OGH: GmbH & Co KG – Kündigung des Geschäftsführers bei Drittanstellung
OGH, Urteil vom 18.12.2020 – 8ObA80/19a
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00080.19A.1218.000
Volltext: BB-Online BBL2021-2638-1
Nicht amtlicher Leitsatz
Die Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft einer GmbH & Co KG vor seiner gesellschaftsrechtlichen Abberufung fällt ebenso in die Kompetenz der Gesellschafter der GmbH wie die Kündigung eines unmittelbar zur GmbH bestehenden Geschäftsführervertrags.
Sachverhalt
Der Kläger schloss im Dezember 2014 mit der beklagten GmbH & Co KG einen „Geschäftsführer-Dienstvertrag“, mit dem er zum Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH berufen wurde, die als Komplementärin die GmbH & Co KG vertritt. Auf Seiten der beklagten GmbH & Co KG wurde der Dienstvertrag durch den „Gesellschafterausschuss“, dieser wieder vertreten durch den aus drei Personen bestehenden „Personalausschuss“, unterfertigt. Als Kündigungsfrist waren 12 Monate vereinbart.
Gemäß § 9 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten übertragen deren Gesellschafter ihre Befugnisse – ohne Aufgabe eigener Beschlusskompetenz – einem aus sechs natürlichen Personen bestehenden Gesellschafterausschuss. Nach § 8 des Gesellschaftsvertrags bedarf die Komplementär‑GmbH als Geschäftsführerin zu bestimmten Rechtsgeschäften der vorherigen Zustimmung dieses Gesellschafterausschusses, darunter zum Abschluss und zur Beendigung von Dienstverträgen mit einem jährlichen Bruttogehalt von einer Million Schilling. Das Gehalt des Klägers überstieg diese Grenze.
Die Komplementär-GmbH der Beklagten wird, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. Zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers waren außer ihm selbst noch zwei weitere Geschäftsführer der GmbH bestellt. Auch im Gesellschaftsvertrag der GmbH übertragen die Gesellschafter ihre Befugnisse in gleicher Weise wie bei der KG einem aus sechs Mitgliedern bestehenden Gesellschafterausschuss, der aus denselben sechs Personen besteht wie jener der Beklagten. Der Gesellschafterausschuss der GmbH hat seine Befugnisse in Personalangelegenheiten einem aus drei Personen bestehenden Personalausschuss übertragen.
Am 5. 6. 2018 erhielt der Kläger ein Kündigungsschreiben zum 30. 6. 2019, das im Namen der Beklagten von den Mitgliedern des „Personalausschusses“ unterfertigt war. Noch im Juni 2018 erhielt der Kläger auch eine von allen Mitgliedern des „Gesellschafterausschusses“ unterfertigte Ausfertigung des Kündigungsschreibens.
Als Geschäftsführer der GmbH wurde der Kläger aufgrund eines am 15. 6. 2018 eingelangten Antrags (Abberufung vom 14. 6. 2018) am 26. 6. 2018 im Firmenbuch gelöscht.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis über den 30. 6. 2019 hinaus bis zum 30. 9. 2019 gedauert habe. Der Personalausschuss sei weder organschaftlich für die Beklagte vertretungsbefugt gewesen, noch sei er von den Geschäftsführern der GmbH zum Ausspruch der Kündigung bevollmächtigt gewesen. Eine wirksame Beendigung des Dienstverhältnisses sei deshalb erst durch ein Eventualkündigungsschreiben der Beklagten vom 26. 9. 2018 zum 30. 9. 2019 erfolgt.
Die Beklagte wandte ein, die Beendigung von Dienstverträgen mit Geschäftsführern obliege nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH dem Gesellschafterausschuss, der die vom Personalausschuss ausgesprochene Kündigung nachträglich genehmigt habe. Diese Zuständigkeit erstrecke sich auch auf die Willensbildung der GmbH in ihrer Eigenschaft als geschäftsführende Komplementärin der beklagten KG. Darüber hinaus sei die Kündigung von den beiden weiteren Geschäftsführern der GmbH unmittelbar nach Beschlussfassung faktisch vollzogen und damit schlüssig genehmigt worden. Dem Kläger fehle auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, weil bereits ein Leistungsbegehren möglich gewesen wäre.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Geschäftsführung der Beklagten obliege der Komplementärin, nach deren Gesellschaftsvertrag die Befugnisse der Gesellschafter in Personalangelegenheiten wirksam dem Personalausschuss zugewiesen worden seien. Dieser habe sowohl den Abschluss als auch die Auflösung des Dienstvertrags mit dem Kläger wirksam vorgenommen.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers Folge und dem Klagebegehren statt. Zusammengefasst führte es aus, das Dienstverhältnis des Klägers habe nur zur Beklagten bestanden. Für seine Kündigung seien daher die Regeln der organschaftlichen Vertretung der Beklagten heranzuziehen, die von der Komplementärin wahrzunehmen sei. Diese werde als GmbH nach außen durch ihre Geschäftsführer vertreten. Da sie neben dem Kläger noch über die erforderliche Anzahl von zwei weiteren gemeinsam zeichnungsberechtigten Geschäftsführern verfügt habe, wäre ein wirksamer Ausspruch der Kündigung des Dienstverhältnisses durch diese möglich gewesen.
Dem Umstand, dass auch der Dienstvertrag des Klägers nur vom Personalausschuss unterfertigt wurde, komme keine Bedeutung zu, weil ein solcher Abschlussmangel im Wege einer nachträglichen Genehmigung durch den Vertretenen oder durch Konkludenz infolge tatsächlichen Vollzugs des Dienstverhältnisses saniert werden könne.
Die nachträgliche Genehmigung einer vollmachtslos ausgesprochenen, schwebend unwirksamen Kündigung sei nur möglich, wenn dem Arbeitnehmer die Kündigungsfrist gewahrt bleibe. Sie erfordere die rechtzeitige Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung des zuständigen Organs. Eine solche dem Kläger noch vor Ende Juni 2018 zugegangene Erklärung könne dem Sachverhalt nicht entnommen werden.
Ungeachtet der während des erstinstanzlichen Verfahrens eingetretenen Möglichkeit, das Entgelt für weitere drei Monate Kündigungsfrist mit Leistungsklage geltend zu machen, habe der Kläger auch ein darüber hinausgehendes rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.
Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Beklagten wendet sich gegen die Rechtsansicht, dass die streitgegenständliche Kündigung durch ein unzuständiges Organ ausgesprochen worden sei. Das Vorliegen eines Feststellungsinteresses wird nicht mehr in Frage gestellt.
Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts zulässig, weil zur gesellschaftsrechtlichen Vertretungsbefugnis bei Auflösung des Dienstverhältnisses eines Geschäftsführers im Fall einer sogenannten Drittanstellung keine einschlägige höchstgerichtliche Rechtsprechung besteht.
Der Kläger hat die ihm gemäß § 508a Abs 2 ZPO freigestellte Revisionsbeantwortung erstattet.
Aus den Gründen
16 Die Revision ist berechtigt.
17 1. Bei der Einstellung des Klägers wurde das zulässige und in der Praxis zur Wahrung des Entlohnungsanspruchs des Geschäftsführers gegenüber der KG häufig gewählte Modell der Drittanstellung des GmbH-Geschäftsführers umgesetzt (vgl Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht I2 2/80; Koppensteiner/Rüffler GmbHG3 § 15 Rz 20). Der Kläger wurde aufgrund eines mit der GmbH & Co KG zu diesem Zweck abgeschlossenen Vertrags als Geschäftsführer ihrer Komplementärin tätig.
18 2. Die Vertretung der Kommanditgesellschaft obliegt nach § 170 iVm § 161 Abs 2, §§ 125, 126 UGB den Komplementären. Bei der GmbH & Co KG wird die Gesellschaft daher durch die Komplementär-GmbH, diese wiederum durch ihre Geschäftsführer (§ 19 GmbHG) vertreten (vgl RIS‑Justiz RS0119188).
19 3. Im Rechtsverhältnis der GmbH zu ihrem Geschäftsführer ist grundsätzlich zwischen der organschaftlichen Bestellung und dem schuldrechtlichen Anstellungsvertrag zu unterscheiden (RS0059983; Eckert, Die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers [2002], 148).
20 Die organschaftliche Bestellung erfolgt nach § 15 Abs 1 GmbHG, die Abberufung nach § 16 Abs 1 GmbHG durch die Gesellschafter. Kommt der Anstellungsvertrag zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH zustande, sind Parteien des Vertrags der Geschäftsführer und die Gesellschaft (RS0059354), die dabei nach herrschender Ansicht auch hiebei durch die Gesellschafter vertreten wird. Diese Auffassung wird damit begründet, dass ein Auseinanderfallen von Bestellungs- und Anstellungszuständigkeit ohne eine entsprechende Satzungsbestimmung oder einen Gesellschafterbeschluss nicht angenommen werden könne, weil dies die Möglichkeit biete, über das Anbot besonders schlechter Anstellungsbedingungen die Verwirklichung des Bestellungsbeschlusses praktisch zu vereiteln. In umgekehrter Richtung könnte ein Auseinanderfallen der Kompetenzen durch lange Befristung, Einräumung von Abfertigungsansprüchen, Pensionsregelung usw die jederzeitige Widerrufbarkeit der Geschäftsführerbestellung in finanzieller Hinsicht erschweren oder wirtschaftlich unmöglich machen (Ratka/Stöger/Straube; Völkl in Straube/Ratka/Rauter WK GmbHG [1. 8. 2020] § 15 Rz 72; Reich-Rohrwig aaO 2/77; Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 21). Nach der Rechtsprechung soll ein Gleichklang von Anstellung und Bestellung einerseits, bzw Abberufung und Entlassung andererseits bestehen (8 ObA 170/97a). Wird der Geschäftsführer von der Generalversammlung nur aus der Organstellung abberufen, das Anstellungsverhältnis aber nicht gelöst, kann daraus im Zweifel nicht der Schluss gezogen werden, dass die Gesellschafter das Anstellungsverhältnis fortsetzen wollen (Ratka in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 16 Rz 70; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 4/176; Harrer, wbl 1998, 107; ders, wbl 2000, 255; 8 ObA 44/01f; Rohregger/Palmstorfer in Foglar-Deinhardstein/ Aburumieh/Hoffenscher-Summer, GmbHG § 16 Rz 50). Das bisherige Anstellungsverhältnis wird nicht automatisch als gewöhnliches Dienstverhältnis fortgesetzt; hierfür ist eine zumindest konkludente Vereinbarung notwendig (OGH 8 ObA 49/11f).
21 4. Es entspricht in diesem Sinn der ständigen Rechtsprechung, dass bei gleichzeitiger Abberufung als Geschäftsführer der GmbH und Kündigung des Anstellungsvertrags das selbe Organ wie schon für die Bestellung und Anstellung, nämlich die Generalversammlung, zuständig ist (vgl 9 ObA 246/98m, 9 ObA 71/09w = RS0059817 [T1]; 8 ObA 49/11f unter Hinweis aufMosler, Arbeitsrechtliche Aspekte der Beendigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers einer GmbH, wbl 2002, 49), und nur für die Auflösung des Anstellungsverhältnisses eines bereits abberufenen Geschäftsführers die verbliebenen oder neu bestellten Geschäftsführer (RS0059817 [T2]; 8 ObA 49/11f).
22 5. Die Gesellschafter können natürliche Personen zum Ausspruch der Kündigung bevollmächtigen (8 ObA 49/11f).
23 6. Im Anlassfall wurde der Anstellungsvertrag des Klägers nicht mit der GmbH, sondern mit der von ihr vertretenen beklagten GmbH & Co KG geschlossen. Während die Revisionswerberin die These vertritt, dass die Gesellschafter der GmbH im Annex ihrer Bestellungs- und Abberufungskompetenz auch für die KG als organschaftliche Untervertreter der Komplementär-GmbH zuständig sind, stehen das Berufungsgericht und der Kläger auf dem Standpunkt, dass die GmbH als geschäftsführende Gesellschafterin der KG nur durch ihre (verbliebenen) Geschäftsführer wirksam handeln könne und eine Übertragung ihrer Befugnisse an den Gesellschafterausschuss nicht zulässig sei.
24 Die Revision argumentiert, die Berufungs- und Abberufungskompetenz der Gesellschafter in Bezug auf den Geschäftsführer dürfe auch bei der Drittanstellung nicht durch eine Änderung der Zuständigkeitsverteilung konterkariert werden. Die Ausübung der Geschäftsführung stelle die dienstvertraglich geschuldete und entlohnte Arbeitsleistung dar, beide Aspekte seien nicht zu trennen. Die Bejahung einer Zuständigkeit der Mitgeschäftsführer würde auch die gleichen potentiellen Interessens- und Loyalitätskonflikte erzeugen wie bei einer Direktanstellung. Die Kündigung sei daher zwar im Namen der KG als Dienstgeberin auszusprechen, die Beschlussfassung innerhalb der GmbH obliege aber den Gesellschaftern.
25 7. In der Literatur und (deutschen) Rechtsprechung werden sowohl die Rechtsposition des Klägers als auch jene der Beklagten vertreten.
26 7.1. In Deutschland legt Thiessen in GroßKomm HGB IV5 zu § 170, Rz 68 ff, zunächst dar, dass die nach § 170 dHGB der Komplementärin obliegende Vertretung der KG durch das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Komplementärin erfolge, weshalb sich die organschaftlichen und schuldrechtlichen Beziehungen zu diesem Organ nach dem Recht der Komplementärin richten würden. In Rz 69 f konkretisiert der Autor, es sei zunächst zwischen der organschaftlichen Berufung und Abbestellung einerseits und der schuldrechtlichen Anstellung und Kündigung andererseits zu unterscheiden. Die organisationsrechtliche Bestellung des Geschäftsführers der Komplementärin bleibe jedenfalls Angelegenheit der GmbH. Schuldrechtliche Beziehungen könnten jedoch auch zur KG bestehen. Demgemäß sei weiter zu differenzieren, mit welcher der beiden Gesellschaften der Anstellungsvertrag geschlossen werden solle bzw geschlossen worden sei. Da die Willensbildung bei und die Ausführung von Bestellung, Abberufung sowie Anstellung, Änderung und Kündigung auf einer organschaftlichen Vertretungsmacht der Gesellschafter der Komplementärin beruhen würden, würden die Gesellschafter der Komplementärin über die Kündigung eines bei der GmbH angestellten Geschäftsführers entscheiden. In einer Konstellation wie der hier vorliegenden würden auch die Änderung oder Kündigung des Anstellungsvertrags als Geschäftsführungsmaßnahme und die Vertretung der KG gegenüber dem Geschäftsführer dem Vertretungsorgan der KG, das heißt der Komplementärin, obliegen. Zuständig seien somit die gegebenenfalls vorhandenen Mitgeschäftsführer und nur in deren Ermangelung die Gesellschafterversammlung der Komplementärin. Die Primärzuständigkeit der Mitgeschäftsführer führe allerdings zu einer Diskrepanz zwischen Organisationsrecht (Bestellung und Abberufung als Angelegenheit der Komplementärin) und Schuldrecht (Anstellungsvertrag als Angelegenheit der KG). Die angeführten Gründe, die gegen die Personalkompetenz der Mitgeschäftsführer innerhalb der GmbH sprechen, würden unabhängig davon gelten, mit welcher der beiden Gesellschaften der Anstellungsvertrag abgeschlossen worden sei.
27 Breitfeld in Sudhoff GmbH & Co KG6 § 15Rz 101, vertritt unter Berufung auf ältere Rechtsprechung (BGH DB 1970, 389 = II ZR 224/67), dass die KG bei Abschluss und Kündigung des Anstellungsvertrags durch die GmbH vertreten werde und für diese wiederum die Mitgeschäftsführer tätig werden sollten. Problematisch sei dies, wenn die GmbH zur ordnungsgemäßen Vertretung bei der Kündigung geradezu auf die Mitwirkung des zu kündigenden Geschäftsführers angewiesen wäre. In diesem Fall sei auf die Gesellschafter der Komplementär GmbH zurückzugreifen.
28 Jäger/Steinbrück, MüKo GmbHG3 2019 § 35 GmbHG Rz 251 ff, führen zum Abschluss des Anstellungsvertrags eines GmbH-Geschäftsführers mit einer KG aus, dass im Gegensatz zur organschaftlichen Bestellung, für welchedie Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung normiert sei, eine gesetzliche Zuweisung der Zuständigkeit auf Seiten der GmbH für den Abschluss des Anstellungsvertrags fehle. Es sei aber allgemein anerkannt, dass eine Annexkompetenz zum Abschluss des Anstellungsvertrags auf Seiten der Gesellschaft für das Organ bestehe, das auch für die Bestellung zuständig sei. Vorbehaltlich einer Verlagerung der Zuweisung der Zuständigkeit durch die Satzung, sei in der Regel nach § 46 Z 5 dGmbHG die Gesellschafterversammlung im Rahmen der Annexkompetenz für den Abschluss des Anstellungsvertrags des bei ihr angestellten Geschäftsführers zuständig (Jäger/Steinbrück aaO Rz 254 f). Im Fall einer GmbH & Co KG liege die Zuständigkeit für den Anstellungsvertrag auf Arbeitgeberseite bei der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH. Auch hier ergebe sich die Zuständigkeit aus dem Prinzip der Annexkompetenz, da die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH für die Bestellung zuständig sei und daher notwendigerweise auch in der Lage sein müsse, die Anstellungsbedingungen des von ihr zur Bestellung vorgesehenen Geschäftsführers zu regeln.
29 Dem Urteil des BGH vom 15. 4. 2014, II ZR 44/13 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Geschäftsführer einen Anstellungsvertrag mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hatte. Der Gerichtshof ging davon aus, dass zuständiges Organ für den Abschluss des Anstellungsvertrags zwischen dem Geschäftsführer und der Kommanditgesellschaft die GmbH als die geschäftsführende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft, handelnd durch ihren Geschäftsführer oder – wenn es um den Anstellungsvertrag des wie dort einzigen Geschäftsführers gehe – durch die Gesellschafterversammlung, sei.
30 Zu II ZR 267/05 sprach der BGH dagegen aus, dass es sich bei der Kündigung eines bei der KG angestellten Geschäftsführers um eine Geschäftsführungsmaßnahme handle, die der Komplementär‑GmbH obliege, wobei für diese – wie auch sonst bei der Abberufung und Kündigung gegenüber einem GmbH-Geschäftsführer – deren Gesellschafterversammlung aufgrund ihrer Annexkompetenz gemäß § 46 Z 5 dGmbHG zu entscheiden habe. Der Gerichtshof begründet diese Ansicht nicht näher, untermauert diese jedoch mit Judikatur und Literatur.
31 Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB4 § 177a Rz 100 setzen sich mit den vertraglichen Beziehungen zwischen GmbH & Co KG und Geschäftsführer auseinander und stellen die Rechtsprechung, die den Abschluss des Dienstvertrags mit dem Geschäftsführer für eine Geschäftsführungsangelegenheit der GmbH als Komplementärin der GmbH & Co KG hält, die von den Mitgeschäftsführern und nur in Ermangelung solcher von der Gesellschafterversammlung der GmbH wahrzunehmen ist (BGH II ZR 224/67), ebenso dar wiedie eine Annexkompetenz bejahende Entscheidung BGH II ZR 267/05. Die Autoren folgen letzterer und argumentieren, dass die Gründe, die bei der GmbH die Zuständigkeit der Gesellschafter gebieten, auch für die GmbH & Co KG maßgebend wären. Bei der GmbH sei der Gesellschafterversammlung die Annexzuständigkeit für Abschluss und Beendigung des Anstellungsvertrags mit dem Geschäftsführer zuzusprechen, weil verhindert werden solle, dass die unbefangene Entscheidung der Gesellschafter für die Organbestellung oder deren Widerruf durch eine Vorwegnahme von Abschluss oder Auflösung des Anstellungsvertrags durch die Geschäftsführung unterlaufen werde. Auch hier bestehe die Gefahr einer Vorwegnahme des Anstellungsvertrags mit der KG durch die Geschäftsführer der GmbH. Da die GmbH für das Wohl und Wehe der KG als deren Komplementärin verantwortlich sei, insbesondere auch für sie hafte, betreffe sie die Entscheidung über den Anstellungsvertrag mittelbar, und die Risiken für die GmbH und ihre Gesellschafter seien mit jenen vergleichbar die bestehen, wenn der Anstellungsvertrag unmittelbar zwischen GmbH und Geschäftsführer geschlossen werde. Die Gesellschafterversammlung sei daher einzuschalten.
32 Auch nach Beurskens in Baumbach/Hueck, GmbHG22 § 6 Rz 68, wird die KG beim Anstellungsvertrag zwischen Geschäftsführer und GmbH & Co KG von der Komplementär-GmbH und diese wiederum grundsätzlich durch ihre Geschäftsführer vertreten. Solle ein einziger Geschäftsführer angestellt werden, erfolge die Vertretung ausnahmsweise durch die Gesellschafterversammlung. Der Autor belegt seine Annahme mit der zitierten Entscheidung BGH II ZR 44/13, Rn 13 (= BGH NZG 2014, 780).
33 7.2. Zib in U. Torggler (Hrsg), GmbHG3 § 16 Rz 58 führt aus, dass eine gemeinsame Beendigung von Organstellung und Anstellungsvertrag durch Gesellschafterbeschluss erfolgen müsse, weil die Abberufung aus der Organstellung in die zwingende Kompetenz der Gesellschafter fällt. Wurde der Anstellungsvertrag mit einem Dritten abgeschlossen (§ 15 Rz 28), so könne er nur von diesem gekündigt werden, was zB in Konzernen und bei GmbH & Co KG häufig der Fall sei, habe dies nicht zur Folge, dass die Organstellung des Geschäftsführers auf den Dritten übergeht.
34 Nach Resch, Drittanstellung von Organpersonen und Arbeitsrecht,GesRZ 2005, 76, ist die Drittanstellung eines Geschäftsführers nur unter der Prämisse unbedenklich, dass die aus dem Anstellungsvertrag resultierende Ingerenzmöglichkeit der Überlassergesellschaft die im AktG bzw GmbHG zwingend geregelten Verantwortlichkeiten und Weisungszusammenhänge nicht abändern darf. Widrigenfalls würde der Anstellungsvertrag zur Überlassergesellschaft gegen zwingendes Gesellschaftsrecht verstoßen und wäre insofern teilnichtig. Im Zweifel sei gemäß § 914 ABGB objektiven redlichen Vertragsparteien zu unterstellen, dass sie den Anstellungsvertrag so ausgestalten bzw (bei Vertragsauslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen) ausgestaltet hätten, dass die gesetzeskonforme Durchführung der Organfunktion gerade gewährleistet werden soll, was notgedrungen zu einem an die Organfunktion angepassten Anstellungsvertragsinhalt führen muss.
35 Aufgrund der engen Beziehung zwischen der Geschäftsführung der Komplementär-GmbH und der KG hat der Oberste Gerichtshof unter bestimmten Umständen auch einen eigenen unmittelbaren Schadenersatzanspruch der KG gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer bejaht (6 Ob 757/83; 7 Ob 525/86; 1 Ob 192/08d GesRZ 2009, 293 [Hochedlinger], zuletzt 6 Ob 171/15p).
36 8. In der Zusammenschau des dargestellten Meinungsstandes kann festgehalten werden, dass eine subsidiäre Kompetenz der Gesellschafter der Komplementärin zur Kündigung des Drittanstellungsvertrags ihres Geschäftsführers mit der KG dann unbestritten ist, wenn keine weiteren Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Anzahl vorhanden sind. Die in der Literatur immer wieder genannten Gründe,aus denen die Bestellung und (direkte) Anstellung von Geschäftsführern den Gesellschaftern der GmbH zugewiesen ist, insbesondere die Vermeidung von Interessenkonflikten, schlägt in gleicher Weise auch auf das Verhältnis zur KG durch. Als persönlich haftende Gesellschafterin ist die GmbH von Begründung und Beendigung sowie Bedingungen eines Geschäftsführerdienstvertrags zur KG wirtschaftlich unmittelbar betroffen.
37 Wesentlich für die Annexkompetenz spricht auch, dass die Gesellschafter als oberstes Organ der GmbH immer durch (zulässige) Weisungen an die Geschäftsführer unmittelbar in die Gesellschaft eingreifen können. Die Geschäftsführer haben solche Weisungen zu befolgen (§ 20 GmbHG).
38 Es macht in der Praxis keinen wesentlichen Unterschied, ob die Gesellschafter der Komplementärin den verbleibenden Geschäftsführern Weisung zur Kündigung ihres Kollegen erteilen und diese die Weisung umzusetzen haben, oder ob die Gesellschafter den Kündigungsentschluss unmittelbar im Wege der subsidiären Kompetenz durchsetzen können. Gesteht man den Gesellschaftern diese Kompetenz zu, sichert dies ihre unbefangene Entscheidung bei der Organbestellung und deren Widerruf, weil diese Kompetenz dann in keiner Weise durch eine Vorwegnahme von Abschluss oder (Nicht-)Auflösung des Anstellungsvertrags durch die Geschäftsführung unterlaufen werden kann.
39 Es ist daher der Rechtsansicht der Vorzug zu geben, dass die Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft einer GmbH & Co KG vor seiner gesellschaftsrechtlichen Abberufung ebenso in die Kompetenz der Gesellschafter der GmbH fällt wie die Kündigung eines unmittelbar zur GmbH bestehenden Geschäftsführervertrags.
40 9. Die Zulässigkeit von § 11 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags der GmbH, wonach dem aus den selben Personen wie dem Gesellschafterausschuss der Beklagten bestehenden Gesellschafterausschuss der GmbH die Befugnis übertragen wird, die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern, insbesondere Abschluss, Abänderung und Aufhebung von Dienstverträgen mit diesen, zu übernehmen, wurde als solche vom Kläger nicht in Zweifel gezogen (vgl Koppensteiner/Rüffler aaO § 35 GmbHG Rz 48 ff; Enzinger in Straube, WK GmbHG § 35 [Stand 1. 8. 2013] Rz 118 ff; Kalss in Kalss/Kunz [Hrsg], Handbuch für den Aufsichtsrat2 [2016] GmbHG Rz 23ff; vgl auch 9 ObA 130/05s). Die Mitglieder des Gesellschaftsausschusses der GmbH haben nach dem Sachverhalt noch im Juni 2018 ein Kündigungsschreiben an den Kläger übermittelt, mit dem die zunächst vom Personalausschuss ausgesprochene Auflösungserklärung bestätigt und die ursprüngliche Kündigungsfrist jedenfalls gewahrt wurde. Aufgrund der Annexkompetenz war der Gesellschaftsausschuss in dieser Angelegenheit im Sinne der obigen Ausführungen als Vertreter der Komplementärin auch zur Vertretung der Beklagten als Dienstgeberin berechtigt.
41 10. In Stattgebung der Revision war daher das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts wieder herzustellen.
42 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.