OLG Frankfurt a. M.: Frist für Geltendmachung unzulässiger De-facto-Vergabe
OLG Frankfurt am Main, 3.5.2016 – 11 Verg 12/15
Leitsatz
1. Eine unzulässige De-facto-Vergabe kann auch im Falle von Vertragsänderungen nur innerhalb von sechs Monaten nach Vertragsabschluss geltend gemacht werden. Auf den Zeitpunkt der Änderung kann für den Fristbeginn nur dann abgestellt werden, wenn die Änderung isoliert angegriffen werden kann.
2. Ein unterlegener Bieter kann im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens nicht verlangen, dass der Auftraggeber im Rahmen seines Vertragsverhältnisses mit dem bezuschlagten Bieter von etwaigen Leistungsstörungsrechten Gebrauch macht.
GWB a.F. § 101b Abs. 2
Aus den Gründen
I.
Der Antragsgegner schrieb mit europaweiter Bekanntmachung vom 14.06.2014 den Auftrag "Nutzung, Migration und Pflege eines online-Rechtsinformationssystems für das Land Hessen" aus.
Als Vertragslaufzeit war der 17.11.2014 bis 16.11.2018 vorgesehen. Nach den Ausschreibungsbedingungen sollten für die ausgeschriebene Leistung drei Verträge abgeschlossen werden: ein "Vertrag über die Beschaffung von IT-Dienstleistungen", ein "Vertrag über die Pflege von Standardsoftware" sowie ein "Vertrag über die zeitliche befristete Überlassung von Standardsoftware". Der Vertrag über die Beschaffung von IT-Dienstleistungen regelte die Migration der vorhandenen Datenbestände in ein vom Auftragnehmer betriebenes datenbankbasiertes Online-Rechtsinformationssystem. Diese Migration sollte zwei Monate nach Vertragsbeginn abgeschlossen sein. Für die Migration war ein Festpreis vorgesehen, für den Gegenstand der beiden anderen Verträge jeweils eine jährliche Vergütung.
Das vorhandene online-Rechtsinformationssystem war von der Antragstellerin aufgebaut und bislang auch von ihr gepflegt worden.
An der Ausschreibung beteiligten sich u.a. die Antragstellerin und die Beigeladene. Die Beigeladene gab das bezogen auf die Zuschlagskriterien wirtschaftlich günstigste Angebot ab. Ihr wurde - nach Vorabinformation der anderen Bieter gemäß § 101a GWB a.F. - am 17.11.2014 der Zuschlag erteilt. Die schriftliche Fixierung der gegenüber den Ausschreibungsbedingungen - einschließlich der Vertragslaufzeiten - unveränderten Verträge erfolgte am 23.07.2015.
Ab Ende November 2014 kam es zu umfangreicher Korrespondenz zwischen allen Beteiligten, um die Migration der bislang von der Antragstellerin gepflegten Daten auf das System der Beigeladenen zu bewerkstelligen. Die vorgesehene Zwei-Monat-Frist zur Datenmigration konnte nicht eingehalten werden, wobei die Gründe für die Verzögerung zwischen den Beteiligten streitig sind. Tatsächlich ging das Rechtsinformationssystem der Beigeladenen erst am 1.10.2015 in Betrieb. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Antragstellerin vom Antragsgegner weiterhin gegen eine monatliche Vergütung mit der Pflege der Datenbanken betraut.
Mit Schreiben vom 06.07.2015 rügte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner eine bis dahin nach ihrer Ansicht erfolgte dreifache Verlängerung der Ausführungsfrist als eine wesentliche Vertragsänderung, die eine vergaberechtlich unzulässige direkte Vergabe darstelle und bat bis spätestens 13.07.2015 um Abhilfe dergestalt, dass die Ausschreibung "Nutzung, Migration und Pflege eines online-Rechtsinformationssystems für das Land Hessen" wiederholt werde. Der Antragsgegner kündigte zunächst eine hausinterne Prüfung an und teilte sodann mit der Antragstellerin am 19.08.2015 zugegangenem Schreiben vom 10.08.2015 mit, dass der Rüge nicht abgeholfen werde. Die Antragstellerin beantragte daraufhin am 28.08.2015 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei zwar zulässig. Hinsichtlich der Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB a.F. reiche es bei behaupteter de-facto-Vergabe aus, dass die Antragstellerin mit Stellung des Nachprüfungsantrages und Teilnahme am vorangegangenen Vergabeverfahren ihr Interesse an dem Auftrag zum Ausdruck gebracht hatte. Die 30-Tage-Frist nach § 101b Abs. 2 GWB a.F. sei gewahrt; diese habe nicht schon mit der Interimsbeauftragung der Antragstellerin durch den Antragsgegner zu laufen begonnen, sondern erst mit Erhalt des Schreibens des Antragsgegner vom 10.8.2015, weil mit diesem Schreiben die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung mitgeteilt worden war.
Der Nachprüfungsantrag sei jedoch unbegründet. Es liege keine unzulässige Direktvergabe i.S.d. § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB a.F. vor, weil der zwischen dem Anfechtungsgegner und der Beigeladenen mit Zuschlagserteilung vom 17.11.2014 geschlossene Vertrag nicht verändert worden sei. Der Vertrag sei so, wie er auch der Ausschreibung zugrunde gelegen habe, schriftlich fixiert worden. Die Überschreitung der vertraglich vereinbarten Ausführungsfrist sei dem Leistungsstörungsrecht nach den Vorschriften des BGB zuzuordnen. Der Vertrag sei auch nicht konkludent dadurch verändert bzw. angepasst worden, dass der Antragsgegner die verspätete Leistung der Beigeladenen entgegengenommen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Anfechtungsgegner - so er dies nicht bereits getan habedie Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Beigeladene nicht mehr möglich sein sollte. Der Antragsgegner sei nach haushaltsrechtlichen Vorschriften verpflichtet, einen entstandenen Schaden gegenüber der Beigeladenen geltend zu machen. Der Antragstellerin stehe jedoch insoweit kein subjektives Recht zur Seite.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 23.11.2015 zugestellten Beschluss am 07.12.2015 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre Anträge vor der Vergabekammer in vollem Umfang weiterverfolgt.
Der Antrag sei zulässig; insbesondere sei er nicht nach § 101b Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. verfristet. Bei richtlinienkonformer Auslegung werde die 30-tägige Frist nur durch den Erhalt einer Information durch den Auftraggeber entsprechend § 101a Abs. 1 GWB a.F. ausgelöst. Im Übrigen habe sich aus den früheren Schreiben des Antragsgegners weder ergeben, bis wann die Ausführungsfrist verlängert werde, noch sei ihnen eine vergaberechtliche Rechtfertigung für die Vertragsänderung zu entnehmen.
Zur Begründetheit wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihre Ausführungen vor der Vergabekammer, wonach die mehrfache Verlängerung der Ausführungsfristen zu einer wesentlichen Vertragsänderung führe, die eine rechtswidrige Direktvergabe darstelle.
Eine wesentliche Vertragsänderung liege nach der Rechtsprechung des EuGH dann vor, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweise als der ursprüngliche Auftrag, aber auch wenn sich das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändere. Beides sei hier der Fall. Die Beigeladene habe wesentliche Leistungen nicht wie vorgesehen im Januar 2015, sondern erst zum 01.10.2015 erbracht; diese Leistungserbringung sei im Übrigen immer noch mangelhaft. Die Zeit bis zur Leistungserbringung stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit den sachlichen und personellen Ressourcen des Vertragspartners und sei daher kalkulationsrelevant. Kürzere Ausführungsfristen führten in der Regel zu einem höheren Personalaufwand, so dass Bieter möglicherweise anders kalkuliert hätten, wenn ihnen von vorneherein deutlich mehr Zeit zur Leistungserbringung eingeräumt worden wäre.
Auch sinke durch den verzögerten Betriebsbeginn und den verkürzten Leistungszeitraum der Wert der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen sowohl hinsichtlich der Migration, als auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Pflegeleistungen.
Leistungsstörungsrechte seien zwar grundsätzlich geeignet, Leistungsansprüche der Parteien im Falle von Verzug oder Schlechtleistung zum Ausgleich zu bringen. Der Antragsgegner mache jedoch von seinen Leistungsstörungsrechten keinen Gebrauch. In einem solchen Verzicht auf die Geltendmachung von Leistungsstörungsrechten liege eine faktische Vertragsänderung. In tatsächlicher Hinsicht habe der Antragsgegner nicht behauptet, dass er Leistungsstörungsrechte geltend gemacht habe. Ihn treffe insoweit eine Nachweis- und Dokumentationspflicht, weil ansonsten der unterlegene Bieter im Falle einer faktischen Vertragsanpassung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten beraubt wäre. Die Vergabekammer sei im Übrigen aufgrund ihrer Amtsaufklärungspflicht gem. § 110 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet gewesen, die Frage der Geltendmachung von Leistungsstörungsrechten aufzuklären. Die bloße Möglichkeit, Leistungsstörungsrechte auch noch in der Zukunft geltend machen zu können, sei insoweit nicht ausreichend. Bestimmte Leistungsstörungsrechte, wie etwa Kündigung des Vertrages über die Datenmigration, stünden aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Abnahme nicht mehr zur Verfügung
Die Annahme einer wesentlichen Vertragsänderung ergebe sich auch aus dem teilweisen Untergang des ursprünglichen Leistungsanspruches infolge von Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB. Im Hinblick auf den prägenden Dauerschuldcharakter des Auftrages liege vorliegend ein absolutes Fixgeschäft vor. Die Migration der Datenbestände habe spätestens 2 Monate nach Vertragsschluss beendet sein sollen. Leistungen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Pflege der Datenbank stünden, seien mit Ablauf der Frist jedenfalls teilweise unmöglich geworden. Der Leistungsanspruch hinsichtlich des Betriebs des Rechtsportals habe sich gegenüber der ursprünglich vereinbarten Leistungszeit entsprechend verkürzt mit der Folge, dass der Wert der Leistung erheblich gesunken sei. Die Verkürzung des Erfüllungsanspruchs von mehr als acht Monaten wirke wie eine Beschneidung der Vertragslaufzeit.
Der Antragsgegner verletzte sowohl den vergaberechtlichen Gleichheitsgrundsatz als auch den vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatz. Die Nichtgeltendmachung von Leistungsstörungsrechten führe im Ergebnis zu einer Benachteiligung des unterlegenen Bieters, der seine Kalkulation auf seriöse Grundlagen stelle. Es käme zu einer Wettbewerbsverzerrung, wenn es Bietern ermöglicht würde, mit uneinhaltbaren Zusagen eine Ausschreibung für sich zu entscheiden und dann im Nachhinein im Wege des Verzichts auf vertragliche Pflichten Vertragsanpassungen vorgenommen würden.
Die unterlassene Geltendmachung von Leistungsstörungsrechten widerspreche außerdem dem vergaberechtlichen Grundsatz einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung. Hierauf könne sich auch die Antragstellerin berufen.
Der Antragsgegner könne sich auch nicht auf den Ausnahmetatbestand des Art. 72 der Richtlinie 2014/24/EU berufen. Eine Vorwirkung der Richtlinie komme nicht in Betracht; im Übrigen sei der Ausnahmetatbestand auch nicht einschlägig.
Die Antragstellerin beantragt,
1) den Beschluss der zweiten Vergabekammer des Landes Hessen vom 18.11.2015, 69d - VK - 42/2015, aufzuheben;
2) festzustellen, dass der zwischen dem Beschwerdegegner und der Beigeladenen durch Zuschlag vom 17.11.2014 geschlossene Vertrag über die "Nutzung, Migration und Pflege eines online-Rechtsinformationssystems für das Land Hessen" in seiner derzeitigen Fassung nach § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB unwirksam ist und die Beschwerdeführerin durch die Direktvergabe in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist;
3) den Beschwerdegegner zu verpflichten, bei fortbestehender Vergabeabsicht ein neues Vergabeverfahren über die "Nutzung, Migration und Pflege eines online-Rechtsinformationssystems für das Land Hessen" unter Einhaltung der vergaberechtlichen Vorgaben durchzuführen;
4) hilfsweise: den Beschwerdegegner zu verpflichten, sämtliche ihm zustehende Leistungsstörungsrechte der gegenüber der Beigeladenen innerhalb von einem Monat nach Erlass des Beschlusses des OLG Frankfurt geltend zu machen;
5) dem Beschwerdegegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin aufzuerlegen;
6) die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der Vergabekammer gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.
Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt darüber hinaus,
der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene halten den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig.
Der nach Art. 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB a.F. i.V.m. § 2 Abs. 1 VgV maßgebliche Schwellenwert von 207.000 Euro werde nicht erreicht. Maßgeblich sei nicht der Wert des ursprünglichen Auftrages, sondern lediglich der Wert der (vermeintlichen) Änderung. Tatsächlich liege keine Preiserhöhung vor, weil die Migrationsphase pauschal abgegolten werde.
Die 30-tägige Präklusionsfrist nach § 101b Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 GWB a.F. sei verstrichen. Die Antragstellerin habe spätestens zum Zeitpunkt ihrer Rüge am 6.7.2015 vollumfängliche Kenntnis gehabt. Soweit man für den Fristablauf eine Information durch den Auftraggeber verlange, stelle spätestens die E-Mail vom 24.6.2015, in der umfassend über die Gründe für die Verlängerung der Migrationsphase informiert worden sei, eine solche Information dar. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Nachprüfungsantrags am 28.8.2015 sei auch die sechsmonatige Präklusionsfrist des § 101b Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GWB a.F. verstrichen gewesen. Da die angebliche Direktvergabe nach dem Vortrag der Antragstellerin mit der Verlängerung der Ausführungsfrist einhergegangen sei, sei auf den Ablauf der vertraglich vorgesehenen Ausführungsfrist am 17.1.2015 abzustellen.
Die Antragstellerin sei nicht gem. § 107 Abs. 2 GWB a.F. antragsbefugt, weil ihr durch den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß kein Schaden entstanden sei bzw. drohe. Es sei darauf abzustellen, ob der behauptete Vergaberechtsverstoß geeignet sei, die Aussichten des betroffenen Bieters auf den Zuschlag zu beeinträchtigen. Das Vergabenachprüfungsverfahren diene jedoch nicht dazu, einem unterlegenen Bieter eine Neukalkulation seines im ersten Verfahren preislich zu hoch angesetzten Angebots zu ermöglichen. Hinsichtlich der gerügten nachträglichen Verlängerung der Migrationsfrist könne der Antragstellerin schon deshalb kein Schaden entstehen, weil sie selbst als bisherige Vertragspartnerin des Antragsgegners überhaupt keine Migrationsleistungen hätte erbringen müssen.
Die Antragstellerin handele auch rechtsmissbräuchlich, weil sie durch ihr eigenes vertragswidriges Verhalten erst die Gründe für die vermeintlich wesentliche Vertragsänderung im Verhältnis Antragsgegner / Beigeladene geschaffen habe.
Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet. Es handele sich bereits nicht um eine Vertragsänderung. Der am 17.11.2014 mit Zuschlagserteilung zustande gekommene Vertrag sei am 23.7.2015 mit unverändertem Leistungsinhalt fixiert worden. Bei dem angegebenen Zeitpunkt der Fertigstellung der Migrationsleistung "bis spätestens zwei Monate nach Vertragsschluss" handele es sich um eine bloße Modalität der Leistung ähnlich der Angabe von Bauzeiten; deren Anpassung stellten i.S.d Vergaberechts keine Vertragsänderungen dar.
Eine etwaige Vertragsänderung sei jedenfalls nicht wesentlich. Es würden keine neuen wettbewerbsrelevanten Bedingungen eingeführt; der vertraglich festgelegte Leistungsumfang sei nicht erweitert worden und das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages sei unangetastet geblieben. Zumindest sei die vermeintliche Vertragsänderung bereits im ursprünglichen Vertragswerk angelegt gewesen, weil die einbezogenen Bestimmungen von § 5 VOL/B bei Behinderungen durch Umstände, die nicht vom Auftragnehmer zu vertreten sind, eine angemessene Verlängerung der Ausführungsfristen vorsähen. Die Beigeladene habe nach der Leistungsbeschreibung davon ausgehen dürfen, dass sie zur Migration den vollständigen und migrationsfähigen Altbestand der vorhandenen Daten erhalten würde, einschließlich des Altbestandes des Bürgerservices und der Rechtsgebietstaxonomie. Die zunächst zur Migration bereit gestellten Daten hätten dem jedoch nicht entsprochen. Darin liege eine nicht von der Beigeladenen zu vertretende Behinderung
Auch ein etwaiger Verzicht auf die Geltendmachung von etwaigen zivilrechtlich begründeten Leistungsstörungsrechten könne nicht als wesentliche Vertragsänderung angesehen werden.
Dass es sich bei der nachträglichen Anpassung von Ausführungsfristen nicht um eine Vertragsänderung wesentlicher Natur handele, ergebe sich auch aus einer Vorwirkung der Richtlinie 2014/24/EU. Sämtliche Voraussetzungen des Art. 72 lit c) der Richtlinie i.V.m. § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Satz 2 GWB n.F. lägen vor.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 116, 117 GWB a.F.).
Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der auf Aufhebung der Vergabekammerentscheidung gerichtete Beschwerdeantrag zu 1) ist unbegründet, weil die Vergabekammer im Ergebnis zurecht die Nachprüfungsanträge zu 1) und 2) (= Beschwerdeanträge zu 2) und 3)) zurückgewiesen hat (im Folgenden unter 1) und 2)) Der darüber hinausgehende neue Beschwerdeantrag zu 4) ist unzulässig (im Folgenden unter 3).
1)
Der Beschwerdeantrag zu 2), mit dem die Antragstellerin die Feststellung der Nichtigkeit des zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen abgeschlossenen Vertrages begehrt, ist bereits unzulässig.
a) Allerdings ist der Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts nach § 100 Abs. 1 GWB a.F. eröffnet, da der den in § 2 Abs. 1 S. 1 VgV in Bezug genommenen EU-Schwellenwert, der im maßgeblichen Zeitraum 207.000 Euro betrug, überschritten wird.
Zwar wird in der Rechtsprechung weitgehend angenommen, dass bei einer vergaberechtlich relevanten Vertragsänderung für die Ermittlung des Schwellenwertes der Wert der Änderung maßgeblich ist (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 28.08.2015, 1 Verg 1/15; OLG Celle, Beschluss vom 1.08.2012, 13 Verg 8/09; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.2.2014, Verg 32/13; OLG Koblenz, Beschluss vom 24.03.2014, 1 Verg 1/15). Dies betraf jedoch jeweils Fälle, in denen eine nachträgliche quantitative Erweiterung des Vertragsgegenstandes als unzulässige de-facto-Vergabe angegriffen wurde. Diese Erweiterungen waren vom ursprünglichen Vertragsgegenstand separierbar und hätten daher auch separat ausgeschrieben werden können.
Im vorliegenden Fall greift die Antragstellerin jedoch wie insbesondere auch aus ihren Anträgen zu 2) und 3) ersichtlich - nicht isoliert die von ihr behauptete Vertragsänderung, sondern den zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen bestehenden Vertrag insgesamt an; sie hält diesen Vertrag für unwirksam und begehrt die Neuausschreibung der gesamten in dem Vertrag geregelten Dienstleistungen.
Vor diesem Hintergrund ist auf den Nettowert des Gesamtauftrages abzustellen; dieser überschreitet ohne Weiteres den Schwellenwert.
b) Die Antragstellerin ist auch nach § 107 Abs. 2 GWB a.F. antragsbefugt. Sie hat ihr Interesse an dem Auftrag zum einen durch ihre Teilnahme an der ursprünglichen Ausschreibung und zum anderen durch ihren Nachprüfungsantrag hinreichend belegt.
Soweit § 107 Abs. 2 GWB a.F. weiter voraussetzt, dass dem Antragsteller durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, sind an diese Voraussetzungen keine hohen Anforderungen zu stellen (BVerfG NZBau 2004, 564 [BVerfG 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03]). Zwar hat die Antragstellerin selbst die von der Beigeladenen angebotene Migrationsleistung, deren Verzögerung sie rügt, überhaupt nicht angeboten, da eine solche bei Vergabe an die Antragstellerin als bisheriger Datenbankbetreiberin nicht notwendig wäre. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass bei einer erneuten Ausschreibung unter Berücksichtigung der nach Auffassung der Antragstellerin erforderlichen längeren Migrationsfrist von der Beigeladenen und etwaigen dritten Bietern ein höherer Betrag für die Migrationsleistung angesetzt worden wäre, so dass insgesamt die Zuschlagschancen für die Antragstellerin steigen würden. Dies ist für die Antragsbefugnis ausreichend (vgl. BGHZ 183, 95).
c) Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil der abgeschlossene Vertrag bestandskräftig ist.
Der Antrag ist ausdrücklich darauf gerichtet festzustellen, "dass der durch Zuschlag vom 17.11.2014 abgeschlossene Vertrag... in seiner derzeitigen Fassung..." unwirksam ist.
aa) Dieser Vertrag kann jedoch nicht mehr angegriffen werden. Der Vertrag ist durch den am 17.11.2014 erteilten Zuschlag zustande gekommen (§ 21 EG VOL/A, vgl. Brauer in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2. Aufl., § 114 GWB Rdnr. 25). Ein wirksamer erteilter Zuschlag kann im Nachprüfungsverfahren nicht aufgehoben werden (§ 114 Abs. 2 Satz 1 GWB a.F.).
bb) Soweit die Antragstellerin sich auf eine unzulässige De-facto-Vergabe beruft, ist der Nachprüfungsantrag zu 2) nach § 101b Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. verfristet, weil er nicht innerhalb von sechs Monaten nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist. Auch wenn, wie die Antragstellerin meint, der ursprüngliche Vertrag durch nachträgliche Änderungen so verändert worden wäre, dass eine Neuausschreibung erforderlich geworden wäre, könnte dieser ursprüngliche Vertrag nicht als von Anfang an und damit vollumfänglich rückwirkend als unwirksam angesehen werden (VK Bund, Beschluss vom 12.11.2012, VK 1 - 109/12 - juris unter Rndr. 41). Denn nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist steht fest, dass der Vertrag endgültig wirksam ist. (vgl. König in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 3. Aufl., § 101b GWB Rdnr. 6). Ein solcher Vertrag kann vor Ablauf der Vertragslaufzeit wirksam nur von den Vertragsparteien beendet werden (VK Bund aaO).
cc) Etwas anderes gilt nur im Falle quantitativer Vertragsänderungen, bei denen sich die Feststellung der Unwirksamkeit auf den zusätzlichen Auftrag beschränken kann (vgl. VK Bund, Beschluss vom 2.9.2013, VK 2 - 74/13). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
2)
Der Beschwerdeantrag zu 3), mit der die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners zur Neuausschreibung verfolgt, ist entsprechend den Ausführungen zu oben 1) a) und b) zwar zulässig.
Er ist jedoch unbegründet. Der Antragsgegner kann zu einer Neuausschreibung schon deshalb nicht verpflichtet werden, weil er weder einen Beschaffungsbedarf hat noch ihm aus vergaberechtlichen Gründen die Beendigung des derzeitigen Vertrages mit der Beigeladenen aufgegeben werden kann.
a) Wie oben unter 1) a) dargelegt, sind die zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen abgeschlossenen Verträge vergaberechtlich nicht (mehr) angreifbar, sondern für die beiden Vertragsparteien bindend.
b) Eine Unwirksamkeit aus sonstigen (zivilrechtlichen) Gründen ist nicht ersichtlich.
c) Der Antragsgegner ist auch nicht zur außerordentlichen Beendigung der Verträge verpflichtet.
aa) Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, in Anlehnung an das Urteil des EuGH vom 10.04.2003 in den Rechtssachen C- 20/01 und C 28/01 müsse dem Antragsgegner ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehen, zu dessen Ausübung er auch verpflichtet sei.
Dem kann nicht gefolgt werden. Soweit sich aus den Entscheidungen des EuGH vom 10.04.2003 in den Rechtssachen C-20/01 und C 28/01 sowie vom 18.07.2007 in der Rechtssache C-503/04 eine primärrechtliche Verpflichtung der Vertragsstaaten ergibt, vergaberechtswidrig zustande gekommene Verträge zu beenden, begründet dies nach allgemeiner Auffassung keinen subjektiven Bieterrechtsschutz (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 04. November 2014 - 1 Verg 1/14 -, juris Rdnr. 73; KG, Beschluss vom 10.04.2012, Verg 7/11 - juris Rdnr. 99 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Juni 2008 - VII- Verg 23/08 -, juris Rdnr. 60; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 06. März 2012 - Verg W 15/11 -, juris Rdnr. 41). Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 2007/66/EG soll zwar ein Vertrag im Fall der "schwerwiegendsten Verletzung" des (EU-)Vergaberechts durch eine rechtswidrige freihändige Vergabe "grundsätzlich als unwirksam gelten", dies soll aber nicht "automatisch" der Fall sein, sondern durch die Nachprüfungsinstanzen festgestellt werden. Für diese Feststellung können die Mitgliedsstaaten eine "Mindest-Verjährungsfrist" vorsehen, was - im Rahmen des Art. 2f Abs. 1 der Richtlinie 2007/66/EG - in § 101b Abs. 2 GWB a.F. umgesetzt worden ist. Aus diesen rechtlichen Vorgaben ist ersichtlich, dass sich sowohl der europäische als auch der deutsche Normgeber im Konflikt zwischen Vergaberechtswidrigkeit und Rechtssicherheit für die Rechtssicherheit entschieden hat und auch ein vergaberechtswidrig zustande gekommener Vertrag nach Ablauf der Fristen im Nachprüfungsverfahren nicht mehr angreifbar ist (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, aaO. Rdnr. 73; KG aaO Rdnr. 98).
Soweit nach § 133 GWB n.F. in Übereinstimmung mit Art. 73 der Richtlinie 2014/24/EU im Falle einer wesentlichen Vertragsänderung unbeschadet der - im Wesentlichen § 101b Abs. 1 GWB a.F. entsprechenden - Regelung des § 135 Abs. 1 GWB n.F. ein außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers besteht, ist diese Vorschrift nach § 186 GWB n.F. auf den vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht noch nicht anwendbar.
bb) Im Übrigen sind auch die Voraussetzungen, unter denen dem Antragsgegner nach den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung bzw. der Neuregelung des § 135 GWB n.F. ein Kündigungsrecht gegenüber der Beigeladenen zustehen könnte, vorliegend offensichtlich nicht erfüllt - unbeschadet der Frage, ob der Antragstellerin überhaupt ein Anspruch auf Ausübung eines solchen Kündigungsrechtes zustünde. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt keine wesentliche Vertragsänderung vor.
(1) Es ist bereits zweifelhaft, ob der zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen am 17.11.2014 abgeschlossene Vertrag überhaupt abgeändert wurde.
Nach den §§ 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 GWB a.F. gelten die Vorschriften des Vergaberechts für öffentliche Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge oberhalb der Schwellenwerte. Öffentliche Aufträge sind in § 99 Abs. 1 GWB a.F. definiert als "entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen und über die Beschaffung von Leistungen....". Erforderlich ist daher ein beiderseits verbindliches Rechtsgeschäft, das durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommt (Ziekow in: Ziekow/Völlink aaO, § 99 GWB Rdnr. 11ff; Eschenbruch in: Kulartz/Kus/Portz, aaO, § 99 Rdnr. 120). Die jeweiligen Verpflichtungen müssen einklagbar sein (EuGH NJW 2010, 2189 - Helmut Müller, unter Nr. 62). Vor diesem Hintergrund setzt auch eine vergaberechtlich relevante Vertragsänderung voraus, dass eine rechtsgeschäftlich verbindliche Änderungsvereinbarung geschlossen worden ist.
Vorliegend haben die Antragsgegner und die Beigeladene mit der (nochmaligen) schriftlichen Fixierung des Vertragswerkes im Juli 2015 den am 17.11.2014 abgeschlossenen Vertrag mit unverändertem Inhalt bestätigt. Dass der Entgegennahme der verspäteten Migrationsleistung oder dem Unterlassen einer Kündigung seitens des Antragsgegners eine Erklärungswirkung zukommen sollte, erscheint fraglich.
(2) Selbst wenn man mit der Antragstellerin davon ausgehen würde, dass durch die verlängerte Migrationszeit eine "Änderung" im vergaberechtlichen Sinne eingetreten wäre, wäre diese jedenfalls nicht "wesentlich" im Sinne des Urteils des EuGH vom 19.6.2008, C-454/06 - Pressetext (NJW 2008, 3341 [EuGH 19.06.2008 - C 454/06]).
Nach dieser Entscheidung sind Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrages während seiner Geltungsdauer dann als Neuvergabe des Auftrags anzusehen, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen lassen. Die Änderung eines öffentlichen Auftrages während seiner Laufzeit kann dann als wesentlich angesehen werden,
- wenn sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassene Anbieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebotes erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären; oder
- wenn sie den Auftrag in großem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert; oder
- wenn sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zu Gunsten des Auftragnehmers ändert
Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt. Das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages ist nicht zugunsten der Beigeladenen verschoben worden; erst recht lässt sich ein Wille der Parteien zu Neuverhandlungen nicht feststellen.
Für die Migration ist ein Festpreis vereinbart (und ausweislich der Vergabeakten auch in Rechnung gestellt worden), so dass der Umstand, dass die Migration zehn Monate statt zwei Monaten gedauert hat und dementsprechend in der Summe wesentlich höhere Personal- und Sachmittel erfordert hatte als offensichtlich von der Beigeladenen bei Erstellung ihres Angebotes kalkuliert, für sich allein genommen ausschließlich zu Lasten der Beigeladenen ging. Soweit dem Antragsgegner durch die verspätete Migration ein Schaden entstanden ist - etwa weil das Entgelt, das er für den während der verlängerten Migrationszeit aufrecht erhaltenen Interims-Betrieb der Datenbank an die Antragstellerin zu zahlen hatte, höher war als dasjenige, das er bei rechtzeitigem Migrationsabschluss ab Mitte Januar nach dem ausgeschriebenen Vertrag an die Beigeladene hätte zahlen müssen - stehen ihm gegen die Beigeladene Schadensersatzansprüche zu, wenn diese schuldhaft die von ihr vertraglich übernommenen Leistungspflichten verletzt hat.
Eine Verschiebung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses könnte sich lediglich dann ergeben, wenn die Beigeladene auch für die Monate November 2014 bis September 2015 (anteilig) die Jahresgebühr für Betrieb und Pflege der Datenbank erhielte. Denn nach dem Vertragswerk sollte die Migration Mitte Januar 2015 abgeschlossen sein. Bis zum Ende der Vertragslaufzeit sollte die Datenbank daher 46 Monate lang betrieben werden; dafür sollte 4 x das für die Pflege und Überlassung der Software vereinbarte Jahresentgelt anfallen. Wenn für dasselbe Entgelt nunmehr die Datenbank lediglich 37,5 Monate der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, so scheint auf den ersten Blick eine Äquivalenzänderung vorzuliegen.
Diese wird jedoch durch das zivilrechtliche Leistungsstörungsrecht kompensiert:
Wäre die verspätete Inbetriebnahme der Datenbank vom Antragsgegner zu vertreten (wobei ihm ein etwaiges Verschulden der Antragstellerin - etwa wenn diese, wie die Beigeladene geltend macht, die Daten unvollständig und nicht in geeigneter Form geliefert hätte - nach § 278 BGB zuzurechnen wäre), so würde dies den Vergütungsanspruch der Beigeladenen nicht berühren - eine darin liegende Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses des ursprünglichen Vertrages wäre durch die Vertragsverletzung des Antragsgegners gerechtfertigt.
Ist die Verzögerung hingegen - wie von der Antragstellerin geltend gemacht - von der Beigeladenen zu vertreten, so stehen dem Antragsgegner kraft Gesetzes Schadensersatzansprüche gegen die Beigeladene zu, die dazu führen, dass er so zu stellen ist, als ob von der Beigeladenen ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Dadurch bleibt das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis gewahrt.
Ob und wie der Antragsgegner von seinen Rechten Gebrauch macht, unterliegt nicht dem Vergaberecht. Dafür können unterschiedliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen. So wäre es dem Auftraggeber ersichtlich unzumutbar gewesen, beim Auftreten von Leistungsstörungen den Rücktritt vom Vertrag zu erklären und neu auszuschreiben, weil es dadurch zu noch weit größerem Verzögerungen gekommen wäre. Bei der Frage, ob und in welcher Form ein möglicher Verzugsschaden geltend gemacht wird, sind vom Antragsgegner auch die Risiken und Chancen eines etwaigen Prozesses abzuwägen. Der Antragstellerin steht kein Recht zu, den Antragsgegner zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen zu zwingen, so dass der Senat auch nicht zu entscheiden braucht, wer von den Beteiligten die Verzögerungen zu vertreten hat.
3)
Der Beschwerdeantrag zu 4), mit dem die Antragstellerin den Antragsgegner zur Geltendmachung von Leistungsstörungsrechten verpflichten will, ist unzulässig.
Insoweit fehlt es jedenfalls an einer Antragsbefugnis der Antragstellerin nach § 107 Abs. 2 GWB a.F. Es ist nicht ersichtlich, welcher Vor- oder Nachteil sich für die Antragstellerin daraus ergeben könnte, dass der Antragsgegner ihm zustehende Ansprüche gegen die Beigeladene durchsetzt oder nicht. Ob und in welchem Umfang der Antragsgegner bei der Abwicklung des vergaberechtskonform zustande gekommenen Vertrages von ihm zivilrechtlich zustehenden Leistungsstörungsrechten Gebrauch macht, ist zwar von haushaltsrechtlicher Relevanz, berührt aber nicht die Interessen der im ursprünglichen Verfahren unterlegenen Bieter. Die Stellung der Antragstellerin im Wettbewerb wird dadurch in keiner Weise verändert.
4)
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 120 Abs. 2, 78 GWB a.F.
Der Streitwert wurde entsprechend dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin gemäß § 50 Abs. 2 GKG nach dem (Brutto-)Wert des ursprünglich ausgeschriebenen Auftrages festgesetzt.