BGH: Fristen bei außerordentlicher Kündigung des Anstellungsvertrags des Geschäftsführers einer GmbH
BGH, Urteil vom 5.11.2024 – II ZR 35/23
ECLI:DE:BGH:2024:051124UIIZR35.23.0
Volltext: BB-Online BBL2025-193-3
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Amtliche Leitsätze)
a) Bei einer außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgrund vertraglich vereinbarter wichtiger Gründe gilt die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB.
b) Auf den Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der kein Mehrheitsgesellschafter ist, sind die zum Nachteil des Geschäftsführers grundsätzlich nicht abdingbaren, in § 622 Abs. 1 und 2 BGB geregelten Kündigungsfristen entsprechend anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn er Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG ist und den Anstellungsvertrag unmittelbar mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat (Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 11. Juni 2020 - 2 AZR 374/19, BAGE 171,
44).
BGB §§ 622, 626 Abs. 2
Sachverhalt
Die Beklagte ist ein in Form der sog. Einheits-GmbH & Co. KG organisiertes Biotechnologieunternehmen, d.h. die Gesellschaftsanteile der kapitalanteillosen Komplementärin hält zu 100 % die Beklagte. Der Kläger ist mit einem Anteil von 0,6 % als Kommanditist an der Beklagten beteiligt. Zudem war er aufgrund eines mit der Beklagten geschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrags (GAV) seit dem 1. Oktober 2001 als einer von zunächst zwei, später drei Geschäftsführern der Komplementär-GmbH tätig, wobei er auch die Geschäfte der Beklagten führte. Sein Gehalt und die maximale Bonuszahlung betrugen zuletzt jeweils 160.000 € jährlich.
Für die ordentliche Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags ist in § 4 Abs. 1 GAV eine Frist von 12 Monaten vorgesehen. § 4 Abs. 2 GAV regelt ohne weitere Fristenregelung die Kündigung aus wichtigem Grund. Als wichtiger Grund ist u.a. die "Liquidation" der Gesellschaft aufgeführt.
Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten (GV) enthält u.a. folgende Regelungen: Nach § 7 Abs. 3 GV fasst die Gesellschafterversammlung ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit, wohingegen nach § 7 Abs. 4 a) GV für Änderungen des Gesellschaftsvertrags eine Mehrheit von 75 % der Stimmen erforderlich ist. Gemäß § 8 GV verfügt die Beklagte über einen Aufsichtsrat, der gemäß § 9 Abs. 1 GV sämtliche Aufgaben und Befugnisse eines Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft hat. Nach § 9 Abs. 4 Satz 1 GV hat der Aufsichtsrat das Recht, den oder die Geschäftsführer der Komplementärin zu bestellen und abzuberufen sowie den Abschluss, die Änderung und die Beendigung des jeweiligen Dienstvertrags vorzunehmen.
Die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschloss am 8. März 2016 in Anwesenheit des Klägers einstimmig die sofortige Auflösung der Gesellschaft (TOP 1), allein gegen die Stimmen des Klägers bezüglich seines Geschäftsführeranstellungsvertrags mit der Beklagten die sofortige außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Datum bzw. Beendigung mittels Aufhebungsvereinbarung (TOP 2 Abs. 1). Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Prof. Dr. H. , wurde umfassend bevollmächtigt, für die Beklagte die außerordentliche und hilfsweise die ordentliche Kündigung respektive die Aufhebung des Geschäftsführeranstellungsvertrags gegenüber dem Kläger zu erklären und im Übrigen alle für oder im Zusammenhang mit der Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags notwendigen und zweckmäßigen Erklärungen, auch bezüglich seiner einvernehmlichen (vorzeitigen) Aufhebung abzugeben und entgegenzunehmen (TOP 2 Abs. 2). Am selben Tag beschloss die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH deren Auflösung sowie die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer mit Wirkung zum 10. März 2016.
Mit Schreiben vom 22. März 2016, dem Kläger zugegangen am 23. März 2016, kündigte der Aufsichtsratsvorsitzende Prof. Dr. H. unter Bezugnahme auf den Beschluss der Beklagten vom 8. März 2016 namens der Beklagten und unter Verweis auf seine dort erfolgte Bevollmächtigung den Geschäftsführeranstellungsvertrag mit dem Kläger außerordentlich zum 30. April 2016, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Zeitpunkt. Weiter heißt es in dem Schreiben, auch der Aufsichtsrat der Beklagten habe die außerordentliche bzw. ordentliche Kündigung beschlossen und ihn bevollmächtigt, diese gegenüber dem Kläger auszusprechen.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2016 kündigte der Aufsichtsratsvorsitzende Prof. Dr. H. den Geschäftsführeranstellungsvertrag "erneut hilfsweise und vorsorglich", und zwar "außerordentlich, fristlos sowie erneut hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin" unter Beifügung des Protokolls des entsprechenden Aufsichtsratsbeschlusses der Beklagten. Zur Kündigung sah man sich aufgrund des Inhalts eines Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. Mai 2016 berechtigt.
Das Landgericht hat den Anträgen des Klägers auf Feststellung, dass sein Geschäftsführeranstellungsverhältnis mit der Beklagten durch die ausgesprochenen Kündigungen nicht aufgelöst worden ist (Klageanträge zu 1 und 2) stattgegeben, den auf Zahlung seiner Fix-Vergütung nebst Verzugszinsen bis Januar 2017 gerichteten Klageantrag zu 3 als "derzeit unbegründet" abgewiesen und die mit Klageantrag zu 4 geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht zuerkannt. Einen im Revisionsverfahren nicht angefallenen Bonus des Klägers für 2016 hat das Landgericht unter Berücksichtigung einer Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen i.H.v. 2.770 € zuerkannt.
Mit seinem Klageantrag zu 3 hat der Kläger im Berufungsverfahren zuletzt nur noch Zahlung der Fix-Vergütung für die Monate Mai und Juni 2016 nebst Verzugszinsen verlangt sowie mit seinem Klageantrag zu 4 Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Auf die beidseitige Berufung der Parteien hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil abgeändert, die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Hilfswiderklage der Beklagten verurteilt, an diese 2.770 € zu zahlen.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Aus den Gründen
10 Die Revision des Klägers ist nur teilweise begründet.
11 I. Das Berufungsgericht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 13. Februar 2023 - 1 U 183/21, BeckRS 2023, 47481) hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:
12 Das mit dem Klageantrag zu 1 verfolgte Feststellungsbegehren in Bezug auf die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. März 2016 sei jedenfalls als Zwischenfeststellungsklage zulässig, da die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche (Klageantrag zu 3) auf sein Festgehalt für die Monate Mai und Juni 2016 davon abhingen, ob das durch den Geschäftsführeranstellungsvertrag mit der Beklagten begründete Rechtsverhältnis trotz der Kündigung vom 22. März 2016 in diesem Zeitraum fortbestanden habe. Dieses Feststellungsbegehren sei jedoch unbegründet, da die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. März 2016 das Drittanstellungsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zum 30. April 2016 beendet habe. Die in § 4 Abs. 2 GAV vertraglich als wichtiger Grund vereinbarte "Liquidation der Gesellschaft" stelle zwar keinen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar. Dennoch habe die aus vertraglich vereinbartem wichtigem Grund erklärte außerordentliche Kündigung vom 22. März 2016 das Anstellungsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zum 30. April 2016 beendet.
13 Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Kündigung eines Anstellungsvertrags mit einem Geschäftsführer, der, wie der Kläger, keine Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft besitze, aus einem vertraglich vereinbarten wichtigen Grund, der nicht zugleich einen wichtigen Grund im Sinne der gesetzlichen Reglung darstelle, § 622 BGB entsprechend anwendbar, der zum Nachteil des Geschäftsführers grundsätzlich auch nicht abdingbar sei. Anzuwenden sei aber im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts § 621 BGB als Regelung über die Kündigung von freien Dienstverhältnissen. Jene Regelung sei überdies abdingbar, und insoweit sei der von den Parteien konkret getroffenen Regelung zu entnehmen, dass diese (auch) die gesetzliche Kündigungsfrist für freie Dienstverhältnisse hätten abbedingen, mithin die Kündigung aus wichtigem Grund nach § 4 Abs. 2 GAV als fristlose Kündigung hätten zulassen wollen.
14 Der Feststellungsantrag des Klägers, dass sein Anstellungsverhältnis mit der Beklagten auch nicht durch die nachfolgende außerordentliche Kündigung vom 7. Juni 2016 beendet worden sei (Klageantrag zu 2), sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, da das Anstellungsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 22. März 2016 bereits nicht mehr bestanden habe. Da das Anstellungsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zum 30. April 2016 beendet worden sei, stehe dem Kläger das nur noch für die Monate Mai und Juni 2016 geltend gemachte Festgehalt i.H.v. insgesamt 26.666,66 € (Klageantrag zu 3) nicht zu und deshalb auch nicht die auf die Verfolgung dieses Anspruchs gestützten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 4). Die Hilfswiderklage der Beklagten auf Zahlung von 2.770 € sei im Umfang der bereits vom Landgericht zuerkannten Schadensersatzansprüche begründet.
15 II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.
16 1. Die Klageanträge zu 1 und 2 auf Feststellung des Fortbestehens des Geschäftsführeranstellungsvertrags sind bereits unzulässig.
17 Soweit diese als Zwischenfeststellungsklagen gemäß § 256 Abs. 2 ZPO erhoben worden sind, fehlt ihnen das Rechtsschutzbedürfnis. Die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage setzt neben der Vorgreiflichkeit des festzustellenden streitigen Rechtsverhältnisses voraus, dass dieses Rechtsverhältnis über den gegenwärtigen Prozess hinaus zwischen den Parteien Bedeutung hat oder gewinnen kann (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1993 - V ZR 158/92, BGHZ 124, 321, 322; Urteil vom 28. September 2006 - VII ZR 247/05, NJW 2007, 82 Rn. 12; Urteil vom 6. April 2016 - VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 45; Urteil vom 25. Januar 2023 - VIII ZR 230/21, MDR 2023, 488 Rn. 57). Dafür ist weder etwas festgestellt noch sonst ersichtlich.
18 Einem Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO steht bis zum 30. Juni 2016 bereits der Vorrang der Leistungsklage entgegen. Ein zeitlich über den 30. Juni 2016 hinausgehendes Feststellungsinteresse an der Feststellung des Fortbestands des Geschäftsführeranstellungsvertrags ist mit den Ausführungen des Berufungsgerichts weder zu erkennen noch hat der Kläger trotz der Hinweise des Berufungsgerichts in der richterlichen Verfügung vom 19. Dezember 2022 hierzu etwas vorgetragen.
19 2. Der Kläger hat einen Anspruch auf seine Vergütung für die Monate Mai und Juni 2016 in Höhe von 26.666,66 € nebst Zinsen.
20 Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich aus § 615 Satz 1 BGB in Verbindung mit dem Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers. Nach § 615 Satz 1 BGB kann der zur Dienstleistung Verpflichtete die nach § 611 BGB vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung der nicht erbrachten Dienste verpflichtet zu sein, wenn der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät.Dies beurteilt sich nach §§ 293 ff. BGB. Die Vorschrift gibt keinen selbständigen Anspruch, sondern bewirkt, dass der (ursprüngliche) Vergütungsanspruch dem zur Dienstleistung Verpflichteten erhalten bleibt(BGH, Urteil vom 12. Mai 2022 - III ZR 78/21, NJW 2022, 2269 Rn. 24). Grundlage für den Anspruch des Klägers ist sein Geschäftsführeranstellungsvertrag, welcher jedenfalls bis einschließlich 30. Juni 2016 fortbestand, da weder die außerordentliche Kündigung vom 22. März 2016 noch die vom 7. Juni 2016 diesen zum 30. Juni 2016 beendet hat.
21 a) Die außerordentliche Kündigung vom 22. März 2016 konnte den Geschäftsführeranstellungsvertrag schon deswegen nicht beenden, da sie nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgt ist. Bei einer außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgrund vertraglich vereinbarter wichtiger Gründe gilt die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB.
22 Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
23 Zwar haben die Gesellschafter der Beklagten den maßgeblichen Kündigungsbeschluss auf der Gesellschafterversammlung am 8. März 2016 gefasst. Das Kündigungsschreiben vom 22. März 2016 ist dem Kläger aber erst am 23. März 2016 und damit nach Ablauf der Zweiwochenfrist zugegangen.
24 aa) Es handelt sich bei der mit Schreiben vom 22. März 2016 primär erklärten Kündigung aufgrund der "Liquidation" der Gesellschaft um eine Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB, so dass die Beklagte die Erklärungsfrist von zwei Wochen ab Kenntnis gemäß § 626 Abs. 2 BGB hätte wahren müssen. § 626 Abs. 2 BGB erfasst jede außerordentliche Kündigung (Staudinger/Temming, Neubearbeitung 2022, BGB § 626 Rn. 285; ErfK/Niemann, 24. Aufl., BGB § 626 Rn. 202). Auch für eine Kündigung aufgrund vertraglich vereinbarter wichtiger Gründe gilt die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 11. Mai 1981 - II ZR 126/80, ZIP 1981, 858, 859 f.).
25 Die Kündigung wurde im Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 22. März 2016 auch ausdrücklich als außerordentliche aus wichtigem Grund erklärt. Dass dem Kläger mit der Kündigung (erst) zum 30. April 2016 eine "Auslauffrist" gewährt wurde, nimmt der Kündigung nicht ihre Eigenschaft als außerordentliche. Denn es blieb, auch durch das beigefügte Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 8. März 2016, hinreichend erkennbar, dass trotz der "Auslauffrist" aus wichtigem Grund gekündigt wurde (vgl. BAG, Urteil vom 16. Juli 1959 - 1 AZR 193/57, RdA 1960, 36; MünchKommBGB/Henssler, 9. Aufl., § 626 Rn. 374; Staudinger/Temming, Neubearbeitung 2022, BGB § 626 Rn. 251). Die Frist zum 30. April 2016 blieb zudem hinter der in § 4 Abs. 1 GV für die ordentliche Kündigung vorgesehenen Frist von 12 Monaten zurück.
26 bb) Der Anwendung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB steht nicht das gesetzessystematische Argument entgegen, dass es, auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in Ansehung der zugleich entsprechend anzuwendenden Mindestkündigungsfristen des § 622 Abs. 1 und 2 BGB zu einem (systemwidrigen) doppelten Schutz des Gekündigten käme. Auch bei nur vertraglicher Bestimmung von "wichtigen Gründen" hat der zu Kündigende ein Interesse, rasch Klarheit darüber zu erlangen, ob in Ansehung des Eintritts des Grundes von der Kündigungsbefugnis Gebrauch gemacht wird. Dieses durch § 626 Abs. 2 BGB geschützte Interesse des Gekündigten muss nicht deswegen zurückstehen, weil er über die (analog anwendbaren) Mindestkündigungsfristen des § 622 Abs. 1 und 2 BGB geschützt wird, jedenfalls dann nicht, wenn wie hier nach den anstellungsvertraglichen Regelungen die ordentliche Kündigung nur mit einer Frist möglich ist (12 Monate, § 4 Abs. 1 GAV), welche die Mindestkündigungsfristen des § 622 Abs. 1 und 2 BGB übersteigt. Kündigungen aus vertraglich vereinbarten wichtigen Gründen, welche die vertrag-liche Frist für ordentliche Kündigungen nicht wahren, sind daher als "außerordentliche" Kündigungen nur bei Beachtung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB wirksam.
27 cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Geltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB auch nicht entgegen, dass § 4 Abs. 2 GAV diese Norm nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt. Die Parteien haben in § 4 Abs. 2 GAV lediglich einzelne wichtige Gründe festgeschrieben, ohne weitere Modalitäten der außerordentlichen Kündigung zu regeln. Daher bleibt es im Übrigen beim gesetzlichen Rahmen einer außerordentlichen Kündigung, einschließlich der Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB.
28 dd) Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB begann bereits am auf den 8. März 2016 folgenden Tag zu laufen, § 187 Abs. 1 BGB.
29 (1) Für den tatbestandsmäßigen Beginn der Kündigung aus dem wichtigen Grund der "Liquidation" kommt es zunächst (objektiv) auf den Tag an, an dem die "Auflösung" der Beklagten von ihrer Gesellschafterversammlung beschlossen wurde. Die Auslegung des Berufungsgerichts, nach welcher der Kündigungsgrund der "Liquidation" nicht die Vollbeendigung, sondern die (beschlossene) Auflösung der Gesellschaft bezeichnet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
30 Die Auslegung eines Individualvertrags ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt hat oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentlicher Auslegungsstoff unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist (st. Rspr., BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - II ZR 242/09, ZIP 2011, 2299 Rn. 24 mwN; Urteil vom 17. Januar 2023 - II ZR 76/21, ZIP 2023, 467 Rn. 18; Urteil vom 14. März 2023 - II ZR 152/21, ZIP 2023, 905 Rn. 24; Urteil von 29. Oktober 2024 - II ZR 222/21, zVb).
31 Die Auslegung des Berufungsgerichts lässt eine Verletzung von Auslegungsregeln, Denkgesetzen, Erfahrungssätzen und Verfahrensvorschriften nicht erkennen.
32 (2) Für die die Zweiwochenfrist in Lauf setzende Kenntnis im Sinn von § 626 Abs. 2 BGB kam es vorliegend allein auf den Wissensstand der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 8. März 2016 als zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft an (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1998 - II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92; Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 155/18, ZIP 2019, 1716 Rn. 29 mwN).
33 (a) Maßgebliche juristische Person, welcher eine entsprechende Organkenntnis von dem Kündigungsgrund der "Liquidation" zugerechnet werden muss, ist die beklagte GmbH & Co. KG. Kündigungsberechtigtes Organ der beklagten GmbH & Co. KG ist vorliegend - jedenfalls auch - die Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft, deren Mitglieder am 8. März 2016 mit ihrer Beschlussfassung über die Liquidation der Gesellschaft und die darauf gestützte Kündigung des Klägers positive Kenntnis von dem Kündigungsgrund der "Liquidation" erlangt haben.
34 (b) Nach dem revisionsrechtlich bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co. KG zugrunde zu legenden Sachverhalt haben die Gesellschafter der Beklagten die Zuständigkeit von deren Aufsichtsrat für die Personalkompetenz hinsichtlich der Geschäftsführer ihrer Komplementärin vereinbart.
35 Zwar obliegt die Auslegung von Gesellschaftsverträgen grundsätzlich dem Tatrichter. Im vorliegenden Fall kann der Senat als Revisionsgericht die Auslegung jedoch selbst vornehmen, da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig - den Gesellschaftsvertrag der Beklagten nicht ausgelegt hat und weitere, für die Auslegung maßgebliche tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind. Das gilt selbst dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen sollten (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 23; Urteil vom 15. März 2016 - II ZR 114/15, ZIP 2016, 1376 Rn. 24).
36 (aa) Nach § 9 Abs. 4 Satz 1 GV der Beklagten hat der Aufsichtsrat das Recht, den oder die Geschäftsführer der Komplementärin zu bestellen und abzuberufen sowie den Abschluss, die Änderung und die Beendigung des jeweiligen Dienstvertrags vorzunehmen. Eine solche Gestaltung ist zulässig. Die GmbH & Co. KG kann fakultative Organe wie einen Beirat oder Aufsichtsrat einrichten. Diesem Organ kann auch die Aufgabe zugewiesen werden, einen Geschäftsführeranstellungsvertrag für die GmbH & Co. KG abzuschließen und zu kündigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine solche satzungs- bzw. gesellschaftsvertragsmäßige Übertragung der Kompetenz zur Änderung oder Aufhebung von Dienstverträgen mit Geschäftsführern namentlich auf einen Aufsichtsrat rechtlich unbedenklich (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1999 - II ZR 27/98, ZIP 1999, 1669, 1670).
37 (bb) Die Gesellschafterversammlung der Beklagten hat diese Zuständigkeit ihres Aufsichtsrats für die Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers als Geschäftsführer ihrer Komplementärin in der Gesellschafterversammlung am 8. März 2016 mit der erforderlichen Mehrheit nach § 7 Abs. 4 a) GV an sich gezogen und diese beschlossen.
38 Ein Gesellschafterbeschluss, mit dem der Kläger außerordentlich gekündigt und der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Beklagten bevollmächtigt wird, diesen Gesellschafterbeschluss auszuführen, greift allerdings in die nach dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten ihrem Aufsichtsrat zustehenden Befugnisse ein und setzt damit eine Änderung des Gesellschaftsvertrags mit der dafür nach § 7 Abs. 4 a) GV erforderlichen Mehrheit von 75 % der Stimmen voraus (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1969 - II ZR 224/67, WM 1970, 249, 251). Aus dem Grundsatz der Verbandssouveränität folgt, dass - jedenfalls - ein (auch) mit gesellschaftsfremden Dritten besetzter bzw. besetzbarer Beirat oder Aufsichtsrat bei Erreichen der vertragsändernden Mehrheit wieder abgeschafft, in seinen Kompetenzen beschnitten oder in seinen Entscheidungen aufgehoben werden kann (Born in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 108 Rn. 34; Winter in: Beratungspraxis GmbH & Co. KG, 2017, B 27 mwN). Die Gesellschafter können auch einzelne Entscheidungen dieses Gremiums mit vertragsändernder Mehrheit ändern. Sie müssen eine Entscheidung des Beirats bzw. Aufsichtsrats aber gar nicht erst abwarten, sondern können mit gesellschaftsvertragsändernder Mehrheit selbst in der Sache entscheiden (Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., S. 172; Koller/Kindler/Drüen/Kindler, HGB, 10. Aufl., § 114 Rn. 4b; Staub/Schäfer, HGB, 6. Aufl., § 108 Rn. 51). Denn wenn Beirats- oder Aufsichtsratskompetenzen im Wege der Vertragsänderung generell entzogen oder eingeschränkt werden können, folgt daraus, dass die Gesellschafter erst recht einzelne Angelegenheiten an sich ziehen können. Damit stehen einem Beirat unentziehbare, von der Gesellschaftergesamtheit zu respektierende Kompetenzen nicht zu (Staub/Schäfer, HGB, 6. Aufl., § 108 Rn. 51). Ein Gesellschaftsvertrag ist deshalb stets in diesem Sinne einer Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über Beiratskompetenzen zu verstehen (MünchKommHGB/Grunewald, 5. Aufl., § 161 Rn. 171).
39 Von ihrer so mit vertragsändernder Mehrheit eröffneten Zuständigkeit für die Entscheidung über die Kündigung hat die Gesellschafterversammlung mit ihrer Beschlussfassung am 8. März 2016 auch Gebrauch gemacht. Die erforderliche Mehrheit von 75 % der Stimmen wurde erreicht.
40 (cc) Der Annahme, die Gesellschafterversammlung habe die Entscheidung über die Kündigung "an sich gezogen", womit sie in die Rolle des Organs gerückt ist, dessen Kenntnis für den Beginn der Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB maßgeblich ist, steht nicht entgegen, dass ausweislich des Kündigungsschreibens vom 22. März 2016 später auch der Aufsichtsrat noch die Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags beschlossen hat. Hätten die Kommanditisten die Entscheidung über die Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags dem Aufsichtsrat überlassen wollen, hätten sie nicht die Kündigung beschlossen. Ein rein deklaratorischer Beschluss der Gesellschafterversammlung liegt fern, beinhaltet der Beschluss doch an keiner Stelle einen Hinweis auf eine noch zu treffende Entscheidung des Aufsichtsrats über die Kündigung. Die Gesellschafterversammlung hat - neben der Auflösung der Gesellschaft - auch hinsichtlich der Kündigung des Klägers "durchentschieden". So heißt es in dem Beschluss TOP 2 Abs. 1, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag im Hinblick auf die Liquidation gekündigt "wird", nicht etwa, dass diese Entscheidung erst noch durch den Aufsichtsrat zu treffen sei. Dass die Gesellschafter die maßgeblichen Entscheidungen an sich gezogen haben, unterstreicht der Beschluss TOP 4, nach welchem sie die Kommanditistin N. V. GmbH & Co. KG beauftragt sowie bevollmächtigt haben, unmittelbar im Anschluss an die Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft als deren Vertreterin unter Verzicht auf sämtliche gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften über Form und Fristen eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH abzuhalten, in welcher die - bereits im Beschluss TOP 3 abschließend vorformulierten - Beschlüsse zur Auflösung der Komplementär-GmbH und der Abberufung des Klägers als GmbH-Geschäftsführer zu fassen waren. Dabei wurde bereits festgelegt, dass die Abberufung "mit Wirkung zum Ablauf des zweiten Tages, der auf diese Gesellschafterversammlung folgt" wirksam werden sollte. Eine eventuelle Aufsichtsratssitzung war somit auch für das Wirksamwerden der organschaftlichen Abberufung des Klägers keinerlei "Referenzpunkt". Dem entspricht die Kommunikation der Beklagten mit dem Kläger. Zwar wird in dem Kündigungsschreiben erwähnt, neben der Gesellschafterversammlung habe auch der Aufsichtsrat noch die Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags beschlossen. Als maßgebliche Entscheidung wird jedoch auf diejenige der Kommanditisten am 8. März 2016 abgestellt.
41 (dd) Auch der Umstand, dass die Gesellschafterversammlung am 8. März 2016 beschlossen hat, den Geschäftsführeranstellungsvertrag mit dem Kläger außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Datum zu kündigen oder mittels Aufhebungsvereinbarung zu beenden, steht der Annahme nicht entgegen, sie habe die betreffende Entscheidung über die Kündigung an sich gezogen. Die Alternative ("oder") bedeutet lediglich, dass eine (kurzfristige) Verständigung über einen Aufhebungsvertrag möglich bleiben sollte, nicht aber, dass die Gesellschafterversammlung über die außerordentliche Kündigung erst später noch entscheiden wollte.
42 ee) Bei der Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB handelt es sich um eine Frist i.S.v. § 187 Abs. 1 BGB, so dass die Frist von zwei Wochen am auf den 8. März 2016 folgenden Tag zu laufen begann und mit Ablauf des 22. März 2016 endete, nämlich mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, in den das Ereignis - hier: die Kenntniserlangung der Gesellschafterversammlung - fällt, § 188 Abs. 2 BGB (vgl. BeckOGK BGB/Fervers, Stand 1.9.2024, § 187 Rn. 23.2). Die Beklagte hat die am 22. März 2016 abgelaufene Erklärungsfrist nicht gewahrt.
43 (1) Maßgeblich für die Wahrung der Ausschlussfrist ist nicht die Abgabe der Kündigungserklärung, sondern der Zugang beim Kündigungsempfänger (BeckOGK BGB/Günther, Stand 1.8.2024, § 626 Rn. 199). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts ging die Kündigung dem Kläger erst am 23. März 2016 zu.
44 (2) Für den Zugang der Kündigungserklärung bei dem Kläger kann entgegen der Rechtauffassung der Beklagten nicht auf den 8. März 2016 abgestellt werden. Die Kündigungserklärung ist nach der entsprechenden Beschlussfassung gesondert abzugeben (BGH, Urteil vom 16. Juli 2007 - II ZR 109/06, ZIP 2007, 1658 Rn. 9 mwN). Dabei können die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung und die Umsetzung der getroffenen Entscheidung in einem Akt zusammenfallen (BGH, Urteil vom 22. September 1969 - II ZR 144/68, BGHZ 52, 316, 321; Urteil vom 27. März 1995 - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 646). Ist der Geschäftsführer bei der Beschlussfassung anwesend, so kann die Kündigung durch Unterzeichnung des Beschlussprotokolls durch ihn wirksam werden (OLG Nürnberg, NZG 2001, 810, 811), was aber erfordert, dass der Beschluss über den verbandsbezogenen Willensbildungsakt "Kündigung" bereits die Erklärung derselben gegenüber dem zu kündigenden Geschäftsführer enthält. Ein solcher Erklärungswille kann hier aber nicht festgestellt werden. Es mangelte der Gesellschafterversammlung vielmehr an einem solchen Erklärungswillen gegenüber dem Kläger, da sie ausdrücklich den Aufsichtsratsvorsitzenden bevollmächtigt und angewiesen hat, die betreffenden, den Beschluss umsetzenden Erklärungen gegenüber dem Kläger abzugeben. Tatsächlich wurde die Kündigung dann durch den Aufsichtsratsvorsitzenden mit Schreiben vom 22. März 2016 gegenüber dem Kläger ausdrücklich erklärt.
45 ff) Die vom Berufungsgericht für die Zulassung der Revision als entscheidungserheblich angesehene Frage, welche Kündigungsfristen auf Dienstverhältnisse von Geschäftsführern, die keine Mehrheitsgesellschafter sind, anzuwenden sind, stellt sich aufgrund der Verfristung der Kündigung deshalb hier nicht. Zutreffend ist das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welches § 621 BGB für einschlägig erachtet (BAG, Urteil vom 11. Juni 2020 - 2 AZR 374/19, BAGE 171, 44, Rn. 35 ff.), der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widerspricht, wonach auf Geschäftsführer, die keine Mehrheitsgesellschafter sind, die zum Nachteil des Geschäftsführers grundsätzlich nicht abdingbaren (§ 622 Abs. 4, 5 BGB) Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse (§ 622 Abs. 1 und 2 BGB) entsprechend anzuwenden sind (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1981 - II ZR 92/80, BGHZ 79, 291, 292 ff.; Urteil vom 11. Mai 1981 - II ZR 126/80, ZIP 1981, 858; Urteil vom 26. März 1984 - II ZR 120/83, BGHZ 91, 217, 219 f.; Urteil vom 9. März 1987 - II ZR 132/86, ZIP 1987, 707, 708; Urteil vom 29. Mai 1989 - II ZR 220/88, ZIP 1989, 1190, 1192; Urteil vom 20. August 2019 - II ZR 121/16, ZIP 2019, 1805 Rn. 34), und zwar auch dann, wenn wie hier der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Komplementärin einer Kommanditgesellschaft ist, den Anstellungsvertrag unmittelbar mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat (BGH, Urteil vom 9. März 1987 - II ZR 132/86, ZIP 1987, 707, 708).
46 Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Der Gesetzgeber hat anlässlich der Reform des Kündigungsfristengesetzes (KündFG) im Jahr 1993 (RegE, BT-Drs. 12/4902) in offenbarer Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Frage der Kündigungsfristen für Organmitglieder weder ausdrücklich angesprochen noch korrigiert. Damit hat er diese Rechtsprechung offensichtlich gebilligt. Das Kündigungsfristengesetz erfolgte in Vollziehung eines Gesetzgebungsauftrags des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 82, 126, 154 f.) und zielte ausschließlich darauf ab, die Fristen bei der ordentlichen Kündigung für Arbeiter und Angestellte sowie die Rechtslage in den alten und den neuen Bundesländern zu vereinheitlichen (RegE, BT-Drs. 12/4902, 6). Deshalb ist eine bewusste Wertentscheidung des Gesetzgebers, den persönlichen Anwendungsbereich des § 622 BGB ausschließlich auf Arbeitsverhältnisse zu beschränken, von der das Bundesarbeitsgericht ausgeht, nicht erkennbar. Entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 11. Juni 2020 - 2 AZR 374/19, BAGE 171, 44 Rn. 48 ff.) hat der Bundesgerichtshof an seiner Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten des Kündigungsfristengesetzes festgehalten (BGH, Urteil vom 20. August 2019 - II ZR 121/16, ZIP 2019, 1805 Rn. 34).
47 b) Auch die außerordentliche Kündigung vom 7. Juni 2016 hat den Geschäftsführeranstellungsvertrag vor dem 30. Juni 2016 nicht beendet. Es fehlt an einem wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB für diese außerordentliche Kündigung, da der anwaltliche Schriftsatz vom 18. Mai 2016 keine "nötigenden" Passagen enthält.
48 aa) Es ist in erster Linie eine tatrichterliche Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung zu werten ist. Aufgabe des Revisionsgerichts ist es, die vom Berufungsgericht vorgenommene Wertung darauf zu überprüfen, ob der Rechtsbegriff des wichtigen Grundes richtig erkannt und die Grenzen des dem Tatrichter eingeräumten Ermessens bei der Würdigung des von ihm festgestellten Sachverhalts eingehalten worden sind; ein Ermessensfehler liegt insbesondere dann vor, wenn wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder nicht vollständig gewürdigt worden sind (BGH, Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 155/18, ZIP 2019, 1716 Rn. 26 mwN).
49 Das Berufungsgericht hat sich als berufener Tatrichter im Berufungsurteil, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, inhaltlich mit dem anwaltlichen Schriftsatz vom 18. Mai 2016, aus dem allein ein wichtiger Grund für die erneute außerordentliche Kündigung folgen kann, nicht befasst. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat die Auslegung nachholen und in der Sache selbst entscheiden (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2023 - II ZB 6/22, BGHZ 236, 54 Rn. 28 mwN; Urteil vom 27. April 2023 - VII ZR 144/22, WM 2024, 134 Rn. 21).
50 bb) Als wichtiger Grund kommt zwar auch die schuldhafte Verletzung der Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB in Betracht (vgl. BAG, Urteil vom 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09, BAGE 137, 54 Rn. 29 ff.), wobei sich eine Partei Äußerungen ihres Prozessbevollmächtigten entsprechend § 85 Abs. 1 ZPO zurechnen lassen muss. Gegen diese Pflicht zur Rücksichtnahme kann der Arbeitnehmer bzw. Angestellte auch verstoßen, wenn er (ggf. auch in subtiler Weise, unter Hinweis auf entstehende Nachteile) mit einem empfindlichen Übel droht, um z.B. die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen. Voraussetzung ist aber die Widerrechtlichkeit der Drohung. Das In-Aussicht-Stellen eines zukünftigen Übels ist widerrechtlich, wenn entweder das Mittel, das heißt das angedrohte Verhalten, oder der Zweck, das heißt die erwartete Willenserklärung, oder jedenfalls der Einsatz des fraglichen Mittels zu dem fraglichen Zweck von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist. Darlegungen in einer gerichtlichen Auseinandersetzung sind danach zulässig, auch wenn sie dem Prozessgegner nicht genehm sind. Anderes gilt nur für bewusst oder leichtfertig falsche Tatsachenbehauptungen (BAG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258, Rn. 20 ff.).
51 Nach diesen Maßstäben liegt eine widerrechtliche Drohung und damit ein wichtiger Grund nicht vor. Zwar mag der Verweis darauf, dass die Auseinandersetzung im gerichtlichen Verfahren, also ohne eine einvernehmliche außergerichtliche Beendigung, eben nicht "geräuschlos" ablaufen werde, weil auch Interna aus dem Anstellungsverhältnis darzulegen sein werden, für die Beklagte ein empfindliches Übel darstellen. Das In-Aussicht-Stellen dieses Übels ist aber nicht widerrechtlich. Denn Anzeichen dafür, dass der Kläger falsche Tatsachen behaupten wollte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Verweis auf die Behandlung interner Tatsachen aus dem Anstellungsverhältnis in einem gerichtsöffentlichen Verfahren impliziert nicht die Ankündigung, der Kläger wolle seine Ziele durch Falschbehauptungen erreichen. Der anwaltliche Schriftsatz ist auch nicht so zu verstehen, dass der Kläger eine Offenlegung gegenüber einer weiteren Öffentlichkeit beabsichtigt.
52 c) Die Beklagte befand sich im Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB). Kündigt die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis und ist die Kündigung nicht gerechtfertigt, so kommt sie mit der Annahme der Arbeitsleistung auf jeden Fall dann in Verzug gemäß § 615 Satz 1 BGB, wenn der Geschäftsführer der Kündigung nachdrücklich widerspricht. Das Angebot, die Arbeitsleistung zu erbringen, liegt in diesem Widerspruch in Verbindung mit der bisherigen Dienstleistung (BGH, Urteil vom 15. Februar 1968 - II ZR 92/66, WM 1968, 611; Urteil vom 3. Mai 1973 - II ZR 15/71, WM 1973, 782, 785). Der Kläger hat hier gegen beide ausgesprochenen Kündigungen unter dem 12. April 2016 bzw. 13. Juni 2016 Kündigungsschutzklage erhoben. Hierin lag ein deutlicher Widerspruch im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung. Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Landgerichts im Übrigen zudem auch deutlich zu erkennen gegeben, dass für sie eine weitere Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer bzw. Liquidator unter keinen Umständen mehr in Frage kam.
53 3.Der Anspruch in Höhe von 26.666,66 € ist durch die (Hilfs-)Aufrechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 30. Oktober 2017 in Höhe von 2.770 € erloschen, womit er noch in Höhe von 23.896,66 € besteht.
54 4. Der Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist unbegründet. Die tatsächlichen Voraussetzungen hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Zwar hat der Kläger mit Schriftsatz vom 12. April 2018 vorgetragen, in dem Schriftverkehr mit der Beklagten sei diese mehrfach anwaltlich zur Zahlung des Arbeitslohnes aufgefordert worden, was jedoch seitens der Beklagten bestritten worden ist. Es hätte deshalb darauf dem Kläger oblegen, substantiiert zu der vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung durch seinen Rechtsanwalt vorzutragen, woran es fehlt.
55 III. Das Berufungsurteil ist danach im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da sie zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).