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Wirtschaftsrecht
11.07.2013
Wirtschaftsrecht
BGH: GmbH-Gesellschafter kann Schadensersatz wegen eines „Reflexschadens" nur durch Leistung an Gesellschaft verlangen

BGH, Versäumnisurteil vom 14. 5. 2013 - II ZR 176/10


Leitsätze


Der Grundsatz, dass der Gesellschafter einer GmbH Schadensersatz wegen einer Minderung des Werts seiner Beteiligung, die aus einer Schädigung der Gesellschaft resultiert (mittelbarer oder Reflexschaden), nicht durch Leistung an sich persönlich, sondern nur durch Leistung an die Gesellschaft verlangen kann, gilt auch dann, wenn die Gesellschaft durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst wird (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 29. November 2004 II ZR 14/03, ZIP 2005, 320).


Sachverhalt


Die frühere Klägerin zu 2 (im Folgenden: Schuldnerin), eine GmbH, betrieb ein Malerunternehmen. Der Kläger zu 1 (im Folgenden: Kläger) war Gesellschafter der Schuldnerin mit einem Geschäftsanteil von 53 %; der Beklagte zu 1 hielt 47 % der Geschäftsanteile der Schuldnerin und war zugleich deren Geschäftsführer. Ihm oblag unter anderem die Pflege des Kontakts zu den Großkunden der Schuldnerin. Der Sohn des Beklagten zu 1, der Beklagte zu 2, war ebenfalls bei der Schuldnerin angestellt.


Der Beklagte zu 2 gründete zum 21. Dezember 2000 ein Konkurrenzunternehmen zur Schuldnerin, die Beklagte zu 3, und schied zum 31. Dezember 2000 aus der Schuldnerin aus. Ebenfalls am 21. Dezember 2000 teilte der Beklagte zu 1 dem Kläger mit, dass er seine geschäftsführende Tätigkeit für die Schuldnerin fristlos kündige und zum 31. Dezember 2000 einstellen werde. Alle zwölf bei der Schuldnerin beschäftigten Malergesellen kündigten gleichfalls im Dezember 2000 ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2000 und nahmen ab dem 1. Januar 2001 eine Beschäftigung bei der Beklagten zu 3 auf. Seine Beteiligung an der Schuldnerin hat der Beklagte zu 1 zum 31. Dezember 2001 gekündigt. Seit dem 10. Dezember 2002 ist er nach längerer Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten zu 3 als technischer Betriebsleiter tätig.


Die Beklagte zu 3 wurde nach Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit mit Beginn des Jahres 2001 auch für Kunden tätig, die bis dahin Kunden der Schuldnerin gewesen waren; insbesondere führte die Beklagte zu 3 von der Schuldnerin mit ihren Mitarbeitern im Dezember 2000 begonnene Aufträge fort.


Der Kläger und die Schuldnerin haben zunächst die Feststellung begehrt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihnen den im Zusammenhang mit der Übernahme der laufenden Geschäftstätigkeit entstandenen Schaden zu ersetzen. Von der Beklagten zu 3 haben sie zudem Auskunft begehrt, um ihren Schadensersatzanspruch beziffern zu können. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin hat der Kläger zu 3 (im Folgenden: Insolvenzverwalter) sich mit den Beklagten außergerichtlich zur Beilegung des Rechtsstreits auf eine Zahlung von 20.000 € an die Schuldnerin geeinigt und die von der Schuldnerin erhobene Klage zurückgenommen. Nach § 7 des Vergleichs sollten mit dem Abschluss des Vergleichs und der Erfüllung der in dem Vergleich geregelten Ansprüche sämtliche zwischen der Schuldnerin und den Beklagten bestehenden Ansprüche abgegolten und erledigt sein. Der Beklagte zu 1 hat seine Widerklage gegen die Schuldnerin auf Auskunft zur Bezifferung eines vermeintlichen Abfindungsanspruchs gleichfalls nach Abschluss des Vergleichs zurückgenommen.


Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 zur Auskunft und Rechnungslegung verurteilt und festgestellt, dass der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten. Die auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2 und 3 gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen.


Das Berufungsgericht hat auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 3 das landgerichtliche Urteil unter Abänderung des Feststellungausspruchs bestätigt. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision der Beklagten zu 1 und 3 (im Folgenden: Beklagte) verfolgen diese ihre Anträge auf Klageabweisung weiter.


Aus den Gründen


7          Über die Revision der Beklagten ist, da der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (BGH, Urteil vom 4. April 1962 V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).


8          Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur vollständigen Abweisung der Klage.


9          I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe einen Anspruch auf Feststellung, dass der Beklagte zu 1 ihm wegen Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht Schadensersatz schulde. Die Feststellungsklage sei im Hinblick auf die drohende Verjährung zulässig und auch begründet. Der Beklagte zu 1 habe seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verletzt, indem er der Abwanderung des Personals der Schuldnerin zu dem von seinem Sohn gegründeten Konkurrenzunternehmen, der Beklagten zu 3, durch eigene Kündigung Vorschub geleistet und damit mittelbar auch dazu beigetragen habe, dass Aufträge von Kunden der Schuldnerin fortan von der Beklagten zu 3 bearbeitet und Folgeaufträge der Beklagten zu 3 und nicht mehr der Schuldnerin erteilt worden seien.


10        Dadurch habe der Kläger einen Schaden in seinem eigenen Vermögen erlitten, den er in eigenem Namen und für eigene Rechnung geltend machen könne. Zwar könne der Gesellschafter einer GmbH Ausgleich eines mittelbaren Schadens, der in der Minderung seiner Gesellschafterrechte durch Schädigung des Gesellschaftsvermögens bestehe, grundsätzlich nur in der Weise erreichen, dass der bei der Gesellschaft entstandene Schaden durch Ersatzleistung an die Gesellschaft beseitigt werde. Aufgrund besonderer gesellschafts- oder schuldrechtlicher Beziehungen könne ein Gesellschafter einen Mitgesellschafter aber auch im eigenen Namen und Interesse in Anspruch nehmen. Insbesondere die Verletzung von dem Mitgesellschafter gegenüber bestehenden Treuepflichten könne zu eigenen Schadensersatzansprüchen des geschädigten Mitgesellschafters führen. Solche Ansprüche habe zwar, soweit sich der Schaden des Gesellschafters mit demjenigen der Gesellschaft decke, in erster Linie diese geltend zu machen. Soweit sich die Schäden nicht deckten, könne der Gesellschafter seinen eigenen Schaden aber uneingeschränkt selbst liquidieren. Der vom Kläger geltend gemachte Schaden bestehe, wie er im Berufungsverfahren klargestellt habe, in dem Verlust der Gewinnausschüttungen ab 2001, die er erhalten hätte, wenn der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin nicht durch die vom Beklagten zu 1 verschuldete Abwanderung des Personals und der Kunden zum Erliegen gekommen wäre. Hierbei handele es sich um einen ausschließlich eigenen Schaden des Klägers.


11        Der Schadensersatzanspruch des Klägers werde durch die vom Insolvenzverwalter der Schuldnerin mit den Beklagten getroffene Vergleichsvereinbarung nicht berührt. Die Parteien des Vergleichs hätten sich nur über den Ausgleich eigener Ansprüche einigen können und auch tatsächlich geeinigt.


12        Da der Kläger seinen Schadensersatzanspruch ohne die von der Beklagten zu 3 begehrten Auskünfte nicht beziffern könne, sei die Beklagte zu 3, die sich die in Mittäterschaft mit dem Beklagten zu 1 begangene unerlaubte Handlung des Beklagten zu 2 zurechnen lassen müsse, gemäß § 242 BGB zur Auskunft verpflichtet.


13        II. Diese Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand. Bei dem vom Kläger geltend gemachten Schaden durch Verlust von Gewinnausschüttungen ab dem Jahr 2001 handelt es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts um einen nur mittelbaren Schaden („Reflexschaden"), der allein aus einer Schädigung der Schuldnerin folgt. Wegen eines solchen Schadens kann der Kläger keine Leistung an sich persönlich verlangen. Es kann daher dahinstehen, ob sich der Beklagte zu 1 auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen überhaupt schadensersatzpflichtig gemacht hat.


14        1. Das im Berufungsverfahren klargestellte Begehren des Klägers auf Feststellung, dass der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, ihm einen in seinem eigenen Vermögen entstandenen Schaden zu ersetzen, ist auf die Feststellung eines Schadensersatzanspruches gerichtet, den der Kläger im eigenen Namen und für eigene Rechnung geltend machen kann. Er macht damit, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, ausschließlich einen Anspruch auf Leistung von Schadensersatz an sich persönlich geltend.


15        2. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Leistung von Schadensersatz an sich persönlich nicht zu.


16        a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schließen der Grundsatz der Kapitalerhaltung, die Zweckwidmung des Gesellschaftsvermögens sowie das Gebot der Gleichbehandlung aller Gesellschafter einen Anspruch des Gesellschafters auf Leistung von Schadensersatz an sich persönlich wegen einer Minderung des Werts seiner Beteiligung, die aus einer Schädigung der Gesellschaft resultiert, im Regelfall aus. Vielmehr kann ein Ausgleich dieses mittelbaren Schadens nur dadurch erfolgen, dass der Gesellschafter die Leistung von Schadensersatz an die Gesellschaft verlangt (BGH, Urteil vom 10. November 1986 II ZR 140/85, ZIP 1987, 29, 32 f.; Urteil vom 29. Juni 1987 II ZR 173/86, ZIP 1987, 1316, 1319; Urteil vom 11. Juli 1988 II ZR 243/87, BGHZ 105, 121, 130 f.; Urteil vom 21. März 2013 III ZR 260/11, ZIP 2013, 781 Rn. 35 zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; siehe ferner Urteil vom 19. Januar 1987 II ZR 158/86, ZIP 1987, 444, 446). Der Grundsatz, dass wegen der Interessen der Mitgesellschafter, der Gesellschaft und ihrer Gläubiger mit der Gesellschafterklage nur eine Leistung an die Gesellschaft begehrt werden kann, gilt auch dann, wenn die Gesellschaft durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst wird (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG) und nach Erfüllung der Verbindlichkeiten etwa noch vorhandenes Vermögen an die Gesellschafter zu verteilen ist, §§ 70, 72 GmbHG (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2004 II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321 f.).


17        b) Bei dem geltend gemachten Verlust der Gewinnausschüttungen ab 2001, die der Kläger nach seinem Vorbringen erhalten hätte, wenn der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin nicht zum Erliegen gekommen wäre, handelt es sich nicht um einen ausschließlich eigenen Schaden des Klägers. Es liegt vielmehr lediglich ein sich typischerweise mittelbar beim Gesellschafter realisierender Reflexschaden vor, wenn durch ein schädigendes Ereignis der Gewinn der Gesellschaft geschmälert wird. Eine Schädigung der Gesellschaft kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung verneint werden, bei der gebotenen hypothetischen Betrachtungsweise sei der Gesellschaft letztlich kein Schaden entstanden, weil eine Gewinnausschüttung nach den Vereinbarungen und dem Verhalten der Gesellschafter in der Vergangenheit mit Sicherheit zu erwarten gewesen sei und die Gesellschaft daher, wenn der Gewinn infolge der Einstellung des Geschäftsbetriebs gar nicht erst anfalle, nicht schlechter stehe, als wenn er anfiele und ausgeschüttet werden würde.


18        c) Wegen eines solchen nur mittelbaren Schadens kann der Gesellschafter den Schädiger, auch wenn es dabei wie hier um eine Schädigung durch Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht durch einen Mitgesellschafter geht, nur auf Leistung an die geschädigte Gesellschaft in Anspruch nehmen. Aus den vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen, unter denen ein Gesellschafter einen Mitgesellschafter im Wege der actio pro socio auch im eigenen Namen und im eigenen Interesse in Anspruch nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1990 II ZR 125/89, WM 1990, 1240, 1241; Urteil vom 28. Juni 1982 II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203; Urteil vom 22. März 2004 II ZR 50/02, ZIP 2004, 804, 805 unter 2.b; vgl. ferner BGH, Urteil vom 4. Februar 1991 II ZR 246/89, ZIP 1991, 582; Urteil vom 16. März 1998 II ZR 303/96, ZIP 1998, 780, 781; Urteil vom 29. November 2004 II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321), ergibt sich nichts anderes; insbesondere lässt sich daraus kein Anspruch des Klägers auf Leistung von Schadensersatz an sich persönlich herleiten. Auch in der ebenfalls vom Berufungsgericht zur Begründung herangezogenen Entscheidung vom 5. Juni 1975 (II ZR 23/74, BGHZ 65, 15) ist der Senat davon ausgegangen, dass der dort klagende Minderheitsgesellschafter einer Zweimann-GmbH von dem beklagten Mehrheitsgesellschafter Schadensersatz wegen nachteiliger Geschäfte, die dieser zu Lasten dritter Gesellschaften veranlasst hatte, an denen der Minderheitsgesellschafter gleichfalls beteiligt war, nur im Wege der Zahlung an diese Gesellschaften verlangen könne.


19        Eine andere Beurteilung ist im vorliegenden Fall auch nicht insoweit geboten, als wegen des zwischen dem Insolvenzverwalter und den Beklagten abgeschlossenen Vergleichs etwaige (weitergehende) Ansprüche der Gesellschaft nicht mehr bestehen und somit vom Kläger auch nicht mehr im Wege der actio pro socio geltend gemacht werden können. Soweit der Insolvenzverwalter beim Abschluss des Vergleichs pflichtwidrig gehandelt und sich deshalb schadensersatzpflichtig gemacht haben sollte, wäre der Kläger in seinem Vermögen gleichfalls nur mittelbar über die Schädigung der Gesellschaft betroffen. Aus den oben genannten Gründen könnte Schadenersatz gem. § 60 Abs. 1 InsO nur im Wege der Leistung in die Insolvenzmasse oder gegebenenfalls an die Gesellschaft verlangt werden.


20        3. Da ein eigener Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gegen den Beklagten zu 1 nicht besteht, kann die Beklagte zu 3 schon aus diesem Grund nicht verpflichtet sein, ihm zur Bezifferung eines solchen Anspruchs Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen.

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