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Wirtschaftsrecht
28.09.2017
Wirtschaftsrecht
EuGH: Fremdwährungsdarlehen – Kreditinstitute müssen über Wechselkursrisiko umfassend aufklären

EuGH, Urteil vom 20.9.2017 – Rs. C-186/16, Ruxandra Paula Andriciuc u. a. gegen Banca Românească SA

ECLI:EU:C:2017:703

Volltext: BB-ONLINE BBL2017-2305-1

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

1.      Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Hauptgegenstand des Vertrags“ im Sinne dieser Bestimmung für eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel in einem über eine Fremdwährung geschlossenen Kreditvertrag wie die im Ausgangsverfahren streitige gilt, nach der der Kredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, da diese Klausel eine Hauptleistung des Vertrags festlegt, die diesen charakterisiert. Folglich kann diese Klausel nicht als missbräuchlich angesehen werden, sofern sie klar und verständlich abgefasst ist.

2.      Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass das Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung einer Vertragsklausel voraussetzt, dass die Finanzinstitute bei Kreditverträgen verpflichtet sind, den Kreditnehmern Informationen zur Verfügung zu stellen, die ausreichen, um die Kreditnehmer in die Lage zu versetzen, umsichtige und besonnene Entscheidungen zu treffen. Dieses Erfordernis bedeutet, dass die Klausel eines Kreditvertrags, nach der der Kredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, für den Verbraucher in formeller und grammatikalischer Hinsicht, aber auch hinsichtlich ihrer konkreten Tragweite in dem Sinne verständlich sein muss, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher nicht nur die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Fremdwährung, auf die der Kredit lautet, erkennen, sondern auch die – möglicherweise erheblichen – wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einschätzen kann. Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts, die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen.

3.      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass für die Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel auf den Zeitpunkt des Abschlusses des betreffenden Vertrags abzustellen ist und die gesamten Umstände berücksichtigt werden müssen, von denen der Gewerbetreibende zu diesem Zeitpunkt Kenntnis haben konnte und die die spätere Erfüllung dieses Vertrags beeinflussen. Das vorlegende Gericht hat unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Ausgangsverfahrens sowie u. a. der Expertise und der Fachkenntnisse des Gewerbetreibenden – hier der Bank – zu den möglichen Wechselkursschwankungen und den mit der Aufnahme eines Fremdwährungskredits verbundenen Risiken das etwaige Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses im Sinne dieser Bestimmung zu prüfen.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Ruxandra Paula Andriciuc und 68 weiteren Personen einerseits und der Banca Românească SA (im Folgenden: Bank) andererseits wegen der behaupteten Missbräuchlichkeit von Klauseln in Kreditverträgen, die u. a. vorsehen, dass die Kredite in der gleichen ausländischen Währung zurückzuzahlen sind, in der sie gewährt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Art. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor:

„(1) Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.

(2) Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften oder auf Bestimmungen oder Grundsätzen internationaler Übereinkommen beruhen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft – insbesondere im Verkehrsbereich – Vertragsparteien sind, unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.“

4          Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„(1)      Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.“

5          Art. 4 der Richtlinie 93/13 sieht vor:

„(1) Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrags sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrags oder eines anderen Vertrags, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.

(2) Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrags noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“

6          Art. 5 dieser Richtlinie bestimmt:

„Sind alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt, so müssen sie stets klar und verständlich abgefasst sein. …“

Rumänisches Recht

7          Art. 1578 des Cod Civil (Zivilgesetzbuch) in der zum Zeitpunkt des Abschlusses der im Ausgangsverfahren streitigen Verträge geltenden Fassung sieht vor:

„Die Verpflichtung aus einem Darlehen ist stets auf den im Vertrag angegebenen bezifferten Betrag beschränkt.

Steigt oder fällt der Preis der Währungen vor Ablauf der Zahlungsfrist, hat der Schuldner den Darlehensbetrag zurückzuzahlen und ist verpflichtet, ihn nur in der zum Zeitpunkt der Zahlung geltenden Währung zurückzuzahlen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8          Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens im Zeitraum von 2007 bis 2008, in dem sie ihr Einkommen in rumänischen Lei (RON) bezogen, mit der Bank auf Schweizer Franken (CHF) lautende Kreditverträge abschlossen, die dem Erwerb von Immobilien, der Refinanzierung anderer Kredite oder der Erfüllung persönlicher Bedürfnisse dienten.

9          Nach Art. 1 Abs. 2 dieser Verträge waren die Kläger des Ausgangsverfahrens verpflichtet, die Kreditraten in der gleichen Währung zurückzuzahlen, in der sie vereinbart worden waren, d. h. in Schweizer Franken. Dies hatte zur Folge, dass sie das Wechselkursrisiko, das für den Fall, dass der Wechselkurs des rumänischen Leu gegenüber dem Schweizer Franken sinken würde, eine Erhöhung der Raten bedeutete, allein zu tragen hatten. Zudem enthielten die Verträge jeweils in Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 3 Nr. 9 zwei Klauseln, die die Bank berechtigten, bei Fälligkeit der Raten oder bei Nichterfüllung der sich aus diesen Verträgen ergebenden Pflichten durch den Kreditnehmer das Konto des Kreditnehmers zu belasten und erforderlichenfalls die auf seinem Konto verfügbaren Mittel zu dem von der Bank am Tag dieses Vorgangs angewandten Wechselkurs in die Vertragswährung umzuwandeln. Gemäß diesen Klauseln fiel jegliche Wechselkursdifferenz ausschließlich dem Kreditnehmer zur Last.

10        Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass die Bank in der Lage gewesen sei, die Entwicklung und die Schwankungen des Wechselkurses des Schweizer Franken vorherzusehen. Insoweit sei das Wechselkursrisiko unvollständig dargestellt worden, da die Bank, anders als bei anderen ausländischen Währungen, die als Referenzwährung für die Kredite dienten, nicht erläutert habe, dass der Schweizer Franken gegenüber dem rumänischen Leu beträchtlich schwanke.

11        Ganz allgemein sei die Darstellung verzerrt gewesen. Darin seien die Vorteile dieses Produkttyps und der verwendeten Währung hervorgehoben, aber nicht auf ihre potenziellen Risiken und die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung dieser Risiken hingewiesen worden. Die Bank habe, da sie die Kläger des Ausgangsverfahrens nicht in transparenter Weise über diese Schwankungen informiert habe, gegen ihre Informations-, Hinweis- und Beratungspflichten sowie gegen ihre Pflicht, Vertragsklauseln klar und verständlich zu formulieren, damit jeder Kreditnehmer die Tragweite der sich aus den von ihm geschlossenen Vertrag ergebenden Pflichten beurteilen könne, verstoßen.

12        Da die Kläger des Ausgangsverfahrens der Auffassung waren, dass die Klauseln, die die Rückzahlung der Kredite in Schweizer Franken vorsahen, missbräuchliche Klauseln darstellten, weil sie das Wechselkursrisiko den Kreditnehmern aufbürdeten, erhoben sie beim Tribunalul Bihor (Gericht Bihor, Rumänien) Klage auf Nichtigerklärung dieser Klauseln und auf Aufstellung eines neuen Kredittilgungsplans durch die Bank, der die Umwandlung der Kredite in rumänische Lei zu dem zum Zeitpunkt des Abschlusses der im Ausgangsverfahren streitigen Kreditverträge geltenden Wechselkurs vorsieht.

13        Mit Urteil vom 30. April 2015 wies das Tribunalul Bihor (Gericht Bihor) die Klage ab. Es war der Auffassung, dass die Klausel, nach der die Kredite in der gleichen Währung zurückzuzahlen waren, in der sie vereinbart worden waren, selbst wenn sie nicht mit den Kreditnehmern ausgehandelt worden sei, nicht missbräuchlich sei.

14        Die Kläger des Ausgangsverfahrens legten beim vorlegenden Gericht ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ein. Sie machen geltend, dass das erhebliche Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner durch die nach dem Abschluss der Verträge eingetretene Abwertung des rumänischen Leu gegenüber dem Schweizer Franken verursacht worden sei und dass sich der Gerichtshof in seinen Urteilen zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Bezug auf den Begriff „erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis“ bisher nicht zu einer Frage dieser Art geäußert habe.

15        Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Kurs des Schweizer Franken im vorliegenden Fall seit der Gewährung der im Ausgangsverfahren streitigen Kredite beträchtlich gestiegen sei und die Kläger des Ausgangsverfahrens die Auswirkungen dieser Steigerung zu spüren bekommen hätten. Es sei daher zu klären, ob die Bank die Kunden im Rahmen der ihr bei Abschluss der Kreditverträge obliegenden Informationspflicht über mögliche zukünftige Auf- oder Abwertungen des Schweizer Franken habe informieren müssen und ob in der im Ausgangsverfahren streitigen Klausel, damit diese als klar und verständlich abgefasst im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 angesehen werden könne, auch auf alle ihre möglichen Konsequenzen, die sich – wie das Wechselkursrisiko – auf den vom Kreditnehmer gezahlten Preis auswirken könnten, hingewiesen werden müsse.

16        Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist daher die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 zu klären, der eine Ausnahme von dem im Rahmen des durch diese Richtlinie umgesetzten Systems des Verbraucherschutzes vorgesehenen Mechanismus der inhaltlichen Prüfung missbräuchlicher Klauseln vorsieht.

17        Vor diesem Hintergrund hat die Curtea de Apel Oradea (Berufungsgerichtshof Oradea, Rumänien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass bei der Beurteilung, ob ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner vorliegt, strikt auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, oder erfasst er auch den Fall, dass während der Erfüllung eines Vertrags über wiederkehrende Leistungen die Leistung des Verbrauchers aufgrund von, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, erheblichen Änderungen des Wechselkurses zu einer übermäßigen Belastung geworden ist?

2.      Ist eine Vertragsklausel schon dann klar und verständlich im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13, wenn sie nur die Gründe für ihre Aufnahme in den Vertrag und ihre Funktionsweise angibt, oder muss sie auch alle ihre möglichen Folgen vorsehen, aufgrund deren sich der vom Verbraucher gezahlte Preis ändern kann, beispielsweise das Wechselkursrisiko, und kann im Licht der Richtlinie 93/13 davon ausgegangen werden, dass die Verpflichtung der Bank, den Kunden zum Zeitpunkt der Kreditgewährung zu unterrichten, ausschließlich die Kreditbedingungen betrifft, d. h. die Zinsen, die Provisionen, die vom Kreditnehmer gestellten Sicherheiten, in diese Verpflichtung die mögliche Auf- oder Abwertung einer Fremdwährung aber nicht einbezogen werden kann?

3.      Ist Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass die Wendungen „Hauptgegenstand des Vertrags“ und „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen“, für eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel in einem über eine Fremdwährung geschlossenen Kreditvertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher gelten, nach der der Kredit in ebendieser Währung zurückzuzahlen ist?

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen

18        Nach Ansicht der Bank sind die Vorlagefragen unzulässig. Das vorlegende Gericht benötige nämlich für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht die Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 93/13. Jedenfalls gebe es bereits einschlägige Rechtsprechung hierzu, die Auslegung der fraglichen Rechtsvorschriften sei nunmehr klar. Außerdem seien die Fragen so formuliert, dass sie in Wirklichkeit auf eine individuelle Entscheidung zur konkreten Erledigung des Ausgangsverfahrens abzielten.

19        Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs in dem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist. Ebenso hat nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 26. Januar 2017, Banco Primus, C421/14, EU:C:2017:60, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20        Im Rahmen des Instruments der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, das das in Art. 267 AEUV geschaffene Verfahren darstellt, besteht eine Vermutung, dass Fragen, die das Unionsrecht betreffen, erheblich sind. Der Gerichtshof kann die Entscheidung über eine von einem nationalen Gericht gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage nur dann ablehnen, wenn etwa die in Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs aufgeführten Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens nicht erfüllt sind oder offensichtlich ist, dass die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Unionsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist (Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C72/15, EU:C:2017:236, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21        Zum einen ist hier darauf hinzuweisen, dass es den innerstaatlichen Gerichten, selbst bei Vorliegen einer Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der betreffenden Rechtsfrage unbenommen bleibt, den Gerichtshof zu befassen, wenn sie es für angebracht halten, ohne dass der Umstand, dass die Bestimmungen, um deren Auslegung ersucht wird, bereits vom Gerichtshof ausgelegt worden sind, einer neuerlichen Entscheidung des Gerichtshofs entgegenstünde (Urteil vom 17. Juli 2014, Torresi, C58/13 und C59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

22        Zum anderen ist es zwar allein Sache des vorlegenden Gerichts, die Klauseln, deren Missbräuchlichkeit geltend gemacht wird, anhand der Umstände des Einzelfalls zu bewerten, doch ist der Gerichtshof dafür zuständig, aus den Bestimmungen der Richtlinie 93/13 – hier Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 – die Kriterien herzuleiten, die das nationale Gericht anwenden kann oder muss, wenn es Vertragsklauseln an diesen Bestimmungen misst (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. März 2013, RWE Vertrieb, C92/11, EU:C:2013:180, Rn. 48, und vom 23. April 2015, Van Hove, C96/14, EU:C:2015:262, Rn. 28).

23        Folglich ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

Zur dritten Frage

24        Mit der dritten Frage, die zuerst zu beantworten ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass die Wendungen „Hauptgegenstand des Vertrags“ oder „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen“, im Sinne dieser Bestimmung für eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel in einem über eine Fremdwährung geschlossenen Kreditvertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher wie die im Ausgangsverfahren streitige Klausel gelten, nach der der Kredit in ebendieser Währung zurückzuzahlen ist.

25        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein nationales Gericht eine Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran hindert, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können (Urteile vom 10. September 2014, Kušionová, C34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 71, sowie vom 15. Februar 2017, W und V, C499/15, EU:C:2017:118, Rn. 45).

26        Im vorliegenden Fall haben die rumänische Regierung und die Bank in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht, dass die im Ausgangsverfahren streitige Klausel möglicherweise nur Ausdruck des in Art. 1578 des rumänischen Zivilgesetzbuchs verankerten Nominalprinzips sei und diese Klausel daher gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 nicht in deren Geltungsbereich falle.

27        Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnimmt (Urteil vom 10. September 2014, Kušionová, C34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 76, sowie in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2013, RWE Vertrieb, C92/11, EU:C:2013:180, Rn. 25).

28        Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass diese Ausnahme vom Vorliegen zweier Voraussetzungen abhängt. Erstens muss die Vertragsklausel auf einer Rechtsvorschrift beruhen, und zweitens muss diese Rechtsvorschrift bindend sein (Urteil vom 10. September 2014, Kušionová, C34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 78).

29        Daher hat das nationale Gericht zur Feststellung, ob eine Vertragsklausel vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 ausgenommen ist, zu prüfen, ob diese Klausel auf Bestimmungen des nationalen Rechts beruht, die unabdingbar sind oder die dispositiv sind und daher von Gesetzes wegen greifen, wenn sie nicht abbedungen wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. März 2013, RWE Vertrieb, C92/11, EU:C:2013:180, Rn. 26, und vom 10. September 2014, Kušionová, C34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 79).

30        Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht, wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, angesichts der Natur, der Systematik und der Bestimmungen der im Ausgangsverfahren streitigen Kreditverträge sowie des rechtlichen und tatsächlichen Kontexts dieser Verträge zu beurteilen, ob die betroffene Klausel, nach der der Kredit in derselben Währung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, auf bindenden Rechtsvorschriften des nationalen Rechts im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 beruht.

31        Bei dieser erforderlichen Prüfung hat das nationale Gericht zu berücksichtigen, dass die in Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahme insbesondere im Hinblick auf das Ziel der Richtlinie, nämlich den Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln in Verträgen zwischen ihnen und Gewerbetreibenden, eng auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2014, Kušionová, C34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 77).

32        Falls das vorlegende Gericht feststellt, dass die im Ausgangsverfahren streitige Klausel von der genannten Ausnahme nicht gedeckt ist, hat es zu prüfen, ob sie unter die Wendungen „Hauptgegenstand des Vertrags“ oder „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 fällt.

33        Zwar ist diese Prüfung, wie in Rn. 22 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ausschließlich Aufgabe des vorlegenden Gerichts, doch hat der Gerichtshof gleichwohl die bei dieser Prüfung anwendbaren Kriterien aus der genannten Bestimmung herzuleiten.

34        In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 eine Ausnahme von dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie geschaffenen Systems des Verbraucherschutzes vorgesehenen Verfahren zur Inhaltskontrolle missbräuchlicher Klauseln begründet und daher eng auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai, C26/13, EU:C:2014:282, Rn. 42, sowie vom 23. April 2015, Van Hove, C96/14, EU:C:2015:262, Rn. 31). Außerdem müssen die Ausdrücke „Hauptgegenstand des Vertrags“ und „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen“ in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 grundsätzlich in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten, die unter Berücksichtigung des Kontexts der Bestimmung und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (Urteil vom 26. Februar 2015, Matei, C143/13, EU:C:2015:127, Rn. 50).

35        Zum Begriff „Hauptgegenstand des Vertrags“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 hat der Gerichtshof entschieden, dass darunter diejenigen Klauseln zu fassen sind, die die Hauptleistungen des Vertrags festlegen und ihn als solche charakterisieren (Urteile vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid, C484/08, EU:C:2010:309, Rn. 34, und vom 23. April 2015, Van Hove, C96/14, EU:C:2015:262, Rn. 33).

36        Hingegen können Klauseln mit akzessorischem Charakter gegenüber denen, die das Wesen des Vertragsverhältnisses selbst definieren, nicht unter den Begriff „Hauptgegenstand des Vertrags“ im Sinne dieser Vorschrift fallen (Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai, C26/13, EU:C:2014:282, Rn. 50, und vom 23. April 2015, Van Hove, C96/14, EU:C:2015:262, Rn. 33).

37        Im vorliegenden Fall sprechen einige Angaben in der dem Gerichtshof vorliegenden Akte dafür, dass eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel in einem über eine Fremdwährung geschlossenen Kreditvertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher wie die im Ausgangsverfahren streitige Klausel, nach der der Kredit in ebendieser Währung zurückzuzahlen ist, unter den Begriff „Hauptgegenstand des Vertrags“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 fällt.

38        Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich der Kreditgeber durch einen Kreditvertrag in erster Linie verpflichtet, dem Kreditnehmer einen bestimmten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, während sich der Kreditnehmer in erster Linie verpflichtet, den Betrag – im Allgemeinen zuzüglich Zinsen – zu den vorgesehenen Fälligkeitsterminen zurückzuzahlen. Die Hauptleistungen beziehen sich also auf einen Geldbetrag, der notwendigerweise unter Bezugnahme auf die Währung, in der die im Kreditvertrag vereinbarte Zahlung und Rückzahlung erfolgt festgelegt werden muss. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 46 ff. seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist somit der Umstand, dass ein Kredit in einer bestimmten Währung zurückzuzahlen ist, grundsätzlich keine akzessorische Zahlungsmodalität, sondern betrifft das Wesen der Pflicht des Schuldners und stellt daher einen Hauptbestandteil eines Kreditvertrags dar.

39        Zwar hat der Gerichtshof in Rn. 59 des Urteils vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C26/13, EU:C:2014:282), entschieden, dass der Begriff „Hauptgegenstand des Vertrags“ eine in einem Vertrag über ein Fremdwährungsdarlehen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher enthaltene und nicht im Einzelnen ausgehandelte Klausel, nach der der Verkaufskurs dieser Währung bei der Berechnung der Zahlungen zur Darlehenstilgung Anwendung findet, nur dann erfasst, wenn festgestellt wird, dass die betreffende Klausel eine Hauptleistung dieses Vertrags festlegt, die ihn als solche charakterisiert – was das nationale Gericht zu prüfen hat.

40        Während jedoch, wie im Übrigen das vorlegende Gericht angemerkt hat, in der Rechtssache, in der das Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C26/13, EU:C:2014:282), ergangen ist, die Kredite zwar auf eine Fremdwährung lauteten, aber in inländischer Währung nach Maßgabe des vom Kreditinstitut angewandten Verkaufskurses der Fremdwährung zurückzuzahlen waren, sind die Kredite im Ausgangsverfahren in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen, in der sie gewährt wurden. Wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, können aber Kreditverträge, die durch eine Indexklausel an ausländische Währungen gebunden sind, nicht mit Kreditverträgen in ausländischer Währung gleichgestellt werden.

41        Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Hauptgegenstand des Vertrags“ im Sinne dieser Bestimmung für eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel in einem über eine Fremdwährung geschlossenen Kreditvertrag wie die im Ausgangsverfahren streitige gilt, nach der der Kredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, da diese Klausel eine Hauptleistung des Vertrags festlegt, die diesen charakterisiert. Folglich kann diese Klausel nicht als missbräuchlich angesehen werden, sofern sie klar und verständlich abgefasst ist.

Zur zweiten Frage

42        Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass das Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung einer Vertragsklausel bedeutet, dass in der Klausel eines Kreditvertrags, nach der der Kredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, nur die Gründe für die Aufnahme dieser Klausel in den Vertrag und die Art und Weise ihrer Umsetzung angegeben werden brauchen oder ob darin auch alle möglichen Folgen dieser Klausel für den vom Verbraucher gezahlten Preis, beispielsweise das Wechselkursrisiko, angegeben sein müssen und ob im Licht dieser Richtlinie davon ausgegangen werden kann, dass die Verpflichtung des Kreditinstituts, den Kreditnehmer zum Zeitpunkt der Kreditgewährung zu unterrichten, ausschließlich die Kreditbedingungen betrifft, d. h. die Zinsen, die Provisionen, die vom Kreditnehmer gestellten Sicherheiten, die mögliche Auf- oder Abwertung einer Fremdwährung aber nicht in diese Verpflichtung einbezogen werden kann.

43        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass das Erfordernis einer klaren und verständlichen Abfassung auch dann Anwendung findet, wenn eine Klausel unter den Begriff „Hauptgegenstand des Vertrags“ oder die Wendung „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen“, im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai, C26/13, EU:C:2014:282, Rn. 68). Die in dieser Bestimmung genannten Klauseln sind der Beurteilung in Bezug auf ihre Missbräuchlichkeit nämlich nur entzogen, wenn das zuständige nationale Gericht nach einer Einzelfallbeurteilung zu der Auffassung gelangen sollte, dass sie vom Gewerbetreibenden klar und verständlich abgefasst wurden (Urteil vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid, C484/08, EU:C:2010:309, Rn. 32).

44        Der Gerichtshof hat hervorgehoben, dass das Erfordernis der Transparenz von Vertragsklauseln, wie es sich aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 ergibt und auf das auch in Art. 5 dieser Richtlinie hingewiesen wird, nicht auf die bloße Verständlichkeit der Vertragsklauseln in formeller und grammatikalischer Hinsicht beschränkt werden kann. Da das durch die Richtlinie 93/13 eingeführte Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden u. a. einen geringeren Informationsstand besitzt, muss das durch diese Richtlinie aufgestellte Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung von Vertragsklauseln und damit der Transparenz vielmehr umfassend verstanden werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai, C26/13, EU:C:2014:282, Rn. 71 und 72, sowie vom 9. Juli 2015, Bucura, C348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 52).

45        Somit ist das Erfordernis, dass eine Vertragsklausel klar und verständlich abgefasst sein muss, so zu verstehen, dass der Vertrag auch die konkrete Funktionsweise des Verfahrens, auf das die betreffende Klausel Bezug nimmt, und gegebenenfalls das Verhältnis zwischen diesem und dem durch andere Klauseln vorgeschriebenen Verfahren in transparenter Weise darstellen muss, damit der betroffene Verbraucher in der Lage ist, die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen (Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai, C26/13, EU:C:2014:282, Rn. 75, sowie vom 23. April 2015, Van Hove, C96/14, EU:C:2015:262, Rn. 50).

46        Diese Frage hat das vorlegende Gericht anhand aller relevanten Tatsachen – wozu auch die Werbung und die Informationen zählen, die der Kreditgeber im Rahmen der Aushandlung eines Kreditvertrags bereitstellt – zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2015, Matei, C143/13, EU:C:2015:127, Rn. 75).

47        Insbesondere hat der nationale Richter in Anbetracht aller den Vertragsschluss begleitender Umstände zu prüfen, ob dem Verbraucher in dem betreffenden Fall sämtliche Tatsachen mitgeteilt wurden, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtung auswirken könnten und ihm u. a. erlauben, die Gesamtkosten seines Kredits einzuschätzen. Eine entscheidende Rolle bei dieser Beurteilung spielt es zum einen, ob die Klauseln klar und verständlich abgefasst sind und es einem Durchschnittsverbraucher, d. h. einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, ermöglichen, diese Kosten einzuschätzen, und zum anderen, ob in dem Kreditvertrag Informationen fehlen, die in Anbetracht der Natur der Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand dieses Vertrags sind, als wesentlich angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2015, Bucura, C348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 66).

48        Außerdem ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung, dass er vor Abschluss eines Vertrags über die Vertragsbedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses informiert ist. Insbesondere auf der Grundlage dieser Information entscheidet er, ob er sich durch die vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen binden möchte (Urteile vom 21. März 2013, RWE Vertrieb, C92/11, EU:C:2013:180, Rn. 44, sowie vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C154/15, C307/15 und C308/15, EU:C:2016:980, Rn. 50).

49        Was Fremdwährungskredite wie die im Ausgangsverfahren streitigen betrifft, ist hier darauf hinzuweisen, dass – wie der Europäische Ausschuss für Systemrisiken in seiner Empfehlung ESRB/2011/1 vom 21. September 2011 zu Fremdwährungskrediten (ABl. 2011, C 342, S. 1) ausgeführt hat – die Finanzinstitute verpflichtet sind, Kreditnehmern Informationen zur Verfügung zu stellen, die ausreichen, um die Kreditnehmer in die Lage zu versetzen, umsichtige und besonnene Entscheidungen zu treffen, und die zumindest die Folgen darlegen, die eine schwere Abwertung des gesetzlichen Zahlungsmittels des Mitgliedstaats, in dem ein Kreditnehmer ansässig ist, und eine Erhöhung des ausländischen Zinssatzes auf die Ratenzahlungen haben (Empfehlung A – Risikobewusstsein der Kreditnehmer, Nr. 1)

50        Wie der Generalanwalt in den Nrn. 66 und 67 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, muss zum einen der Kreditnehmer klar darüber informiert werden, dass er sich durch den Abschluss eines auf eine ausländische Währung lautenden Kreditvertrags einem Wechselkursrisiko aussetzt, das er im Fall einer Abwertung der Währung, in der er sein Einkommen erhält, eventuell schwer wird tragen können. Zum anderen muss der Gewerbetreibende, im vorliegenden Fall also das Kreditinstitut, die möglichen Änderungen der Wechselkurse und die Risiken des Abschlusses eines Fremdwährungskredits insbesondere dann darlegen, wenn der den Kredit aufnehmende Verbraucher sein Einkommen nicht in dieser Währung erhält. Das nationale Gericht hat somit zu prüfen, ob der Gewerbetreibende den betroffenen Verbrauchern sämtliche relevanten Informationen übermittelt hat, die es diesen ermöglichen, die wirtschaftlichen Folgen einer Klausel wie der im Ausgangsverfahren streitigen für ihre finanziellen Verpflichtungen einzuschätzen.

51        Nach den vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass das Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung einer Vertragsklausel voraussetzt, dass die Finanzinstitute bei Kreditverträgen verpflichtet sind, den Kreditnehmern Informationen zur Verfügung zu stellen, die ausreichen, um die Kreditnehmer in die Lage zu versetzen, umsichtige und besonnene Entscheidungen zu treffen. Dieses Erfordernis bedeutet, dass die Klausel eines Kreditvertrags, nach der der Kredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, für den Verbraucher in formeller und grammatikalischer Hinsicht, aber auch hinsichtlich ihrer konkreten Tragweite in dem Sinne verständlich sein muss, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher nicht nur die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Fremdwährung, auf die der Kredit lautet, erkennen, sondern auch die – möglicherweise erheblichen – wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einschätzen kann. Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts, die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Zur ersten Frage

52        Mit der ersten Frage, die als Letztes zu beantworten ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob für die Prüfung des durch eine missbräuchliche Klausel verursachten erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten der Vertragspartner im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ausschließlich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist.

53        Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der nationale Richter bei der Beurteilung, ob eine Vertragsklausel als missbräuchlich anzusehen ist, nach Art. 4 der Richtlinie 93/13 die Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrags sind, und „alle den Vertragsschluss begleitenden Umstände“ berücksichtigen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2015, Bucura, C348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54        Wie der Generalanwalt in den Nrn. 78, 80 und 82 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, folgt daraus, dass für die Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel auf den Zeitpunkt des Abschlusses des betreffenden Vertrags abzustellen ist und die gesamten Umstände berücksichtigt werden müssen, von denen der Gewerbetreibende zu diesem Zeitpunkt Kenntnis haben konnte und die die spätere Erfüllung dieses Vertrags beeinflussen, da eine Vertragsklausel ein Missverhältnis zwischen den Parteien bewirken kann, das sich erst im Laufe der Vertragserfüllung herausstellt.

55        Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die im Ausgangsverfahren streitige Klausel in auf eine Fremdwährung lautenden Kreditverträgen vorsieht, dass die Rückzahlungsraten des Kredits in ebendieser Währung zu leisten sind. Eine solche Klausel bürdet somit dem Verbraucher das Wechselkursrisiko im Fall der Abwertung der inländischen Währung gegenüber dieser Währung auf.

56        Insoweit hat das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Ausgangsverfahrens sowie u. a. der Expertise und der Fachkenntnisse des Gewerbetreibenden – hier der Bank – zu den möglichen Wechselkursschwankungen und den mit der Aufnahme eines Fremdwährungskredits verbundenen Risiken zunächst die mögliche Missachtung des Gebots von Treu und Glauben und dann das etwaige Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zu prüfen.

57        Zur Beantwortung der Frage, ob eine Klausel wie die im Ausgangsverfahren streitige entgegen dem Gebot von Treu und Glauben ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner zulasten des Verbrauchers verursacht, muss das nationale Gericht prüfen, ob der Gewerbetreibende bei loyalem und fairem Verhalten gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise erwarten durfte, dass der Verbraucher sich nach individuellen Verhandlungen auf eine solche Klausel einlässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. März 2013, Aziz, C415/11, EU:C:2013:164, Rn. 68 und 69).

58        Nach den vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass für die Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel auf den Zeitpunkt des Abschlusses des betreffenden Vertrags abzustellen ist und die gesamten Umstände berücksichtigt werden müssen, von denen der Gewerbetreibende zu diesem Zeitpunkt Kenntnis haben konnte und die die spätere Erfüllung dieses Vertrags beeinflussen. Das vorlegende Gericht hat unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Ausgangsverfahrens sowie u. a. der Expertise und der Fachkenntnisse des Gewerbetreibenden – hier der Bank – zu den möglichen Wechselkursschwankungen und den mit der Aufnahme eines Fremdwährungskredits verbundenen Risiken das etwaige Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses im Sinne dieser Bestimmung zu prüfen.

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