der Höhe von bis zu zehn Mio. Euro verhängen(23).

37.       Ein Wirtschaftsteilnehmer kann bei der Komm Austria einen Feststellungsantrag stellen, damit die Behörde darüber entscheidet, ob er unter den Anwendungsbereich des KoPl‑G fällt. Die Verpflichtungen, denen die Anbieter nachkommen müssen, werden den unter den Anwendungsbereich des KoPl‑G fallenden Wirtschaftsteilnehmern jedoch auferlegt, ohne dass zuvor ein individuell-konkreter Rechtsakt erlassen wird.

 

B.         Standpunkte der Verfahrensbeteiligten

38.       Nach Ansicht von Google und Tik Tok ist ein Rechtsakt wie das KoPl‑G, der für eine ganze Kategorie von Diensteanbietern mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gilt und auf diese abzielt, keine Maßnahme gegen einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 und kann daher nicht nach dieser Bestimmung gerechtfertigt werden. Im gleichen Sinne ist Meta Platforms der Auffassung, dass die nach dieser Bestimmung zulässigen Maßnahmen keine gesetzliche Regelung umfassen könnten, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehe.

39.       Die Kommission führt aus, dass es grundsätzlich Sache des Zielmitgliedstaats sei, festzulegen, „wie und wo“ er eine von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 abweichende Maßnahme vorsehe. Dies könne sowohl durch eine Einzelmaßnahme als auch durch eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung geschehen, „sofern diese … insofern ausreichend gezielt ist, als sie von Anfang an eindeutig für einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft gilt, der von einem oder mehreren Diensteanbietern mit Sitz in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten erbracht wird“. Die Kommission stützt sich insoweit auf den Wortlaut von Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie, der den Begriff „koordinierter Bereich“ definiere und Anforderungen allgemeiner Art einschließe. Auf der Grundlage dieser Erwägungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die vom KoPl‑G vorgesehenen Maßnahmen aufgrund ihrer generell-abstrakten Natur dem in Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie festgelegten Wesensgehalt des Herkunftslandprinzips diametral widersprächen.

40.       Eine grundlegend andere Auslegung wird von der österreichischen und der irischen Regierung sowie, mit einigen Nuancen, von der polnischen Regierung vertreten.

41.       Die Verfahrensbeteiligten, die sich für die Auslegung aussprechen, dass auch gesetzliche Maßnahmen, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie von Diensten der Informationsgesellschaft beziehen, „Maßnahmen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 darstellen können, scheinen daraus unterschiedliche Implikationen für den freien Verkehr solcher Dienste abzuleiten. Ich verstehe den Standpunkt der irischen Regierung nämlich dahin, dass die Mitgliedstaaten, würde der Begriff „Maßnahme“ keine allgemeinen gesetzgeberischen Maßnahmen umfassen, solche allgemeinen gesetzgeberischen Maßnahmen beliebig erlassen und den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft einschränken könnten, ohne die in Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Bedingungen erfüllen zu müssen. Die österreichische Regierung scheint dagegen der Ansicht zu sein, dass eine solche Auslegung jeder Abweichung vom Herkunftslandprinzip durch den Erlass gesetzgeberischer Maßnahmen entgegenstehen würde.

42.       Nach Ansicht der polnischen Regierung ist für die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 erforderlich, dass die fragliche Maßnahme eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 56 AEUV darstellt. Hierzu macht diese Regierung erstens unter Bezugnahme auf das Urteil Airbnb Ireland(24) geltend, dass das KoPl‑G den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht beschränke, da dieses Gesetz lediglich dazu verpflichte, Überprüfungsverfahren für rechtswidrige Inhalte einzurichten und diesbezügliche Berichte zu veröffentlichen.

43.       Zweitens weist die polnische Regierung auf das Verhältnis zwischen Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 einerseits und Art. 14 Abs. 3 und Art. 15 Abs. 2 dieser Richtlinie andererseits hin. Art. 14 Abs. 3 dieser Richtlinie sei als lex specialis zum Herkunftslandprinzip anzusehen. Im Übrigen könnten die Mitgliedstaaten gemäß Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft dazu verpflichten, die zuständigen Behörden unverzüglich über von den Nutzern dieser Dienste gemeldete mutmaßliche rechtswidrige Tätigkeiten oder über von diesen mitgeteilte Informationen zu unterrichten. Nach Ansicht dieser Regierung entspricht dieses Erfordernis der im KoPl‑G vorgesehenen Verpflichtung, Berichte über den Umgang mit Meldungen über rechtswidrige Inhalte zu erstellen und zu veröffentlichen. Da die Bestimmungen dieses Gesetzes die Meldungen und die Kontrolle von rechtswidrigen Inhalten beträfen, fielen sie in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 3 und Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31. Die polnische Regierung macht geltend, dass die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht im Licht von Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie, sondern im Licht von Art. 56 AEUV zu prüfen seien.

44.       Nur drittens, für den Fall, dass der Gerichtshof diesen Analysen nicht folgen sollte, führt die polnische Regierung aus, dass unter dem Begriff „Maßnahme“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 auch eine gesetzliche Maßnahme zu verstehen sei, die sich auf eine allgemein beschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehe.

 

C.         Würdigung

45.       Da die polnische Regierung zum einen geltend macht, dass die Vorlagefrage nicht anhand von Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31, sondern anhand von deren Art. 14 Abs. 3 und Art. 15 Abs. 2 zu prüfen sei, und zum anderen, dass das KoPl‑G in Anbetracht der Rechtsprechung zu Art. 56 AEUV den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft nicht beschränke, so dass nicht auf Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie eingegangen zu werden brauche, ist vorab das Vorbringen dieser Regierung zu prüfen.

1.         Zu den Art. 14 und 15 der Richtlinie 2000/31

46.       Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 scheint nur dann einschlägig zu sein, wenn der Anbieter des Dienstes der Informationsgesellschaft in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie fällt(25). Damit dies der Fall ist, muss die Tätigkeit dieses Anbieters rein technischer, automatischer und passiver Art sein, was bedeutet, dass der Anbieter weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt(26). Ein solcher Anbieter kann von dem Haftungsausschluss in Bezug auf gespeicherte Informationen profitieren, wenn die in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

47.       Da Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 in seinem ersten Teil vorsieht, dass „[d]ieser Artikel … die Möglichkeit unberührt [lässt], dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern“, hat diese Bestimmung zur Folge, dass auch dann auf der Grundlage des nationalen Rechts eines Mitgliedstaats erlassene Anordnungen an einen Diensteanbieter gerichtet werden können, wenn er von dem Haftungsausschluss profitiert. Wie die polnische Regierung bin ich der Ansicht, dass solche Anordnungen von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats als des Niederlassungsmitgliedstaats des Anbieters erlassen werden können.

48.       Das Vorabentscheidungsersuchen enthält keine Informationen, anhand deren festgestellt werden könnte, ob die Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens unter Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 fallen. Jeder Anbieter, der in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt, ist jedoch ein Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, dessen Dienst von dem in Art. 3 dieser Richtlinie eingeführten Mechanismus profitieren kann. Wenn die Mitgliedstaaten befugt sind, Anordnungen gegenüber einem privilegierten Diensteanbieter zu erlassen, der gegebenenfalls von dem in Art. 14 Abs. 1 der genannten Richtlinie vorgesehenen Haftungsausschluss profitieren kann, sollten sie auch dann dazu befugt sein, wenn sich der Anbieter nicht auf diesen Ausschluss berufen kann.

49.       Die polnische Regierung versteht den zweiten Teil von Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31, wonach „[dieser Artikel auch die Möglichkeit unberührt lässt,] dass die Mitgliedstaaten Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr festlegen“, jedoch in dem Sinne, dass er es den Mitgliedstaaten erlaubt, einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Anbieter Verpflichtungen wie die im KoPl‑G vorgesehenen aufzuerlegen.

50.       Diese „Möglichkeit“ betrifft jedoch Verfahren oder Klagen im Zusammenhang mit individualisierten Rechtsverletzungen, für die Anordnungen nach dem ersten Teil von Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 erlassen werden können. Dies wäre der Fall bei einem vorgeschalteten Verfahren, in dessen Rahmen die Person, die eine Anordnung gegen den Diensteanbieter beantragen kann, vor Anrufung eines Gerichts den Diensteanbieter von der Rechtsverletzung in Kenntnis setzen muss, um ihm die Möglichkeit zu geben, diese unverzüglich zu beenden und deren Wiederholung vorzubeugen(27). Die den Mitgliedstaaten im zweiten Teil von Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie vorbehaltene Möglichkeit betrifft hingegen nicht die Auferlegung allgemeiner, zum materiellen Recht gehörender Verpflichtungen, die in keinem Zusammenhang mit einem Verfahren stehen, das eine Anordnung wegen einer individualisierten Rechtsverletzung zum Gegenstand hat(28).

51.       Die Vorlagefrage betrifft jedoch solche allgemeinen Verpflichtungen, so dass sich im vorliegenden Fall nicht die Frage stellt, in welchem Verhältnis die Umsetzung der im zweiten Teil von Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 verankerten Möglichkeit zu dem in Art. 3 Abs. 2 und 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Mechanismus steht.

52.       Aus ähnlichen Gründen ist auch Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 in der vorliegenden Rechtssache nicht einschlägig. Diese Bestimmung scheint nämlich die Umrisse des in Art. 15 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Verbots für die Mitgliedstaaten zu verdeutlichen, Diensteanbietern allgemeine Überwachungspflichten aufzuerlegen(29). Wie es im 47. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt, gilt dieses Verbot nicht für Überwachungspflichten „in spezifischen Fällen“ und berührt insbesondere nicht Anordnungen, die von einzelstaatlichen Behörden nach innerstaatlichem Recht getroffen werden(30).

2.         Zu Art. 56 AEUV

53.       Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 verbietet es den Mitgliedstaaten, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat einzuschränken. Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Verpflichtungen aus dem KoPl‑G grundsätzlich geeignet seien, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft einzuschränken, da diese Verpflichtungen auch von Diensteanbietern zu erfüllen seien, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als Österreich hätten. Die polnische Regierung macht geltend, dass für die Beantwortung der Frage, ob die Verpflichtungen aus dem KoPl‑G eine „Einschränkung“ im Sinne dieser Bestimmung darstellten, den Erwägungen des Gerichtshofs im Zusammenhang mit Art. 56 AEUV zu folgen sei. Im Licht des Urteils Airbnb Ireland(31) sei davon auszugehen, dass das KoPl‑G den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft insbesondere deshalb nicht beschränke, weil dieses Gesetz keine Bedingungen für die Erbringung der Dienstleistung der betroffenen Unternehmen aufstelle.

54.       Zunächst ist insoweit nach dem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs gewählten Lösungsansatz die Frage, ob nationale, in den koordinierten Bereich fallende Maßnahmen Diensten aus einem anderen Mitgliedstaat entgegengehalten werden können, anhand von Art. 3 der Richtlinie 2000/31 und nicht anhand der Bestimmungen des Primärrechts zu beurteilen(32).

55.       Sodann ist festzustellen, dass sich der Gerichtshof im Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln)(33) entgegen dem Vorbringen der polnischen Regierung nicht deshalb auf die Rechtsprechung zu Art. 56 AEUV bezogen hat, um festzustellen, ob die nationale Maßnahme eine Einschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31 enthielt, sondern – nachdem er zu dem Ergebnis gekommen war, dass dies der Fall war(34) – um zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit erfüllt waren.

56.       Schließlich entspricht Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31 zwar der Logik von Art. 56 AEUV, doch handelt es sich bei dieser Richtlinie nicht um einen bloßen Hinweis auf die Grundsätze des Primärrechts. Wie der Gerichtshof nämlich in Bezug auf den koordinierten Bereich klargestellt hat, lässt es Art. 3 der Richtlinie vorbehaltlich der bei Vorliegen der Voraussetzungen seines Abs. 4 gestatteten Ausnahmen nicht zu, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht(35). Daraus schließe ich, dass es den freien Dienstleistungsverkehr beschränken kann, wenn für die Erbringung von Dienstleistungen, damit diese im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zugänglich sind, Anforderungen gestellt werden, die über die im Herkunftsmitgliedstaat geltenden hinausgehen.

57.       Unter diesen Umständen würde es den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft einschränken und damit von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 abweichen, wenn den Revisionswerberinnen des Ausgangsverfahrens Verpflichtungen auferlegt würden, die sich zum einen nicht auf bestimmte rechtswidrige Inhalte und bestimmte Informationen beziehen(36) und zum anderen in den koordinierten Bereich fallende Anforderungen aufstellen, die nicht den Anforderungen, die in ihrem Niederlassungsmitgliedstaat vorgesehen sind, zu entsprechen scheinen und die Erbringung ihrer Dienstleistungen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats betreffen.

58.       Somit bleibt zu prüfen, ob ein Mitgliedstaat von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 abweichen kann, indem er gesetzliche Maßnahmen generell-abstrakter Natur ergreift, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen.

3.         Zu Art. 3 der Richtlinie 2000/31

a)         Vorbemerkungen

59.       In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Airbnb Ireland(37), auf die im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen und in den schriftlichen Erklärungen der Parteien Bezug genommen wird, führte meine Analyse zu der Schlussfolgerung, dass ein anderer als der Herkunftsmitgliedstaat Ausnahmen vom freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft nur durch auf den konkreten Einzelfall bezogene Maßnahmen vorsehen darf.

60.       Ich weise darauf hin, dass ich in diesen Schlussanträgen in einem ersten Schritt auf die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen hingewiesen habe(38), nämlich i) die Erforderlichkeit, eine Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit, der öffentlichen Sicherheit oder der Verbraucher zu erlassen, ii) die Beeinträchtigung eines dieser Schutzziele durch einen Dienst der Informationsgesellschaft oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer solchen Beeinträchtigung und iii) die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Hinblick auf dieses Ziel.

61.       In einem zweiten Schritt habe ich festgestellt, dass, solange nicht geklärt ist, ob der Erlass der fraglichen Maßnahme erforderlich war und ob die von Airbnb Ireland erbrachte Dienstleistung eines der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/31 genannten Schutzziele beeinträchtigte, die zweite in dieser Rechtssache gestellte Frage nur dahin verstanden werden konnte, ob ein anderer als der Herkunftsmitgliedstaat den Anbietern einer bestimmten Kategorie von Diensten der Informationsgesellschaft Anforderungen in Bezug auf die Ausübung des Berufs eines Grundstücksmaklers eigenmächtig und ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen auferlegen darf. Vor diesem Hintergrund habe ich in einem dritten Schritt eine Reihe von Argumenten dafür vorgebracht, dass ein anderer als der Herkunftsmitgliedstaat Ausnahmen vom freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft nur durch auf den konkreten Einzelfall bezogene Maßnahmen vorsehen darf.

62.       In der vorliegenden Rechtssache ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass die mit dem KoPl‑G auferlegten Verpflichtungen grundsätzlich geeignet seien, dem Schutz der öffentlichen Ordnung zu dienen, und dass ihm ausreichende Informationen vorlägen, um die Fragen zu beurteilen, ob die Regelungen dieses Gesetzes zum Schutz dieses Ziels erforderlich seien und ob sie in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Ziel stünden. Zwar könnte der Wortlaut der ersten Vorlagefrage den Schluss nahelegen, dass sich das vorlegende Gericht mit dieser Frage auf Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 2000/31 bezieht, der die materielle Voraussetzung bezüglich der Beeinträchtigung eines bestimmten Schutzziels oder der ernsthaften und schwerwiegenden Gefahr einer solchen Beeinträchtigung durch einen Dienst der Informationsgesellschaft enthält. Es räumt jedoch ein, dass es Zweifel daran hat, ob es sich bei einer generell-abstrakten Regelung, die allgemeine Verpflichtungen für Anbieter von der Art nach bestimmten Diensten der Informationsgesellschaft festlegt, welche ohne Dazwischentreten eines individuell-konkreten Rechtsakts wirksam werden, tatsächlich um eine Maßnahme im Sinne des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 handeln kann. Folglich sind die Argumente, die ich im Rahmen meiner Analyse in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Airbnb Ireland(39) vorgebracht habe, auch für die vorliegende Rechtssache relevant. In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich diese Argumente unter Berücksichtigung der vom vorlegenden Gericht in der vorliegenden Rechtssache angesprochenen Problematik weiter ausführen und einige zusätzliche Argumente darlegen.

b)         Analyse

63.       Erstens könnte Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31, um den in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie genannten Grundsatz nicht zu „verwässern“, dahin verstanden werden, dass andere Mitgliedstaaten als der Herkunftsstaat nur im Einzelfall Ausnahmen vom freien Dienstleistungsverkehr vorsehen dürfen. Ginge man davon aus, dass eine generell-abstrakte Regelung, die für alle Anbieter einer Kategorie von Diensten der Informationsgesellschaft gilt, eine „Maßnahme“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie darstellen kann, liefe dies darauf hinaus, die Fragmentierung des Binnenmarkts durch nationale Regelungen zuzulassen.

64.       Zweitens ist Art. 3 der Richtlinie 2000/31 so auszulegen, dass der freie Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sichergestellt wird(40). Darüber hinaus ist eine Ausnahme von der in Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie aufgestellten allgemeinen Regel – wie Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie – eng auszulegen. Unter diesem Blickwinkel wollte der Unionsgesetzgeber mit dieser Richtlinie, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 5 und 6 ergibt, die rechtlichen Hemmnisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beseitigen, d. h. die Hemmnisse, die in Unterschieden der innerstaatlichen Rechtsvorschriften sowie in der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der auf Dienste der Informationsgesellschaft jeweils anzuwendenden nationalen Regelungen bestehen. Diesem Ziel liefe es zuwider, würde man die Anwendung unterschiedlicher Gesetze auf einen Anbieter oder seine Dienstleistung erlauben.

65.       Drittens kann die Art einer Maßnahme, mit der ein Zielmitgliedstaat vom Herkunftslandprinzip abweichen kann, anhand der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a und b der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen bestimmt werden.

66.       Zum einen betreffen die auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 erlassenen Maßnahmen einen bestimmten Dienst, der, wie in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie gefordert, das betreffende Ziel beeinträchtigen oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieses Ziels darstellen muss. Wenn es einem Mitgliedstaat nach dieser Richtlinie, die auf dem Herkunftslandprinzip und dem Grundsatz der Kontrolle der Dienste der Informationsgesellschaft an der Quelle(41) beruht, gestattet wäre, den freien Verkehr einer Kategorie von Diensten aus anderen Mitgliedstaaten zu beschränken, würde dies daher das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten(42) in Frage stellen und ein generelles Misstrauen aller anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf ihre jeweilige Aufsicht über die Dienste der Informationsgesellschaft, die von in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Dienstleistern erbracht werden, voraussetzen. Dies ist ein weiterer Grund für die Auffassung, dass in allen Fällen, die unter Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie fallen, eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden muss.

67.       Soweit Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 einen Zielmitgliedstaat verpflichtet, den Herkunftsmitgliedstaat aufzufordern, Maßnahmen im Bereich der Dienste der Informationsgesellschaft zu ergreifen, setzt diese Bestimmung zum anderen voraus, dass der Mitgliedstaat, an den ein solche Aufforderung gerichtet wird, vor dem Ergreifen einer Maßnahme im Sinne von Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie tatsächlich identifizierbar und identifiziert ist. Eine gesetzliche Maßnahme generell-abstrakter Natur, die unterschiedslos für alle Anbieter einer Kategorie von Dienstleistungen gelten würde, entspräche nicht der Logik der in Art. 3 Abs. 4 der genannten Richtlinie vorgesehenen Verfahrensvoraussetzung.

68.       Im Übrigen macht Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 die Ausnahmewirkung von auf nationaler Ebene getroffenen Maßnahmen davon abhängig, dass die Kommission von der Absicht, solche Maßnahmen zu ergreifen, vorab unterrichtet wurde. Wäre der Begriff „Maßnahme“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie so zu verstehen, dass er gesetzliche Maßnahmen generell-abstrakter Natur umfasst, die unterschiedslos für alle Anbieter einer Kategorie von Dienstleistungen gelten, würde dies bedeuten, dass Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie eine zusätzliche Mitteilung neben der von der Richtlinie 2015/1535 geforderten hinzufügt. Nach der letztgenannten Richtlinie sind die Mitgliedstaaten nämlich verpflichtet, der Kommission allgemein gehaltene Vorschriften über den Zugang zu Diensten der Informationsgesellschaft und über deren Betreibung mitzuteilen(43).

69.       Viertens bin ich empfänglich für das Vorbringen der Kommission, wonach es grundsätzlich Sache des Zielmitgliedstaats sei, festzulegen, „wie und wo“ er eine von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 abweichende Maßnahme vorsehe. Das System der Rechtsquellen in den einzelnen Mitgliedstaaten kann nämlich unterschiedliche Formen annehmen. Unter diesem Blickwinkel schließt die Kommission nicht aus, dass dies durch eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung geschehen könne, „sofern diese Maßnahme insofern ausreichend gezielt ist, als sie von Anfang an eindeutig für einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft gilt, der von einem oder mehreren Diensteanbietern mit Sitz in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten erbracht wird“. Aus den in den Nrn. 63 bis 68 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen erfüllt eine gesetzliche Maßnahme generell-abstrakter Natur, die unterschiedslos für alle Anbieter einer Kategorie von Dienstleistungen gilt, diese Voraussetzung jedoch nicht.

70.       Die Definition des Begriffs „koordinierter Bereich“ in Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 stellt diese Überlegung nicht in Frage. Die Bezugnahme auf allgemeine Anforderungen in der Definition dieses Begriffs betrifft nicht die Bandbreite der Befugnisse, die ein Zielmitgliedstaat ausüben kann, um von Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie abzuweichen, sondern die eines Herkunftsmitgliedstaats.

71.       Auch die Analyse der Vorarbeiten zur Richtlinie 2000/31 stellt diese Überlegung nicht in Frage. Zwar hieß es in dem Vorschlag für die Richtlinie, dass „die Kommission weitmöglichst berücksichtigen [wird], dass es den Mitgliedstaaten möglich sein muss, ihre Regeln zum Schutz überragender Allgemeininteressen zur Anwendung zu bringen [und es] für die Kommission [außer Frage steht], einen Mitgliedstaat daran zu hindern, Vorschriften zur Bekämpfung rassistischer Inhalte zur Anwendung zu bringen“(44). Zum einen ist jedoch unklar, wie in diesem Zusammenhang die Bezugnahme auf die „[Anwendung von] Vorschriften zur Bekämpfung [eines spezifischen Inhalts]“ zu verstehen ist, da eine solche Anwendung eher unter die Problematik der Anordnungen im Sinne der Art. 14 und 15 der Richtlinie fällt, und zum anderen sind nach diesem Vorschlag Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip „in bestimmten, ganz besonderen Fällen“ zulässig.

72.       Der Vollständigkeit halber stelle ich fest, dass die Auslegung, nach der eine gesetzliche Maßnahme generell-abstrakter Natur, die unterschiedslos für alle Anbieter einer Kategorie von Dienstleistungen gilt, keine „Maßnahme“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 darstellt, die von der Mehrheit der Autoren im Schrifttum vertretene Auslegung ist(45). Die Befürworter der gegenteiligen Auslegung weisen darauf hin, dass das wesentliche zusätzliche Gewicht zu berücksichtigen sei, das dieser Diskussion durch die Bekämpfung illegaler Hassreden verliehen werde. Zur Stützung dieser Auslegung machen sie geltend, dass dieser Ansatz mit der Richtlinie 2000/31 übereinstimme, deren zehnter Erwägungsgrund darauf hinweise, dass diese ein hohes Schutzniveau für die dem Gemeinwohl dienenden Ziele gewährleisten müsse(46). Ich bin für diese Argumentation empfänglich und schließe nicht aus, dass diesen Bedenken mit dem Digital Services Act Rechnung getragen werden soll. In Bezug auf die Richtlinie 2000/31 ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es in deren 22. Erwägungsgrund heißt: „Die Aufsicht über Dienste der Informationsgesellschaft hat am Herkunftsort zu erfolgen, um einen wirksamen Schutz der Ziele des Allgemeininteresses zu gewährleisten[,] … nicht allein für die Bürger [des Niederlassungsmitgliedstaats eines Anbieters], sondern für alle Bürger der [Union]“.

73.       Nach alledem bin ich der Ansicht, dass Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten dadurch zu beschränken, dass er gesetzliche Maßnahmen generell-abstrakter Natur ergreift, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen, ohne dass diese Maßnahmen in Bezug auf einen konkreten Einzelfall ergriffen werden.

74.       Aus Gründen der Vollständigkeit möchte ich darauf hinweisen, dass die vorstehenden Erwägungen keinesfalls durch die Erkenntnisse aus den Urteilen Ker-Optika, Airbnb Ireland und A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) in Frage gestellt werden.

c)         Zum Urteil Ker-Optika

75.       Im Urteil Ker-Optika(47) hat der Gerichtshof festgestellt, dass die in diesem Urteil in Rede stehende nationale Regelung, soweit sie ein Verbot des Verkaufs von Kontaktlinsen über das Internet beinhaltete, nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 als zum Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in angemessenem Verhältnis stehend angesehen werden konnte. Im Umkehrschluss kann diese Passage daher darauf hindeuten, dass eine nationale Regelung wie die in diesem Urteil in Rede stehende eine „Maßnahme“ im Sinne der genannten Bestimmung darstellen kann. Die Bezugnahme auf diese Bestimmung ist jedoch in dem Zusammenhang zu sehen, in dem sie steht.

76.       Das vorlegende Gericht wollte nämlich in der Rechtssache, in der das Urteil Ker-Optika ergangen ist, wissen, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach Kontaktlinsen nur in Fachgeschäften für den Verkauf medizinischer Hilfsmittel vertrieben werden dürfen und folglich ihr Vertrieb über das Internet verboten ist.

77.       Der Gerichtshof hat in diesem Urteil festgestellt, dass sich im Rahmen des Vertriebs von Kontaktlinsen über das Internet zwei Elemente unterscheiden lassen, nämlich der eigentliche Verkaufsvorgang und die Lieferung des Produkts. Nach dieser Unterscheidung hat der Gerichtshof die auf diese beiden Elemente des Vertriebs anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts ermittelt. Er hat daher festgestellt, dass die Verkaufsbedingungen im eigentlichen Sinne unter die Richtlinie 2000/31 fallen(48), während die Voraussetzungen für die Lieferung des Produkts in Anbetracht der Definition des Begriffs „koordinierter Bereich“ in dieser Richtlinie von ihr ausgenommen(49) und anhand der primärrechtlichen Bestimmungen über den freien Warenverkehr zu beurteilen sind(50).

78.       In einem ersten Schritt ist der Gerichtshof davon ausgegangen, dass die mit der nationalen Regelung eingeführten Voraussetzungen für die Lieferung eine Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellten und dass diese Beschränkung nicht gerechtfertigt werden konnte, da sie über das hinausging, was zur Erreichung des Ziels, das als Begründung für die durch sie verursachte Beschränkung angeführt worden war, erforderlich war(51). In einem zweiten Schritt hat der Gerichtshof bezüglich der Verkaufsbedingungen im eigentlichen Sinne festgestellt, dass diese nationale Regelung, soweit sie ein Verbot des Verkaufs von Kontaktlinsen über das Internet beinhaltete, „aus den gleichen Gründen“ nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 als zum Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in angemessenem Verhältnis stehend angesehen werden konnte(52). Auf dieser Grundlage ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass die Art. 34 und 36 AEUV sowie – ohne jedoch ihre spezifischen Bestimmungen anzuführen – diese Richtlinie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach Kontaktlinsen nur in Fachgeschäften für medizinische Hilfsmittel vertrieben werden dürfen(53).

79.       Wie sich aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Mengozzi in dieser Rechtssache(54) ergibt, wurde die ungarische Regelung, die den Verkauf von Kontaktlinsen über das Internet verbot, einer Gesellschaft ungarischen Rechts entgegengehalten. Es handelte sich somit nicht um einen Sachverhalt, der in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31, sondern unter deren Art. 3 Abs. 1 fiel.

80.       Unter diesen Umständen kann die Bezugnahme auf diese Bestimmung im Urteil Ker-Optika(55) auf unterschiedliche Weise verstanden werden. Es ist nämlich denkbar, dass der Gerichtshof durch den Verweis auf die genannte Bestimmung das Narrativ beibehalten wollte, das die Unionsgerichte bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Lieferung anhand der Bestimmungen des Primärrechts zum freien Warenverkehr anwenden, da diese nur in Situationen anwendbar sind, die zumindest potenziell grenzüberschreitend sind. Eine andere mögliche Interpretation ist, dass die Schlussfolgerung des Gerichtshofs, dass die Richtlinie 2000/31 einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Online-Vertrieb von Kontaktlinsen verbietet, den ebenfalls in diesem Urteil(56) erwähnten Art. 9 dieser Richtlinie betrifft, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass ihr Rechtssystem den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Wege ermöglicht.

d)         Zum Urteil Airbnb Ireland

81.       Wie das vorlegende Gericht ausführt, hat sich der Gerichtshof im Urteil Airbnb Ireland nicht zum Begriff „Maßnahme“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 geäußert. In Anbetracht der fehlenden Mitteilung des in Rede stehenden Gesetzes durch die Französische Republik gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b dieser Richtlinie hielt es der Gerichtshof nämlich für angebracht, sich auf die Feststellung zu beschränken, dass dieses Gesetz „jedenfalls“ nicht auf einen Einzelnen angewandt werden kann, „und zwar unabhängig von der Frage, ob dieses Gesetz den anderen, in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen genügt“(57).

e)         Zum Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln)

82.       Die Vorlagefrage in der Rechtssache, die dem Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) zugrunde lag, betraf die Unionsrechtmäßigkeit einer innerstaatlichen Regelung, die der Mitgliedstaat, für den eine Dienstleistung des Online-Verkaufs nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel bestimmt war, auf den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Diensteanbieter angewandt hatte. Mit dieser Frage wollte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob diese nationale Regelung mit Art. 34 AEUV, Art. 85c der Richtlinie 2001/83/EG(58) und/oder Art. 3 der Richtlinie 2000/31 vereinbar war. Der Gerichtshof ist in seinem Urteil davon ausgegangen, dass die Vorlagefrage unter dem Blickwinkel der letztgenannten Richtlinie zu prüfen war.

83.       Obwohl bei Lektüre dieses Urteils der Eindruck entstehen könnte, dass ein Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 vom freien Dienstleistungsverkehr abweichen kann, indem er eine generell-abstrakte Regelung erlässt, kann die Antwort des Gerichtshofs nicht als endgültige Entscheidung in der Sache selbst verstanden werden, ohne die Art des Vorabentscheidungsverfahrens und die Tragweite des Ersuchens, mit dem der Gerichtshof befasst wurde, zu berücksichtigen. Der Gerichtshof ist nämlich nicht dazu befragt worden, ob die in Rede stehende nationale Regelung eine „Maßnahme“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie darstellen kann. Ebenso wurde in dieser Rechtssache geltend gemacht, dass die Regelung nicht gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie mitgeteilt worden sei. Angesichts der für Vorlagefragen, die das Unionsrecht betreffen, geltenden Vermutung der Entscheidungserheblichkeit hat der Gerichtshof die Vorlagefrage dennoch beantwortet und entschieden, dass die Anwendung der genannten Regelung auf einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Diensteanbieter zu gestatten war(59).

84.       Ebenfalls in diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass sich der Tenor des Urteils A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) nicht auf eine spezifische Bestimmung der Richtlinie 2000/31 bezieht, obwohl in der Vorlagefrage Art. 3 dieser Richtlinie erwähnt wird. Vielleicht noch wichtiger ist die Tatsache, dass der Gerichtshof in diesem Urteil auch auf Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie Bezug genommen hat(60).

85.       Insoweit deuten die in dieser Rechtssache in Rede stehende nationale Regelung und die zu ihrer Stützung angeführte Rechtfertigung darauf hin, dass diese Regelung im Wesentlichen berufsrechtliche Regeln für Apotheker und die guten Praktiken für die Abgabe von Arzneimitteln durch Apotheker enthielt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 „[d]ie Mitgliedstaaten [sicherstellen], dass die Verwendung kommerzieller Kommunikationen, die Bestandteil eines von einem Angehörigen eines reglementierten Berufs angebotenen Dienstes der Informationsgesellschaft sind oder einen solchen Dienst darstellen, gestattet ist, soweit die berufsrechtlichen Regeln, insbesondere zur Wahrung von Unabhängigkeit, Würde und Ehre des Berufs, des Berufsgeheimnisses und eines lauteren Verhaltens gegenüber Kunden und Berufskollegen, eingehalten werden“. Wie die Art. 14 und 15 dieser Richtlinie findet sich diese Bestimmung nicht in Kapitel I, das Art. 3 enthält, sondern in Kapitel II der Richtlinie. Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass Art. 8 der Richtlinie 2000/31 ebenso wie deren Art. 14 und 15(61) auch für die Zielmitgliedstaaten gilt, die festlegen, welche beruflichen Tätigkeiten in ihren Rechtsordnungen reglementiert sind, und daher bestimmte Vorschriften über die kommerzielle Kommunikation eines Angehörigen eines reglementierten Berufs erlassen können, ohne den Mechanismus des Art. 3 dieser Richtlinie zu beeinträchtigen.

86.       In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen halte ich an meinem in Nr. 73 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Standpunkt fest.

VI.    Ergebnis

87.       Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Vorlagefrage des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich) wie folgt zu beantworten:

Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt

ist dahin auszulegen, dass

er es einem Mitgliedstaat verwehrt, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten dadurch zu beschränken, dass er gesetzliche Maßnahmen generell-abstrakter Natur ergreift, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen, ohne dass diese Maßnahmen in Bezug auf einen konkreten Einzelfall ergriffen werden.

1          Originalsprache: Französisch.

2          Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Gesetz über digitale Dienste) (ABl. 2022, L 277, S. 1).

3          Vgl. Art. 1 des Digital Services Act.

4          Vgl. für eine Beschreibung dieser Verpflichtungen u. a. Wilman, F., „The Digital Services Act (DSA) – An Overview“, SSRN (papers.ssrn.com), 27. Dezember 2022, S. 7 ff.

5          Vgl. Art. 92 und 93 des Digital Services Act.

6          Vorbehaltlich der Ausnahmen, die in spezifischeren Rechtsakten zur Regelung dieser Aspekte vorgesehen sind, wie die Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. 2011, L 335, S. 1, berichtigt in ABl. 2012, L 18, S. 7) und die Verordnung (EU) 2021/784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online‑Inhalte (ABl. 2021, L 172, S. 79).

7          U. a. die Bundesrepublik Deutschland und die Französische Republik, die das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vom 1. September 2017 (BGBl. 2017  I S. 3352) bzw. die Loi no 2020‑766, du 24 juin 2020, visant à lutter contre les contenus haineux sur l’internet (Gesetz Nr. 2020‑766 vom 24. Juni 2020 zur Bekämpfung von Hassinhalten im Internet) (JORF Nr. 0156 vom 25. Juni 2020) erlassen haben.

8          Die Kommission hat in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hingewiesen, dass diese österreichische Regelung Verpflichtungen vorsieht, die sich mit denen des Digital Services Act überschneiden.

9          Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1).

10        Vgl. Art. 2 Abs. 3 des Digital Services Act. Im Übrigen harmonisiert diese Verordnung zwar bestimmte Vorschriften für Vermittlungsdienste im Binnenmarkt vollständig, beseitigt aber wohl nicht die Möglichkeit, von dem in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 verankerten Herkunftslandprinzip in Bezug auf andere als die in den harmonisierten Vorschriften geregelten Aspekte abzuweichen. Vgl. neunter Erwägungsgrund dieser Verordnung.

11        Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1). Vor Inkrafttreten der Richtlinie 2015/1535 definierte Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 die „Dienste der Informationsgesellschaft“ als die „Dienste im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie [98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1998, L 204, S. 37)]“. Diese Verweisung ist seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 2015/1535 gemäß Art. 10 dieser Richtlinie als Verweisung auf ihren Art. 1 Abs. 1 Buchst. b zu verstehen.

12        BGBl. I Nr. 151/2020.

13        § 14 KoPl-G.

14        Art. 1 Abs. 3 KoPl-G wird vom vorlegenden Gericht nicht angeführt. Im Wesentlichen schließt diese Bestimmung vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes Diensteanbieter von Kommunikationsplattformen aus, 1. die nur der Vermittlung oder dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen sowie der Vermittlung von Immobilien oder Stellenanzeigen dienen, 2. deren Hauptzweck in der Bereitstellung nicht gewinnorientierter Dienste liegt, und 3. die von Medienunternehmen angeboten werden.

15        Urteil vom 2. Dezember 2010 (C‑108/09, im Folgenden: Urteil Ker-Optika, EU:C:2010:725).

16        Urteil vom 19. Dezember 2019 (C‑390/18, im Folgenden: Urteil Airbnb Ireland, EU:C:2019:1112).

17        Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, im Folgenden: Urteil A [Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln], EU:C:2020:764).

18        C‑390/18, EU:C:2019:336, Nrn. 134 und 135.

19        Vgl. § 1 KoPl-G.

20        Vgl. § 3 Abs. 1 und 4 KoPl-G.

21        Vgl. § 4 Abs. 1 KoPl-G.

22        Vgl. § 5 Abs. 1 und 4 KoPl-G.

23        Vgl. § 10 KoPl-G, der im Vorabentscheidungsersuchen nicht wiedergegeben ist.

24        Urteil Airbnb Ireland (Rn. 42).

25        Nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 „[stellen d]ie Mitgliedstaaten … sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind: a) Der Anbieter hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und, in Bezug auf Schadenersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder b) der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren“.

26        Vgl. Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando (C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 105).

27        Vgl. Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando (C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 131 und 133).

28        Außerdem heißt es in Art. 6 Abs. 4 des Digital Services Act, der die Funktion von Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 übernimmt, lediglich, dass dieser Artikel „die Möglichkeit unberührt [lässt], dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern“ (wie der erste Teil von Art. 14 Abs. 3), ohne den zweiten Teil von Art. 14 Abs. 3 (wiedergegeben in Nr. 49 der vorliegenden Schlussanträge) zu übernehmen. Zum einen sind aber die Vorschriften über Anordnungen nunmehr durch diese Verordnung harmonisiert, und zum anderen bestimmt die Verordnung, dass die diese Anordnungen betreffenden Bedingungen und Anforderungen unbeschadet des Zivilprozessrechts gelten. Vgl. Art. 9 Abs. 6 und Art. 10 Abs. 6 dieser Verordnung.

29        Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 lautet: „Die Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.“ In Art. 15 Abs. 2 dieser Richtlinie heißt es weiter: „Die Mitgliedstaaten können Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft dazu verpflichten, die zuständigen Behörden unverzüglich über mutmaßliche rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen der Nutzer ihres Dienstes zu unterrichten, oder dazu verpflichten, den zuständigen Behörden auf Verlangen Informationen zu übermitteln, anhand deren die Nutzer ihres Dienstes, mit denen sie Vereinbarungen über die Speicherung geschlossen haben, ermittelt werden können.“

30        Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 3. Oktober 2019, Glawischnig-Piesczek (C‑18/18, EU:C:2019:821, Rn. 35), in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, dass „[e]in solcher spezifischer Fall … u. a., wie im Ausgangsverfahren, in einer konkreten Information begründet sein [kann], die vom betreffenden Hosting-Anbieter im Auftrag eines bestimmten Nutzers seines sozialen Netzwerks gespeichert wurde und deren Inhalt von einem zuständigen Gericht des betreffenden Mitgliedstaats analysiert und beurteilt wurde, das diese Information nach Abschluss seiner Würdigung für rechtswidrig erklärt hat“.

31        Rn. 42 dieses Urteils.

32        Vgl. in diesem Sinne Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (Rn. 34). Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache LEA (C‑10/22, EU:C:2023:437, Nr. 84).

33        Rn. 64 dieses Urteils.

34        Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (Rn. 62). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil Airbnb Ireland (Rn. 81 und 82).

35        Vgl. Urteil vom 25. Oktober 2011, eDate Advertising u. a. (C‑509/09 und C‑161/10, EU:C:2011:685, Rn. 67 und 68).

36        Siehe Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge. Vgl. auch 38. Erwägungsgrund des Digital Services Act.

37        C‑390/18, EU:C:2019:336, Nr. 135.

38        Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:336, Nrn. 123 bis 125).

39        C‑390/18, EU:C:2019:336, Nr. 135.

40        Vgl. Urteil vom 25. Oktober 2011, eDate Advertising u. a. (C‑509/09 und C‑161/10, EU:C:2011:685, Rn. 64).

41        Vgl. 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31.

42        Vgl. 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31.

43        Vgl. Art. 1 Abs. 1 Buchst. e und Art. 5 der Richtlinie 2015/1535. In ihren schriftlichen Erklärungen weist die Kommission darauf hin, dass ihr das KoPl‑G nicht nach der Richtlinie 2000/31, sondern nach der Richtlinie 2015/1535 mitgeteilt worden sei, ohne jedoch auszuschließen, dass ein Mitgliedstaat den in diesen beiden Richtlinien vorgesehenen Mitteilungspflichten durch eine einzige Mitteilung nachkommen könne.

44        Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt, KOM(1998) 586 endg., S. 36.

45        Vgl. u. a. Crabit, E., „La directive sur le commerce électronique: le projet ‚Méditerranée‘“, Revue du droit de l’Union européenne, 2000, Nr. 4, S. 749 und insbesondere S. 762 und 792, Drexl, J., „Mondialisation et société de l’information. Le commerce électronique et la protection des consommateurs“, Revue internationale de droit économique, 2002, Nr. 2‑3, S. 405 und insbesondere S. 432 („[l’État membre de destination] peut prendre des mesures individuelles“ [der Zielmitgliedstaat darf individuelle Maßnahmen ergreifen]), Gkoutzinis, A., Internet Banking and the Law in Europe: Regulation, Financial Integration and Electronic Commerce, Cambridge University Press, Cambridge–New York 2006, S. 283, und Schulz, W., „Regulating Intermediaries to Protect Privacy Online – the Case of the German NetzDG“, HIIG Discussion Paper Series, 2018, S. 7 („exemption clause of art. 3 sec. 4 e‑Commerce Directive [is] restricted to individual cases and does not allow members states to apply their jurisdiction all together ‚through the backdoor‘“).

46        Vgl. Holznagel, D., „Platform Liability for Hate Speech & the Country of Origin Principle: Too Much Internal Market“, Computer Law Review International, 2020, Bd. 4, S. 107.

47        Rn. 76 dieses Urteils.

48        Urteil Ker-Optika (Rn. 28).

49        Urteil Ker-Optika (Rn. 31).

50        Urteil Ker-Optika (Rn. 41).

51        Urteil Ker-Optika (Rn. [75]).

52        Urteil Ker-Optika (Rn. 76).

53        Urteil Ker-Optika (Rn. 78).

54        Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Ker-Optika (C‑108/09, EU:C:2010:341, Nr. 21).

55        Rn. 76 dieses Urteils.

56        Urteil Ker-Optika (Rn. 26).

57        Urteil Airbnb Ireland (Rn. 99).

58        Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in ihrer durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. 2004, L 136, S. 34) geänderten Fassung.

59        Vgl. Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (Rn. 41 und 44).

60        Vgl. Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (Rn. 66).

61        Siehe Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge.

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