BGH: Gesellschafterliche Treuepflichten eines GmbH-Gesellschaftergeschäftsführers
BGH, Urteil vom 8.11.2022 – II ZR 91/21 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 31.1.2023)
ECLI:DE:BGH:2022:081122UIIZR91.21.0
Volltext: BB-Online BBL2023-449-3
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Amtliche Leitsätze
a) Dem Gesellschafter einer GmbH steht kein Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Unterlassung der Einreichung einer zu seinen Lasten materiell unrichtigen Gesellschafterliste zum Handelsregister wegen drohender Verletzung organschaftlicher Pflichten zu.
b) Ein Gesellschafter einer GmbH, der seine Stellung als Geschäftsführer dadurch missbraucht, dass er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen, verletzt seine gesellschafterliche Treuepflicht gegenüber dem von der Unrichtigkeit nachteilig betroffenen Gesellschafter.
c) Gegen den Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH, der unter Verletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreichen will, steht dem von der Unrichtigkeit nachteilig betroffenen Gesellschafter ein Unterlassungsanspruch zu, den er mit der vorbeugenden Unterlassungsklage geltend machen kann.
GmbHG § 16 Abs. 1, § 40 Abs.
Sachverhalt
Der Kläger und die Beklagte zu 1 sind laut derzeit im Handelsregister aufgenommener Gesellschafterliste mit Geschäftsanteilen im Nennwert von 5.000 € bzw. 20.000 € Gesellschafter der Beklagten zu 2, einer GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 €. Die Beklagte zu 1 ist zudem Geschäftsführerin der Beklagten zu 2.
2 Ursprünglicher Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 2 war der im Mai 2013 verstorbene Ehemann der Beklagten zu 1 (im Folgenden: Erblasser). Dieser hatte in seinem Testament vom 4. Dezember 2012 u.a. verfügt, dass 80 % der Anteile an der Beklagten zu 2 an die Beklagte zu 1 und 20 % an den Kläger "gehen sollten". Nach seinem Tod wurde am 14. Juni 2013 ein Antrag der Beklagten zu 1 auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin notariell beurkundet. Außerdem übertrug die Beklagte zu 1 mit notarieller Urkunde vom selben Tag "in Erfüllung des … angeordneten Vermächtnisses" einen Geschäftsanteil an der Beklagten zu 2 in Höhe von 5.000 € unentgeltlich an den Kläger und trat diesen unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung "des beantragten Erbscheins", nach dem der Erblasser von ihr allein beerbt worden war, an den Kläger ab.
3 Am 24. September 2013 nahm die Beklagte zu 1 den notariell beurkundeten Erbscheinsantrag gegenüber dem Nachlassgericht wieder zurück. Außerdem erklärte sie mit Schreiben vom 27. September 2013 gegenüber dem Kläger die Anfechtung der Anteilsabtretung vom 14. Juni 2013 sowie mit Schreiben vom 21. Mai 2014 gegenüber dem Nachlassgericht die Anfechtung des Testaments des Erblassers.
4 Am 30. August 2016 wurde der Beklagten zu 1 auf ihren erneuten Antrag ein Erbschein als Alleinerbin des Erblassers erteilt, worauf der damalige Geschäftsführer der Beklagten zu 2 mit Schreiben vom 7. September 2016 erklärte, dass die aufschiebende Bedingung des Vertrags vom 14. Juni 2013 nunmehr eingetreten sei. Auf seine Anregung und diejenige des damaligen Nachlassverwalters reichte der Notar eine neue Gesellschafterliste mit Datum vom 19. September 2016 ein, die den Kläger mit einem Geschäftsanteil von 5.000 € und den Erblasser als weiteren Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 20.000 € auswies. Am 7. September 2017 wurde die derzeit in den Registerordner eingestellte Gesellschafterliste, in der statt des Erblassers die Beklagte zu 1 als Gesellschafterin aufgeführt ist, von dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten zu 2 eingereicht.
5 Nach Aufhebung der Nachlassverwaltung im Dezember 2017 wurde die Beklagte zu 1 zur Geschäftsführerin der Beklagten zu 2 berufen und im Januar 2018 als Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen. Mit Schreiben vom 2. Januar 2020 forderte der Kläger sie zur Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung auf, deren Gegenstand u.a. die Abberufung der Beklagten zu 1 als Geschäftsführerin wegen gravierender Pflichtverletzungen sein sollte. Daraufhin äußerte der Bevollmächtige der Beklagten zu 1 mit Schreiben vom 28. Januar 2020 gegenüber dem Kläger Zweifel an dessen Gesellschafterstellung und kündigte die Einreichung einer korrigierten, den Kläger nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste zum Handelsregister durch die Beklagte zu 1 an.
6 Der Kläger erwirkte darauf eine einstweilige Verfügung, mit der beiden Beklagten die Einreichung einer ihn nicht mehr als Gesellschafter der Beklagten zu 2 mit einem Geschäftsanteil zum Nennbetrag von 5.000 € ausweisenden Gesellschafterliste untersagt wurde.
7 Nunmehr begehrt der Kläger die gleichlautende Verurteilung der Beklagten im Hauptsacheverfahren. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht durch Beschluss zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1 erkannt worden ist. Die Beklagte zu 1 verfolgt ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Aus den Gründen
8 Die Revision der Beklagten zu 1 hat keinen Erfolg.
9 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:
10 Dem Kläger stehe gegen beide Beklagte aus dem Gesellschaftsverhältnis sowie aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog ein Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer ihn nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne der Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen deren Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden. Die Einwände der Beklagten gegen die Gesellschafterstellung des Klägers griffen nicht durch. Es könne dahinstehen, ob die Abtretung des Geschäftsanteils am 14. Juni 2013 wirksam und die diesbezügliche aufschiebende Bedingung eingetreten sei. Denn die Beklagten könnten sich jedenfalls nach Treu und Glauben nicht auf eine etwaige Unwirksamkeit der Abtretung berufen, weil die Beklagte zu 1 im Fall der Unwirksamkeit aufgrund des testamentarischen Vermächtnisses verpflichtet sei, dem Kläger (wieder) einen Geschäftsanteil in Höhe von 20 % des Stammkapitals zu übertragen. Ein zur Anfechtung des Testaments berechtigender Motivirrtum des Erblassers sei nicht dargetan und der Anspruch des Klägers aus dem Vermächtnis sei auch nicht verjährt. Jedenfalls stehe der diesbezüglichen Verjährungseinrede der Beklagten zu 1 ebenfalls der Einwand treuwidrigen Verhaltens entgegen.
11 II. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
12 Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Kläger die Beklagte zu 1 aus dem Gesellschaftsverhältnis auf Unterlassung der Einreichung einer ihn nicht als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste in Anspruch nehmen kann. Dieser gesellschaftsvertragliche Unterlassungsanspruch resultiert allerdings nicht aus einer Verletzung der organschaftlichen Pflichten der Beklagten zu 1 als Geschäftsführerin der Beklagten zu 2, sondern aus der Verletzung der ihr als Gesellschafterin der Beklagten zu 2 obliegenden gesellschafterlichen Treuepflicht. Ob dem Kläger daneben, wie vom Berufungsgericht angenommen, auch ein quasinegatorischer Unterlassungsanspruch nach § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 2 Satz 1 BGB analog gegen die Beklagte zu 1 zusteht, bedarf damit keiner Entscheidung.
13 1. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 als Geschäftsführerin keinen Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer ihn zu Unrecht nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste wegen drohender Verletzung organschaftlicher Pflichten.
14 a) Ob ein Gesellschafter gegen den Geschäftsführer einer GmbH einen Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer zu seinen Lasten unrichtigen Gesellschafterliste hat, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten.
15 Nach herrschender Auffassung richtet sich der Anspruch des Gesellschafters auf seine korrekte Eintragung in die Gesellschafterliste der GmbH und damit auf Einreichung einer entsprechend aktualisierten bzw. berichtigten Gesellschafterliste allein gegen die Gesellschaft, nicht aber gegen den Geschäftsführer (OLG München, ZIP 2011, 570; OLG Hamm, NZG 2014, 783, 784; OLG Jena, NZG 2014, 902, 903; KG, NZG 2019, 913; Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 40 Rn. 23, 26; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 40 Rn. 58, 102; Oetker in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 40 GmbHG Rn. 16; Paefgen in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 40 Rn. 152, 154; Scholz/Seibt, GmbHG, 13. Aufl., § 16 Rn. 10 und 12. Aufl., § 40 Rn. 67; Winter in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 5. Aufl., § 40 Rn. 45; Bayer, GmbHR 2019, 939 f.; Bayer, Festschrift Marsch-Barner, 2018, S. 35, 40 f.; Fischer, GmbHR 2018, 1257, 1260; Lieder, GmbHR 2016, 189, 191 f.; Noack, Festschrift Hüffer, 2010, S. 723, 733; Wagner, GmbHR 2016, 463, 467; wohl auch Fluck, GmbHR 2017, 67, 71). Dementsprechend wird auch für den Anspruch eines in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafters, eine materiell unberechtigte Listenveränderung zu seinen Ungunsten zu unterlassen, allein die Gesellschaft als passivlegitimiert angesehen (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 40 Rn. 58, 100; MünchKommZPO/Drescher, 6. Aufl., § 935 Rn. 65; Görner in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 40 Rn. 57; Oetker in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 40 GmbHG Rn. 16: Spiegelbild des Erfüllungsanspruchs; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl., § 40 Rn. 67; Servatius in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 40 Rn. 82, 84a; Wagner, Der Status des GmbH-Gesellschafters nach der Zwangseinziehung, 2015, S. 187 f.; Bayer, Festschrift Marsch-Barner, 2018, S. 35, 40 f.; Bayer, GmbHR 2019, 939, 940; Fischer, GmbHR 2018, 1257, 1260; Fluck, GmbHR 2017, 67, 71 unter Verweis auf quasinegatorische Unterlassungsansprüche nach § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB; Heckschen, NZG 2019, 1097, 1098; Kleindiek, GmbHR 2017, 815, 822; Lieder/Becker, GmbHR 2019, 505, 509; Wagner, GmbHR 2016, 463, 467).
16 Nach anderer Ansicht besteht bereits der Anspruch auf Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste allein gegenüber dem Geschäftsführer (OLG Brandenburg, NZG 2013, 507, 508; KG, ZIP 2016, 1166 f.; Hasselmann, NZG 2009, 486, 489; Preuss, ZGR 2008, 676, 679; gegen jeden Erfüllungsanspruch: Bednarz, BB 2008, 1854, 1857), was entsprechend auch für den diesbezüglichen Unterlassungsanspruch zu gelten hätte.
17 Teilweise wird angenommen, dass sich der Anspruch auf Einreichung einer richtigen Gesellschafterliste zwar primär gegen die Gesellschaft richtet, daneben aber auch eine Passivlegitimation des Geschäftsführers zu erwägen sei (MünchKommGmbHG/Heidinger, 3. Aufl., § 40 Rn. 147; Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1, 8).
18 b) Der Senat hat die Frage entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bislang nicht entschieden. Soweit er in der vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung vom 17. Dezember 2013 (II ZR 21/12, ZIP 2014, 216 Rn. 36, 39) ausgeführt hat, ein betroffener Gesellschafter könne ggf. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erreichen, dass dem Geschäftsführer die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste untersagt werde, handelte es sich um eine nicht tragende Erwägung, die zudem keine Aussage dazu enthielt, gegen wen die Verfügung zu erwirken ist. In einer weiteren Entscheidung hat der Senat lediglich klargestellt, dass der Gesellschafter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Gesellschaft das Verbot der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste erwirken kann (Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 39), ohne sich damit jedoch zu der Frage zu äußern, ob daneben der Geschäftsführer passivlegitimiert sein kann.
19 c) Dem Gesellschafter einer GmbH steht kein Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Unterlassung der Einreichung einer zu seinen Lasten materiell unrichtigen Gesellschafterliste zum Handelsregister wegen drohender Verletzung organschaftlicher Pflichten zu.
20 aa) Der Anspruch des Gesellschafters einer GmbH auf eine zutreffende Aufnahme in die Gesellschafterliste beruht auf der gesellschafterlichen Treuepflicht, aufgrund derer es der Gesellschaft verwehrt ist, rechtswidrig in die Mitgliedschaft des Gesellschafters einzugreifen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 - II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 133 f. zur AG; Urteil vom 6. Februar 1984 - II ZR 119/83, BGHZ 90, 92, 95; Urteil vom 12. März 1990 - II ZR 179/89, BGHZ 110, 323, 327 jeweils zum Verein). Zu dieser Mitgliedschaft gehört auch die relativ zur Gesellschaft wirkende formelle Gesellschafterstellung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG (vgl. Paefgen in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 40 Rn. 152 mwN; Lieder/Becker, GmbHR 2019, 505, 509; Wagner, GmbHR 2016, 463, 468).
21 bb) Zwischen dem Gesellschafter und dem Geschäftsführer der Gesellschaft bestehen dagegen grundsätzlich keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen. Der Geschäftsführer ist in seiner Eigenschaft als Gesellschaftsorgan allein der Gesellschaft gegenüber treuepflichtig. Auch die Zuständigkeit der Gesellschafter für die Bestellung und Anstellung des Geschäftsführers (§ 46 Nr. 5 GmbHG) führt zu keiner rechtlichen Bindung an den einzelnen Gesellschafter (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2022 - II ZR 50/20, BGHZ 232, 275 Rn. 19; Urteil vom 25. Februar 1982 - II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 133 f.; Urteil vom 12. März 1990 - II ZR 179/89, BGHZ 110, 323, 327, 337 für den Verein). Dem entspricht der allgemeine Grundsatz der Haftungskonzentration, nach dem der Geschäftsführer wegen Verletzung seiner organschaftlichen Pflichten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG nur gegenüber der Gesellschaft haftet und eine Direkthaftung wegen Verletzung seiner Organpflichten gegenüber den Gesellschaftern nicht besteht (vgl. Scholz/Verse, GmbHG, 12. Aufl., § 43 Rn. 453, 483; MünchKommGmbHG/Fleischer, 3. Aufl., § 43 Rn. 335; Paefgen in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 43 Rn. 316; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 43 Rn. 49).
22 cc) Die Pflicht des Geschäftsführers, bei entdeckten Fehlern für die Berichtigung der Gesellschafterliste gegenüber dem Handelsregister zu sorgen, folgt aus den allgemeinen Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers (RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen - MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 37, 44), nicht aber aus einer rechtlichen Beziehung des Geschäftsführers zu den Gesellschaftern. Der Einwand, dass die Einreichungszuständigkeit in § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG als höchstpersönliche und damit nicht delegierbare Verpflichtung des Geschäftsführers ausgestaltet sei (so etwa MünchKommGmbHG/Heidinger, 3. Aufl., § 40 Rn. 147; Hasselmann, NZG 2009, 486, 489; Preuß, ZGR 2008, 676, 679), gibt keinen Anlass zur Annahme einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen dem Geschäftsführer und dem von der Einreichung betroffenen Gesellschafter. Auch eine höchstpersönliche Verpflichtung (str., zum Meinungsstand siehe OLG Jena, GmbHR 2011, 980, 981; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 40 Rn. 47; MünchKommGmbHG/Heidinger, 3. Aufl., § 40 Rn. 176; Paefgen in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 40 Rn. 112; Wicke, GmbHG, 4. Aufl., § 40 Rn. 7) würde nichts daran ändern, dass der Geschäftsführer bei ihrer Ausführung nur als organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft handelt (vgl. Bayer, GmbHR 2019, 939, 940; Lieder, GmbHR 2016, 189, 191 f.).
23 dd) Anderes ergibt sich nicht aus der in § 40 Abs. 3 GmbHG statuierten unmittelbaren Haftung des Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftern. § 40 Abs. 3 GmbHG enthält zwar eine Durchbrechung des oben genannten Grundsatzes der Haftungskonzentration, nach dem der Geschäftsführer wegen Verletzung seiner organschaftlichen Pflichten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG nur gegenüber der Gesellschaft haftet. Dieser sekundärrechtliche Schadensersatzanspruch der Gesellschafter lässt aber nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber damit unausgesprochen auch von einem unmittelbaren primärrechtlichen Erfüllungsanspruch des Gesellschafters gegen den Geschäftsführer auf Einreichung und Führung einer Gesellschafterliste entsprechend § 40 Abs. 1 GmbHG ausgegangen ist (so aber wohl OLG Brandenburg, NZG 2013, 507, 508).
24 Den Gesetzesmaterialien ist vielmehr zu entnehmen, dass auch dieser unmittelbaren Schadensersatzhaftung des Geschäftsführers die Annahme eines primärrechtlichen Erfüllungsanspruchs des Gesellschafters (nur) gegen die Gesellschaft zugrunde lag. Die unmittelbare Haftung des Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftern nach § 40 Abs. 3 GmbHG für Verletzungen der ihm nach § 40 Abs. 1 GmbHG obliegenden Einreichungspflicht wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026, 2030 - MoMiG) eingefügt. Damit wurde die in § 40 Abs. 2 GmbHG aF bereits vorgesehene unmittelbare Haftung der Geschäftsführer gegenüber Gläubigern der Gesellschaft auf Gesellschafter, deren Beteiligung sich geändert hat, erweitert. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs entsteht im Fall des Anteilserwerbs ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem jeweiligen Gesellschafter und der Gesellschaft, aufgrund dessen der ausscheidende und der neu eintretende Gesellschafter einen Anspruch auf unverzügliche Aktualisierung der Gesellschafterliste haben. Zur Absicherung dieses Anspruchs gegen die Gesellschaft sollte der aus der Verletzung dieser Aktualisierungspflicht resultierende Schadensersatzanspruch in § 40 Abs. 3 GmbHG ausdrücklich fixiert werden (RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 38). Dass dieser Schadensersatzanspruch darüber hinaus auch der Absicherung eines Aktualisierungsanspruchs der Gesellschafter gegen den Geschäftsführer dienen sollte, ergibt sich daraus nicht.
25 2. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 als Gesellschafterin einen Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer ihn zu Unrecht nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste wegen drohender Verletzung ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht.
26 a) Ein Gesellschafter einer GmbH verletzt seine gesellschafterliche Treuepflicht, wenn er seine Befugnis, als Geschäftsführer der Gesellschaft eine geänderte bzw. berichtigte Liste einzureichen, missbraucht, indem er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen.
27 aa) In einer GmbH besteht sowohl zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern als auch unter den Mitgesellschaftern eine wechselseitige Treuepflicht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 18 f.; Urteil vom 28. Juni 1982 - II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203; Urteil vom 14. Mai 1990 - II ZR 125/89, WM 1990, 1240, 1241; Urteil vom 10. Juni 1991 - II ZR 234/89, GmbHR 1991, 362; Urteil vom 22. März 2004 - II ZR 50/02, ZIP 2004, 804, 805; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321). Diese verpflichtet im Verhältnis zur Gesellschaft zur Förderung und Verwirklichung des gemeinsamen Zwecks und zum Unterlassen schädlicher Eingriffe (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1954 - II ZR 70/53, BGHZ 14, 25, 38), im Verhältnis der Gesellschafter untereinander verpflichtet sie zur Rücksichtnahme auf die unterschiedlichen Interessen der Mitgesellschafter (BGH, Urteil vom 1. Februar 1988 - II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194; Urteil vom 20. März 1995 - II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142; jeweils zur AG). Der Kern des Treuepflichtgedankens, soweit er im Kapitalgesellschaftsrecht allgemein Geltung beanspruchen kann, besteht darin, dass die Möglichkeit, durch Einflussnahme die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, als Gegengewicht die gesellschafterliche Pflicht verlangt, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen (BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 18 f.).
28 Der Inhalt der Treuepflicht ist jeweils nach den Verhältnissen im konkreten Anwendungsfall zu bestimmen, wobei der satzungsgemäße Zweck der Gesellschaft, ihre Struktur, die Rechtsstellung der Gesellschafter und die Funktion des auszuübenden Rechts von Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 19; Fastrich in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 13 Rn. 22 f.; Lieder in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 13 Rn. 155 ff.; Maul in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 5. Aufl., § 13 Rn. 37; MünchKommGmbHG/Merkt, 4. Aufl., § 13 Rn. 94 ff.). Dabei kann in der Verletzung von Organpflichten eines Gesellschaftergeschäftsführers zugleich eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht liegen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1982 - II ZR 121/81, ZIP 1982, 1073, 1074 f.; Urteil vom 14. September 1998 - II ZR 175/97, ZIP 1999, 240, 241; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321; Urteil vom 25. Januar 2022 - II ZR 50/20, BGHZ 232, 275 Rn. 13). Bei der Ausübung sogenannter uneigennütziger bzw. fremdnütziger, d.h. gesellschaftsbezogener Mitgliedschaftsrechte oder Pflichtrechte, insbesondere in Geschäftsführungsangelegenheiten, gilt ein strengerer Maßstab als bei der Ausübung eigennütziger Rechte, bei denen der Gesellschafter seine Interessen nicht ohne Weiteres hinter die der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter stellen muss (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1954 - II ZR 70/53, BGHZ 14, 25, 38; BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 19; Urteil vom 10. Juni 1991 - II ZR 234/89, GmbHR 1991, 362; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 14 Rn. 35; Fastrich in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 13 Rn. 26 mwN; Lieder in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 13 Rn. 157; Maul in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 5. Aufl., § 13 Rn. 37; MünchKommGmbHG/Merkt, 4. Aufl., § 13 Rn. 94 ff.).
29 bb) Ein Gesellschafter einer GmbH, der seine Stellung als Geschäftsführer dadurch missbraucht, dass er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen, verletzt seine gesellschafterliche Treuepflicht gegenüber dem von der Unrichtigkeit nachteilig betroffenen Gesellschafter.
30 (1) Die Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste beeinträchtigt in gravierender Weise die berechtigten gesellschaftsbezogenen Interessen des von der Unrichtigkeit betroffenen Gesellschafters. Die unrichtige Gesellschafterliste hat zwar für sich keine Auswirkung auf seine materiell-rechtliche Gesellschafterstellung, führt aber aufgrund der negativen Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG dazu, dass er keine Mitgliedschaftsrechte mehr gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2020 - II ZR 211/19, ZIP 2020, 2513 Rn. 14, 17; Urteil vom 26. Januar 2021 - II ZR 391/18, ZIP 2021, 459 Rn. 43; jeweils mwN). Diese negative Legitimationswirkung kann auch durch einen Widerspruch des betroffenen Gesellschafters nicht überwunden werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - II ZR 21/12, ZIP 2014, 216 Rn. 36). Damit ist seine Stellung als Gesellschafter in ihrem Kern betroffen, da ihm insbesondere die Möglichkeit genommen wird, an der Entscheidungsfindung der Gesellschaft mitzuwirken und auf die Gestaltung und Entwicklung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 - II ZR 391/18, ZIP 2021, 459 Rn. 52). Die übrigen Gesellschafter können darüber hinaus ohne seine Beteiligung und Mitwirkung die Gesellschaft nach ihrem Belieben umgestalten und weitreichende Geschäftsführungsentscheidungen treffen sowie satzungs- und strukturändernde Beschlüsse fassen und auf diesem Weg seine materiell-rechtliche Gesellschafterstellung beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 38 f.). Selbst wenn es der Gesellschaft im Einzelfall nach Treu und Glauben verwehrt sein sollte, sich auf die formelle Legitimationswirkung zu berufen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 42; Urteil vom 26. Januar 2021 - II ZR 391/18, ZIP 2021, 459 Rn. 45), steht auch dann zunächst die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG zu Lasten des betroffenen Gesellschafters im Raum, der die den Treuwidrigkeitseinwand begründenden Umstände darzulegen und ggf. nachzuweisen hat.
31 Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn man, was der Senat noch nicht abschließend entschieden hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 - II ZR 391/18, ZIP 2021, 459 Rn. 51 ff.), davon ausgeht, dass die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nur bedeutet, dass die Gesellschaft dem nicht (mehr) in der Gesellschafterliste aufgeführten Gesellschafter keine Mitgliedschaftsrechte gewähren muss, sie ihn aber gleichwohl (weiterhin) als Gesellschafter behandeln darf. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte des betroffenen Gesellschafters liegt auch in diesem Fall vor, weil er jedenfalls keinen durchsetzbaren Anspruch auf Wahrnehmung seiner Rechte hat.
32 (2) Eine Treuepflichtverletzung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer seine Befugnis zur Einreichung einer geänderten bzw. berichtigten Liste (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - II ZR 21/12, ZIP 2014, 216 Rn. 33) missbraucht, indem er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen.
33 Nicht jede unsorgfältige Geschäftsführungsmaßnahme eines Gesellschaftergeschäftsführers stellt zugleich eine Verletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht dar. Die Treuepflicht dient dem Ausgleich widerstreitender Interessen des einzelnen Gesellschafters und der Gesellschaft bzw. der Mitgesellschafter untereinander. Anders ist die Situation, wenn ein Gesellschaftergeschäftsführer ohne Vorliegen eines Interessenkonflikts ausschließlich im Interesse der Gesellschaft tätig wird und dabei nicht das erforderliche Maß an Sorgfalt walten lässt (vgl. MünchKommGmbHG/Merkt, 4. Aufl., § 13 Rn. 187; Bayer, GmbHR 2016, 505, 506).
34 Das gilt auch für die Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste durch den Gesellschaftergeschäftsführer. Auch diese kann im Einzelfall allein auf ein unsorgfältiges Handeln des Gesellschaftergeschäftsführers zurückzuführen sein. Eine Treuepflichtverletzung ist aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer seine Befugnis zur Einreichung einer geänderten bzw. berichtigten Liste (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - II ZR 21/12, ZIP 2014, 216 Rn. 33) missbraucht, indem er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen.
35 b) Nach diesen Maßstäben verletzt die Beklagte zu 1 ihre gesellschafterliche Treuepflicht gegenüber dem Kläger, wenn sie ihre Ankündigung umsetzt und eine den Kläger zu Unrecht nicht mehr als Gesellschafter ausweisende Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht.
36 aa) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die angekündigte Streichung des Klägers aus der Gesellschafterliste materiell unrichtig ist, weil es der Beklagten zu 1 jedenfalls nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf eine Unwirksamkeit der Anteilsübertragung vom 14. Juni 2013 zu berufen.
37 (1) Die Einwände der Beklagten zu 1 gegen die Wirksamkeit der Anteilsübertragung dürften nach den vorliegenden Feststellungen mit Ausnahme der behaupteten Formunwirksamkeit bereits nicht begründet sein.
38 Den Einwand, die aufschiebende Bedingung für die Anteilsübertragung sei mit der Rücknahme des notariell beurkundeten Erbscheinsantrags im September 2013 endgültig ausgefallen, hat das Berufungsgericht zwar letztlich dahinstehen lassen. Es hat aber gleichwohl, ebenso wie das Landgericht im Zusammenhang mit der Erörterung der Verjährung des Vermächtnisanspruchs, in Auslegung der Vereinbarung vom 14. Juni 2013 festgestellt, dass sich die dortige Bedingung nicht ausschließlich auf den an diesem Tag notariell beurkundeten Erbscheinsantrag, sondern allein darauf bezog, dass der Beklagten zu 1 ein Erbschein als Alleinerbin erteilt würde. Diese Auslegung lässt keine Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen. Gleiches gilt für die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass die Rücknahme des Erbscheinsantrags durch die Beklagte zu 1 im September 2013 andernfalls wegen ihrer Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils an den Kläger aus dem testamentarischen Vermächtnis (siehe dazu unten) als treuwidrige Vereitelung des Bedingungseintritts mit der Folge des § 162 Abs. 1 BGB anzusehen wäre.
39 Zu der von der Beklagten zu 1 außerdem erklärten Anfechtung der Anteilsübertragung vom 14. Juni 2013 hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die von ihr als Anfechtungsgrund angeführte Befürchtung steuerlicher Risiken in der Umsetzung des ihr zufallenden Erbes als "Vertragsreue bzw. bloßer Motivirrtum" nicht zur Anfechtung berechtige. Auch dagegen bringt die Revision nichts vor.
40 Soweit die Beklagte zu 1 behauptet, der Notar habe die Urkunde vom 14. Juni 2013 über die Anteilsübertragung entgegen § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG nicht vorgelesen, hätte dies allerdings nach § 125 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 GmbHG die Nichtigkeit der Anteilsabtretung zur Folge. Zwar besteht aufgrund der eigenhändigen Unterschrift der Beteiligten unter der Urkunde gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BeurkG sowie aufgrund des Schlussvermerks in der Urkunde gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BeurkG i.V.m. § 418 Abs. 1 und 2 ZPO die gesetzliche Vermutung, dass die Urkunde vorgelesen wurde. Diese Vermutung könnte jedoch durch den von der Beklagten zu 1 zu erbringenden und angebotenen Beweis der Nichtverlesung widerlegt werden.
41 (2) Dies kann jedoch dahinstehen, weil das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat, dass sich die Beklagte zu 1 jedenfalls nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf eine etwaige Unwirksamkeit der Anteilsübertragung vom 14. Juni 2013 berufen kann, da sie aufgrund des testamentarischen Vermächtnisses des Erblassers weiterhin zur umgehenden Abtretung an den Kläger verpflichtet wäre.
42 (a) Die tatrichterliche Auslegung des Testaments vom 4. Dezember 2012 durch das Berufungsgericht, nach der der Erblasser die Beklagte zu 1 zu seiner Alleinerbin bestimmt und mit dem Vermächtnis beschwert hat, dem Kläger 20 % der Geschäftsanteile an der Beklagten zu 2 zu übertragen, lässt keine Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
43 Gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 1 habe das Testament und damit ihre daraus folgende Vermächtnisverpflichtung (§§ 1939, 2147 BGB) nicht wirksam angefochten, weil sie einen, nach § 2078 Abs. 2 BGB erforderlichen, erheblichen Motivirrtum des Erblassers nicht dargetan habe, ist ebenfalls rechtlich nichts zu erinnern. Auch die Revision bringt dagegen nichts vor.
44 (b) Dass das Berufungsgericht angenommen hat, der Beklagten zu 1 sei es wegen ihrer Vermächtnisverpflichtung nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine etwaige Unwirksamkeit der Anteilsübertragung vom 14. Juni 2013 zu berufen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
45 (aa) Die tatrichterliche Würdigung, ob ein Verhalten als rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB zu bewerten ist, ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter den Sachverhalt zutreffend festgestellt hat, ob er den unbestimmten Rechtsbegriff des Rechtsmissbrauchs richtig erfasst hat und ob seine Wertung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 8. Juni 2005 - IV ZR 225/04, NJW-RR 2005, 1341, 1342; Urteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 154/14, BGHZ 204, 145 Rn. 16). Dieser Prüfung hält die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis stand.
46 (bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der auch bei Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste nach §§ 16, 40 GmbHG zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 42), die Durchsetzung eines Anspruchs verbietet, wenn der Gläubiger das Erlangte sofort wieder an den Schuldner herauszugeben hätte (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est; vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - VII ZR 108/08, BGHZ 183, 366 Rn. 23 mwN; Urteil vom 15. Januar 2021 - V ZR 210/19, WM 2021, 1956 Rn. 31; Urteil vom 12. Juli 2022 - II ZR 81/21, ZIP 2022, 1695 Rn. 17 mwN).
47 (cc) Dem Einwand des Klägers steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1 u.a. einen Formmangel der Anteilsübertragung geltend macht. Zwar ist die Berufung auf die Formunwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts nur ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) unbeachtlich, weil andernfalls die Formvorschriften ausgehöhlt würden. Voraussetzung für die Annahme von Treuwidrigkeit ist bei Berufung auf einen Formmangel daher grundsätzlich, dass ein Scheitern des Rechtsgeschäfts an der Formnichtigkeit zu einem für die betroffene Partei schlechthin untragbaren Ergebnis führt, wohingegen bloße Billigkeitserwägungen nicht ausreichen. Das gilt insbesondere bei einer Anteilsübertragung nach § 15 Abs. 3 GmbHG (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZR 330/04, ZIP 2006, 1295 Rn. 5; Urteil vom 14. Dezember 2016 - IV ZR 7/15, WM 2017, 1573 Rn. 31 f. jeweils zu § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG [Verpflichtungsgeschäft]; Ebbing in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 15 Rn. 128; Servatius in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 15 Rn. 29; Verse in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 15 GmbHG Rn. 61; MünchKommGmbHG/Weller/Reichert, 4. Aufl., § 15 Rn. 76; Wicke, GmbHG, 4. Aufl., § 15 Rn. 19; BeckOK GmbHG/Wilhelmi, Stand: 1.3.2022, § 15 Rn. 108). Diese Voraussetzung ist hier indes erfüllt, da die Beklagte zu 1 aufgrund des Vermächtnisses zur umgehenden (erneuten) Anteilsübertragung verpflichtet wäre bzw. ist. Es würde eine für den Kläger untragbare Beeinträchtigung darstellen, wenn die Beklagte zu 1 die Übertragung der dem Kläger zustehenden Gesellschafterstellung unter Berufung auf den Formmangel möglicherweise erheblich verzögern und in dieser Zeit als Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin unter Umständen weitreichende, die Rechtsstellung des Klägers in der Gesellschaft beeinträchtigende, Entscheidungen treffen und ihm nachteilige Maßnahmen veranlassen könnte (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Juni 2005 - XI ZR 88/04, ZIP 2005, 1357, 1359 zur Verpflichtung zur Zwangsvollstreckungsunterwerfung).
48 (c) Der aus § 242 BGB hergeleiteten Durchsetzungssperre steht auch kein Recht der Beklagten zu 1 entgegen, die Erfüllung des Vermächtnisses zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Im Ergebnis ohne Erfolg wendet die Beklagte zu 1 sich dagegen, dass das Berufungsgericht ihre Verjährungseinrede gegen den Vermächtnisanspruch des Klägers nicht hat durchgreifen lassen.
49 (aa) Rechtsfehlerhaft ist allerdings die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Begründung des Landgerichts, die Beklagte zu 1 könne sich nicht auf die Einrede der Verjährung des Vermächtnisanspruchs berufen, weil sie als Geschäftsführerin der Beklagten zu 2 und nicht als Erbin Partei des Rechtsstreits sei. Das trifft bereits deshalb nicht zu, weil der Kläger die Beklagte zu 1 gerade nicht nur in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der Beklagten zu 2, sondern ausdrücklich auch persönlich auf Unterlassung der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste in Anspruch nimmt und sich dabei insbesondere auch auf den aus dem Testament resultierenden Vermächtnisanspruch beruft. Damit ist die Beklagte als Erbin und Schuldnerin des Vermächtnisanspruchs (§ 2174 BGB) auch grundsätzlich nach § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Verjährung dieses Anspruchs im vorliegenden Rechtsstreit geltend zu machen.
50 (bb) Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht auch in der weiteren Erwägung, die Beklagte zu 1 handele rechtsmissbräuchlich, weil sie nicht die aus dem Testament herrührenden Vorteile für sich in Anspruch nehmen, sich zugleich aber den Erfüllungsansprüchen des Klägers aus dem Vermächtnis entziehen könne. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass es einem Erben unter dem Gesichtspunkt von § 242 BGB nicht generell verwehrt ist, sich auf seine aus einem Testament herrührende Erbenstellung zu berufen und zugleich im Hinblick auf Erbfallschulden und sonstige Nachlassverbindlichkeiten Einwendungen und Einreden geltend zu machen. Das gilt auch für die in § 214 BGB allgemein für jedes Schuldverhältnis vorgesehene Möglichkeit, die Einrede der Verjährung zu erheben.
51 (cc) Nicht tragfähig ist schließlich auch die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Begründung des Landgerichts, der Vermächtnisanspruch des Klägers sei wegen wiederholter verjährungshemmender Anerkenntnisse der Beklagten zu 1 durch schlüssiges Verhalten nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht verjährt.
52 Dabei kann dahinstehen, ob das Landgericht die an die Annahme eines Anerkenntnisses durch schlüssiges Verhalten zu stellenden strengen Anforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2002 - I ZR 28/00, WM 2003, 587, 588; Urteil vom 1. März 2005 - VI ZR 101/04, NJW-RR 2005, 1044, 1047) rechtsfehlerhaft verkannt hat. Auch bei Annahme einer solchen Hemmung wäre Verjährung des Vermächtnisanspruchs mit Ablauf des Jahres 2020, äußerstenfalls aber, wenn man entsprechend der Andeutung des Landgerichts in der Untätigkeit der Beklagten zu 1 nach ihrer Berufung zur Geschäftsführerin im Jahr 2018 ein weiteres Anerkenntnis sehen wollte, Anfang des Jahres 2021 eingetreten, da die nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB neu beginnende Verjährung taggenau zu berechnen ist (§ 187 Abs. 1 BGB; vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 212 Rn. 8 mwN). Dass der Kläger vor diesem Verjährungseintritt verjährungshemmende Maßnahmen hinsichtlich seines Vermächtnisanspruchs ergriffen hätte, ist weder dargetan noch ersichtlich. Der vorliegende Rechtsstreit betreffend die Unterlassung der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste betrifft einen anderen Streitgegenstand und kann daher keine Hemmung des Vermächtnisanspruchs bewirken.
53 (dd) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist aber die vom Berufungsgericht in Bezug genommene weitere Begründung des Landgerichts, die Berufung der Beklagten zu 1 auf eine (unterstellte) Verjährung des Vermächtnisanspruchs sei unter den Umständen des Streitfalls treuwidrig, weil sie den Kläger durch ihr Verhalten von einer rechtzeitigen verjährungshemmenden Geltendmachung des Anspruchs abgehalten habe.
54 (aaa) Das Berufungsgericht ist mit dem Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einem Schuldner nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sein kann, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen, wenn er durch sein Verhalten objektiv, sei es auch unabsichtlich, bewirkt hat, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre, wobei insoweit ein strenger Maßstab anzulegen ist (BGH, Urteil vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 15; Beschluss vom 6. November 2018 - XI ZR 369/18, WM 2018, 2356 Rn. 15; Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, WM 2022, 731 Rn. 49).
55 (bbb) Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die Berufung der Beklagten zu 1 auf eine Verjährung des Vermächtnisanspruchs sei als rechtsmissbräuchlich anzusehen, lässt revisible Rechtsfehler nicht erkennen.
56 Ausweislich der von ihm in Bezug genommenen Begründung des Landgerichts hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass die Beklagte zu 1 den Vertrauenstatbestand, den sie mit der notariellen Anteilsübertragung am 14. Juni 2013 und der Beurkundung ihres Erbscheinsantrags aus Sicht des Klägers hinsichtlich der Erfüllung seines Vermächtnisanspruchs geschaffen hatte, mit der Rücknahme des notariellen Erbscheinsantrags sowie der Anfechtung der Anteilsübertragung und des Testaments zunächst wieder erschüttert hat. Es hat aber angenommen, dass sie den Kläger gleichwohl durch ihr anschließendes Verhalten von der klageweisen Durchsetzung seines Vermächtnisanspruchs oder Vornahme einer anderen verjährungshemmenden Maßnahme abgehalten hat, weil bzw. indem sie im Jahr 2016 erneut einen Erbscheinsantrag gestellt und der anschließenden, unter Berufung auf den damit eingetretenen Bedingungseintritt, Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste mit der Eintragung des Klägers als Gesellschafter nicht widersprochen hat. Die Auffassung, der Kläger habe danach keinen Anlass mehr für die Annahme gehabt, die Beklagte zu 1 wolle seine Gesellschafterstellung bzw. ihre Verpflichtung aus dem Vermächtnis weiterhin aufgrund ihrer drei bzw. zwei Jahre zuvor erklärten Anfechtungen in Zweifel ziehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
57 Das Landgericht hat insoweit auch zutreffend darauf verwiesen, dass der Kläger infolge seiner Aufnahme in die Gesellschafterliste als formell legitimierter Gesellschafter gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sämtliche Gesellschafterrechte wahrnehmen konnte, und die Beklagte zu 1 seine Gesellschafterstellung bis zu dem Schreiben ihres Bevollmächtigten im Jahr 2020 nicht in Abrede gestellt hat. In dieser Situation wäre eine Feststellungsklage, sei es hinsichtlich des Bestehens eines (nach Ansicht des Klägers ohnehin bereits erfüllten) Vermächtnisanspruchs oder, sofern man eine solche Klage für zulässig erachtet (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13. Februar 2012 - 8 U 118/11, juris Rn. 52; MünchKommGmbHG/Heidinger, 3. Aufl., § 40 Rn. 162; aA [Vorrang der Leistungsklage]Lieder, GmbHR 2016, 189, 193 f.), hinsichtlich seiner Gesellschafterstellung, aus seiner Sicht nicht erforderlich und voraussichtlich mangels Feststellungsinteresses unzulässig gewesen.
58 Dass bis Ende des Jahres 2017 Nachlassverwaltung über den Nachlass des Erblassers angeordnet war, gibt entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1 keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Das Landgericht hat hierzu zutreffend darauf verwiesen, dass die Beklagte zu 1 auch nach ihrer Eintragung als Geschäftsführerin im Januar 2018 nahezu zwei Jahre lang keine Anstalten getroffen hat, eine den Kläger nicht mehr als Gesellschafter der Beklagten zu 2 ausweisende Liste zum Handelsregister einzureichen.
59 Letztlich schließt, anders als die Revision meint, auch die Regelung über den Verjährungsneubeginn nach Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) einen weitergehenden Vertrauensschutz durch Unbeachtlichkeit der Verjährungseinrede wegen Treuwidrigkeit nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 30 sowie BGH, Urteil vom 1. Oktober 1987 - IX ZR 202/86, WM 1988, 127, 128; Urteil vom 21. Januar 1988 - IX ZR 65/87, WM 1988, 629, 632 zur Verjährungsunterbrechung durch Anerkenntnis nach § 208 BGB aF). Dem aus § 242 BGB hergeleiteten Vertrauensschutz kommt jedenfalls dann eine eigenständige Bedeutung zu, wenn, wie hier, der von dem Schuldner zurechenbar gesetzte Vertrauenstatbestand über den Ablauf der (unterstellt) neu begonnenen Verjährungsfrist hinaus fortdauert und der Gläubiger deswegen davon abgehalten wird, innerhalb der Verjährungsfrist verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen.
60 bb) Die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1 angekündigte Änderung der Gesellschafterliste dient unmittelbar der Verfolgung eigennütziger Interessen der Beklagten zu 1.
61 Der Kläger wurde erstmals im Jahr 2016 in die Gesellschafterliste eingetragen, seit Januar 2018 ist die Beklagte zu 1 wieder Geschäftsführerin. Gleichwohl hat die Beklagte zu 1 bis Januar 2020 weder als Gesellschafterin noch als Geschäftsführerin Maßnahmen ergriffen, um die Gesellschafterliste hinsichtlich der Eintragung des Klägers zu ändern, obwohl sie bereits im Jahr 2013 die Anfechtung der Anteilsübertragung erklärt hatte. Erst auf das Schreiben des Klägers vom 2. Januar 2020, mit dem dieser als Minderheitsgesellschafter die Einberufung einer Gesellschafterversammlung (§ 50 GmbHG) zu ihrer Abberufung als Geschäftsführerin verlangt hat, hat sie die Einreichung einer den Kläger nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste angekündigt. Damit wäre sie im Verhältnis zur Gesellschaft als Alleingesellschafterin legitimiert (§ 16 Abs. 1 GmbHG) und hätte dem Kläger die Möglichkeit genommen, sein Ziel ihrer Abberufung als Geschäftsführerin weiterzuverfolgen, ohne eine Auseinandersetzung über die Gesellschafterstellung des Klägers in der Sache führen zu müssen. Dies zeigt, dass sie ihre Befugnis zur Korrektur einer unrichtigen Liste nicht im Interesse der Gesellschaft an einer materiell richtigen Gesellschafterliste aus-üben möchte, sondern aus eigennützigen Motiven, um den Kläger unter Umgehung der sonst erforderlichen sachlichen Klärung seiner Gesellschafterstellung aus der Gesellschaft zu drängen.
62 c) Gegen den Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH, der unter Verletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreichen will, steht dem von der Unrichtigkeit nachteilig betroffenen Gesellschafter ein Unterlassungsanspruch zu, den er mit der vorbeugenden Unterlassungsklage geltend machen kann.
63 Verpflichtet die gesellschafterliche Treuepflicht zur Unterlassung einer konkreten Handlung, kann dies bei Vorliegen der dafür geltenden Voraussetzungen im Wege der Unterlassungsklage durchgesetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2004 - II ZR 50/02, ZIP 2004, 804, 805; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 14 Rn. 35; Raiser in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 14 Rn. 70, 100; Verse in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 14 GmbHG Rn. 117; ferner Lieder in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 13 Rn. 201; Scholz/Seibt, GmbHG, 13. Aufl., § 14 Rn. 121 zur Untersagung treuwidriger Stimmabgabe im vorläufigen Rechtsschutz).
64 Die schuldhafte Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht verpflichtet den Gesellschafter nach allgemeinen Grundsätzen gemäß § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB zum Schadensersatz (vgl. Lieder in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 13 Rn. 204; MünchKommGmbHG/Merkt, 4. Aufl., § 13 Rn. 208; Verse in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 14 GmbHG Rn. 117). Bei Verletzung der Treuepflicht durch eigennützige Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste durch einen Gesellschaftergeschäftsführer beinhaltet die gemäß § 249 Abs. 1 BGB geschuldete Wiederherstellung des ohne die Pflichtverletzung bestehenden Zustands demnach grundsätzlich die Einreichung einer berichtigten Liste. Darüber hinaus kann sich aus der Verletzung von Vertragspflichten nach § 280 Abs. 1 BGB aber auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch ergeben, wenn, ebenso wie bei einem gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, eine Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr besteht (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20, BGHZ 230, 347 Rn. 102 f. mwN; ebenso Lieder in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 13 Rn. 291 und MünchKommGmbHG/Merkt, 4. Aufl., § 13 Rn. 259 f. für den Unterlassungsanspruch bei Verstoß gegen das gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbot; Paefgen in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 43 Rn. 106; BeckOK GmbHG/Pöschke, Stand: 1.9.2022, § 43 Rn. 371; Ziemons in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 43 Rn. 538 zu Pflichtverletzungen des Geschäftsführers). Das gilt dementsprechend auch bei Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht. Zur Abwehr einer drohenden treuepflichtwidrigen Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste steht dem von der Unrichtigkeit nachteilig betroffenen Gesellschafter demgemäß ein eigener Unterlassungsanspruch zu.
65 Die erforderliche Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr ist gegeben. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insoweit eine erstmals ernsthaft drohende Beeinträchtigung (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2004 - V ZR 230/03, BGHZ 160, 232, 236; Staudinger/Thole, BGB, Stand: 1.7.2022, § 1004 Rn. 464 mwN), die angesichts der Ankündigung im Schreiben des Bevollmächtigten der Beklagten zu 1 vom 28. Januar 2020 besteht.
66 d) Dass einem von der Einreichung einer zu seinen Lasten materiell unrichtigen Gesellschafterliste betroffenen Gesellschafter gegen den Geschäftsführer wegen Verletzung seiner organschaftlichen Pflichten nach § 40 Abs. 3 GmbHG nur ein Schadensersatzanspruch zusteht, schließt einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch wegen drohender Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflichten des Gesellschaftergeschäftsführers nicht aus.
67 § 40 Abs. 3 GmbHG betrifft lediglich die Haftung für die Verletzung von organschaftlichen Pflichten des Geschäftsführers. Ansprüche aus einer Sonderrechtsbeziehung, namentlich aus der Rechtsbeziehung zwischen den Gesellschaftern aufgrund des Gesellschaftsvertrags und der daraus resultierenden gesellschafterlichen Treuepflicht, werden davon nicht erfasst. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit § 40 Abs. 3 GmbHG eine abschließende Regelung für die Folgen einer pflichtwidrigen Listeneinreichung durch einen Geschäftsführer über den Bereich der organschaftlichen Rechtsbeziehung hinaus treffen wollte, sind dem Wortlaut der Vorschrift und den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Auch Sinn und Zweck des § 40 Abs. 3 GmbHG gebieten eine solche abschließende Wirkung nicht. Dagegen spricht vielmehr der der gesellschafterlichen Treuepflicht und ihrer Durchsetzung ggf. im Wege der actio pro socio zugrundeliegende Gedanke, die Minderheitsgesellschafter vor Beeinträchtigungen durch eine unrechtmäßige Einflussnahme der Gesellschaftermehrheit auf die Geschäftsführung zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1976 - II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 18 f., 21; Urteil vom 28. Juni 1982 - II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203, 1204).
68 e) Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, mit der persönlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers werde das Prozessrisiko in sachfremder Weise von der Gesellschaft wegverlagert; außerdem stelle sich die Frage, wie dann in einem anhängigen Prozess bei Wechsel in der Person des Geschäftsführers zu verfahren sei. Eine sachfremde Verlagerung des Prozessrisikos liegt nicht vor, wenn der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist und mit der Listeneinreichung die ihm persönlich als Gesellschafter obliegende Treuepflicht verletzt. Bei einem Wechsel in der Person des Geschäftsführers steht dem Kläger das Institut der Erledigung des Rechtsstreits zur Verfügung. Damit trägt er bei einer persönlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers zwar das Risiko, dass ihm dadurch in diesem Verhältnis die Früchte des Rechtsstreits genommen werden. Dem kann er aber durch eine (gleichzeitige) Inanspruchnahme der Gesellschaft entgehen.