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Wirtschaftsrecht
05.10.2023
Wirtschaftsrecht
EuGH: „Gewerbliche Garantie“ i. S. d. Art. 2 Nr. 14 RL 2011/83/EU

EuGH, Urteil vom 28.9.2023- C-133/22, LACD GmbH gegen BB Sport GmbH & Co. KG

ECLI:EU:C:2023:710

Volltext: BB-Online BBL2023-2305-1

unter www.betriebs-berater.de

 

Tenor

Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass der Begriff „gewerbliche Garantie“ als „andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor dem Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind“, eine von einem Garantiegeber dem betreffenden Verbraucher gegenüber eingegangene Verpflichtung umfasst, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände wie seine in sein eigenes Belieben gestellte Zufriedenheit mit der erworbenen Ware bezieht, ohne dass das Vorliegen dieser Umstände für die Geltendmachung der gewerblichen Garantie objektiv geprüft werden müsste.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64) sowie von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG (ABl. 2019, L 136, S. 28).

 

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der LACD GmbH und der BB Sport GmbH & Co. KG über die Rechtmäßigkeit einer Erklärung, die an von LACD vertriebenen Produkten angebracht ist.

 

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2011/83

3          In den Erwägungsgründen 4, 5 und 7 der Richtlinie 2011/83 heißt es:

 

„(4)       … Die Harmonisierung bestimmter Aspekte von im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen ist unabdingbar, wenn ein echter Binnenmarkt für Verbraucher gefördert werden soll, in dem ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bei gleichzeitiger Wahrung des Subsidiaritätsprinzips gewährleistet ist.

 

(5)        … [D]ie vollständige Harmonisierung der Verbraucherinformation und des Widerrufsrechts in Verträgen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, [dürfte] zu einem hohen Verbraucherschutzniveau und zum besseren Funktionieren des Binnenmarkts für Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern beitragen.

 

 

(7)        Die vollständige Harmonisierung einiger wesentlicher Aspekte der einschlägigen Regelungen sollte die Rechtssicherheit für Verbraucher wie Unternehmer erheblich erhöhen. …“

 

4          Zweck dieser Richtlinie ist es nach ihrem Art. 1, „durch Angleichung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf Verträge, die zwischen Verbrauchern und Unternehmern geschlossen werden, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen und damit zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen“.

 

5          Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 definiert den Begriff „gewerbliche Garantie“ als „jede dem Verbraucher gegenüber zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung eingegangene Verpflichtung des Unternehmers oder eines Herstellers (Garantiegebers), den Kaufpreis zu erstatten oder die Waren auszutauschen oder nachzubessern oder Dienstleistungen für sie zu erbringen, falls sie nicht diejenigen Eigenschaften aufweisen oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllen, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor dem Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind“.

 

6          Art. 6 („Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“) Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 bestimmt:

 

„Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

 

 

m)        gegebenenfalls den Hinweis auf das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und gewerblichen Garantien;

 

…“

 

Richtlinie 2019/771

7          Zweck der Richtlinie 2019/771 ist es nach ihrem Art. 1, „zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und gleichzeitig für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen …“.

 

8          Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771 definiert den Begriff „gewerbliche Garantie“ als „jede dem Verbraucher gegenüber zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung eingegangene Verpflichtung des Verkäufers oder eines Herstellers (Garantiegebers), den Kaufpreis zu erstatten oder die Waren zu ersetzen, nachzubessern oder in sonstiger Weise Abhilfe zu schaffen, falls sie nicht die Eigenschaften aufweisen oder andere nicht mit der Vertragsmäßigkeit verbundene Anforderungen erfüllen sollten, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind“.

 

9          Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie gelten ihre Bestimmungen nicht für Verträge, die vor dem 1. Januar 2022 geschlossen wurden.

 

Deutsches Recht

10        Gemäß § 443 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Bürgerliches Gesetzbuch) stellt die zusätzlich zu der Mängelhaftung eingegangene spezifische Verpflichtung des Verkäufers, des Herstellers oder eines sonstigen Dritten in einer Erklärung oder einschlägigen Werbung, die vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags verfügbar war, den Kaufpreis zu erstatten, die Kaufsache auszutauschen, nachzubessern oder in ihrem Zusammenhang Dienstleistungen zu erbringen, falls die Sache nicht diejenige Beschaffenheit aufweist oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllt, die in dieser Erklärung oder dieser Werbung beschrieben sind, eine Garantie dar.

 

11        § 479 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sieht vor, dass eine Garantieerklärung im Sinne von § 443 dieses Gesetzbuchs einfach und verständlich abgefasst sein muss, und zählt die Angaben auf, die diese Erklärung enthalten muss.

 

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

 

12        LACD vertreibt über Einzel- und Onlinehändler Sport- und Fitnessprodukte unter der Marke LACD. Sie brachte zumindest bis zum Jahr 2013 an ihren T‑Shirts Hängeetiketten („Hang-Tags“) an, auf denen folgender Text stand (im Folgenden: LACD-Erklärung):

 

„LACD-Garantie

 

Jedes LACD-Produkt ist mit unserer eigenen lebenslangen Garantie ausgestattet. Wenn Sie mit einem unserer Produkte nicht voll und ganz zufrieden sind, schicken Sie es bitte an den Händler zurück, bei dem Sie es erworben haben. Sie können es auch direkt an ‚LACD‘ zurückschicken, aber vergessen Sie nicht, uns mitzuteilen, wo und wann Sie es gekauft haben.“

 

13        Im August 2018 erwarb BB Sport, die Waren für den Sport- und Fitnessbedarf verkauft, über eine Testkäuferin online zwei T‑Shirts der Marke LACD, an denen ein Hängeetikett mit der LACD-Erklärung angebracht war.

 

14        Da BB Sport der Ansicht war, dass die Angaben auf diesem Hängeetikett nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Garantieerklärung im Sinne der §§ 443 und 479 des Bürgerlichen Gesetzbuchs genügten, erhob sie beim Landgericht München I (Deutschland) eine Klage mit dem Antrag, LACD aufzugeben, die Anbringung dieses Hängeetiketts auf ihren Bekleidungsstücken zu unterlassen. Nachdem dieses Gericht ihre Klage abgewiesen hatte, legte BB Sport beim Oberlandesgericht München (Deutschland) Berufung ein, der stattgegeben wurde.

 

15        LACD legte daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, ein, das der Ansicht ist, dass der Ausgang des Ausgangsrechtsstreits von der Auslegung von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 sowie von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771 abhänge, da dem auf Wiederholungsgefahr gestützten Antrag auf Unterlassung einer unlauteren Geschäftspraxis wie dem im Ausgangsverfahren gestellten nur stattgegeben werden könne, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten des Ausgangsverfahrens nicht nur zum Zeitpunkt seiner Vornahme wettbewerbswidrig gewesen sei, sondern auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision wettbewerbswidrig sei.

 

16        Das vorlegende Gericht weist zunächst darauf hin, dass die Feststellung eines Verstoßes von LACD gegen die in § 479 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehenen Informationspflichten voraussetze, dass die in der LACD-Erklärung enthaltene Verpflichtung, das verkaufte Bekleidungsstück bei mangelnder Zufriedenheit des Verbrauchers zurückzunehmen, eine „Garantie“ im Sinne von § 443 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs darstelle, einer Bestimmung, mit der der Begriff „Garantie“ im Sinne der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. 1999, L 171, S. 12) in das deutsche Recht umgesetzt worden sei und die seit dem 1. Januar 2022 ihre Grundlage in Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771 finde.

 

17        Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die „Zufriedenheit des Verbrauchers mit der erworbenen Ware“ zwar nicht zur „Beschaffenheit der Kaufsache“ gehöre, sie aber eine „andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderung“ im Sinne von § 443 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs darstellen könne. Dieses zweite Kriterium sei dieser Bestimmung mit Wirkung vom 13. Juni 2014 hinzugefügt worden, um den Begriff „gewerbliche Garantie“ in Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 in das deutsche Recht umzusetzen.

 

18        Weder dem Wortlaut noch dem Kontext von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 oder von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771 lasse sich eindeutig entnehmen, dass die mangelnde „Zufriedenheit des Verbrauchers mit der erworbenen Ware“ eine „die Mängelfreiheit betreffende Anforderung, die in der Garantieerklärung beschrieben ist“, im Sinne dieser Bestimmungen darstelle, deren Nachweis zur Erstattung des Kaufpreises, zum Austausch oder zur Nachbesserung der Ware oder zur Erbringung von Dienstleistungen für die Ware führen könne, ohne dass sich diese mangelnde Zufriedenheit aus dem Zustand oder den Merkmalen der Ware ergeben müsse.

 

19        Da das mit den Richtlinien 2011/83 und 2019/771 verfolgte Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, für diese Auslegung spreche, stellt sich das vorlegende Gericht jedoch die Frage, wie die mangelnde „Zufriedenheit des Verbrauchers mit der erworbenen Ware“ für die Geltendmachung der „gewerblichen Garantie“ im Sinne von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 und Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771 nachzuweisen sei.

 

20        Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.         Kann eine andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderung im Sinne von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 und eine andere nicht mit der Vertragsmäßigkeit verbundene Anforderung im Sinne von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771 vorliegen, wenn die Verpflichtung des Garantiegebers an in der Person des Verbrauchers liegende Umstände, insbesondere an seine subjektive Haltung zur Kaufsache (hier: die in das Belieben des Verbrauchers gestellte Zufriedenheit mit der Kaufsache) anknüpft, ohne dass diese persönlichen Umstände mit dem Zustand oder den Merkmalen der Kaufsache zusammenhängen müssen?

2.         Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird:

 

Muss das Fehlen von Anforderungen, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände (hier: seine Zufriedenheit mit den erworbenen Waren) gründen, anhand objektiver Umstände feststellbar sein?

 

Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

21        Nach der Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts am 9. März 2023 hat LACD mit Schriftsatz, der am 6. April 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beantragt. Zur Stützung dieses Antrags macht LACD zum einen geltend, der Generalanwalt habe verkannt, dass sie keinen Online-Shop betreibe. Zum anderen betont LACD die Relevanz der vom vorlegenden Gericht erbetenen Auslegung von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771.

 

22        Es ist festzustellen, dass der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen stellt, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung binden den Gerichtshof nicht. Des Weiteren sehen weder die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch die Verfahrensordnung für die Parteien die Möglichkeit vor, zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Stellung zu nehmen. Dass ein Beteiligter nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 21. Oktober 2021, Beeren‑, Wild‑, Feinfrucht, C‑825/19, EU:C:2021:869, Rn. 24 bis 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

23        Da sich LACD, wie in Rn. 21 des vorliegenden Urteils ausgeführt, darauf beschränkt, bestimmte Passagen der Schlussanträge des Generalanwalts zu beanstanden und zum Inhalt dieser Schlussanträge Stellung zu nehmen, ist das mündliche Verfahren im vorliegenden Fall nicht wiederzueröffnen.

 

Zu den Vorlagefragen

24        Soweit das vorlegende Gericht um die Auslegung von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771 ersucht, ist zunächst festzustellen, dass diese Richtlinie gemäß ihrem Art. 24 Abs. 2 nicht für vor dem 1. Januar 2022 geschlossene Verträge gilt. Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag über den Verkauf von T‑Shirts im August 2018 geschlossen wurde.

 

25        Vor diesem Hintergrund sind die beiden Fragen zusammen zu prüfen, mit denen das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „gewerbliche Garantie“ als „andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor dem Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind“, eine von einem Garantiegeber dem betreffenden Verbraucher gegenüber eingegangene Verpflichtung umfasst, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände wie seine in sein eigenes Belieben gestellte Zufriedenheit mit der erworbenen Ware bezieht, und, wenn dies bejaht wird, wie diese Umstände für die Geltendmachung der gewerblichen Garantie nachzuweisen sind.

 

26        Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 definiert den Begriff „gewerbliche Garantie“ als „jede dem Verbraucher gegenüber zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung eingegangene Verpflichtung des Unternehmers oder eines Herstellers (Garantiegebers), den Kaufpreis zu erstatten oder die Waren auszutauschen oder nachzubessern oder Dienstleistungen für sie zu erbringen, falls sie nicht diejenigen Eigenschaften aufweisen oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllen, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor dem Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind“.

 

27        Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 nichts enthält, was es erlaubt, von seinem Anwendungsbereich eine Verpflichtung eines Garantiegebers auszunehmen, die sich auf die „Zufriedenheit des Verbrauchers mit der erworbenen Ware“ bezieht, die in dessen subjektives Belieben gestellt ist.

 

28        Zum einen bezieht sich diese Bestimmung nämlich auf „jede Verpflichtung“ eines Garantiegebers, die dem betreffenden Verbraucher gegenüber „zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung“ eingegangen wird. Zum anderen ist der neutrale und allgemeine Ausdruck „andere … Anforderungen“, wie der Generalanwalt in Nr. 30 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geeignet, die Nichterfüllung der subjektiven Erwartungen des Verbrauchers an die erworbene Ware unabhängig von jeder objektiven Erwägung im Zusammenhang mit den Merkmalen oder Eigenschaften dieser Ware abzudecken.

 

29        Des Weiteren gehört die Erteilung der Informationen über die „gewerbliche Garantie“, wie sich u. a. aus Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83 ergibt, zu den Pflichten dieser Richtlinie, die die vorvertragliche Information des betreffenden Verbrauchers sicherstellen sollen. Gemäß Art. 6 der Richtlinie 2011/83 hat somit jeder Unternehmer den Verbraucher, bevor dieser durch einen Vertrag im Fernabsatz, einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, in klarer und verständlicher Weise über gegebenenfalls den Hinweis auf das Bestehen und die Bedingungen von gewerblichen Garantien zu informieren.

 

30        Eine Auslegung von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83, wonach der Begriff „gewerbliche Garantie“ die Verpflichtung eines Unternehmers umfasst, die sich auf die „Zufriedenheit des Verbrauchers mit der erworbenen Ware“ bezieht, steht im Einklang mit dem mit dieser Richtlinie verfolgten Zweck, ein hohes Verbraucherschutzniveau dadurch sicherzustellen, dass die Information und die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern garantiert wird, wie es in Art. 1 der Richtlinie 2011/83 im Licht ihrer Erwägungsgründe 4, 5 und 7 niedergelegt ist. Nach dieser Auslegung kann der Verbraucher nämlich zum einen von der Verpflichtung dieses Unternehmers Kenntnis nehmen und im Vorfeld die Bedingungen des Vertrags, den er abzuschließen beabsichtigt, besser kennen, um die Entscheidung, ob er diesen Vertrag abschließt, in Kenntnis der Sachlage zu treffen, und zum anderen mit einer einfachen Erklärung, er sei nicht zufrieden, vom Unternehmer den Kaufpreis erstattet bekommen, was sein Schutzniveau dem Unternehmer gegenüber erhöht.

 

31        Darüber hinaus ist die Verpflichtung eines Unternehmers, die erworbene Ware bei mangelnder Zufriedenheit des betreffenden Verbrauchers zurückzunehmen, Ausdruck der in Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten unternehmerischen Freiheit dieses Unternehmers, die bei der Auslegung der Richtlinie 2011/83 im Licht des in ihrem vierten Erwägungsgrund angegebenen Zwecks, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen, gleichfalls zu wahren ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Mai 2022, Victorinox, C‑179/21, EU:C:2022:353, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

32        Schließlich kann die Frage, ob eine etwaige mangelnde Zufriedenheit des betreffenden Verbrauchers mit der erworbenen Ware objektiv feststellbar sein muss, nur verneint werden, wie der Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussanträge ausgeführt hat. Die Nichterfüllung der subjektiven Erwartungen des Verbrauchers an diese Ware kann nämlich naturgemäß nicht Gegenstand einer objektiven Prüfung sein. Die bloße Behauptung des Verbrauchers in diesem Sinne ist daher als ausreichend anzusehen.

 

33        Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „gewerbliche Garantie“ als „andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor dem Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind“, eine von einem Garantiegeber dem betreffenden Verbraucher gegenüber eingegangene Verpflichtung umfasst, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände wie seine in sein eigenes Belieben gestellte Zufriedenheit mit der erworbenen Ware bezieht, ohne dass das Vorliegen dieser Umstände für die Geltendmachung der gewerblichen Garantie objektiv geprüft werden müsste.

 

34        Da das vorlegende Gericht, wie in Rn. 15 des vorliegenden Urteils festgestellt, darauf hinweist, dass es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der LACD-Erklärung auch Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771 berücksichtigen werde, ist hinzuzufügen, dass die Auslegung von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 in der vorhergehenden Randnummer des vorliegenden Urteils für die Auslegung von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771 gilt, da der Begriff „gewerbliche Garantie“ in diesen beiden Bestimmungen nahezu identisch definiert wird und die Richtlinie 2019/771, wie sich aus ihrem Art. 1 ergibt, ebenso wie die Richtlinie 2011/83 ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellen soll.

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