BGH: GmbH-Gesellschafterversammlung – Stimmverbot bei Beschlussfassung über Rechtsstreit-Einleitung oder außergerichtliche Anspruchs-Geltendmachung gegen Drittgesellschaft
BGH, Urteil vom 8.8.2023 – II ZR 13/22
ECLI:DE:BGH:2023:080823UIIZR13.22.0
Volltext: BB-Online BBL2023-2113-3
Amtliche Leitsätze
a) Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.
b) Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der GmbHGesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen.
GmbHG § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 2, § 48
Sachverhalt
Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH. Weitere Gesellschafterinnen der Beklagten sind neben anderen mit einem Anteil am Stammkapital von jeweils 26,084% Frau D. , die zudem Geschäftsführerin der Beklagten ist, und Frau M. . Frau D. und Frau M. sind daneben mit einer jeweils hälftigen Beteiligung Gesellschafterinnen der T. GmbH, deren Geschäftsführerin ebenfalls Frau D. ist. Beide Gesellschafterinnen sind darüber hinaus neben dem Kläger und weiteren Gesellschaftern Kommanditistinnen der T. GmbH u. Co. KG (im Folgenden: T. KG), deren Komplementärin die Beklagte ist. Die T. KG ist Inhaberin verschiedener beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragener Marken, unter anderem der Marke „H. Original“. Seit 1994 bestand zwischen der T. KG und der T. GmbH ein Vertrag, auf dessen Grundlage die Markenrechte von der T. GmbH gegen Zahlung eines Entgelts von jährlich 90.000 € genutzt werden konnten. Ab August 2017 wurden beim Deutschen Patent- und Markenamt auf Veranlassung von Frau D. für die T. GmbH verschiedene vom Kläger als Konkurrenzmarken angesehene Marken der Produktserie „H. “ angemeldet und im Oktober 2018 eingetragen. Am 30. Juli 2019 fand eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, die unter anderem folgende Tagesordnungspunkte vorsah:
"TOP 13. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen D. gem. § 46 Nr. 8 GmbHG wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit mit dem Unternehmen T. GmbH sowie wegen Anmeldung und des Eintrages der Konkurrenzmarke „H. Collection“ beim Deutschen Patentund Markenamt, einschließlich deren wirtschaftlicher Nutzung im Rahmen der verbotswidrigen Konkurrenztätigkeit, sowie Bestellung eines Prozessvertreters der Gesellschaft für die gerichtliche Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche gem. § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr. Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei. Kostentragung durch die Gesellschaft.
TOP 14. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Frau M. wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit.
TOP 15. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegenüber der T. GmbH."
Der Versammlungsleiter stellte nach der Abstimmung unter Zählung der Stimmen der Gesellschafterinnen D. und M. fest, dass die Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 abgelehnt worden seien.
Am 31. Juli 2019 beantragte Frau D. die Umschreibung der im Oktober 2018 eingetragenen Marken von der T. GmbH auf die T. KG, die dann auch erfolgte.
Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung der ablehnenden Beschlüsse. Weiter verlangt er die Feststellung, dass die jeweiligen Beschlüsse gefasst wurden sowie, über die Beschlussanträge in der Gesellschafterversammlung hinausgehend, ihn als Prozessvertreter zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche in allen drei Fällen einzusetzen (Berufungsanträge zu 11 (TOP 13), 12 (TOP 14) und 13 (TOP 15)). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat hinsichtlich der Berufungsanträge zu 11 (TOP 13), 12 (TOP 14) und 13 (TOP 15) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Aus den Gründen
10 Die Revision des Klägers hat überwiegend Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen und Abänderung des landgerichtlichen Urteils.
11 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:
12 Da ein Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsgrund nicht vorliege, seien die ablehnenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 zu den TOP 13, 14 und 15 wirksam. Das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass die Gesellschafterinnen D. und M. bei der Abstimmung über die Tagesordnungspunkte keinem Stimmverbot unterlegen wären, weil die Geltendmachung von Konkurrenzschutz- und Schadensersatzansprüchen gegen die Gesellschafterinnen D. , M. oder die T. GmbH nicht geboten gewesen sei. Die Anmeldung der Marken „H. “ für die T. GmbH sei nicht vorsätzlich, sondern nur versehentlich erfolgt, und begründe allenfalls ein Organisationsverschulden, aber keine gravierende Pflichtverletzung.
13 II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
14 1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass zu TOP 13 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlag die Gesellschaftergeschäftsführerin D. einem Stimmverbot.
15 a) Der Beschlussantrag zum TOP 13 hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Frau D. als Geschäftsführerin der Beklagten zum Inhalt (§ 46 Nr. 8 Fall 1 GmbHG). Daneben sollte ein Prozessvertreter der Gesellschaft für die gerichtliche Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr bestellt werden.
16 Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschaftergeschäftsführer hat dieser nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 2 GmbHG kein Stimmrecht. Aus dem in § 47 Abs. 4 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 33; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 16; Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 26; Urteil vom 17. Januar 2023 - II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 25). Der Stimmrechtsausschluss gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft bei der Anspruchsverfolgung vertreten soll (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 34; Urteil vom 16. Dezember 1991 - II ZR 31/91, BGHZ 116, 353).
17 b) Für das Stimmverbot kommt es, anders als das Berufungsgericht meint, nicht darauf an, ob die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Gesellschaftergeschäftsführer rechtlich geboten ist.
18 Es ist bereits unklar, was das Berufungsgericht unter dem Prüfungsansatz, die Geltendmachung sei "rechtlich nicht geboten", versteht. Jedenfalls kann es nicht darauf ankommen, ob die beabsichtigte Anspruchsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat.
19 Geht es um die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer, so reicht es grundsätzlich aus, dass der die Abstimmung beantragende Gesellschafter im Einzelnen umreißt, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der einzelnen Mitgesellschafter besteht. Es kommt nicht darauf an, ob die Anspruchsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 36; Urteil vom 30. Juni 2020 - II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 Rn. 29). Es würde die Durchsetzung der Ersatzansprüche unzumutbar erschweren, wenn schon im Anfechtungsprozess und mangels Rechtskrafterstreckung im nachfolgenden Prozess nochmals gerichtlich geklärt werden müsste, ob der Haftungsgrund besteht (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 36).
20 c) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimme der Gesellschaftergeschäftsführerin D. bei der Abstimmung über TOP 13 führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.
21 aa) Die entgegen dem Stimmverbot dennoch erfolgte Stimmabgabe der Frau D. war nichtig und nicht mitzuzählen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2021 - II ZR 8/21, BGHZ 232, 203 Rn. 29). Eine unrichtige Beschlussfeststellung aufgrund unrichtiger Stimmzählung liegt vor, wenn der Fehler für das festgestellte Beschlussergebnis ursächlich ist (BGH, Urteil vom 20. November 2018 - II ZR 12/17, BGHZ 220, 207 Rn. 48).
22 bb) Das ist hier der Fall. Der ablehnende Beschluss zu TOP 13 wäre bei rechtmäßiger Zählung der Stimmen nicht gefasst worden.
23 (1) Nach § 4a Abs. 3 der Satzung der Beklagten werden Beschlüsse, soweit nicht das Gesetz oder die Satzung etwas Anderes vorschreiben, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Für das Abstimmungsergebnis sind die vom Berufungsgericht festgestellten, im Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 festgehaltenen Stimmverhältnisse und Abstimmungsergebnisse zugrunde zu legen (vgl. Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019, Anlage B 11). Den ablehnenden Beschluss zu TOP 13 hat der Versammlungsleiter danach unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne Berücksichtigung der Stimme von Frau D. (26,084 % des Stammkapitals) wurden in der Gesellschafterversammlung zu TOP 13 Nein-Stimmen bezogen auf 26,084 % des Stammkapitals und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals abgegeben.
24 (2) Der Wirksamkeit der abgegebenen Ja-Stimmen steht entgegen der Ansicht der Beklagten kein Verstoß der mit Ja stimmenden Gesellschafter gegen ihre gesellschafterliche Treuepflicht entgegen.
25 In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die Stimmen eines Gesellschafters nichtig sind, wenn der Gesellschafter von seinem Stimmrecht rechtsmissbräuchlich Gebrauch macht. Bei der Feststellung des Beschlussergebnisses sind sie nicht mitzuzählen (BGH, Urteil vom 10. Februar 1977 - II ZR 79/75, WM 1977, 361; Urteil vom 26. Oktober 1983 - II ZR 87/83, BGHZ 88, 320; Urteil vom 9. November 1987 - II ZR 100/87, BGHZ 102, 172, 176; Urteil vom 19. November 1990 - II ZR 88/89, ZIP 1991, 23, 24; Urteil vom 12. Juli 1993 - II ZR 65/92, ZIP 1993, 1228, 1230; Beschluss vom 4. Mai 2009 - II ZR 166/07, ZIP 2009, 2193 Rn. 2). Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Gesellschafter mit seiner Stimme ausschließlich eigennützige Zwecke verfolgt, etwa eine Blockademacht dazu benutzt, seinen Lästigkeitswert in die Höhe zu treiben und eine Abfindung zu erstreiten, oder seine Mehrheitsmacht zur Schädigung der Mitgesellschafter oder für ungerechtfertigte Sondervorteile einsetzt (BGH, Urteil vom 12. April 2016 - II ZR 275/14, ZIP 2016, 1220 Rn. 20, 23).
26 Da der Vorwurf verbotener Konkurrenztätigkeit durch die Gesellschafterinnen D. und M. sowie die T. GmbH im Raum steht, liegt in der Stimmabgabe für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft die Verfolgung von Gesellschaftsinteressen. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der vorgeworfenen Konkurrenztätigkeit bzw. der Anmeldung der Konkurrenzmarken nur ein fahrlässiges Handeln zugrunde liegen soll. Dies schließt das Bestehen von Schadensersatzansprüchen nicht von vornherein aus.
27 2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass zu TOP 14 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlag die Gesellschafterin M. einem Stimmverbot.
28 a) Der Beschlussantrag zum TOP 14 hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit gegen die Gesellschafterin M. zum Inhalt, weshalb diese bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht hat (s.o. II. 1. a) und b)).
29 b) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimme der Gesellschafterin M. bei der Abstimmung über TOP 14 führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.
30 Den ablehnenden Beschluss zu TOP 14 hat der Versammlungsleiter ausweislich des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Protokolls der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 43,474 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne die Stimme der Gesellschafterin M. (26,084 % des Stammkapitals) wurden zu TOP 14 Nein-Stimmen bezogen auf 26,084 % des Stammkapitals und Ja-Stimmen bezogen auf 43,474 % des Stammkapitals abgegeben. Anhaltpunkte für eine rechtsmissbräuchliche Abgabe der Ja-Stimmen bestehen nicht (s.o. II. 1. c) bb) (2)).
31 3. Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass zu TOP 15 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlagen die Gesellschafterinnen D. und M. einem Stimmverbot. Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.
32 a) Der Beschlussantrag zum TOP 15 hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der T. GmbH zum Gegenstand.
33 b) Ist ein GmbH-Gesellschafter Alleingesellschafter einer Drittgesellschaft, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 47 Abs. 4 GmbHG für ihn ein Stimmverbot bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen diese Drittgesellschaft betrifft (BGH, Urteil vom 29. März 1971 - III ZR 255/68, BGHZ 56, 47, 53; Urteil vom 29. März 1973 - II ZR 139/70, NJW 1973, 1039, 1040; Urteil vom 30. November 2021 - II ZR 8/21, BGHZ 232, 203 Rn. 29). Aus dem in § 47 Abs. 4 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 33; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 16; Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 26; Urteil vom 17. Januar 2023 - II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 25). Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn mehrere Gesellschafter einer GmbH alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben (BGH, Urteil vom 10. Februar 1977 - II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, 110). In diesem Fall ist die wirtschaftliche Verbindung so stark, dass man das persönliche Interesse der GmbH-Gesellschafter mit dem der Drittgesellschaft gleichsetzen kann. Das in der anderweitigen Beteiligung der GmbH-Gesellschafter verkörperte Interesse schließt dann bei Entscheidungen über Rechtsgeschäfte oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit der Drittgesellschaft oder die außergerichtliche Anspruchsverfolgung eine unbefangene Stimmabgabe in der Regel aus und bedeutet deshalb für die GmbH eine erhebliche Gefahr (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1977 - II ZR 81/76, BGHZ 68, 107, 110; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 32 mwN; Urteil vom 30. November 2021 - II ZR 8/21, BGHZ 232, 203 Rn. 29).
34 c) Nach diesen Grundsätzen hatten die Gesellschafterinnen der Beklagten D. und M. bei der Abstimmung über die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der T. GmbH kein Stimmrecht, weil sie mit jeweils 50 % an dieser beteiligt sind.
35 d) Die fehlerhafte Berücksichtigung der Stimmen der Gesellschafterinnen D. und M. bei der Abstimmung über TOP 15 führt zur Unrichtigkeit der Beschlussfeststellung und damit zur erfolgreichen Anfechtung des ablehnenden Beschlusses.
36 Den ablehnenden Beschluss zu TOP 15 hat der Versammlungsleiter ausweislich des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Protokolls der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 unter Berücksichtigung von Nein-Stimmen entfallend auf 52,168 % des Stammkapitals der Gesellschaft und Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals festgestellt. Ohne die Stimmen von Frau D. und Frau M. wurden zu TOP 15 ausschließlich Ja-Stimmen bezogen auf 47,821 % des Stammkapitals abgegeben. Anhaltpunkte für eine rechtsmissbräuchliche Abgabe der Ja-Stimmen bestehen nicht (s.o. II. 1. c) bb) (2)).
37 III. Soweit die Revision in Bezug auf die Nichtigerklärung der Ablehnung der Beschlussanträge und die positive Beschlussfeststellung zu den TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung Erfolg hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 563 Abs. 2 ZPO). Der Senat hat nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die zu den TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 gefassten Beschlüsse sind für nichtig zu erklären, die beantragten Beschlüsse sind festzustellen.
38 1. Der Inhalt der Beschlussanträge und das Ergebnis der Abstimmung zu TOP 13, 14 und 15 sind vom Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die im Protokoll der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30. Juli 2019 festgehaltenen Stimmverhältnisse und Abstimmungsergebnisse für das Abstimmungsergebnis für das Revisionsgericht bindend festgestellt (vgl. Urteil des Berufungsgerichts vom 2. Dezember 2021 Seite 3 und Urteil des Landgerichts Bamberg vom 23. Oktober 2020 Seite 30).
39 Danach ist festzustellen, dass der Beschluss zu TOP 13 in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2019 wirksam gefasst wurde, weil die Zahl der Ja-Stimmen mit 47,821 % die Zahl der NeinStimmen mit 26,084 %, jeweils bezogen auf das Stammkapital, überwiegt. Soweit der Beschluss neben der Bestellung eines besonderen Vertreters die Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei sowie die Kostentragung durch die Gesellschaft vorsieht, ist dies zulässig (MünchKommGmbHG/ Liebscher, 4. Aufl., § 46 Rn. 291 f.; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/ J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 46 Rn. 493).
40 Es ist weiter festzustellen, dass der Beschluss zu TOP 14 in der Fassung des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2019 wirksam gefasst wurde, weil die Zahl der Ja-Stimmen mit 43,474 % die Zahl der NeinStimmen mit 26,084 %, jeweils bezogen auf das Stammkapital, überwiegt.
41 Schließlich ist festzustellen, dass der Beschluss zu TOP 15 in der Fassung
des Beschlussantrags der Gesellschafterversammlung vom 30. Juli 2019 wirksam gefasst wurde, weil ausschließlich Ja-Stimmen zu zählen sind.
42 2. Zu Recht wendet die Beklagte ein, dass die Anträge des Klägers auf positive Beschlussfeststellung über die der Gesellschafterversammlung der Beklagten vorliegenden Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 hinausgehen. Dies führt aber nicht zur Abweisung der positiven Beschlussfeststellungsklage insgesamt, sondern nur zur Zurückweisung der Revision im überschießenden Umfang.
43 Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen (OLG Köln, ZIP 2018, 2410, 2412; BeckOK GmbHG/Leinekugel, Stand 1.6.2023, Anhang § 47 Rn. 269; Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Anhang nach § 47 Rn. 189; MünchKommGmbHG/Wertenbruch, 4. Aufl., Anhang § 47 Rn. 445). Danach bleibt die mit den Berufungsanträgen 11, 12 und 13 begehrte Feststellung erfolglos, soweit sie über die Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung hinausgehen.