OLG München: Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB erfordert Angabe eines Endtermins für die Leistungserbringung
OLG München, Urteil vom 16.6.2010 - 7 U 4884/09
Leitsätze:
1. Die Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB muss eine bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung enthalten und einen Endtermin für die Leistungserbringung angeben. Diesen Anforderungen genügt ein Schreiben des Gläubigers, in dem dieser den Schuldner auffordert, binnen einer Frist den Liefertermin mitzuteilen, nicht. (amtlicher Leitsatz)
2. Eine Erfüllungsverweigerung des Schuldners muss als sein letztes Wort verstanden werden, die Leistung endgültig nicht zu erbringen. Nicht ausreichend sind das Nichteinhalten eines zugesagten Termins oder Meinungsverschiedenheiten über den Vertragsinhalt. (amtlicher Leitsatz)
BGB § 323
Sachverhalt
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung einer Kaufpreisanzahlung.
Der Kläger ist Geschäftsführer der Fa. P. Invest d. o. o. (im Folgenden: P. Invest) mit Sitz in Z. in Serbien. In dieser Eigenschaft schloss er für die P. Invest mit der Beklagten am 5. Mai 2008 einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Lkw der Marke MAN zu einem Preis von 45.000 €. Einen Teilbetrag in Höhe von 40.000 € leistete die P. Invest vorab als Anzahlung, 5.000 € sollten bei Übergabe des noch zu reparierenden Lkw bezahlt werden.
Mit E-Mail vom 8. Juli 2008 schrieb die P. Invest an die Beklagte unter anderem:
„Da bis heute der Lkw nicht geliefert ist, verlangen wir, dass Sie bis zum 10. Juli 2008 unsere Mail beantworten und uns den genauen Liefertermin nennen."
In einer weiteren E-Mail vom 21. Juli 2008 erklärte die P. Invest den Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem es bis dahin immer noch nicht zu einer Übergabe des Lkw gekommen war.
Der Kläger behauptet, als Liefertermin sei der 5. Juni 2008 vereinbart worden. Den Anspruch auf Rückzahlung des angezahlten Kaufpreises habe er wirksam an sich abgetreten. Hierzu sei er als alleiniger Geschäftsführer der P. Invest befugt.
Die Beklagte trägt vor, dass der Lkw nicht am 5. Juni 2008, sondern in einem Zeitraum von einem bis drei Monaten nach Abschluss des Kaufvertrages hätte übergeben werden sollen. Für einen Rücktritt fehle es am Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen.
Das Erstgericht hat der Klage auf Rückzahlung der 40.000 € in der Hauptsache stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte hält die Abtretung wegen Verstoßes gegen das Selbstkontrahierungsverbot für nichtig. Der Rücktritt sei unwirksam, weil die P. Invest der Beklagten keine Nachfrist gesetzt habe; ein Fixgeschäft liege nicht vor. Der verkaufte Lkw könne vom Kläger bei der Beklagten abgeholt werden.
Die Beklagte beantragt in zweiter Instanz:
Das Endurteil des Landgerichts München I vom 12. August 2009 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klageseite beantragt in zweiter Instanz,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend auf das Endurteil des Landgerichts München I vom 12. August 2009 (Bl. 47/54 d. A.) sowie hinsichtlich des weiteren Vorbringens auf die Schriftsätze der Parteien sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2010 (Bl. 82/85 d. A.) Bezug genommen. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt (Bl. 84/85 d. A.).
Aus den Gründen
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung von 40.000 € wegen Rücktritts vom Kauvertrag vom 5. Mai 2008, da bereits der P. Invest kein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob sich die Wirksamkeit der Abtretung eines eventuellen Rückzahlungsanspruchs der P. Invest an den Kläger nach deutschem oder serbischem Recht richtet (§ 293 ZPO) und wegen Verstoßes gegen das Selbstkontrahierungsverbot nichtig wäre. Der Rückzahlungsanspruch besteht auch unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, welcher genaue Liefertermin vereinbart wurde, nicht.
1. Der von der P. Invest mit E-Mail vom 21. Juli 2008 (Anlagen K 5 und K 6) erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag ist unwirksam, weil die P. Invest als Käuferin der Beklagten als Verkäuferin keine Nachfrist zur Lieferung des Lkw gesetzt hat. Erbringt in einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner, hier die Beklagte, eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, hier die P. Invest, nach § 323 Abs. 1 BGB vom Vertrag, hier vom Kaufvertrag vom 5. Mai 2008, zurücktreten, wenn der Gläubiger (d. h. die P. Invest) dem Schuldner (d. h. der Beklagten) zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat.
Die Fristsetzung muss eine bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung enthalten und einen Endtermin für die Erbringung der Leistung angeben. Diesen Anforderungen genügt die E-Mail vom 8. Juli 2008 (Anlagen K 3 und K 4) nicht. Darin hat die P. Invest nur zum Ausdruck gebracht, dass sie bis zum 10. Juli 2008 eine Erklärung der Beklagten auf ihre E-Mail erwartet und ihr von der Beklagten der genaue Liefertermin genannt wird. Eine eindeutige Fristsetzung der P. Invest mit Endtermin, bis zu der sie selbst die Lieferung begehrt, fehlt. Insoweit handelt es sich bei der E-Mail vom 8. Juli 2008 um eine bloße Aufforderung an die Schuldnerin, sich über ihre Leistungsbereitschaft zu erklären. Dies genügt der Nachfristsetzung jedoch nicht (siehe auch BGH NJW 1999, 2884, 2886; Ernst, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2007, § 323 Rdnrn. 59/60; Otto/Schwarze, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 323 Anm. B 52-54).
2. Eine Nachfristsetzung ist auch nicht nach § 323 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 BGB entbehrlich. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.
a. Eine Erfüllungsverweigerung des Schuldners muss als sein letztes Wort verstanden werden, die Leistung endgültig nicht erbringen zu wollen. An die tatsächlichen Voraussetzungen für ihre Bejahung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGHZ 104, 6, 13; BGH NJW 1986, 661; ZIP 1991, 506, 508; NJW-RR 1999, 560; NJW 2006, 1195, 1197; 2009, 1813, 1816). Es muss deutlich sein, dass sich der Schuldner über das auf die vertragliche Leistung gerichtete Erfüllungsverlangen des Gläubigers klar ist und seine Weigerung ohne Rücksicht auf die möglichen Folgen zum Ausdruck bringt. Nicht ausreichend sind das Nichteinhalten zugesagter Termine oder Meinungsverschiedenheiten über den Vertragsinhalt etwa die Fälligkeit oder auch die bloße Einstellung der vertragsgemäßen Leistungen (siehe BGH NJW 1971, 798; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1098, 1099; OLG Koblenz MDR 1992, 344).
Nach dem insoweit bestrittenen Vortrag des Klägers soll der Beklagte den Kläger auf dessen Nachfragen nach der Lieferung „vertröstet" und familiäre Probleme für die Verzögerung der Lkw-Übergabe bzw. Reparatur angegeben haben. Selbst wenn man diesen Vortrag als wahr unterstellt, würde es sich dabei nur um ein bloßes Nichteinhalten von Terminen handeln, nicht aber um eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung.
b. Ein Fixgeschäft im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB setzt voraus, dass der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtszeitigkeit der Leistung in der Weise gebunden hat, dass die Einhaltung der Leistungszeit nach dem Parteiwillen derart wesentlich ist, dass das Geschäft mit der zeitgerechten Leistung stehen und fallen soll (so BGHZ 110, 88, 96/97; BGH NJW-RR 1989, 1373). Nicht ausreichend ist eine bloße Vereinbarung über eine genau bestimmte Leistungszeit, da damit zunächst nur die Fälligkeit der Leistung (§ 271 BGB) bestimmt wird.
Nach dem Vortrag in der Klageschrift, der von der Beklagten bestritten wurde, sollen die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrags eine Lieferung des Lkw am 5. Juni 2008 vereinbart haben (Bl. 19 d. A.). Selbst wenn man diese Vereinbarung als wahr unterstellt, würde es sich dabei nur um eine Fälligkeitsvereinbarung, nicht aber um die Festlegung eines Fixtermins im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB handeln. Entsprechendes würde im Übrigen gelten, wenn man vom Vortrag der Beklagten ausgeht, es sei ein Lieferzeitraum von ein bis drei Monate nach Abschluss des Kaufvertrages vereinbart worden. Dies verkennt das Erstgericht in dem angefochtenen Endurteil.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 15. April 2009 (Bl. 29 d. A.) behauptet, der Kläger habe ausdrücklich darauf Wert gelegt, dass der Lkw schnellstmöglich, spätestens im Mai 2008 zur Verfügung gestellt werde, weil die Bausaison beginne und er zu einem späteren Zeitpunkt keinen Bedarf mehr habe, wurde dies von der Beklagten bereits in erster Instanz bestritten, der Kläger blieb erstinstanzlich beweislos, da die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung nach §§ 447 und 448 ZPO nicht vorliegen. Soweit der Kläger hierzu im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 27. April 2010 den Zeugen Dragan K. benannt hat (Bl. 88 d. A.), war das Beweisangebot nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.
3. Ein Rückzahlungsanspruch ergibt sich auch nicht aus der Vereinbarung der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2010, wonach der Beklagte den Lkw fix binnen 14 Tagen liefern sollte (Bl. 84 d. A.). Zwar ist zwischen den Parteien streitig, ob der Kläger dem Beklagten am Übergabetermin den vertragsgegenständlichen oder einen anderen Lkw angeboten hat. Auf die materielle Rechtslage einwirkende Erklärungen wurden bis zum 5. Mai 2010 aber nicht abgegeben.
4. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf das materielle Rechtsgeschäft ergibt sich aus Art. 28 Abs. 1 und 2, Art. 32 EGBGB a. F. in Verbindung mit Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) vom 17. Juni 2008.
III.
1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
2. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat wendet bei seiner Entscheidung die ständige obergerichtliche Rechtsprechung an und weicht auch nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberla