OLG Düsseldorf: Fristlose die Unternehmenssanierung bezweckende Kündigung eines Dienstvertrags
OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.11.2007 - I-24 U 67/07, rkr.
Leitsätze
1. Die fristlose Kündigung eines Dienstvertrages, der die „Sanierung" eines nicht mehr rentablen Unternehmens bezweckt, kann bei wiederholten abfälligen Äußerungen des Geschäftsführers der beauftragten Gesellschaft über den Inhaber des zu sanierenden Unternehmens gerechtfertigt sein, insbesondere wenn der „Sanierer" mehrfach eigenen wirtschaftlichen Interessen den Vorzug vor dem „Sanierungserfolg" gibt.
2. Die durch entsprechende Äußerungen bewirkte Störung des Vertrauensverhältnisses macht eine Abmahnung entbehrlich.
3. § 627 BGB kann einzelvertraglich durch eine Befristung der Vertragslaufzeit abbedungen werden.
BGB §§ 611, 626, 627
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Honorar für Management-Dienstleistungen in Anspruch.
Die Beklagte zu 1. ist als Holding-Gesellschaft Gesellschafterin mehrerer Unternehmen, unter anderem der Beklagten zu 2.. Diese hatte das Wirtschaftsjahr 2004 mit Verlust abgeschlossen. Die als Familienunternehmen geführte Unternehmensgruppe "I. F." suchte deswegen nach dem Ausscheiden eines Fremdgeschäftsführers und aufgrund mangelnder Erfahrung des Mitgesellschafters und Geschäftsführers B. einen geeigneten Berater als "Sanierer" und Geschäftsführer. Von dritter Seite wurde B. der jetzige Vorstand der Klägerin Dr. N. als geeignet empfohlen.
Nach Vorgesprächen schlossen die Vorgängergesellschaft der Klägerin - handelnd als „M. GmbH" - und die Beklagte zu 2. am 28.1.2005 einen Management-Dienstleistungsvertrag über Unterstützungstätigkeiten bei der Sanierung des Unternehmens der Zweitbeklagten gegen Zahlung einer festen Vergütung von 320 000 Euro pro Jahr zuzüglich Erfolgshonorar. Die Beklagte zu 1. übernahm neben der Beklagten zu 2. die Mithaftung für das geschuldete Honorar. In § 3 des Vertrages war bestimmt, dass Dr. N. zum weiteren Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten zu 2. bestellt wird. Durch Erklärung auf der Vertragsurkunde stimmte Dr. N. der Geltung des Vertrages auch für sich selbst zu. Er wurde durch die Gesellschafter in der Folgezeit zum Mitgeschäftsführer bestellt.
In Ergänzung zum Management-Dienstleistungsvertrag schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 2. am 17.8./1.9.2005 einen Beratungsvertrag zur Entwicklung einer so genannten "Plattformstrategie" zur Standardisierung und Modularisierung der von der Beklagten zu 2. hergestellten Produkte. Als Honorar waren monatlich 10 000 Euro netto vereinbart. Ferner schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 2. am 6.12.2005 ebenfalls in Ergänzung zu dem Management-Dienstleistungsvertrag einen Beratungsvertrag über die Weiterentwicklung der Organisation, Restrukturierung des Finanz- und Rechnungswesens und die Einführung eines Controllings (ERP-/IT-Systemeinführung) für ein Pauschalhonorar von 106 000 Euro für die Zeit von November 2005 bis Juli 2006.
In einer als "Mandatserklärung" vom 20.10.2005 nebst "Honorarvereinbarung" vom 27.10.2005 bezeichneten Vereinbarung beauftragte die Beklagte zu 2. die Klägerin ferner mit der Suche nach potentiellen Investoren gegen Erfolgshonorar.
Im Januar 2006 wiesen die Gesellschafter der Beklagten zu 1. den Mitgeschäftsführer Dr. N. an, das "Bankenproblem" zu lösen. In Umsetzung dieser Anweisung beauftragte die Beklagte zu 1. am 2.2.2006 die "M. N." - vertreten durch Dr. N. - mit Kontaktaufnahme und Verhandlungen zur Neugestaltung der Bankenverbindung der Erstbeklagten gegen Zahlung eines festen Erfolgshonorars von 100 000 Euro netto. Dr. N. regte die Ablösung des bisherigen Bankenpools durch von ihm vermittelte andere Banken (...) an. Im März 2006 fand ein Beratungsgespräch mit Vertretern der C.-Bank, der Sparkasse H., der Stadtsparkasse W. von E.-H. statt, an der für die Beklagten neben Dr. N. auch B. teilnahm. Die Banken äußerten Bedenken hinsichtlich des geplanten Sanierungserfolgs. Dr. N. bot hierauf an, sein Depot bei der D.-Bank in E. zu verpfänden. Der Mitgeschäftsführer B. erklärte sich zur Übernahme einer persönlichen Bürgschaft in Höhe von 1 000 000 Euro bereit.
In einer als "Rechtsverbindliche Erklärung und Vereinbarung" überschriebenen Erklärung vom 17.3.2006 verpflichtete sich der Gesellschafter B. zur Übertragung von 26 % der Gesellschaftsanteile an der Holding an Dr. N. für die Dauer der von ihm in Aussicht gestellten Verpfändung des Bankdepots ("Zusage einer Bürgschaft" vom 17.3.2006). Auch nach Rückgabe der Sicherheit sollten Dr. N. 10% der Gesellschaftsanteile verbleiben, verbunden mit einer „call-option" für B.. Die Erklärung ist unterzeichnet von B., Dr. N. und der Mehrheitsgesellschafterin M. B..
In der Folgezeit verlangten die von Dr. N. vermittelten Banken den Abschluss eines "Sicherheiten-Treuhandvertrages", in welchem die von Dr. N. zu stellende Sicherheit mit 170 000 Euro beziffert war, die von B. hingegen mit 1 000 000 Euro. Die Anregung B.s, der Betrag von 170 000 Euro könne doch innerhalb der Familie aufgebracht werden, lehnte Dr. N. im Hinblick auf die Haltung der Banken ab. B. nahm dies zum Anlass, selbst mit den Banken telefonisch Rücksprache zu nehmen. Mit Schreiben vom 27.4.2006 an B. erklärte Dr. N. in Reaktion hierauf, er werde die "zugesagte Bürgschaft" nicht zeichnen und lege sein Amt als Geschäftsführer der I. F. (Komplementärin der Zweitbeklagten) mit sofortiger Wirkung und aus wichtigem Grund nieder. Zugleich kündigte Dr. N. gravierende finanzielle Schwierigkeiten bis hin zu einer Schadensersatzklage der H.-Bank gegen B. persönlich an. Wegen der weiteren Einzelheiten jenes Schreibens wird auf Blatt 126/127 der Akten verwiesen.
Veranlasst durch dieses Schreiben initiierte der Mitgesellschafter B. am 2.5.2006 im Umlaufverfahren einen Gesellschafterbeschluss der Beklagten zu 1. dahin, an Stelle der sofortigen Übertragung und von 26% der Gesellschaftsanteile an Dr. N. diesem 10% zu übertragen und weitere 16% für den Fall der Inanspruchnahme aus der "Bürgschaft". Die Mitgesellschafterin Bu. erhob am 6.5.2006 Einspruch gegen den Gesellschafterbeschluss und stimmte dem Beschluss nicht zu. Mit Schreiben vom 11.5.2006 (Bl. 128 GA) an Dr. N. erklärte B., er werde die Vereinbarung vom 17.3.2006 weiterhin einhalten und, wenn er dies aus gesellschaftsrechtlichen Gründen nicht könne, an Dr. N. 170 000 Euro mit der Maßgabe zahlen, dass dieser den Betrag nach Entlassung aus der Bürgschaft zurückzahle. Dr. N. zeichnete das Schreiben mit dem Zusatz „akzeptiert" gegen.
Die Gesellschafter der Beklagten zu 1. führten sodann am 17.5.2006 eine Gesellschafterversammlung durch; die Aufnahme des Dr. N. in den Kreis der Gesellschafter wurde abgelehnt. Noch am selben Abend um 20:44 Uhr übersandte Dr. N. an B. folgende e-mail:
„T. B.,
nach der heutigen entscheidenden Gesellschafter-Versammlung, habe ich Ihnen folgendes zu sagen:
1. Meinen Respekt haben sie verloren
2. Mein Vertrauen haben sie verspielt
3. Meine Sympathie ist beendet
Sie sind es nicht würdig, das Erbe ihres Großvaters anzutreten.
Dr. M. N."
Am Folgetag um 01:43 Uhr übersandte Dr. N. B. folgende weitere e-mail unter dem Betreff „The end":
„T. B.!,
mit uns Beiden kann das nichts werden.
Sie sind nicht stark genug.
MN"
In Vollzug eines Gesellschafterbeschlusses der Beklagten zu 1. erklärte T. B. als Geschäftsführer beider Beklagten mit Schreiben vom 29.5.2006 an die Klägerin die Kündigung des Management-Dienstleistungsvertrags.
Die Klägerin hat die Beklagten in erster Instanz auf Zahlung von 30 972,00 € (Honorar Dienstleistungsvertrag Juni 2006) und von weiteren 25 520,00 Euro (Honorar Zusatzvereinbarungen Juni 2006) in Anspruch genommen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 29.5.2006 sei unwirksam.
Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verwiesen wird, hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 30 972,00 Euro nebst Zinsen an die Klägerin sowie allein die Beklagte zu 2. zur Zahlung weiterer 25 520,00 Euro nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Die weitergehende Klage gegen die Beklagte zu 1. hat das Landgericht abgewiesen.
Mit ihrer Berufung machen die Beklagten geltend, die mit der Klägerin geschlossenen Verträge seien gemäß § 627 BGB kündbar gewesen. Jedenfalls habe ihnen ein Kündigungsrecht aus § 626 BGB zugestanden. Zum einen habe die Klägerin die ihr übertragene Leistung derart schlecht erbracht, dass sich der Verlust der Beklagten zu 2. bis Mai 2006 auf 1 497 000 Euro gesteigert habe. Zum anderen habe der Vorstand Dr. N. der Klägerin den der Unternehmerfamilie angehörenden Mitgeschäftsführer B. in seiner Ehre verletzt. Ferner seien die mit der Klägerin geschlossenen Verträge gemäß § 138 BGB nichtig, da der Abschluss der beiden Ergänzungsverträge - wie von der Klägerin intendiert - auf ein doppeltes Abrechnen der bereits im Ausgangsvertrag versprochenen Leistungen hinauslaufe.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ein etwaiges Fehlverhalten des Dr. N. berechtige die Beklagten nicht zur Aufkündigung des Dienstleistungsvertrags, da Dr. N. nach dem Vertragsbestimmungen durch einen anderen Mitarbeiter der Klägerin als Geschäftsführer ersetzt werden könne. Eine persönliche Vertrauensstellung ausschließlich zu einer einzelnen Person sei bei der Beauftragung der Klägerin als Beratungsgesellschaft nicht begründet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten verwiesen.
Aus den Gründen
B. Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage insgesamt.
Den mit der Klage verfolgten Honoraransprüchen (§§ 611, 675 BGB) der Klägerin für Juni 2006 aus dem Management-Dienstleistungsvertrag vom 28.1.2005 und aus den Zusatzvereinbarungen vom 17.8./1.9.2005 sowie vom 6.12.2005 steht die gemäß § 626 BGB wirksame fristlose Kündigung des Management-Dienstleistungsvertrags durch die Beklagte zu 2. vom 29.5.2006 entgegen.
I. Die Beklagte zu 2. war allerdings nicht aus § 627 BGB zur Kündigung des Vertragsverhältnisses berechtigt. Die Möglichkeit einer Auflösung des Vertragsverhältnisses nach § 627 BGB ohne Einhaltung einer Frist ist von den Parteien hier bereits einzelvertraglich abbedungen worden. § 627 Abs. 1 BGB ist im Gegensatz zum Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 626 BGB keine zwingende, sondern eine dispositive Regelung, die grundsätzlich durch Parteivereinbarung abbedungen werden kann. Insbesondere ist es zulässig, die Ausübung des Kündigungsrechts aus § 627 an die Einhaltung einer Kündigungsfrist oder an eine vorherige Ankündigung zu binden (Münchner Kommentar/Henssler, BGB, 4. Aufl., § 627 Rn. 29; Staudinger/Preis, BGB, 2002, § 627 Rn. 6). Eine solche das Kündigungsrecht an die Einhaltung einer Kündigungsfrist bindende Regelung enthält § 6 Ziff. 3 des Management-Dienstleistungsvertrags, wonach für die Kündigung des Vertragsverhältnisses (nach Ablauf der ursprünglichen Befristung) die Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten vereinbart worden ist. Hierdurch ist zugleich eine Kündigung ohne Einhaltung der vereinbarten Frist - von den Fällen des § 626 BGB abgesehen - vertraglich ausgeschlossen. Es bedarf aus diesem Grunde auch keiner Erörterung, ob der Vertrag zunächst nur bis zum 31.1.2006 (so § 6 Ziff. 1. und 3. des Vertrags) oder aber bis zum 31.1.2007 (so die Zusatzvereinbarung vom 28.1.2005) - jeweils mit Verlängerungsoption - geschlossen worden ist.
Zwar kann § 627 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abbedungen werden (BGH WM 2005, 1667; NJW 1989, 1479). Weder der Vertragsurkunde noch dem Vortrag der Parteien sind aber zureichende Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es sich bei der Regelung in § 6 Ziff. 3 des Vertrags um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt.
II. Die Beklagte zu 2. war gleichwohl aus § 626 Abs. 1 BGB berechtigt, das Vertragsverhältnis zur Klägerin fristlos zu kündigen:
1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Dienstvertrag, wie er hier vorliegt, von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Im übrigen hat die Rechtsprechung über den Bereich des Dienstvertragsrechts hinaus aus den §§ 554a a.F., 626, 723 BGB, 89 b HGB den allgemeinen Rechtsgrundsatz entwickelt, dass Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund gekündigt werden können (BGH NJW 1999, 1177 m.w.N.; Senat n.v. Urteil vom 3.12.2002, 24 U 49/01).
2. Die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles schließt sämtliche Tatsachen ein, die für den wichtigen Grund bedeutsam sein können. Ein Verschulden einer Seite ist nicht erforderlich. Es ist aber bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Die Unzumutbarkeit muss daran gemessen werden, ob die Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses bis zu dessen Zeitablauf oder bis zum Zeitpunkt der Möglichkeit, ordentlich zu kündigen, dem Kündigenden zugemutet werden darf (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 626 Rdnr. 40 m.w.N.). Die Gründe, die die Auflösung des Vertragsverhältnisses legitimieren, müssen auch für die Zukunft Gewicht haben. § 626 Abs. 1 BGB stellt auf die Zumutbarkeit der „Fortsetzung" des Dienstverhältnisses ab. Insoweit ist der wichtige Kündigungsgrund zukunftsbezogen (Staudinger/Preis a.a.O. § 626 Rdnr. 89). Ferner ist die außerordentliche Kündigung nur zulässig, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme („ultima ratio") für den Kündigungsberechtigten ist (Staudinger, a.a.O. Rdnr. 86). Andererseits sind an das Vorliegen eines Kündigungsgrundes nicht notwendig die strengen Anforderungen zu stellen, die für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gelten. Die außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses stellt ein vertragsimmanentes Mittel zur Auflösung der Vertragsbeziehung dar; denn es geht um die Ausübung des in jedem auf längere Zeit geschlossenen Vertrag angelegten, im Kern nicht abdingbaren Kündigungsrechts, das sich im allgemeinen nur auf Gründe stützen kann, die im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Der Grundsatz, dass geschlossene Verträge einzuhalten sind, wird hierdurch nicht unmittelbar berührt (BGH NJW 1997, 1702, 1703 f. m.w.N.).
3. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt ergibt, dass die Beklagte zu 2. wegen des Verhaltens des Vorstandsmitglieds der Klägerin Dr. N. zur fristlosen Kündigung des Management-Dienstleistungsvertrags berechtigt war:
a) Der in Vollzug des Management-Dienstleistungsvertrags als (Mit-)Geschäftsführer der Beklagten zu 2. eingesetzte Dr. N. hat spätestens mit seinem Schreiben vom 27.4.2006 beginnend bis zur Übersendung seiner E-Mail-Nachricht vom 18.5.2006, 01:43 Uhr an den Mitgesellschafter und Geschäftsführer B. fortlaufend seine eigenen, privaten Interessen und die Belange der von ihm zu betreuenden Beklagten zu 2. in einer für die Verwirklichung des Vertragszwecks in hohem Maße schädlichen Art und Weise miteinander vermengt. Er hat hierdurch zu erkennen gegeben, dass er bei Verfolgung seiner eigenen wirtschaftlichen Interessen, nämlich seinem Interesse an dem Erwerb einer eigenen Beteiligung an der Holding-Gesellschaft (Beklagte zu 1.), die Verletzung von der Klägerin obliegenden Vertragspflichten in Kauf zu nehmen bereit war. In der Enttäuschung über seinen Misserfolg bei Verfolgung jener Ziele hat sich Dr. N. unmittelbar nach der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. am Abend und in der Nacht vom 17. auf den 18.5.2006 gegenüber dem zur Unternehmerfamilie gehörenden Geschäftsführer T. B. in einer grob ehrverletzenden Weise geäußert und zugleich zum Ausdruck gebracht, dass für ihn die Zusammenarbeit beendet sei. Aufgrund dieses Verhaltens des für die Durchführung des Management-Dienstleistungsvertrags maßgeblichen Vorstandsmitglieds der Klägerin war es der Beklagten zu 2. in Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zuzumuten, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist fortzusetzen.
aa) Dr. N. hat bereits mit der als "Mandatserklärung und Honorarvereinbarung" bezeichneten Vereinbarung vom 2.2.2006, dort handelnd für die "Management Consulting N.", parallel zu der Wahrnehmung der ihm im Vertragsverhältnis der Parteien übertragenen Pflichten versucht, eigene Rechtsbeziehungen zu der I.F.-Unternehmensgruppe aufzubauen und sich selbst auf diese Weise eine zusätzliche Einkommensquelle zu schaffen. In der Vereinbarung mit den Gesellschaftern T. B. (zugleich Geschäftsführer) und M. B. vom 17.3.2006 hat er sich für die Hingabe einer Sicherheit, die die Parteien übereinstimmend mit 170.000 € bewerteten, die Übertragung von 26 % der Gesellschaftsanteile an der Familien-Holding versprechen lassen mit der Maßgabe, selbst im Falle der Rückgabe der Sicherheit mit 10% der Anteile an der Holding beteiligt zu bleiben.
bb) Auf den Versuch des Mitgesellschafters T. B., durch Nachverhandeln mit den Banken die Dr. N. versprochene Gesellschaftsbeteiligung entbehrlich zu machen, hat Dr. N. mit Schreiben vom 27.4.2006 in einer die Vertragspflichten der Klägerin grob missachtenden Weise reagiert und auf diese Weise versucht, sein Ziel einer eigenen Gesellschaftsbeteiligung an der Holding doch noch durchzusetzen. In diesem Schreiben hat Dr. N. erklärt:
"Zugleich lege ich in der Konsequenz mein Amt als Geschäftsführer der I.F. (I. KG) mit sofortiger Wirkung und aus wichtigem Grund (....) nieder."
Diese Aufkündigung seiner Geschäftsführertätigkeit für die Zweitbeklagte durch
Dr. N. widersprach in eklatanter Weise den Verpflichtungen, die die Klägerin im Vertrag der Parteien vom 28.1.2005 übernommen hatte. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Versuch des Nachverhandelns mit den Banken durch den Geschäftsführer
T. B. der Vereinbarung vom 2.2.2006 zwischen der Beklagten zu 1. und der "Management Consulting N." (und zwar dem dort ausgesprochenen Verbot der Kontaktaufnahme mit "Kooperationsinteressenten") widersprach. Denn im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 2. galt diese Bestimmung nicht. Entsprechendes war in den Verträgen der Parteien nicht niedergelegt. Keinesfalls lag darin ein die Klägerin berechtigender Grund, entgegen § 3 des Management-Dienstleistungsvertrags den Geschäftsführer auszuwechseln, zumal die Klägerin aus jener Vereinbarung vom 2.2.2006 weder berechtigt noch verpflichtet worden ist. Für das Verhältnis der Parteien war vielmehr ungeachtet jener Vereinbarung mit der "M. N." allein maßgeblich, dass gemäß § 3 Abs. 3 des Management-Dienstleistungsvertrages die Kompetenz zur Kontrolle jedweder Sanierungsmaßnahmen auch weiterhin ungeteilt dem der Unternehmerfamilie angehörenden Geschäftsführer B. zustand. Schon angesichts dieser Kompetenzverteilung hatte die Klägerin den von B. unternommenen Versuch eines Nachverhandelns mit den Banken hinzunehmen, ganz abgesehen davon, dass Banken in derartigen Fällen ihre Interessen zu wahren verstehen oder neue Verhandlungen gar nicht beginnen.
cc) Dieser unzulässigen und dem Vertragszweck abträglichen Vermengung eigener wirtschaftlicher Interessen mit der ihm aufgrund des Vertrages der Parteien übertragenen Geschäftsführertätigkeit hat das Vorstandsmitglied Dr. N. der Klägerin schlaglichtartig Ausdruck verliehen in den beiden E-Mail-Nachrichten an den Geschäftsführer B. vom 17./18.5.2006. Diese Schreiben sind unstreitig in Reaktion darauf entstanden, dass Dr. N. in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. vom 17.5.2006 die Aufnahme als Mitgesellschafter verweigert worden war. Mit seinen ehrverletzenden Äußerungen gegenüber dem Gesellschafter der Beklagten T. B.
"1. Meinen Respekt haben sie verloren
2. Mein Vertrauen haben sie verspielt
3. Meine Sympathie ist beendet
Sie sind es nicht würdig, das Erbe ihres Großvaters anzutreten."
und
"mit uns Beiden kann das nichts werden.
Sie sind nicht stark genug."
hat das Vorstandsmitglied der Klägerin Dr. N. - ersichtlich vorsätzlich - jeglicher Zusammenarbeit mit der innerhalb der Unternehmerfamilie für die Geschäftsführung der I.F.-Gruppe maßgebenden Person die Basis genommen. Auch in dem Betreff der zweiten E-Mail - "The end" - hat Dr. N. seine innere Abkehr von der Erfüllung des Vertrages vom 28.1.2005 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Dies stellte, wie bereits die Aufkündigung der Geschäftsführertätigkeit im Schreiben vom 27.4.2006, eine grobe Verletzung der von der Klägerin im Vertrag vom 28.1.2005 übernommenen Pflichten dar. Es kann deshalb dahinstehen, ob diese abfälligen, illoyalen und unangemessenen Äußerungen, die Dr. N. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst als unangemessen und „über das Ziel hinausgeschossen" bezeichnet hat, bereits die Tatbestandsvoraussetzungen einer strafbaren Beleidigung (§ 185 StGB) erfüllen.
Dieses von Eigensucht geprägte Verhalten des Vorstandes der Klägerin setzt sich über den Abend und die Nacht vom 17. auf den 18.5.2006 hinaus fort. Bereits am Vormittag des 18.5.2006 suchte Dr. N. mit einer weiteren E-Mail den ihm allein aus der Vereinbarung vom 11.5.2007 gegen B. persönlich zustehenden Zahlungsanspruch mit der den Management-Dienstleistungsvertrag der Parteien flagrant verletzenden Drohung, sein Amt als Geschäftsführer niederzulegen, „ersatzweise" durchzusetzen:
„Herr B.!
Wenn der von Ihnen zugesagte Transfer nicht Morgen (Freitag) wie von Ihnen zugesagt auf dem Ihnen bekannten Konto ist, werde ich als GF zurücktreten und meine Bürgschaft widerrufen.
MN"
In zeitlichen Zusammenhang mit jenen Äußerungen hat Dr. N. sich auch tatsächlich, und zwar von sich aus, aus der direkten beratenden und geschäftsführenden Tätigkeit für die Beklagte zu 2. zurückgezogen und auf diese Weise seine Ankündigungen umgesetzt.
dd) Das grob vertragswidrige Verhalten des Vorstandsmitglieds der Klägerin war geeignet, einer fortgesetzten Zusammenarbeit nicht nur zwischen ihm und dem von der Unternehmerfamilie eingesetzten Geschäftsführer B., sondern auch zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. die Grundlage zu entziehen. Soweit die Klägerin geltend macht, die verbalen Äußerungen eines "im Rahmen eines Managementteams eingesetzten Mitarbeiters" könnten nicht dazu führen, dass auch die Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen aufgekündigt werde, verkennt dies die herausragende Bedeutung von Dr. N. für das Gesamtgefüge der von der Klägerin übernommenen Beratung der Beklagten.
Zum einen ist Dr. N. nicht nur irgendein "Mitarbeiter" der Klägerin, sondern deren Vorstandsmitglied. Handlungen ihres Organs muss sich die Klägerin vollständig zurechnen lassen (vgl. § 31 BGB). Selbst nach seinem Rückzug aus der Beratung der Beklagten zu 2. musste diese befürchten, dass er aufgrund seiner leitenden Stellung im Falle einer Fortsetzung der Zusammenarbeit der Parteien abträglichen Einfluss auf diese nehmen konnte und nehmen würde.
Zum anderen haben die Beklagten unstreitig von Anbeginn gerade Dr. N. als "Sanierer" gewinnen und ihn an maßgeblicher Stelle für die anstehenden Restrukturierungsaufgaben einsetzen wollen. Dies findet in § 3 des Vertrages seinen Niederschlag; denn dort ist die Bestellung (nur) von Dr. N. als weiterem Geschäftsführer der Beklagten zu 2. ausdrücklich vereinbart. Schon diese Organstellung als Geschäftsführer in dem zu beratenden Unternehmen verschaffte Dr. N. gegenüber den anderen Beratern der Klägerin (nämlich den beiden weiteren Vorstandsmitgliedern Dr. K. und Dr. E.) innerhalb des Beratungsteams eine herausgehobene Position. Zudem stellte es der Vertrag vom 28.1.2005 der Klägerin nicht etwa frei, nach Belieben die Person des von ihr in das Unternehmen der Beklagten zu 2. entsandten Geschäftsführers auszutauschen und so an die Stelle von Dr. N. einen anderen Berater zu setzen. In § 3 Abs. 3 des Vertrages ist eine Verpflichtung (und Berechtigung) der Klägerin zur Ersetzung von Dr. N. durch Dr. E. oder Dr. K. nur für den Fall vorgesehen, dass Dr. N. "aufgrund Krankheit, Unfalls oder eines vergleichbar schwerwiegenden Ereignisses absehbar nicht mehr in der Lage" sei, die Organfunktion des Geschäftsführers angemessen auszufüllen. Von dem Eintritt eines solchen "vergleichbar schwer wiegenden Ereignisses" kann hier nicht die Rede sein. Denn Dr. N. hat durch seine groben Pflichtverletzungen selbst seinen weiteren Einsatz für die Beklagte zu 2. vereitelt.
4. Durch die Kündigung vom 29.5.2006 ist die Kündigungsfrist von zwei Wochen (§ 626 Abs. 2 S. 1 BGB) gewahrt worden. Zwar lag zwischen dem Schreiben des Dr. N. vom 27.4.2006 und dem Ausspruch der Kündigung ein Zeitraum von mehr als einem Monat. Zudem hatte der Geschäftsführer B. mit Schreiben vom 11.5.2006 in Kenntnis des Schreibens vom 27.4.2006 erklärt, an der Geschäftsbeziehung festhalten zu wollen. Zwischen den letztlich den Ausschlag für die Kündigung gebenden E-Mail-Nachrichten vom 17./18.5.2006, die sich als Fortsetzung des bereits früher begonnenen Fehlverhaltens darstellen, und dem Ausspruch der Kündigung lag aber ein Zeitraum von weniger als zwei Wochen.
Einer Abmahnung der Klägerin bedurfte es vor Ausspruch der Kündigung nicht. Das Institut der Abmahnung ist im Arbeitsrecht im Hinblick auf die soziale Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigter entwickelt worden. Dieser Schutzgesichtspunkt ist bei Leitungsorganen von Kapitalgesellschaften - wie hier dem Vorstand der Klägerin Dr. N. - nicht ausschlaggebend. Sie kennen regelmäßig die ihnen obliegenden Pflichten und sind sich über die Tragweite etwaiger Pflichtverletzungen auch ohne besondere Hinweise und Ermahnungen im Klaren. Soweit Pflichtenverstöße so gravierend sind, dass sie - wie hier - zur Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien geführt haben, kommt eine Abmahnung ohnehin nicht in Betracht (BGH NJW 2000, 1638 f.).
III. Infolge der Kündigung des Vertrages vom 28.1.2005 durch die Beklagte zu 2. entfällt auch die für deren Verbindlichkeit übernommene Mithaftung der Beklagten zu 1. Zugleich hat die Kündigung zur Folge, dass die Geschäftsgrundlage der Zusatzverträge vom 17.8./1.9.2005 und vom 6.12.2005 entfallen ist. Beide Vereinbarungen sind ausdrücklich als "Zusatzvereinbarung zum Management-Dienstleistungsvertrag" bzw. "Ergänzung zum Management-Dienstleistungsvertrag" bezeichnet und machen auf diese Weise den Vertrag vom 28.1.2005 jeweils zu ihrer Geschäftsgrundlage. Soweit die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 2. habe die Zusatzprojekte nach Kündigung fortgeführt, fehlt substantiierter Vortrag. Weder sind konkrete Einzelheiten genannt, noch Zeitdaten mitgeteilt.