OLG Hamm: Geltendmachung der Unwirksamkeit von Preiserhöhungen nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung
OLG Hamm, Urteil vom 10.08.2012 - I-19 U 163/11
Leitsätze:
1. Für die Frage, ob der Kunde eines Energielieferungsvertrages die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen für länger zurückliegende Zeiträume nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht mehr geltend machen kann, ist ausschließlich das konkrete Vertragsverhältnis entscheidend.
2. Die ergänzende Vertragsauslegung im Falle unwirksamer Preiserhöhung führt nicht zu dem Ergebnis, dass sich der Energielieferant auf einen früher geltenden Preis berufen kann, der aufgrund zwischenzeitlicher Preissenkung höher liegt als ein innerhalb der 3-Jahres-Frist berechneter Preis.
Sachverhalt
I. Die Klägerin, die von der Beklagten, einem Energieversorgungsunternehmen als Sondertarifkundin für zwei Liegenschaften (G-Straße 70 und G-Straße 45) Gas bezieht, begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von geleisteten Zahlungen wegen angeblich unwirksamer Gaspreiserhöhungen für die Zeiträume vom 03.12.2005 bis zum 26.02.2008 (G-Straße 70) und vom 01.03.2006 bis zum 04.12.2009 (G-Straße 45). Der Gaslieferungsvertrag für die Verbrauchsstelle G-Straße 70 besteht seit dem Jahr 1995, derjenige für die Verbrauchsstelle G-Straße 45 datiert vom 23.03.2006 mit Wirkung zum 01.03.2006. Vorheriger Vertragspartner bezüglich der Verbrauchsstelle G-Straße 45 war der Vater der Klägerin. Während der Vertragsverhältnisse erhöhte die Beklagte mehrfach die Preise, nahm aber auch mehrere Preissenkungen vor.
In beiden Verträgen war eine Preisanpassungsklausel enthalten, die folgenden Inhalt hatte:
„Die Stadtwerke behalten sich eine Änderung der Preise und Bedingungen dieses Sonderkommens vor. Für das Wirksamwerden genügt eine entsprechende Veröffentlichung in der E. Tagespresse. Ist der Kunde mit einer Änderung nicht einverstanden, so kann er das Sonderabkommen mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Monats schriftlich kündigen und eine weitere Belieferung zu den Preisen und Bedingungen der Sondervereinbarung oder als Tarifkunde nach den AVBGasV und den hierzu jeweils gültigen Anlagen der Stadtwerke und damit insbesondere zu den allgemeinen Tarifen verlangen. Die vereinbarte Vertragslaufzeit bleibt hiervon unberührt."
Ende November/Anfang Dezember 2009 änderten die Parteien einvernehmlich den Vertrag bezüglich der G-Straße 45 dahin ab, dass die überarbeiteten Geschäftsbedingungen der Beklagten einschließlich einer veränderten Preisanpassungsklausel Geltung haben sollten. Hinsichtlich der G-Straße 70 erfolgte zum selben Zeitpunkt eine Vertragsbeendigung und der Abschluss eines neuen Vertrags mit einer geänderten Preisanpassungsklausel zwischen den Parteien. Die von der Klage umfassten Zeiträume sind durch diese Vertragsänderungen nicht berührt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.08.2010 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Unwirksamkeit der von dieser vorgenommenen Preiserhöhungen und forderte die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 5.986,71 € auf. Bei der Berechnung dieses Betrages ging die Klägerin von den jeweils anfänglich vereinbarten Preisen aus.
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sämtliche von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen unwirksam seien, und dementsprechend die Rückzahlung der Beträge begehrt, welche die anfänglich vereinbarten Preise überstiegen haben, insgesamt einen Betrag von 5.986,71 € nebst Zinsen. Sie hat ferner außergerichtliche Anwaltskosten mit der Klage geltend gemacht.
Die Beklagte hat mangelnde Individualisierung des Klageanspruchs eingewandt, die Wirksamkeit der Preiserhöhungen verteidigt und sich u.a. auf Verwirkung berufen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die ausschließliche Zuständigkeit des LG Dortmund gemäß §§ 102, 103 EnWG iVm § 1 Konzentrationsverordnung § 103 EnWG gegeben sei. Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Vertrag bestimme sich nämlich nach den Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes, namentlich nach § 41 EnWG, wonach in Verträgen mit Sonderkunden eine Preisanpassung geregelt sein müsse. Der Umstand, dass bei der Auslegung der in Rede stehenden Preiserhöhungsklausel auf § 315 BGB zurückgegriffen werden müsse, ändere hieran nichts, da die Billigkeitsüberprüfung durch die Regelung des Energiewirtschaftsgesetzes konkretisiert werden müsse. Die Regelungen der §§ 102, 103 EnWG umfassten nicht lediglich das „ob", sondern auch das „wie" des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Vertrags. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, und hat zunächst einen Betrag von 5.864,61 € nebst Zinsen und außergerichtlicher Anwaltskosten geltend gemacht. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat sie ihre Klageforderung ermäßigt; sie begehrt nunmehr nur noch einen Betrag von 5.615,67 € nebst Zinsen sowie außergerichtlicher Anwaltskosten, wobei sie die Forderung bezüglich der Verbrauchsstelle G-Straße 70 erweitert und bezüglich der Verbrauchsstelle G-Straße 45 reduziert hat.
Sie rügt, dass das Landgericht Essen zu Unrecht seine Zuständigkeit verneint habe. Die Vorschriften der §§ 102, 103 EnWG seien nicht anwendbar. Der geltend gemachte Rückforderungsanspruch ergebe sich aus § 812 BGB und nicht aus dem Energiewirtschaftsgesetz. Auch die Billigkeitsüberprüfung nach § 315 BGB sei nicht nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu beantworten, da dieses keine Bestimmungen zur Höhe des Entgelts beinhalte.
Die Klage sei auch begründet. Die Preisanpassungsklausel in den Verträgen sei unwirksam. Ein Recht der Beklagten auf die Erhöhung der Preise ergebe sich auch nicht aus den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung. Sämtliche Zahlungen, die die ursprünglich vereinbarten Preise überstiegen, seien daher zu Unrecht erfolgt. Hinsichtlich der Verbrauchsstelle G-Straße 70 ergebe sich unter Zugrundelegung eines anfänglichen Vertragspreises von 0,025 € pro Kilowattstunde ein Forderung von 4.133,73 €. Hinsichtlich der Verbrauchsstelle G-Straße 45 sei ein Anfangspreis nicht wirksam vereinbart worden, da in dem Vertrag ein Preis nicht genannt sei und ihr auch keine sonstigen Unterlagen übersandt worden seien, aus denen sich der Preis ergeben hätte. Zugrunde zu legen sei daher ein ortsüblicher und angemessener Preis, der bei 0,0445 € pro Kilowattstunde liege. Dies sei der günstigste Preis, den die Beklagte im Jahr 2006 abgerechnet habe. Es ergebe sich daher eine Forderung in Höhe von 1.481,94 €.
Auch nach Verkündung der Urteile des Bundesgerichtshofes vom 14.03.2012 (VIII ZR 113/11 und VIII ZR 93/11) hält die Klägerin an ihrer Auffassung fest, dass der Beklagten kein Preiserhöhungsrecht zustehe. Die Grundsätze dieser neueren Rechtsprechung, wonach bei längerfristigen Verträgen, welche eine unwirksame Preisanpassungsklausel erhielten, eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen sei, seien vorliegend nicht anwendbar. Die Beklagte habe nämlich frühzeitig Kenntnis davon erlangt, dass die Wirksamkeit ihrer Preisanpassungsklausel fraglich sei und das bis dahin praktizierte Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung daher in Frage gestellt werden könne. Die Beklagte habe daraufhin Strategien entwickelt, um den Risiken zu begegnen, die sich aus der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel ergeben könnten. Wenn sie aber selbst von einem Fortbestand des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung nicht mehr habe ausgehen können, könne sie sich nicht auf eine ergänzende Vertragsauslegung berufen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.615,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 285,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch sie hält das angerufene Landgericht Essen für zuständig. Im Ergebnis habe aber das Landgericht zu Recht die Klage abgewiesen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin sei vorliegend eine ergänzende Vertragsauslegung geboten und erforderlich. Diese führe dazu, dass der Klägerin die geltend gemachten Forderungen nicht zustünden. Für sie, die Beklagte, habe bis zum Widerspruch der Klägerin von August 2010 keinerlei Veranlassung bestanden, die Wirksamkeit der Preisanpassungen in Zweifel zu ziehen und aufgrund dessen das Vertragsverhältnis mit der Klägerin zu kündigen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei hierfür einzig und allein entscheidend, dass die Klägerin erst im August 2010 Widerspruch gegen die Preisanpassung erhoben habe. Maßgeblich sei hierfür das konkrete Vertragsverhältnis und nicht, ob für sie, die Beklagte zuvor generelle Zweifel an der Wirksamkeit der Preisanpassungsklausel bestanden hätten. Im hier in Rede stehenden Zeitraum seien ihre Gestehungskosten erheblich gestiegen. Bei Beibehaltung des ursprünglich vereinbarten Anfangspreises ergebe sich ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Durch die Widerspruchs- und vorbehaltslos erbrachten Zahlungen der Klägerin über Jahre hinweg habe diese ohnehin ihr Rückforderungsrecht verwirkt, zumal sie Vertragsänderungen mit einer geänderten Preisanpassungsklausel zugestimmt habe, ohne hierbei deutlich zu machen, dass sie die Preisänderungen in der Vergangenheit anzweifeln werde.
Der Klägerin sei es verwehrt, lediglich die Unwirksamkeit der vorgenommenen Preiserhöhungen geltend zu machen und gleichzeitig die in dem den Klageforderungen zugrunde liegenden Zeitraum erfolgten Preissenkungen bei der Berechnung ihrer Forderung als wirksam zu behandeln. Dieses Verhalten sei treuwidrig und widersprüchlich, da die Klägerin hiermit „Rosinenpicken" betreibe.
Ferner seien die Forderungen zumindest teilweise verjährt, da etwaige Forderungen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Abschlagszahlungen entstanden und fällig geworden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur in einem geringen Umfang Erfolg.
A. Darin, dass die Klägerin in der Berufungsinstanz zuletzt einen anderen Antrag gestellt hat als zunächst angekündigt, liegt keine Klageänderung.
Soweit sie hinsichtlich der G-Straße 70 einen höheren Betrag geltend macht als in der ersten Instanz, liegt hierin keine Klageerweiterung, da hierin eine bloße Ergänzung des bisherigen Vorbringens ohne Auswechslung des Anspruchsgrundes im Sinne des § 264 Nr.2 ZPO zu sehen ist. Bereits in erster Instanz waren Gegenstand der Klage Rückforderungsansprüche wegen unwirksamer Preiserhöhungen, welche nunmehr lediglich auf andere Anfangspreis und Berechnungen gestützt werden.
Hinsichtlich des Klageantrags bezüglich der G-Straße 45 liegt eine teilweise Klagerücknahme vor, in welche die Beklagte stillschweigend durch ihren Kostenantrag eingewilligt hat.
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B. Die Klage der Klägerin ist zulässig.
1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist dieses als Gericht sachlich und örtlich zuständig, § 17 ZPO, § 71 I GVG iVm § 23 Nr.1 GVG. Die Zuständigkeitsregelungen der §§ 102, 103 Energiewirtschaftsgesetz in Verbindung mit der - mittlerweile in Kraft getretenen - Vorschrift des § 1 Nr. 2 der Kartellgerichtebildungsverordnung sind vorliegend ersichtlich nicht gegeben. Es handelt sich weder um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, die sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergibt, noch hängt die Entscheidung ganz oder teilweise von einer nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu treffenden Entscheidung ab (vgl. § 102 EnWG).
Der Senat macht sich vollumfänglich die zutreffenden Ausführungen des 32. Senats im Hause (Beschluss vom 02.01.2012, 32 SA 102/11, Beck RS 2012, 02308) zu eigen, wonach Rückzahlungsansprüche von Kunden von Versorgungsunternehmen wegen angeblich unwirksamer Preiserhöhungen von der Zuständigkeitsregelung des § 102 Energiewirtschaftsgesetz nicht erfasst werden. Diesen Ausführungen ist aus Sicht des Senats nichts hinzuzufügen. Auch die Parteien streiten nicht um die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Frage, ob die Preiserhöhungen des Versorgers der Billigkeit nach § 315 BGB entsprechen, nicht durch Konkretisierung anhand der Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes zu beantworten.
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klage auch hinreichend konkretisiert im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Spätestens in der Berufungsinstanz ist der Vortrag der Klägerin zur Berechnung ihrer Klageforderung hinreichend individualisiert. Hieraus ergibt sich, dass die Klägerin Ansprüche wegen bestimmter Jahresabrechnungen und deren angeblicher Überzahlungen geltend macht. Zeitraum und Höhe der Ansprüche sind nachvollziehbar. Gegenstand der Klage sind Forderungen in Höhe von 4.133,73 Euro bezüglich der Verbrauchsstelle G-Straße 70 und in Höhe von 1.481,94 Euro bezüglich der Verbrauchsstelle G-Straße 45. Diese Forderungen setzen sich aus den angeblichen Überzahlungen auf die Jahresabrechnungen der Beklagten vom 02.01.2007, vom 03.01.2008 und vom 29.02.2008 (G-Straße 70) bzw. vom 02.01.2007, vom 08.01.2008, vom 16.12.2008 und vom 16.12.2009 (G-Straße 45) zusammen. Aus diesen Abrechnungen ergeben sich die Verbrauchszeiträume und die für die einzelnen Zeiträume abgerechneten Preise. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin auch, welche Preiserhöhungen Grundlage der Berechnung ihrer Klageforderung sind.
In den Jahresabrechnungen sind die Vorauszahlungen der Klägerin bereits berücksichtigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten trifft es auch nicht zu, dass sich aus dem Vortrag der Klägerin die Zeiträume der einzelnen Preiserhöhungen nicht ergeben. Die Klägerin legt ihre Klageforderung nämlich einen bestimmten Anfangspreis zugrunde, welcher unter sämtlichen in den Abrechnungen abgerechneten Preisen bleibt, da ihrer Ansicht nach sämtliche Preise in dem hier in Rede stehenden Zeitraum auf unwirksamen Preissteigerungen beruhen.
Anhand dieses Vortrags sowie des Umstandes, dass die Klägerin die Klageforderung- zulässigerweise - dergestalt berechnet, dass sie sämtliche über dem Anfangspreis hinausgehende Beträge zurückverlangt, sind sowohl der Gegenstand als auch der Grund des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmt.
C. Die Klage hinsichtlich der Hauptforderung ist jedoch nur zu einem geringen Teil begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte lediglich ein Anspruch auf Zahlung von 936,94 Euro nebst Zinsen zu.
Der Anspruch ergibt sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1, erste Alternative BGB. Die Beklagte ist - nur - in Höhe dieses Betrages ohne rechtlichen Grund durch die Leistung der Klägerin bereichert.
1. Die Preisanpassungsklausel in den Verträgen zwischen der Klägerin und der Beklagten stellt keinen rechtlichen Grund im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Diese Klausel, wonach sich die Beklagte eine „Änderung der Preise und Bedingungen vorbehält", ist unwirksam.
Sie weicht von der für Tarifkunden geltend gesetzlichen Regelung § 5 Abs. 2 GasGVV bzw. die Vorgängerregelung in § 4 II AVBGasV) in mehrfacher Hinsicht nachteilig ab und stellt daher eine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BGB dar.
Aus der Klausel geht nämlich zum Einem nicht hervor, dass die Beklagte nicht nur berechtigt ist, aus Anlass von Kostensteigerungen die Preise zu erhöhen, sondern im Falle von Kostensenkungen auch zu einer Preissenkung verpflichtet ist. Die von der Beklagten verwendete Formulierung, wonach sie sich eine „...Änderung der Preise und Bedingungen vorbehält", ist - und zwar nicht nur bei kundenfeindlichster Auslegung - so zu verstehen, dass der Beklagten ein einseitiges Recht auf Preiserhöhungen und ggf. auch auf Kostensenkungen zusteht. Eine Pflicht zu Preissenkungen kann der Klausel nicht entnommen werden.
Eine weitere nachteilige Abweichung liegt darin, dass die Beklagte nach der Klausel zu einer Preiserhöhung auch dann berechtigt ist, wenn sich ihre Kosten insgesamt nicht erhöht haben. Die Beklagte hat hierdurch die Möglichkeit einer ungerechtfertigten Erhöhung ihrer Gewinnspanne (vgl. BGH in NJW 2009, S. 2662 ff).
Die ungemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten wird auch nicht dadurch angemessen kompensiert, dass dem Kunden nach dem weiteren Inhalt der Klausel für den Fall der Preiserhöhung ein Kündigungsrecht zusteht, welches zum Zeitpunkt der Preiserhöhung Wirkung erlangt. Denn ein angemessener Ausgleich der mit den Preisänderungsklauseln verbundenen Nachteile durch ein Kündigungsrecht würde zumindest voraussetzen, dass der Kunde vorab über die beabsichtigte Preiserhöhung informiert wird und sich vom Vertrag lösen kann, bevor sie wirksam wird. Daran fehlt es hier. Eine rechtzeitige Information des Kunden, die es ihm ermöglicht, vor Wirksamwerden der Preisänderung zu kündigen, ist durch die bloße Veröffentlichung der Preisänderungen in der Tagespresse, wie sie in der Klausel der Beklagten vorgesehen ist, nicht hinreichend sichergestellt ist.
Die Beklagte wendet sich letztlich auch gar nicht gegen die Unwirksamkeit der in Streit stehenden Preisanpassungsklausel, nachdem der Bundesgerichtshof die Frage der Unwirksamkeit eben dieser Klausel (NJW-RR 2010 1202 ff) geklärt hat.
2. Der Umstand, dass die Preisanpassungsklausel der Beklagten unwirksam ist, führt jedoch nicht dazu, dass sämtliche Preisanpassungen der Beklagten in der Vergangenheit ohne Rechtsgrund erfolgt sind.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 14.03.2012, VIII ZR 113/11 und VIII ZR 93/11) hat bei langjährigen Energielieferungsverhältnissen eine ergänzende Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157 BGB zu erfolgen, wenn der Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht. In diesen Fällen handelt es sich um eine nicht mehr hinnehmbare Störung des Vertragsgefüges, wenn die aufgrund der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel entstehende Lücke im Regelungsplan der Parteien nicht durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen wird. Durch die Aufnahme eines Preisänderungsrechts in dem Vertrag haben die Parteien eines Energielieferungsvertrages den Willen gezeigt, dass der Kunde und nicht das Versorgungsunternehmen die Preisänderungen tragen soll, die etwa auf Veränderungen der Bezugskosten oder der Lohn- und Materialkosten zurückgehen. Den Vertragspartnern war bei der Aufnahme der Preisänderungsklausel bewusst, dass im Laufe des auf unbestimmte Zeit angelegten Bezugsverhältnisses Preisänderungen zu erwarten waren und deshalb der Gefahr einer zukünftigen Äquivalenzstörung in angemessener Weise zu begegnen ist.
a) Die Lücke, die dadurch eingetreten ist, dass die Preisänderungsklausel unwirksam ist, ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157 BGB dergestalt zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Dies hätten die Vertragsparteien bei einer angemessenen, objektiv generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der Preisänderungsklausel für das Versorgungsunternehmen unsicher war.
b) Soweit die Klägerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz erstmalig bestreitet, dass die Sonderbedingungen der Beklagten samt der - unwirksamen - Preisanpassungsklausel wirksamer Vertragsbestandteil geworden seien, da ihr diese Bedingungen nicht zugegangen seien, bietet dieses Vorbringen keinen Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung nach den §§ 296 a, 156 ZPO. Die Klägerin hat von Beginn des Rechtsstreits an geltend gemacht hat, dass die in den Sonderbedingungen enthaltene Preisanpassungsklausel unwirksam sei. Dieser Vortrag setzt unabdingbar voraus, dass ihr die Sonderbedingungen bei Vertragsschluss bekannt waren und diese wirksam in den Vertrag mit einbezogen waren. Sie selbst hat noch in der Berufungsbegründung vorgetragen, dass es unstreitig sei, dass ein Sonderkundenvertrag vorliege. Ihr gesamter Vortrag nebst Einreichung zahlreicher Unterlagen, welche die angeblich frühe Kenntnis der Beklagten von der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel belegen sollte, bezog sich - folgerichtig - auf Sonderkundenverträge.
Wenn die Klägerin nunmehr - nach der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - meint, dies bestreiten zu müssen, um hiermit von der - ihrer Meinung nach einschlägigen - Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu profitieren, da diese einen Tarifkunden betraf, gesteht sie hiermit selbst ein, dass sie ihren Sachvortrag an die ihr jeweils günstig erscheinende Rechtslage anzupassen gedenkt. Es bedarf nach Ansicht des Senats keiner weiteren Ausführungen dazu, dass dieses prozessuale Verhalten der Klägerin eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht gebietet.
c) Entgegen der Darstellung der Klägerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz bedarf die ergänzende Auslegung nach Maßgabe der Urteile des Bundesgerichtshofs keiner richtlinienkonformen Korrektur. Die Ausführungen der Klägerin, welche geltend macht, dass die ergänzende Vertragsauslegung nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu führen würde, dass Sonderkunden schlechter gestellt würden als Haushaltskunden, sind unzutreffend. Die von ihr angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13.06.2012 (IV-2 U (Kart) 10/11, abrufbar unter BeckRS 2012, 13237), welche ohnehin eine andere, mit diesem Rechtsstreit nicht zu vergleichende Sachverhaltskonstellation betraf, stützt ihre Auffassung, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur ergänzenden Vertragsauslegung nicht richtlinienkonform sei, nicht. Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf lässt sich lediglich entnehmen, dass sowohl die für Tarifkunden geltenden gesetzlichen Preisanpassungsklauseln als auch - für den Fall der Unwirksamkeit der gesetzlichen Preisanpassungsklauseln - das dem Versorger aufgrund ergänzender Vertragsauslegung zustehende vertragliche Preisanpassungsrecht richtlinienkonform ausgelegt werden sollen. Um die Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel, welche bereits Voraussetzung für einen Rückforderungsanspruch des Kunden ist, geht es vorliegend nicht. Vorliegend geht es darum, ob ein Kunde unter Berufung auf die Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel und somit von Preiserhöhungen Rückforderungen auch für lange zurückliegende Zeiträume geltend machen kann. Diese Frage stellt sich im Übrigen unabhängig davon, ob ein Tarif- oder ein Sonderkundenvertrag vorliegt.
3. Die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind nach alledem entgegen der Ansicht der Klägerin auch auf die hier in Rede stehenden Verträge anwendbar.
a) Die Anwendung der obigen Grundsätze auf das Vertragsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten bezüglich der Versorgungsstelle G-Straße 70 ist unzweifelhaft. Für diese Verbrauchsstelle bezog die Klägerin von der Beklagten zum Zeitpunkt ihres Widerspruchs im August 2010 bereits seit mindestens 1995 Gas. Sie hat sich erstmalig mit Schreiben vom 18.08.2010, also 15 Jahre nach Vertragsschluss, an die Beklagte gewandt und unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Preiserhöhung die Rückzahlung begehrt. Mit ihrer Klage hat sie die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen für den Verbrauchszeitraum von Dezember 2005 bis Februar 2008, also für länger zurückliegende Zeitabschnitte, geltend gemacht.
Aber auch hinsichtlich der Verbrauchsstelle G-Straße 45 liegen die Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung vor. Dem steht nicht entgegen, dass der Vertrag erst mit Wirkung zum 01.03.2006 geschlossen wurde. Auch hier geht es um länger zurückliegende Zeiträume, hinsichtlich derer die Klägerin die Unwirksamkeit der Preisanpassungen geltend macht. Zwischen dem Vertragsschluss und ihrem Widerspruch im August 2010 liegt ein Zeitraum von ca. 4 ½ Jahren. Gegenstand der Klage sind die angeblichen Überzahlungen auf die Verbrauchszeiträume von Oktober 2006 an bis einschließlich Dezember 2009. Die Beklagte durfte auch hinsichtlich dieses Vertragsverhältnisses darauf vertrauen, dass die Klägerin keine Reklamationen gegen die Preiserhöhung für die Vergangenheit geben würde. Entscheidend ist insofern, dass bei Dauerschuldverhältnissen ein besonderes Bedürfnis danach besteht, dass gegenseitige Ansprüche zeitnah geltend gemacht werden und sich nicht durch verspätete Geltendmachung aufsummieren (vgl. Urteil des BGH vom 14.03.2012, VIII ZR 113/11).
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist ausschließlich ihr eigener Widerspruch vom 10.08.2010 für die Frage maßgeblich, ob sie nachträglich die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen für länger zurückliegende Zeiträume geltend machen kann oder ob sie hiermit aufgrund der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung ausgeschlossen ist. Unerheblich ist demgegenüber, ob die Beklagte bereits zu einem früheren Zeitpunkt, so etwa mit Erhebung einer Sammelklage im Jahr 2006, Anlass gehabt hat, den Fortbestand des bis dahin bestehenden Gleichgewichtes zwischen Leistung und Gegenleistung in Zweifel zu ziehen. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass ausschließlich das konkrete Vertragsverhältnis entscheidend ist. Solange die Beklagte keinen Anlass hatte, anzunehmen, dass die Klägerin sich auf die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel berufen würde, konnte und durfte sie darauf vertrauen, dass Rückforderungsansprüche wegen zurückliegenden Preissteigerungen nicht geltend gemacht würden.
Auch der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Senatstermin überreichte angebliche „Widerspruch" des Vaters der Klägerin vom 15.01.2007 ist unerheblich. Dieser Widerspruch bezieht sich unstreitig auf ein anderes Vertragsverhältnis, eine andere Verbrauchsstelle und einen anderen Vertragspartner, nämlich den Vater der Klägerin. Es bedarf nach Ansicht des Senats keiner weiteren Ausführungen dazu, dass dieser Widerspruch mit den Verträgen zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht das Geringste zu tun hat.
4. Die demnach anwendbaren Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung führen dazu, dass die Klägerin insgesamt einen Betrag von 936,94 € ohne Rechtsgrund bezahlt hat.
a) Hinsichtlich der Verbrauchsstelle G-Straße 70 hat die Klägerin einen Betrag von 64,83 € ohne Rechtsgrund geleistet.
aa) Da die Klägerin erstmalig mit Schreiben vom 18. August 2010 den Preiserhöhungen unter Berufung auf deren angebliche Unwirksamkeit widersprochen hat, kann sie sich nicht mehr auf die Unwirksamkeit der in der Jahresabrechnung vom 02.01.2007 enthaltenen Preissteigerungen berufen. Die Klägerin hat diese Preissteigerungen nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung beanstandet. Hinsichtlich dieser Abrechnung liegt daher keine Überzahlung vor.
Gleiches gilt für die nächste Jahresabrechnung vom 03. Januar 2008.
Diese enthält für den Zeitraum vom 05.Dezember 2006 bis zum 31. Dezember 2006 den Preis von 0,0497 €/kWh, welcher bereits mit der Jahresabrechnung vom 02.01.2007 für den Zeitraum vom 01.10.2006 bis zum 04.12.2006 abgerechnet wurde und mangels rechtzeitigen Widerspruchs von der Klägerin akzeptiert wurde.
Da hinsichtlich der weiteren in der Abrechnung vom 03.01.2008 enthaltenen Folgezeiträume die Preise seitens der Beklagten gesenkt wurden, ergibt sich auch hinsichtlich dieser Abrechnung keine Rückforderung der Klägerin.
Eine Zuvielzahlung ergibt sich lediglich bezüglich der Jahresabrechnung vom 29. Februar 2008, und zwar für den Abrechnungszeitraum vom 01.Januar 2008 bis zum 26. Februar 2008. Für diesen Zeitraum hat die Beklagte den Verbrauchspreis von zuvor 0,0046 €/kWh auf 0,0479 €/kWh netto erhöht. Diese Preiserhöhung mit Wirkung zum 01.Januar 2008 ist unwirksam, da die Preisanpassungsklausel der Beklagten aus den oben zu C. 1. genannten Gründen unwirksam ist. Der für die Berechnung der Forderung zugrunde zu legende Preis beträgt demnach 0,0046 €/kWh. Dieser Preis, den die Beklagte vor der unwirksamen Preiserhöhung berechnet hat, ist für die Berechnung der Forderung der Klägerin zugrunde zu legen.
bb) Dem steht nicht entgegen, dass dieser Preis von 0,0046 €/kWh unterhalb des Preises von 0,0497 €/kWh liegt, der bereits mit der Preiserhöhung zum 01. Oktober 2006 abgerechnet worden war und den die Klägerin durch „Schweigen" auf die Jahresabrechnung vom 02. Januar 2007 akzeptiert hatte. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sich die Klägerin nämlich auf die Preissenkungen berufen, welche von der Beklagten innerhalb der Frist von drei Jahren vor der Erhebung des Widerspruchs vorgenommenen wurden, und muss sich nicht entgegenhalten lassen, dass sie vor diesen Preissenkungen durch die widerspruchslose Hinnahme der Rechnung vom 02. Januar 2007 einen höheren Preis akzeptiert hat. Richtig ist zwar, dass die Preisanpassungsklausel angesichts ihres Wortlauts, in welcher lediglich das Recht der Beklagten zu „Änderungen der Preise" geregelt ist, insgesamt unwirksam ist und nicht in eine - wirksame - Preissenkungsklausel und eine - unwirksame - Preiserhöhungsklausel aufgespalten werden kann.
Die ergänzende Vertragsauslegung nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt aber nicht zu dem Ergebnis, dass sich der Energielieferant auf einen Preis berufen kann, welcher als letzter Preis vor der „Widerspruchsfrist" von drei Jahren berechnet wurde und - aufgrund von in der Folgezeit vorgenommenen Preissenkungen - höher ist als ein innerhalb der 3-Jahres-Frist liegender Preis, der aufgrund einer nach den Preissenkungen folgenden Preiserhöhung berechnet wird . Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eindeutig. Sie fußt darauf, dass ein Energielieferant vor einem Widerspruch des Kunden keinen Anlass hatte, das bis dahin - aufgrund der die Weitergabe von Kostensteigerungen ermöglichende Preisanpassungsklausel - praktizierte Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung in Frage zu stellen. Bei einer zeitlich unbeschränkten Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen aufgrund jahrelanger Zahlungen des Kunden auf nicht beanstandete Preissteigerungen würde eine nicht mehr hinnehmbare Störung des Vertragsgefüges vorliegen. Aus diesen Gründen hat ein Widerspruch des Kunden aufgrund der ergänzenden Vertragsauslegung eine zeitliche Rückwirkung von nur drei Jahren. Es ist der Kunde, der sich mit seinem Widerspruch gegen die Preiserhöhungen richtet, und nicht der Energielieferant, der nachträglich die Wirksamkeit von Preissenkungen in Abrede stellen will. Der Widerspruch des Kunden gegen Preiserhöhungen kann sich daher nicht zu seinen Lasten auswirken, was aber der Fall wäre, wenn der Preis, welcher der jüngste außerhalb der Drei-Jahres-Frist ist und somit vom Widerspruch des Kunden nicht umfasst wird, von beiden Parteien selbst dann als verbindlich vereinbart gelten würde, wenn dieser Preis - wie im vorliegenden Fall aufgrund hiernach erfolgter Preissenkungen - oberhalb der Preiserhöhungen liegen würde, welche von dem Widerspruch des Kunden umfasst sind.
Zu berücksichtigen ist insofern insbesondere auch, dass einer Preissenkung des Energielieferanten gerichtsbekannter Weise regelmäßig eine Reduzierung der Kosten zugrunde liegt. Wenn der Energielieferant diese Kostensenkungen durch Preissenkungen an seine Kunden weitergibt, kann er auf einen Widerspruch des Kunden nicht nachträglich geltend machen, dass dieser vor Jahren einen höheren Preis akzeptiert hätte. Der - unter Umständen Jahre später erfolgten - Preissteigerung liegen andere Bedingungen auf dem Beschaffungsmarkt zugrunde. Diese Bedingungen können es nicht rechtfertigen, dass sich ein Energielieferant auf einen Preis beruft, welcher vor Jahren aufgrund anderer Bedingungen notwendig war. Aus den obigen Überlegungen folgt zugleich, dass das Verhalten der Klägerin, welche lediglich die Unwirksamkeit der Preissteigerungen, nicht aber der Preissenkungen geltend macht, entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegen Treu und Glauben verstößt. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 22.06.2011 ist nach Ansicht des Senats aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur ergänzenden Vertragsauslegung überholt.
cc) Unter Zugrundelegung des - wirksam vereinbarten - Preises von 0,0046 €kWh, einer Preisdifferenz zwischen diesem Preis und dem von der Beklagten für den Zeitraum vom 01.01. 2008 bis zum 26.02.2008 in Rechnung und bezahlten Preis in Höhe von 0,0033 €/kWh und einem Verbrauch von 16508 kW ergibt sich demnach eine Überzahlung von 54,48 € netto und somit unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer eine Rückforderung von 64,83 €.
b) Hinsichtlich der Verbrauchsstelle G-Straße 45 hat die Klägerin einen Betrag von 872,11 € ohne Rechtsgrund geleistet.
aa) Der Umstand, dass die Klägerin bestreitet, dass zu Beginn des Vertrags ein Anfangspreis wirksam vereinbart worden sei, ist irrelevant. Die Klägerin kann sich nämlich, indem sie länger als drei Jahre der Jahresabrechnung vom 02.01.2007 nicht widersprochen hat, nicht mehr auf die in dieser Abrechnung aufgeführten Preiserhöhungen berufen. Da die hiermit abgerechneten Preise ganz erheblich über dem von der Beklagten behaupteten Anfangspreis und über den von der Klägerin geltend gemachten Anfangspreis liegen, gelten diese aufgrund der nicht rechtzeitig erfolgten Beanstandung der Klägerin von dieser als genehmigt, und zwar unabhängig davon, ob beziehungsweise welcher Anfangspreis vereinbart war.
bb) Aufgrund des erst im August 2010 erhobenen Widerspruchs im August 2010 kann sich die Klägerin auf die Unwirksamkeit der in der Jahresabrechnung vom 02.01.2007 enthaltenen Preiserhöhungen nicht mehr berufen, da diese Preiserhöhungen von der Klägerin nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung beanstandet wurde. Hinsichtlich dieser Abrechnung liegt daher keine Überzahlung vor.
Gleiches gilt für die nächste Jahresabrechnung vom 08. Januar 2008, da diese für den Zeitraum vom 05.Dezember 2006 bis zum 31. Dezember 2006 den - von der Klägerin akzeptierten - Preis von 0,0522 €/kWh enthält. Bereits in der Jahresabrechnung vom 02.01.2007 wurde diese Preiserhöhung nämlich berechnet.
Da hinsichtlich der in der Abrechnung vom 08.01.2008 enthaltenen Folgezeiträume die Preise seitens der Beklagten gesenkt wurden, ergibt sich auch bezüglich dieser Abrechnung kein Rückforderungsanspruch der Klägerin.
Die Jahresabrechnung vom 16. Dezember 2008 enthält indes mehrfache Preiserhöhungen, welche unwirksam sind und von der Klägerin mit ihrem Widerspruch rechtzeitig bemängelt wurden. Für die Berechnung der Forderung der Klägerin maßgeblich ist daher der Preis von 0,0446 €/kWh, der vor der mit Wirkung zum 01. Januar 2008 erfolgten ersten unwirksamen Preiserhöhung (0,0479 €/kWh) abgerechnet wurde. Unerheblich ist aus den bereits unter 4.a) ausgeführten Gründen, dass der zum 01.Januar 2008 berechnete Arbeitspreis von 0,0479 €/kWh unterhalb des Preises von 0,0522 €/kWh liegt, welchen die Beklagte mit Jahresabrechnung vom 02.01.2007 abgerechnet hatte und auf dessen Unwirksamkeit sich die Klägerin nicht mehr berufen kann.
Bezüglich der Abrechnung vom 16.12.2008 ergibt sich unter Zugrundelegung des Preises von 0,0446 €/kWh eine Forderung der Klägerin in Höhe von 378,37 €:
Zeitraum:
Verbrauch
abgerechneter Preis
netto
berechtigter Preis
netto
Überzahlung
netto
01.01.2008 bis
31.03.2008
21691
0,0479
0,0446
71,58 €
01.04.2008 bis
30.06.2008
7696
0,0501
0,0446
42,33 €
01.07.2008 bis
30.09.2008
3578
0,0549
0,0446
36,85 €
01.10.2008 bis
04.12.2008
12961
0,0575
0,0446
167,20 €
Gesamt (netto):
317,96 €
MwSt.:
60,41 €
Gesamt (brutto)
378,37 €
94
Hinsichtlich der Jahresabrechnung vom 16.12.2009 ergibt sich unter Zugrundelegung des Preises von 0,0446 €/kWh eine Forderung der Klägerin in Höhe von 493,74 €, wobei hinsichtlich des Zeitraums vom 01.07.2009 bis zum 04.12.2009 kein Anspruch der Klägerin besteht, da zu diesem Zeitpunkt gültige Preis unterhalb des zugrundezulegenden Preises liegt.
95
Zeitraum:
Verbrauch
abgerechneter Preis
netto
berechtigter Preis
netto
Überzahlung
05.12.2008 bis 31.12.2008
6583
0,06
0,0446
101,38 €
01.01.2009 bis 31.03.2009
20937
0,0587
0,0446
295,21 €
01.04.2009 bis 30.06.2009
5909
0,0477
0,0446
18,32 €
01.07.2009 bis 04.12.2009
11121
0,039
0,0446
0
Gesamt (netto)
414,91 €
MwSt.
78,83 €
Gesamt (brutto)
493,74 €
Für eine Verwirkung der Ansprüche der Klägerin ist angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur ergänzenden Vertragsauslegung nach Ansicht des Senats kein Raum mehr, da sowohl Zeit- als auch Umstandsmoment unter anderem Grund und Motiv für die ergänzende Vertragsauslegung sind.
6. Die Forderungen der Klägerin waren zum Zeitpunkt der gemäß § 204 I Nr. 1 BGB die Verjährung hemmenden Klageerhebung im Oktober 2010 nicht verjährt; die Einrede der Verjährung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Da Forderungen der Klägerin nur hinsichtlich des Zeitraums von Januar 2008 an bestehen, kann dahinstehen, ob, wie die Beklagte meint, für das Entstehen der Rückforderung und die Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Tatsachen im Sinne des § 199 I BGB und somit für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Abschlagszahlungen der Klägerin abzustellen ist. Auch dann wäre keine Verjährung eingetreten, da die frühesten Abschlagszahlungen der Klägerin, welche den Anspruch und somit die Kenntnis begründen könnten, im Jahr 2008 erfolgten.
D. Hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten ist die Klage insgesamt unbegründet. Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf Zahlung dieser Kosten in Höhe von 285,24 € zu. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verzugs nach den §§ 280 II; 286 BGH besteht nicht, da sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten nicht in Verzug befunden hat. Sie wurde vielmehr erst durch das anwaltliche Schreiben zur Rückzahlung aufgefordert.
Auch ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt einer anderen Pflichtverletzung, § 280 BGB, besteht nicht. Allein dadurch, dass die Beklagte eine unwirksame Preisanpassungsklausel verwendet und ihre Preiserhöhungen hierauf gestützt hat, hat sie keine Pflichtverletzung begangen, die die Einschaltung eines Rechtsanwalts rechtfertigen würde. Angesichts der Entwicklung der Rechtsprechung in den vergangenen Jahren zur Unwirksamkeit von Preiserhöhungsklauseln in Sonderkundenverträgen ist der Beklagten kein Vorwurf zu machen. Ihren Preiserhöhungen lag eine rechtlich vertretbare Ansicht zugrunde.
103
E. Da auch das übrige Vorbringen der Klägerin nach der mündlichen Verhandlung, weit nach Ablauf der Nachlassfrist bei Gericht eingegangene Schriftsatz weder Anlass zu einer anderen Beurteilung und zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach den §§ 296a, 156 ZPO noch zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gibt, war, wie aus dem Tenor ersichtlich, über die Berufung mit den sich aus §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO ergebenden prozessualen Nebenentscheidungen zu entscheiden.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der Bundesgerichtshof hat mit den Urteilen vom 14.03.2012 die hier in Streit stehenden grundsätzlichen Fragen geklärt. Eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung ist aus den oben genannten Gründen nicht gegeben.
Hierüber hinausgehende Streitpunkte in diesem Rechtsstreit sind nicht solche, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und welche ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung der Rechtsprechung begründen könnten.