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Wirtschaftsrecht
08.08.2019
Wirtschaftsrecht
EuGH: Gerichtszuständigkeit bei Schadensersatzklagen wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens – Tibor Trans

EuGH (6. Kammer), 29. 7. 2019 – Rs. C-451/18; Tibor-Trans Fuvarozó és Kereskedelmi Kft. gegen DAF Trucks NV

ECLI:EU:C:2019:635

Volltext: BB-Online BBL2019-1857-1

Tenor

Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass der „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, bei einer Klage auf Ersatz des Schadens, der durch eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV verursacht wurde, die u. a. in Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für Lastkraftwagen bestand, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens den Ort des durch diese Zuwiderhandlung beeinträchtigten Marktes bezeichnet, d. h. den Ort, an dem die Preise des Marktes verfälscht wurden, auf dem dem Geschädigten nach dessen Aussage dieser Schaden entstanden ist, und zwar auch dann, wenn sich die Klage gegen einen an dem betreffenden Kartell Beteiligten richtet, mit dem der Geschädigte keine vertraglichen Beziehungen eingegangen war.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

2          Es ergeht im Rahmen des Verfahrens über eine Klage der Tibor-Trans Fuvarozó és Kereskedelmi Kft. (im Folgenden: Tibor-Trans), einer Gesellschaft ungarischen Rechts, gegen die DAF Trucks NV, eine Gesellschaft niederländischen Rechts, auf Schadensersatz für einen Schaden, der durch eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verursacht worden sein soll.

Rechtlicher Rahmen

3          In den Erwägungsgründen 15, 16 und 34 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(16) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. Dies ist besonders wichtig bei Rechtsstreitigkeiten, die außervertragliche Schuldverhältnisse infolge der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte einschließlich Verleumdung betreffen.

(34) Um die Kontinuität zwischen dem … Übereinkommen [vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32)], der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12. S. 1)] und dieser Verordnung zu wahren, sollten Übergangsvorschriften vorgesehen werden. Dies gilt auch für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und der es ersetzenden Verordnungen durch den Gerichtshof der Europäischen Union.“

4          In Kapitel I („Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1215/2012 sieht deren Art. 1 Abs. 1 Folgendes vor:

„Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. …“

5          Kapitel II („Zuständigkeit“) der Verordnung Nr. 1215/2012 enthält u. a. einen Abschnitt 1 („Allgemeine Bestimmungen“) und einen Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten“). Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung, der in dem genannten Abschnitt 1 enthalten ist, bestimmt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

6          In Art. 7 der Verordnung Nr. 1215/2012, der in Abschnitt 2 ihres Kapitels II enthalten ist, heißt es:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

2. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

…“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

7          Am 19. Juli 2016 erließ die Kommission den Beschluss C(2016) 4673 final in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39824 – Lkw), von dem eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 6. April 2017 (ABl. 2017, C 108, S. 6) veröffentlicht wurde (im Folgenden: betreffender Beschluss).

8          Mit dem betreffenden Beschluss stellte die Kommission fest, dass fünfzehn internationale Hersteller von Lastkraftwagen, darunter DAF Trucks, ein Kartell für zwei Produktkategorien, nämlich Lastkraftwagen zwischen 6 und 16 Tonnen sowie Lastkraftwagen über 16 Tonnen, wobei es sich sowohl um Solofahrzeuge als auch um Sattelzugmaschinen handelte, gebildet hatten.

9          Dem Beschluss zufolge handelte es sich bei dem Kartell um eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen, an der drei der genannten Gesellschaften zwischen dem 17. Januar 1997 und dem 20. September 2010 und die zwölf anderen Gesellschaften, darunter DAF Trucks, zwischen dem 17. Januar 1997 und dem 18. Januar 2011 beteiligt waren. Die Zuwiderhandlung bestand in Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für Lastkraftwagen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sowie in Absprachen über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für diese Lastkraftwagen nach den Abgasnormen Euro 3 bis Euro 6.

10        Ausweislich des betreffenden Beschlusses waren die Hauptverwaltungen seiner Adressaten bis 2004 direkt an den Gesprächen über Preise, Preiserhöhungen und die Einführung von neuen Emissionsnormen beteiligt, und die Gespräche liefen spätestens ab August 2002 über deutsche Tochtergesellschaften, die – jeweils in unterschiedlichem Maße – an ihre Hauptverwaltungen berichteten.

11        Die Kommission ging davon aus, dass sich die Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV über den gesamten EWR erstreckte und vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 dauerte. Infolgedessen verhängte sie gegen alle beteiligten Unternehmen, darunter DAF Trucks, Geldbußen, mit Ausnahme eines Unternehmens, dem die Geldbuße erlassen wurde.

12        Wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, handelt es sich bei Tibor-Trans um eine Gesellschaft, die nationale und internationale Warentransporte durchführt und von 2000 bis 2008 zunehmend in den Erwerb neuer Lastkraftwagen investierte. Als Endnutzer konnte Tibor-Trans nicht unmittelbar bei den Herstellern kaufen, sondern musste in Ungarn ansässige Vertragshändler in Anspruch nehmen. Die Finanzierung nahm sie über ebenfalls in Ungarn ansässige Leasinggesellschaften mittels Leasingverträgen mit fest vereinbarter Eigentumsübertragung vor, bei denen der Leasinggeber den von Tibor-Trans vereinbarten Preis um einen Aufschlag erhöhte, der den Leasingkosten und seiner Gewinnmarge entsprach. Am Ende der Laufzeit des Leasingvertrags wurde Tibor-Trans, nachdem sie die sich daraus ergebenden Verpflichtungen erfüllt hatte, das Eigentum an den Lastkraftwagen übertragen.

13        Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass Tibor-Trans nie Lastkraftwagen unmittelbar von DAF Trucks erworben hatte.

14        Ausweislich des Vorabentscheidungsersuchens tätigten andere Gesellschaften ungarischen Rechts in dem Zeitraum, auf den sich der betreffende Beschluss bezieht, ebenfalls Käufe. Am 4. April 2007 wurden diese Gesellschaften von Tibor-Trans übernommen, die in deren Rechte und Pflichten eingetreten ist.

15        Am 20. Juli 2017 erhob Tibor-Trans beim Győri Törvényszék (Stuhlgericht Győr, Ungarn) gegen DAF Trucks Klage auf Schadensersatz wegen außervertraglicher Haftung mit der Begründung, dass ihr dadurch, dass sie Lastkraftwagen zu einem Preis erworben habe, der durch die Absprachen, an denen DAF Trucks beteiligt gewesen sei, verfälscht worden sei, ein Schaden entstanden sei.

16        Tibor-Trans macht geltend, dass sich die internationale Zuständigkeit der ungarischen Gerichte aus Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 ergebe, wie er in der Rechtsprechung des Gerichtshofs – u. a. im Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C-352/13, EU:C:2015:335) – ausgelegt worden sei, wonach, wenn wegen einer von der Kommission festgestellten, in mehreren Mitgliedstaaten unter unterschiedlicher örtlicher und zeitlicher Beteiligung von in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Beklagten begangenen einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens Schadensersatz verlangt werde, jeder, der geltend mache, geschädigt zu sein, bei dem Gericht des Ortes, an dem er seinen Sitz habe, Klage erheben könne.

17        DAF Trucks bestreitet die internationale Zuständigkeit der ungarischen Gerichte und vertritt die Ansicht, dass das Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C-352/13, EU:C:2015:335), wegen der Besonderheiten des Ausgangsverfahrens vorliegend nicht einschlägig sei. Zum einen hätten die Kartelltreffen in Deutschland stattgefunden, was zur Zuständigkeit der deutschen Gerichte führen müsse, und zum anderen sei sie niemals eine unmittelbare vertragliche Beziehung mit Tibor-Trans eingegangen, so dass sie vernünftigerweise nicht damit habe rechnen können, vor den ungarischen Gerichten verklagt zu werden.

18        Mit Entscheidung vom 19. April 2018 erklärte sich das Győri Törvényszék (Stuhlgericht von Győr) für die Entscheidung im Ausgangsverfahren für unzuständig, weil es annahm, dass der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens, also der Ort, an dem die Absprachen getroffen wurden, das für die Anwendung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 maßgebliche Anknüpfungskriterium sei.

19        Das mit einer Berufung gegen diese Entscheidung befasste vorlegende Gericht hat Zweifel, ob es möglich ist, die Erwägungen im Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C-352/13, EU:C:2015:335), in Ermangelung einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien auf das Ausgangsverfahren entsprechend anzuwenden. Es führt auch die von anderen geäußerten Bedenken an, dieses Urteil könne dazu führen, dass der Klägergerichtsstand weit gefasst werde, was dem mit der Verordnung Nr. 1215/2012 verfolgten Ziel zuwiderlaufe.

20        Das Vorabentscheidungsersuchen enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass im Ausgangsverfahren geltend gemacht würde, dass die ungarischen Gerichte ihre internationale Zuständigkeit aus dem Ort des für den geltend gemachten Schaden ursächlichen Geschehens ableiten könnten, da keine der Absprachen, die den Tatbestand einer Zuwiderhandlung nach Art. 101 AEUV erfüllen, in Ungarn stattgefunden hat. Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob die ungarischen Gerichte ihre Zuständigkeit gleichwohl auf den Ort stützen können, an dem sich der Erfolg des geltend gemachten Schadens verwirklicht haben soll.

21        Unter diesen Umständen hat das Győri Ítélőtábla (Tafelgericht Győr) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die besondere Zuständigkeitsvorschrift in Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen, dass das Gericht eines Mitgliedstaats als Gericht „des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“, zuständig ist, wenn

–  sich der Sitz oder der Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit oder der Vermögensinteressen der Klägerin, die geschädigt worden sein soll, in diesem Mitgliedstaat befindet;

–  die Klägerin ihren gegen nur eine Beklagte (einen Lkw-Hersteller mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat) gerichteten Anspruch auf einen Beschluss der Europäischen Kommission stützt, in dem in Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV eine Zuwiderhandlung in Form von Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für Lkw im Europäischen Wirtschaftsraum festgestellt wird und der an die Beklagte und mehrere weitere Adressaten gerichtet war;

–  die Klägerin ausschließlich Lkw erwarb, die von anderen am Kartell beteiligten Unternehmen hergestellt wurden;

–  nichts darauf hindeutet, dass eine der als wettbewerbsbeschränkend eingestuften Zusammenkünfte im Staat des angerufenen Gerichts stattfand;

–  die Klägerin die Lkw – ihrer Meinung nach zu verfälschten Preisen – im Staat des angerufenen Gerichts erwarb und dabei mit Unternehmen, die in diesem Staat tätig waren, Leasingverträge mit fest vereinbarter Eigentumsübertragung abschloss, wobei sie aber nach ihren Angaben direkt mit den Konzessionären für die Fahrzeuge verhandelte, der Leasinggeber die von ihr vereinbarten Preise um seine eigene Gewinnmarge sowie die Leasingkosten erhöhte und sie das Eigentum an den Fahrzeugen am Ende der Laufzeit des Leasingvertrags, nach Erfüllung der darin enthaltenen Verpflichtungen, erwarb?

Zur Vorlagefrage

22        Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass bei einer Klage auf Ersatz des Schadens, der durch eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV verursacht wurde, die u. a. in Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für Lastkraftwagen bestand, der Ort, an dem dem Geschädigten nach dessen Aussage dieser Schaden entstanden ist, als „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, angesehen werden kann, auch wenn sich die Klage gegen einen an dem betreffenden Kartell Beteiligten richtet, mit dem der Geschädigte keine vertraglichen Beziehungen eingegangen war.

23        Einleitend ist erstens darauf hinzuweisen, dass, da die Verordnung Nr. 1215/2012 die Verordnung Nr. 44/2001 aufhebt und ersetzt, die ihrerseits das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung der aufeinanderfolgenden Übereinkommen über den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen ersetzt hat, die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung der Bestimmungen der letztgenannten Rechtsinstrumente nach ständiger Rechtsprechung auch für die Verordnung Nr. 1215/2012 gilt, soweit ihre Bestimmungen als „gleichwertig“ angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. Mai 2018, Nothartová, C-306/17, EU:C:2018:360‚ Rn. 18, vom 15. November 2018, Kuhn, C-308/17, EU:C:2018:911‚ Rn. 31, sowie vom 28. Februar 2019, Gradbeništvo Korana, C-579/17, EU:C:2019:162‚ Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24        Zweitens ist zu bemerken, dass eine Klage auf Ersatz des durch angebliche Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht der Union entstandenen Schadens unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 und demzufolge in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 2014, flyLAL-Lithuanian Airlines, C-302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 38).

25        Drittens ist außerdem darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 wiederholt entschieden hat, mit dem Ausdruck „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint ist, so dass der Beklagte nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (Urteile vom 8. Januar 2015, Kolassa, C-375/13, EU:C:2015:37, Rn. 45, vom 16. Juni 2016, Universal Music International Holding, C-12/15, EU:C:2016:449, Rn. 28, sowie vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines, C-27/17, EU:C:2018:533, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26        Im vorliegenden Fall findet sich im Vorabentscheidungsersuchen kein Anhaltspunkt dafür, dass geltend gemacht würde, dass die ungarischen Gerichte ihre internationale Zuständigkeit aus dem Ort des für den geltend gemachten Schaden ursächlichen Geschehens ableiten könnten, da keine der Absprachen, die den Tatbestand einer Zuwiderhandlung nach Art. 101 AEUV erfüllen, in Ungarn stattgefunden hat. Die Vorlagefrage bezieht sich allein auf die Bestimmung des Ortes, an dem sich der Erfolg des geltend gemachten Schadens in Gestalt der Mehrkosten, die wegen eines künstlich überhöhten Preises, wie er für die Lastkraftwagen, die Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartells waren, gezahlt wurde, verwirklicht hat.

27        Die Antwort auf die Frage, wo sich der Ort befindet, an dem sich der Erfolg eines solchen Schadens verwirklicht hat, hängt davon ab, ob es sich um einen sich unmittelbar aus dem kausalen Ereignis ergebenden Erstschaden handelt, dessen Eintrittsort die Zuständigkeit im Hinblick auf Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 begründen könnte, oder um die darauffolgenden nachteiligen Konsequenzen, die keine Zuständigkeitszuweisung gemäß dieser Vorschrift begründen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines, C-27/17, EU:C:2018:533‚ Rn. 31).

28        Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ nicht so weit ausgelegt werden darf, dass er jeden Ort erfasst, an dem die schädlichen Folgen eines Ereignisses spürbar werden können, das bereits einen Schaden verursacht hat, der tatsächlich an einem anderen Ort entstanden ist. Folglich kann dieser Begriff nicht so ausgelegt werden, dass er den Ort einschließt, an dem der Geschädigte einen Vermögensschaden in der Folge eines in einem anderen Vertragsstaat entstandenen und dort von ihm erlittenen Erstschadens erlitten zu haben behauptet (Urteil vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines, C-27/17, EU:C:2018:533, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29        Der Gerichtshof hat außerdem zu Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung der aufeinanderfolgenden Übereinkommen über den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen, dessen Wortlaut im Wesentlichen dem von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 entspricht, festgestellt, dass ein Schaden, der nur die mittelbare Folge des ursprünglich von anderen Rechtssubjekten unmittelbar erlittenen Schadens ist, dessen Erfolg sich an einem anderen als dem Ort verwirklicht hat, an dem anschließend der mittelbar Betroffene einen Schaden erlitten hat, keine gerichtliche Zuständigkeit nach dieser Vorschrift begründen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 1990, Dumez France und Tracoba, C-220/88, EU:C:1990:8‚ Rn. 14 und 22).

30        Ausweislich der dem Gerichtshof vorliegenden Akten und vorbehaltlich der Tatsachenwürdigung, die Sache des vorlegenden Gerichts ist, besteht der von Tibor-Trans geltend gemachte Schaden in Mehrkosten, die wegen künstlich überhöhter Preise für Lastkraftwagen aufgrund von Absprachen gezahlt wurden, die den Tatbestand einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV erfüllen, deren Wirkungen sich vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 auf den gesamten EWR erstreckten und an der fünfzehn internationale Hersteller von Lastkraftwagen, darunter DAF Trucks, beteiligt waren. Aus den Akten geht auch hervor, dass Tibor-Trans Lastkraftwagen nicht unmittelbar von dem an dem betreffenden Kartell Beteiligten gekauft hatte; die Lastkraftwagen wurden zunächst an die ungarischen Automobilvertragshändler verkauft, die die Erhöhung der Preise an die Endnutzer wie Tibor-Trans weitergaben.

31        Hinsichtlich der Art des geltend gemachten Schadens ist festzustellen, dass dieser keine bloße finanzielle Folge des Schadens ist, der den unmittelbaren Käufern wie den ungarischen Automobilvertragshändlern möglicherweise entstanden ist und der in Absatzeinbußen infolge der Preiserhöhung bestehen könnte. Der im Ausgangsverfahren geltend gemachte Schaden ergibt sich vielmehr im Wesentlichen aus den Mehrkosten, die wegen der künstlich überhöhten Preise gezahlt wurden; infolgedessen stellt er sich als unmittelbare Folge der Zuwiderhandlung nach Art. 101 AEUV dar und ist somit ein unmittelbarer Schaden, der grundsätzlich die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats begründen kann, in dessen Hoheitsgebiet sich sein Erfolg verwirklicht hat.

32        In Bezug auf den Ort, an dem sich der Erfolg eines solchen Schadens verwirklicht hat, ergibt sich aus dem betreffenden Beschluss, dass sich die dort festgestellte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV auf den gesamten EWR erstreckt. Sie führte somit zu einer Wettbewerbsverzerrung auf diesem Markt, zu dem seit dem 1. Mai 2004 auch Ungarn gehört.

33        Wenn sich der von dem wettbewerbswidrigen Verhalten betroffene Markt in dem Mitgliedstaat befindet, in dessen Hoheitsgebiet der behauptete Schaden entstanden sein soll, so liegt der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs für die Zwecke der Anwendung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 in diesem Mitgliedstaat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines, C-27/17, EU:C:2018:533‚ Rn. 40).

34        Dieses Ergebnis entspricht nämlich den Zielen der Nähe und Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsregeln, da zum einen die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem sich der betroffene Markt befindet, am besten in der Lage sind, solche Schadensersatzklagen zu prüfen, und zum anderen ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich wettbewerbswidrig verhält, vernünftigerweise damit rechnen muss, dass er vor den Gerichten des Ortes verklagt wird, an dem seine Verhaltensweisen die Regeln eines gesunden Wettbewerbs verfälscht haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines, C-27/17, EU:C:2018:533‚ Rn. 40).

35        Diese Bestimmung des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs steht – wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht hat und in Rn. 41 des Urteils vom 5. Juli 2018, flyLAL-Lithuanian Airlines (C-27/17, EU:C:2018:533)‚ ebenfalls festgestellt worden ist – auch mit den im 7. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) (ABl. 2007, L 199, S. 40) vorgesehenen Kohärenzanforderungen im Einklang, da nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a dieser Verordnung bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit einer den Wettbewerb einschränkenden Handlung das Recht des Staates anzuwenden ist, dessen Markt beeinträchtigt wird oder beeinträchtigt werden kann.

36        Zu den anderen besonderen Umständen, die das vorlegende Gericht genannt hat und die mit der Tatsache zusammenhängen, dass Tibor-Trans nur eines der an dem in Rede stehenden Kartell beteiligten Unternehmen verklagt hat, bei dem sie nicht unmittelbar ihren Bedarf gedeckt hatte, ist in Übereinstimmung mit der Kommission zu bemerken, dass eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht die gesamtschuldnerische Haftung ihrer Urheber zur Folge hat. Der Umstand, dass Tibor-Trans nur einen der Urheber verklagt hat, bei dem sie ihren Bedarf nicht unmittelbar gedeckt hatte, vermag somit die Ausführungen in den Rn. 31 bis 33 des vorliegenden Urteils zu der Zuständigkeitsvorschrift des Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 nicht in Frage zu stellen.

37        In Anbetracht dieser Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass der „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, bei einer Klage auf Ersatz des Schadens, der durch eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV verursacht wurde, die u. a. in Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für Lastkraftwagen bestand, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens den Ort des durch diese Zuwiderhandlung beeinträchtigten Marktes bezeichnet, d. h. den Ort, an dem die Preise des Marktes verfälscht wurden, auf dem dem Geschädigten nach dessen Aussage dieser Schaden entstanden ist, und zwar auch dann, wenn sich die Klage gegen einen an dem betreffenden Kartell Beteiligten richtet, mit dem der Geschädigte keine vertraglichen Beziehungen eingegangen war.

 

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