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Wirtschaftsrecht
25.01.2008
Wirtschaftsrecht
: Genehmigungsfähigkeit eines unter Verstoß gegen § 112 AktG ab-geschlossenen Rechtsgeschäfts

OLG München, Urteil vom 18.10.2007 - 23 U 5786/06

leitsätze:

„§ 112 AktG, § 177 BGB; fehlerhafte Gesellschaft

1. Ein gemäß § 112 AktG vollmachtloses Handeln des Vorstands einer Aktiengesellschaft führt nicht nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts; vielmehr ist dieses grundsätzlich einer Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB zugänglich.

2. Das Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht steht einer Anwendung der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft auch auf den vollmachtlos Vertretenen nicht entgegen, soweit sich dieser an der Invollzugsetzung des Gesellschaftsverhältnisses in zurechenbarer Weise beteiligt hat."

sachverhalt: I. Die Klägerin, ein niederländischer Investmentfonds, ist Aktionärin der Beklagten zu 1). Sie begehrt die Feststellung der Nichtigkeit einer Zusatzabrede zu einer Aktionärsvereinbarung von 1998, die die Beklagte zu 1) mit ihren damaligen Aktionären in den Jahren 2001/2002 geschlossen hat.

1.            Die Beklagte zu 1) war im Jahr 1990 als GmbH gegründet worden; ihr Unternehmensgegenstand ist die Entwicklung und Herstellung von Hochleistungsscannern. Sie wurde 1998 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, um den Börsengang des Unternehmens zu ermöglichen.

Die Klägerin hält ca. 27 % der Anteile an der Beklagten zu 1). Bei den Beklagten zu 2) bis 15) handelt es sich um die weiteren derzeitigen Aktionäre der Beklagten zu 1). Die Beklagten zu 16) bis 19) sind ehemalige Aktionäre der Beklagten zu 1), die an der Aktionärsvereinbarung von 1998 sowie an deren späteren Ergänzungen mitgewirkt haben. Der Beklagte zu 17) ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten zu 1) und Geschäftsführer der Beklagten zu 2); die Beklagte zu 11) ist seine Ehefrau. Die Beklagten zu 7) bis 9) sind die derzeitigen Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 1); bei den Beklagten zu 10), 12) bis 14) handelt es sich um deren Verwandte. Der Beklagte zu 15) ist ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1); die Beklagte zu 16) ist seine Ehefrau.

2.            Am 18.12.1998 schloss die Beklagte zu 1) mit ihren damaligen Aktionären, also der Klägerin und den Beklagten zu 5) sowie 15) bis 19), eine sogenannte Aktionärsvereinbarung (Anlage K 4), deren vorrangiger Zweck darin bestand, die Gesellschafter insbesondere durch die Vinkulierung von Namensaktien weiterhin an die Beklagte zu 1) zu binden. Im Wege einer ersten Zusatzvereinbarung zu dieser Aktionärsvereinbarung wurden im November 1999 die Vorstände der Beklagten zu 1), die Beklagten zu 7) bis 9), in den Kreis der Aktionäre aufgenommen.

Die hier streitgegenständliche zweite Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung 1998 (nachfolgend: 2. Zusatzvereinbarung; Anlage K 6) wurde von den Parteien zwischen Dezember 2001 und Juli 2002 abgeschlossen. Sie verfolgte im Wesentlichen zwei Ziele, nämlich die Neuaufnahme zweier GmbH's sowie weiterer natürlicher Personen als Aktionäre der Beklagten zu 1) sowie die Einführung einer „Change of Control" - Regelung, die ein Mitspracherecht des Aufsichtsrats der Beklagten zu 1) bei möglichen Veränderungen der Beteiligungsstrukturen der neu eintretenden Gesellschaftern, also bei einer mittelbaren Beteiligung an der Beklagten zu 1), sicherstellen sollte. Hierzu sah § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung eine Ergänzung der Aktionärsvereinbarung von 1998 um folgenden § 15 Abs. 3 vor:

1 Sofern ein Aktionär keine natürliche Person, sondern eine in- oder ausländische Personen- oder Kapitalgesellschaft, gleich welcher Rechtsform, ist („Gesellschaft"), dürfen die Gesellschaftsanteile an solchen Gesellschaften nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Aufsichtsrats der SC. AG übertragen werden. 2 Gleiches gilt für die Begründung von Treuhandschaften, Unterbeteiligungen, stillen Beteiligungen oder ähnlichen Rechtsverhältnissen an diesen Gesellschaftsanteilen oder den Gesellschaften.

3 Über die Erteilung der Zustimmung hat der Aufsichtsrat der SC. AG im Interesse der SC. AG und im Geiste der Aktionärsvereinbarung zu entscheiden. 4 Den Gesellschaften obliegt es, insbesondere durch geeignete vertragliche Absprachen mit ihren Gesellschaftern sicherzustellen, dass diese den Aufsichtsrat der SC. AG rechtzeitig vor einer Verfügung über die Gesellschaftsanteile schriftlich über den Umfang der Verfügung und den beabsichtigten Erwerber informieren und die Zustimmung zu der beabsichtigten Übertragung oder zu der Begründung von Treuhandschaften, Unterbeteiligungen oder ähnlichen Rechtsverhältnissen einholen. 5 Die Zustimmung der SC. AG gilt als erteilt, wenn der Aufsichtsrat der SC. AG nicht innerhalb von vier Wochen nach seiner Information gemäß Satz 4 der Gesellschaft mitgeteilt hat, dass die Zustimmung verweigert wird.

6 Im Falle der Verfügung über einen Gesellschaftsanteil oder im Falle einer Begründung von Treuhandschaften, Unterbeteiligungen, stillen Beteiligungen oder ähnlichen Rechtsverhältnissen ohne die erforderliche schriftliche Zustimmung des Aufsichtsrats der SC. AG ist die jeweilige Gesellschaft verpflichtet, ihre Aktien an der SC. AG ohne Gegenleistung an einen oder mehrere von den sonstigen Aktionären der SC. AG mit mindestens 75 % der von ihnen gehaltenen Aktien bestimmten/bestimmte Erwerber, die auch aus dem Kreise der sonstigen Aktionäre stammen können, zu übertragen. 7 Sollte eine solche Bestimmung eines oder mehrerer Erwerber durch die sonstigen Aktionäre nicht oder nicht hinsichtlich aller betroffenen Aktien bis spätestens drei Monate, nachdem der Aufsichtsrat der SC. AG von der Verletzung der vorbenannten Regelungen durch die Gesellschaft Kenntnis erlangt hat, erfolgt sein, ist die betroffene Gesellschaft verpflichtet, ihre Aktien an der SC. AG ohne Gegenleistung zur Einziehung an die SC. AG zu übertragen. 8 Vom Zeitpunkt der Verletzung der vorbenannten Regelungen bis zur Übertragung der Aktien nach diesen Bestimmungen ruht das Stimmrecht aus den betroffenen Aktien. 9 Der Aufsichtsrat der SC. AG ist verpflichtet, unverzüglich nachdem er von dem Verstoß gegen die vorbenannten Regelungen Kenntnis erlangt hat, eine Entscheidung der sonstigen Aktionäre der SC. AG über die Benennung eines Erwerbers nach den oben genannten Bestimmungen herbeizuführen."

Die 2. Zusatzvereinbarung wurde für die Beklagte zu 1) am 18.12.2001 von deren damaligem Vorstandsmitglied, dem Beklagten zu 15), unterzeichnet. Dessen Vertretung der Beklagten zu 1) genehmigte der Aufsichtsrat der Beklagten zu 1) mit Beschluss vom 16.01.2006 (Anlage B 6). Für die Beklagte zu 2) und die vormalige Beklagte zu 17) unterschrieb der jetzige Beklagte zu 17) und Aufsichtratsvorsitzende der Beklagten zu 1).

Wegen angeblicher Verstöße der Klägerin gegen die Change of Control - Klausel berief die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 01.09.2005 eine außerordentliche Hauptversammlung auf den 12.10.2005 ein, die insbesondere über eine Kapitalherabsetzung in Höhe der Beteiligung der Klägerin und ggf. die nachfolgende Einziehung der klägerischen Aktien entscheiden sollte. Daraufhin richtete die Klägerin unter dem 22. 9.2005 ein Schreiben an die Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten zu 1) (Anlage K 11), in dem sie sich gegen den Vorwurf von Verstößen gegen die Change of Control - Klausel verwahrte und sich im übrigen auf die Unwirksamkeit der 2. Zusatzvereinbarung berief.

Zu der geplanten außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten zu 1) kam es in der Folge nicht, da die Klägerin insoweit gegenüber den Aktionären der Beklagten zu 1) im Wege des einstweiligen Rechtschutzes am 6.10.2005 ein gerichtliches Abstimmungsverbot erwirkte, das allerdings im September 2006 in der Berufungsinstanz aufgehoben wurde.

3.            Die Klägerin hat in erster Instanz geltend gemacht, die 2. Zusatzvereinbarung sei insgesamt nichtig. Bei ihrem Abschluss sei die Beklagte zu 1) lediglich von einem Vorstandsmitglied, nicht vom Aufsichtsrat vertreten worden; dieser Mangel sei nicht durch eine Genehmigung zu heilen. Zudem sei der für Verstöße gegen die Change of Control - Klausel vorgesehene Anteilsverlust ohne Kompensation sittenwidrig und nichtig, was die Nichtigkeit der gesamten 2. Zusatzvereinbarung nach sich ziehe. Hinsichtlich der Prozessanträge der Klägerin erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Die Beklagte zu 1) sei jedenfalls im Ergebnis wirksam vertreten worden, da der Beklagten zu 17) als Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten zu 1) seinerzeit jedenfalls auch für diese gehandelt habe; im Übrigen sei die Stellvertretung des Beklagten zu 15) durch den Aufsichtsratsbeschluss vom Januar 2006 genehmigt worden. Bei der streitgegenständlichen Change of Control - Klausel handele es sich um ein zur wirksamen Kontrolle der Beteiligungsstrukturen unverzichtbares Druckmittel, das als zulässiges Vertragsstrafeversprechen zu bewerten sei. Im Übrigen habe die Klägerin selbst die Einführung dieser Klausel gefordert, als die Entscheidung über eine Aufnahme der Beklagten zu 2) und 3) angestanden sei.

4.            Das Landgericht hat festgestellt, die Regelung in den Sätzen 6 und 7 des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung sei insoweit nichtig, als sie eine Übertragung von Aktien an der Beklagten zu 1) ohne Gegenleistung vorsähe. Die Beklagte zu 1) sei beim Abschluss der 2. Zusatzvereinbarung im Ergebnis wirksam vertreten worden, da ihr Aufsichtrat das Handeln des Beklagten zu 15) genehmigt habe. Die Rechtsfolge der Change of Control - Klausel, die einen Anteilsverlust des zuwiderhandelnden Aktionärs ohne Gegenleistung vorsehe, sei sittenwidrig und nichtig, was jedoch die Wirksamkeit der übrigen Teile der 2. Zusatzvereinbarung unberührt lasse.

5.            Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, soweit die Wirksamkeit der 2. Zusatzvereinbarung in Streit steht. Zusätzlich zu ihrer bisherigen Argumentation weist sie darauf hin, eine Genehmigung des Aufsichtsrats der Beklagten im Januar 2006 sei schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil die Klägerin ihre Vertragserklärung bereits mit Schreiben vom 22.09.2005 widerrufen habe. Die Aktionärsvereinbarung habe keine als Gesellschaft im Sinne des
§ 705 BGB geschaffen, weshalb hinsichtlich der 2. Zusatzvereinbarung auch nicht die Grundsätze über die „fehlerhafte Gesellschaft" eingreifen könnten. Im Übrigen habe die 2. Zusatzvereinbarung die Kontrollkompetenz im Rahmen der Change of Control - Klausel nicht dem Aufsichtsrat der Beklagten übertragen dürfen, da es sich insoweit um Vorstandsaufgaben handele. Aus diesen und weiteren Gründen sei die 2. Zusatzvereinbarung insgesamt nichtig, hilfsweise teilnichtig.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

Es wird festgestellt, dass die „Zweite Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12.1998" nichtig ist.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass § 2 Abs. 2 der „Zweite(n) Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12.1998" nichtig ist und dass die vorgenannte Zweite Zusatzvereinbarung im Übrigen seit dem 22.9.2005 keine Rechtswirkung zwischen den Parteien hat.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Regelungen in den Sätzen 1 bis 3 und 6 bis 9 des § 2 Abs. 2 der „Zweite(n) Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12.1998" nichtig ist und dass die vorgenannte Zweite Zusatzvereinbarung im Übrigen seit dem 22.9.2005 keine Rechtswirkung zwischen den Parteien hat.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Regelungen in den Sätzen 1 bis 3 und 6 bis 8 des § 2 Abs. 2 der „Zweite(n) Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12.1998" nichtig ist und dass die vorgenannte Zweite Zusatzvereinbarung im Übrigen seit dem 22.09.2005 keine Rechtswirkung zwischen den Parteien hat.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Regelungen in den Sätzen 6 bis 9 des § 2 Abs. 2 der „Zweite(n) Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12.1998" nichtig ist und dass die vorgenannte Zweite Zusatzvereinbarung im Übrigen seit dem 22.9.2005 keine Rechtswirkung zwischen den Parteien hat.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Regelungen in den Sätzen 6 bis 8 des § 2 Abs. 2 der „Zweite(n) Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12. 1998" nichtig ist und dass die vorgenannte Zweite Zusatzvereinbarung im Übrigen seit dem 22.9.2005 keine Rechtswirkung zwischen den Parteien hat.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass § 2 Abs. 2 der „Zweite(n) Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12.1998" nichtig ist.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Regelungen in den Sätzen 1 bis 3 und 6 bis 9 des § 2 Abs. 2 der „Zweite(n) Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12.1998" nichtig sind.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Regelungen in den Sätzen 1 bis 3 und 6 bis 8 des § 2 Abs. 2 der „Zweite(n) Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12.1998" nichtig sind.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Regelungen in den Sätzen 6 bis 9 des § 2 Abs. 2 der „Zweite(n) Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12.1998" nichtig sind.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Regelungen in den Sätzen 6 bis 8 des § 2 Abs. 2 der „Zweite(n) Zusatzvereinbarung zu der Aktionärsvereinbarung der SC. AG vom 18.12.1998" nichtig sind.

Die Beklagten beantragen weiterhin Klageabweisung.

Ergänzend zu ihrer bisherigen Einlassung tragen sie vor, die Klägerin habe jedenfalls eine mangelnde Vertretung der Beklagten zu 1) beim Abschluss der 2. Zusatzvereinbarung gekannt und deshalb ihre Vertragserklärung nicht später widerrufen können.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

aus den gründen:

II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg. Die in der streitgegenständlichen Change of Control - Klausel vorgesehenen Sanktionen sind vollumfänglich nichtig. Die Gültigkeit der 2. Zusatzvereinbarung im Übrigen bis zum 22.9.2005 bleibt hiervon jedoch unberührt.

1.         Die 2. Zusatzvereinbarung war nicht von Anfang an nichtig. Zwar ist die Beklagte zu 1) mangels wirksamer Vertretung nicht Vertragspartnerin dieser Vereinbarung geworden. Gleichwohl haben sie und die weiteren Kontrahenten der 2. Zusatzvereinbarung diese in Vollzug gesetzt, so dass die Rechtsgeltung der 2. Zusatzvereinbarung erst mit der Kündigung der Klägerin am 22.9.2005 endete.

A)         Bei ihrer Beitrittserklärung zur 2. Zusatzvereinbarung am 18.12.2001 ist die Beklagte zu 1) nicht wirksam vertreten worden.

aa)            Grundsätzlich wird eine Aktiengesellschaft durch ihren Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten (§ 78 Abs. 1 AktG). Ausweislich der Vertragsurkunde der 2. Zusatzvereinbarung (Anlage K 6; vgl. dort die Unterschriftszeile auf Seite 6) hat für die Beklagte zu 1) ihr einzelvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied, der Beklagte zu 15), gehandelt. Soweit die Beklagten behaupten, es sei allen Beteiligten klar gewesen, dass die Beklagte zu 1) bei dieser Gelegenheit jedenfalls auch durch den Vorsitzenden ihres Aufsichtsrats, den nunmehrigen Beklagten zu 17), vertreten worden sei, kann der Senat dies nicht nachvollziehen.

Die Tatsache einer Stellvertretung muss bei der Abgabe einer Willenserklärung zwar nicht ausdrücklich erwähnt werden; es reicht aus, dass sie sich aus den Umständen ergibt (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Vorliegend hat die Beklagte zu 1) aber nicht dartun können, welche Umstände auf ein Vertreterhandeln des Beklagten zu 17) für die Beklagte zu 1) hingedeutet haben sollen. Dabei ist - da die 2. Zusatzvereinbarung im schriftlichen Umlaufverfahren geschlossen wurde - zunächst der Urkundenbefund maßgeblich. Die Vertragsurkunde (Anlage K 6) weist in der Unterschriftszeile der Beklagten zu 1) ausschließlich die Unterschrift des Beklagten zu 15) aus. Der Beklagte zu 17) hat zwar in dieser Urkunde in Vertretung der Beklagte zu 2) und der vormaligen Beklagte zu 17) unterzeichnet. Dass er aber auch für die Beklagte zu 1) hätte handeln wollen, war für die übrigen Kontrahenten jedenfalls aus der Urkunde nicht erkennbar. Welche konkreten Umstände außerhalb der Urkunde die weiteren Beteiligten zu der Annahme hätten führen sollen, der Beklagte zu 17) trete hier für die Beklagte zu 1) auf, haben die Beklagten nicht schlüssig erklären können. Allein die Behauptung, dies sei allen Beteiligen „bewusst gewesen", reicht nicht aus, wenn nicht ersichtlich wird, auf welche Tatsachengrundlagen sich ein solches Bewusstsein gegründet haben soll (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, Rn. 5 vor § 284). Den einschlägigen Beweisangeboten der Beklagten war daher nicht nachzugehen.

Hat somit nur der Beklagte zu 15) die Beklagte zu 1) beim Abschluss der 2. Zusatzvereinbarung vertreten, so war dieser durch § 112 AktG an einer Vertretung gehindert, soweit er selbst sowie die drei weiteren Vorstandsmitglieder (die Beklagten zu 7) bis 9) ) an der Vereinbarung beteiligt waren. Zudem konnte er nach § 181 Alt. 2 BGB die Beklagte zu 1) auch gegenüber der Beklagten zu 3) - deren Geschäftsführer er war - nicht wirksam vertreten; ein Dispens vom Verbot des § 181 Alt. 2 BGB lässt sich insbesondere dem § 7 Abs. 2 Satz der Satzung der Beklagten zu 1) nicht entnehmen.

bb)            Jedenfalls der Mangel der Vertretungsmacht nach § 112 AktG ist auch durch die nachträglich (am 16.01.2006) erteilte Genehmigung des zuständigen Aufsichtrats der Beklagten zu 1) nicht geheilt worden. Denn die Klägerin hat ihre Vertragserklärung zuvor wirksam widerrufen (§ 178 BGB).

(1)        Ob ein vollmachtloses Handeln des Vorstandes unter Missachtung des § 112 AktG entsprechend § 177 Abs. 1 BGB überhaupt genehmigungsfähig ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt (vgl. Hüffer, AktG, 7. Auflage, § 112 Rn. 7; Semler in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage, § 112 Rn. 70 ff. m.w.N.). Die Auffassung, die die Kompetenzverteilungsregel des § 112 AktG als Verbotsgesetz im Sinne des
§ 134 BGB versteht, übersieht nach Ansicht des Senats, dass
§ 112 AktG nicht den rechtsgeschäftlichen Erfolg des Vorstandshandelns als solchen ächten will; andernfalls könnte auch der Aufsichtsrat das konkrete Rechtsgeschäft nicht für die Aktiengesellschaft abschließen. Vielmehr soll § 112 AktG lediglich die Unverbindlichkeit kompetenzüberschreitenden Handelns des Vorstandes für die Aktiengesellschaft im Falle vermuteter Interessenkonflikte gewährleisten. Dem können die allgemeinen Vorschriften der §§ 177 ff. BGB hinreichend Rechnung tragen, die es dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft freistellen, nachträglich über eine Genehmigung zu entscheiden. Der Gegenschluss, den die Klägerin aus den §§ 89 Abs. 5, 114 Abs. 1, 115 Abs. 4 AktG ziehen will, erscheint nicht tragfähig, weil diese Normen die Einhaltung spezieller Loyalitätspflichten sicherstellen sollen, für die im bürgerlichen Recht keine den §§ 177 ff. BGB vergleichbaren allgemeinen Regeln zur Verfügung stehen.

(2)        War danach das Handeln des Beklagten zu 15) für die Beklagte zu 1) beim Abschluss der 2. Zusatzvereinbarung grundsätzlich genehmigungsfähig, so ging die vom Aufsichtsrat der Beklagten zu 1) im Januar 2006 ausgesprochene Genehmigung gleichwohl ins Leere. Denn die Klägerin hatte ihre Vertragserklärung bereits mit Schreiben vom 22.09.2005 (Anlage K 11) gem. § 178 BGB widerrufen.

Ein Widerruf der Klägerin war hier nicht deshalb ausgeschlossen, weil diese den Mangel der Vertretungsmacht des Beklagten zu 15) bei Vertragsschluss gekannt hätte. § 178 BGB setzt eine positive Kenntnis des Vertragspartners vom Mangel der Vertretungsmacht voraus; seine grobfahrlässige Unkenntnis reicht nach einhelliger Auffassung nicht aus (vgl. nur Schramm in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 178 Rn. 3). Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten haben aber schon nicht dartun können, woraus sich vorliegend die behauptete Kenntnis der handelnden Organe der Klägerin am 9.7.2002 ergeben soll. Soweit sie auf die Gestaltung der Vertragsurkunde, insbesondere die unmittelbare räumliche Nähe der Unterschriftszeile der Klägerin zu der der Beklagten zu 1) verweisen, hat die Klägerin bestritten, dass ihr Vertreter von der Unterschrift für die Beklagten zu 1) überhaupt Kenntnis genommen habe. Das Gegenteil ist nicht nachvollziehbar dargetan, geschweige denn unter Beweis gestellt. Soweit die Beklagten darauf hinweisen, der Vertreter der Klägerin hätte unschwer Kenntnis nehmen können, wäre damit nur dessen (grob) fahrlässige Unkenntnis, nicht aber dessen positive Kenntnis zu belegen. Darauf, dass auch mit einer Kenntnis von einer Identität des für die Beklagten zu 1) Unterzeichnenden noch nicht ipso iure die Kenntnis von dessen mangelnder Vertretungsmacht feststünde, kommt es somit nicht an.

Die Klägerin konnte auch am 22.9.2005 ihre Vertragserklärung noch widerrufen, da bis zu diesem Zeitpunkt keine Genehmigung des Aufsichtsrats der Beklagten zu 1) im Sinne von § 177 Abs. 1 BGB ausgesprochen worden war. Eine solche würde voraussetzen, dass der Vertretene mit einer vollmachtlosen Vertretung zumindest rechnet und den Willen hat, dem Rechtsgeschäft durch eine Erklärung nach § 177 Abs. 1 BGB zur Wirksamkeit zu verhelfen (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Auflage, § 182 Rn. 3). Demgegenüber hat der Aufsichtsrat der Beklagten zu 1) nach eigener Sachdarstellung der Beklagten den Abschluss der 2. Zusatzvereinbarung stets für wirksam gehalten. Unter diesen Umständen kann seinem Verhalten bis Ende September 2005 ein konkludente Genehmigung nicht entnommen werden.

Mit dem Widerruf der Klägerin im September 2005 stand somit fest, dass die Beklagte zu 1) der 2. Zusatzvereinbarung im Jahr 2002 nicht rechtswirksam beigetreten war. Ob der weitere Vertretungsmangel nach § 181 Satz 2 BGB einer Heilung zugänglich war, kann damit offen bleiben.

b)         Die Unwirksamkeit der Vertragserklärung der Beklagten zu 1) führt allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zur Nichtigkeit der 2. Zusatzvereinbarung. Denn diese Vereinbarung wurde von den Beteiligten - auch der Beklagten 1) - im Sinne einer „fehlerhaften Gesellschaft" tatsächlich vollzogen, dass für die Rechtsfolge des § 139 BGB kein Raum ist.

aa)       Die heute ganz herrschende Lehre von der „Gesellschaft auf fehlerhafter Rechtsgrundlage" behandelt in Vollzug gesetzte Gesellschaftsverträge nach § 705 BGB, die an einem Rechtsmangel leiden, bis zur Geltendmachung dieses Mangels grundsätzlich als vollwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.1991 [II ZR 212/90], BB 1992, 385, Rn. 13). Gleiches gilt für fehlerhafte Änderungen solcher Verträge jedenfalls dann, wenn diese Statusfragen der Gesellschaft wie etwa eine Veränderung des Gesellschafterkreises betreffen (vgl. nur Ulmer in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage, § 705 Rn. 361 m. w. N.).

bb)       Im vorliegenden Fall regelt § 1 der 2. Zusatzvereinbarung den Beitritt neuer Gesellschafter (der Beklagten zu 2), 3), 6) sowie 10) bis 14)) zu der Aktionärsvereinbarung vom 18.12.1998, die ihrerseits als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB) zu qualifizieren ist. Die 2. Zusatzvereinbarung ist aufgrund dessen als Neuabschluss der Aktionärsvereinbarung mit erweitertem Gesellschafterkreis anzusehen (vgl. Ulmer a. a. O. Rn. 365). Da der Rechtsmangel nicht die Beitrittserklärungen der Neugesellschafter, sondern die Vertragserklärung der Beklagten zu 1) als Altgesellschafterin betraf, kommen nicht die Regeln über einen fehlerhaften Beitritt (dazu Ulmer a. a. O. Rn. 366 ff.), sondern die allgemeinen Grundsätze über eine fehlerhafte Vertragsänderung zur Anwendung.

cc)            Entgegen der Ansicht der Klägerin kann auch ein Mangel der Vertretungsmacht zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft führen. Denn es ist zwar richtig, dass das Handeln des vollmachtlosen Vertreters dem Vertretenen zunächst nicht zugerechnet werden kann (vgl. C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband [2002], S. 211; ihm folgend Ulmer a. a. O. Rn. 327). Beteiligt sich der Vertretene allerdings in der Folge an der Durchführung des fehlerhaften Gesellschaftsvertrages, so mag man allein aus dieser Tatsache noch nicht ohne weiteres auf eine konkludente Genehmigung im Sinne von § 177 Abs. 1 BGB schließen können, insbesondere wenn eine solche nach der für den Vertretenen geltenden Rechtslage nicht von dem Exekutivorgan des Vertretenen, sondern von einem anderen Organ zu erklären wäre (etwa gemäß § 112 AktG). Wohl aber gibt der Vertretene, der sich am Vollzug der Vereinbarung beteiligt, durch sein Vertragsverhalten den übrigen Gesellschaftern zu erkennen, dass er einen tatsächlichen Vertragswillen besitzt. Wird dieses Verhalten von dem allgemein zuständigen Exekutivorgan des Vertretenen gezeigt und ins Werk gesetzt, so kann es für dessen Rechtsgültigkeit aus Gründen des Verkehrsschutzes nicht auf Fragen interner Kompetenzverteilung des Vertretenen ankommen. Der Vertretene, der sich derart nach außen verhält, kann sich daher auf eine fehlende Zurechenbarkeit vollmachtlosen Vertreterhandelns unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium (§ 242 BGB) nicht berufen.

Dementsprechend muss sich die Beklagte zu 1) daran festhalten lassen, dass sie sich ungeachtet ihrer fehlerhaften Vertragserklärung vom 9.7.2002 bis September 2005 an der Durchführung der 2. Zusatzvereinbarung aktiv beteiligt hat.

dd)       Soweit die Klägerin den Vollzug der 2. Zusatzvereinbarung in Zweifel zieht, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden.

Die Regeln der fehlerhaften Gesellschaft kommen dann zum Tragen, wenn die Parteien mit der Durchführung des fehlerbehafteten Gesellschaftsvertrages Rechtstatsachen geschaffen haben, an denen die Rechtsordnung nicht vorbeigehen kann (so BGH, Urteil vom 14.10.1991 [II ZR 212/90], BB 1992, 385, Rn. 20). Vorliegend wurde § 1 der 2. Zusatzvereinbarung mit dem Erwerb von Aktien der Beklagten zu 1) durch mehrere Beitrittsinteressenten und deren daraufhin erfolgten Beitritt zur Aktionärsvereinbarung vollzogen. Dass die Change of Control - Regelung, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beitritt der Beklagten zu 2) und 3) stand, ihrerseits noch nicht zur Anwendung gelangt ist, spielt für die Frage des Vollzugs der Statusregelungen in § 1 der 2. Zusatzvereinbarung keine Rolle. Da jedenfalls § 1 und § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung in einem einheitlichen Regelungszusammenhang stehen, können sie auch nur einheitlich in Vollzug gesetzt werden.

ee)            Schließlich stehen vorliegend der Annahme einer fehlerhaften Gesellschaft auch nicht vorrangige Rechtsinteressen entgegen.

Selbst wenn ein Verstoß gegen § 112 AktG nach § 134 BGB zu behandeln wäre (vgl. oben a), bb), (1)), würde daraus kein inhaltlicher Verstoß der 2. Zusatzvereinbarung gegen § 134 BGB folgen. Ob einzelne Regelungen des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung nach § 138 BGB nichtig sind, ist ohne Belang für die Anwendung der Regeln der fehlerhaften Gesellschaft, die nur dann außer Betracht zu bleiben hätten, wenn der Gesellschaftszweck als solcher gegen die guten Sitten verstieße (vgl. nur Ulmer a. a. O. Rn. 333 f.).

Nachdem die 2. Zusatzvereinbarung von den Beteiligten somit in Vollzug gesetzt und damit zunächst voll wirksam geworden ist, stand jedem von ihnen gemäß § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB das Recht zur Kündigung des Vertragsverhältnisses zu (vgl. Ulmer a. a. O. Rn. 345). Dieses Recht hat die Klägerin mit Schreiben vom 22.9.2005 (Anlage K 11) ausgeübt und damit die Geltung der 2. Zusatzvereinbarung ex nunc beendet. Eine von der Klägerin behauptete Nichtigkeit der 2. Zusatzvereinbarung ex tunc kann folglich nicht festgestellt werden.

2.            Unbeschadet der Wirksamkeit der 2. Zusatzvereinbarung bis zum 22.09.2005 sind deren Regelungen über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Change of Control - Klausel (vgl. § 15 Abs. 3 Sätze 6 bis 9 der Aktionärsvereinbarung in der Fassung des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung) sittenwidrig und damit nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB).

a)         Gegen die Zulässigkeit der Change of Control - Klausel (§ 15 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Aktionärsvereinbarung in der Fassung des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung) als solcher bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

Die genannte Regelung verfolgt das Ziel, der Beklagten zu 1) die Kontrolle auch über den Kreis der an ihr nur mittelbar beteiligten Personen zu eröffnen, indem insbesondere der Erwerb von Anteilen an Gesellschaften, die ihrerseits Aktionärinnen der Beklagten zu 1) sind (Aktionärsgesellschaften), an die schriftliche Einwilligung des Aufsichtsrats der Beklagten zu1 ) geknüpft wird.

Zunächst liegt auf der Hand, dass diese Regelung nur die an der Aktionärsvereinbarung Beteiligten binden kann, also die Rechtsstellung der Gesellschafter der Aktionärsgesellschaften weder schuldrechtlich noch gar dinglich berührt. Inwiefern diese Gesellschafter von der Change of Control - Klausel wirtschaftlich betroffen sind, kann dahinstehen. Denn ein solcher Effekt setzt die Beteiligung der Aktionärsgesellschaft an der 2. Zusatzvereinbarung voraus, die zum einen wohl eine Billigung deren sämtlicher Gesellschafter voraussetzen würde und für deren Inhalt und Rechtsfolgen außerdem allein die Aktionärsgesellschaft ihren Gesellschaftern gegenüber verantwortlich wäre (vgl. auch § 15 Abs. 3 Satz 4 der Aktionärsvereinbarung in der Fassung des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung). Lässt sich die Aktionärsgesellschaft auf eine solche Pflichtenstellung zum Nachteil ihrer eigenen Gesellschafter ein, kann sie dies nicht den anderen Beteiligten der 2. Zusatzvereinbarung entgegenhalten. Das von der Klägerin vorgetragene Argument einer wirtschaftlichen Entwertung der Gesellschaftsanteile an Aktionärsgesellschaften verliert im Übrigen seine Basis, wenn man von der Nichtigkeit der Sanktion des Anteilsverlusts (vgl. nachfolgend c)) ausgeht.

b)         Auch die Zuweisung der Einwilligungsbefugnis an den Aufsichtsrat der Beklagten zu 1) (§ 15 Abs. 3 Sätze 3 und 5 der Aktionärsvereinbarung in der Fassung des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung) ist nicht zu beanstanden. Denn die Aktionärsvereinbarung und ihre Durchführung betreffen das Innenverhältnis zwischen der Beklagten zu 1) und ihren Gesellschaftern. Die Wahrnehmung der Zustimmungskompetenz im Rahmen der Change of Control - Klausel stellt somit keine Geschäftsführungsmaßnahme im Sinne von §§ 78 Abs. 1, 111 Abs. 4 AktG dar, die nur bei außengerichtetem Handeln im Rahmen der Aktiengesellschaft in Betracht kommt (vgl. Hüffer, AktG, 7. Auflage, § 78 Rn. 2 f.).

C)            Dagegen ist die vorgesehene Sanktion des entschädigungslosen Anteilsverlusts der Aktionärsgesellschaft im Fall einer Verletzung der Beteiligungspflicht (§ 15 Abs. 3 Sätze 6 und 7 der Aktionärsvereinbarung in der Fassung des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung) wegen Verstoßes gegen die guten Sitten insgesamt nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB).

aa)       Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob bereits die undifferenzierte Sanktionierung der Nichteinholung der Zustimmung des Aufsichtsrats der Beklagten zu 1) als solche gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstößt.

Hält man einen Ausschluss des Aktionärs aus wichtigem Grunde in entsprechender Anwendung der §§ 140 Abs. 1, 133 Abs. 1 und 2 HGB wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen für möglich (vgl. Oechsler in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage, § 237 Rn. 56 ff.), so würden die materiellen Voraussetzungen einer solchen Maßnahme nicht davon abhängen, ob diese in der Satzung der Aktiengesellschaft oder in einer internen Aktionärsvereinbarung geregelt ist. Ohne Bedeutung wäre insoweit auch, wie sich der Ausschluss des Aktionärs rechtstechnisch vollziehen würde (Einziehung der Aktien oder Übertragungspflicht des Aktionärs). Jedenfalls könnte auf das zentrale Tatbestandsmerkmal einer gravierenden Pflichtverletzung nicht verzichtet werden. Dass jedoch jede Nichteinholung der Zustimmung zu einer Veränderung der Beteiligungsstruktur einer Aktionärsgesellschaft für diese einen solchen qualifizierten Pflichtverstoß begründet, kann schon deshalb nicht postuliert werden, weil es sich hierbei um Vorgänge handeln kann, die der betreffenden Aktionärsgesellschaft überhaupt nicht bekannt sind bzw. außerhalb ihres rechtlichen Einflussbereichs liegen. Zudem soll die vorgesehene Sanktion unabhängig vom Einzelfall gelten, also insbesondere ohne Rücksicht darauf, unter welchen Bedingungen der Pflichtverstoß zu Stande kam und welches Gewicht sowie welche konkreten Auswirkungen er für die Beklagte zu 1) und für ihre weiteren Aktionäre gehabt hat. Die generelle Sanktion des Anteilsverlust erschiene daher auch dann, wenn sie in erster Linie der Abschreckung dienen soll, unverhältnismäßig.

bb)            Unabhängig davon ist die entschädigungslose Entziehung des Anteilsrechts mit den guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB, die den Wertmaßstab des Art. 14 Abs. 1 GG auch im Privatrecht zur Geltung bringen (vgl. BVerfGE 7, 198 [206]; Wiedemann in: Umbach/Clemens, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 2 II Rn. 315 ff. [319]), schlechterdings unvereinbar. Dass das von den Beklagten angeführte Ziel einer wirksamen Abschreckung von Pflichtverletzungen das gewählte Mittel nicht rechtfertigt, bedarf keiner weiteren Begründung.

cc)            Entgegen der Ansicht der Beklagten, der offenbar auch das Landgericht zuneigt, erfasst die Nichtigkeitsfolge die hiesige Sanktionsregelung als ganze. Selbst wenn man von einer Wirksamkeit der Anteilsentziehung als solcher ausgehen könnte (vgl. soeben aa)) wäre diese nicht aufrechtzuerhalten, da die Vereinbarungen der Parteien für Art und Umfang der unabdingbaren Kompensation keine Anhaltspunkte bieten. Für eine richterliche Bestimmung der Kompensation im Einzelfall fehlt daher die Grundlage.

dd)       Für die vorstehende Beurteilung spielt es keine Rolle, ob die vorgesehene Sanktion - wie von den Beklagten vertreten - als Vertragsstrafe in Sinne von § 339 BGB zu qualifizieren ist. Der anzuwendende Rechtsmaßstab würde sich dadurch nicht ändern; auch Vertragsstrafeversprechen können wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Auflage, § 343 Rn. 3). Ob eine derartige Sanktion im Übrigen ihrer korperationsrechtlichen Natur wegen überhaupt in einer Aktionärsvereinbarung geregelt werden könnte, bedarf nach dem Gesagten keiner Entscheidung.

d)         Die Nichtigkeit der Sanktionsregelung umfasst zugleich die in § 15 Abs. 3 Sätze 8 und 9 der Aktionärsvereinbarung in der Fassung des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung vorgesehenen Folgeregelungen, die die Umsetzung der Einziehung/Übertragung sicherstellen sollen. Überdies dürfte die in § 15 Abs. 3 Satz 8 der Aktionärsvereinbarung in der Fassung des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung geregelte Beschränkung des Stimmrechts wegen § 134 BGB nichtig sein, da eine derartige Maßnahme nicht einmal im Satzungswege normiert werden könnte (vgl. § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG).

e)            Dagegen zieht die Nichtigkeit der Sanktionsregelung in § 15 Abs. 3 Sätze 6 bis 9 der Aktionärsvereinbarung in der Fassung des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung entgegen § 139 BGB nicht die Nichtigkeit der gesamten Change of Control - Klausel nach sich.

Zunächst führen § 3 Abs. 1 der 2. Zusatzvereinbarung in Verbindung mit § 22 Abs. 7 der Aktionärsvereinbarung zur Umkehrung der Vermutung des § 139 BGB. Dass die Parteien aber die Change of Control - Klausel ohne die unverhältnismäßige Sanktionsfolge nicht aufgenommen hätten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Denn die Change of Control - Klausel als solche entsprach dem von den Parteien Gewollten. Sie erscheint auch unabhängig von einer Sanktion sachlich sinnvoll. Ohne Bedeutung ist danach, ob die Beklagten - wie von Klägerseite bestritten - mit der Sanktion eines Anteilsverlusts gegen angemessene Kompensation einverstanden gewesen wären. Denn dies schlösse die Vereinbarung einer Change of Control - Klausel ohne Sanktion oder mit andersartiger Rechtsfolge nicht aus.

Im Ergebnis war damit nur die Nichtigkeit der Sanktionsregelung in § 15 Abs. 3 Sätze 6 bis 9 der Aktionärsvereinbarung in der Fassung des § 2 Abs. 2 der 2. Zusatzvereinbarung festzustellen.

3.         Die Kostenentscheidung des Landgerichts nach § 92 Abs. 1 ZPO erscheint vertretbar, da die Klägerin in erster Instanz mit ihrem Antrag zu I. überwiegend unterlegen ist.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, wobei der Teilerfolg der Berufung im Wesentlichen auf der nur befristeten Gültigkeit der 2. Zusatzvereinbarung beruht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Die Voraussetzung für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor, da die aufgeworfenen Rechtsfragen weder in materiellrechtlicher noch in prozessualer Hinsicht grundsätzliche Bedeutung besitzen. Der Senat wendet vielmehr anerkannte Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall an.

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