KG Berlin: Freigabeverfahren – Freigabe aufgrund Anerkenntnisses
KG Berlin, Beschluss vom 18.2.2021 – 2 AktG 1.21
ECLI:DE:KG:2021:0218.2AKTG1.21.00
Volltext: BB-Online BBL2021-834-2
Leitsatz
Auf das Freigabeverfahren sind nach § 319 Abs. 6 S. 2 AktG die im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden, soweit nichts Abweichendes geregelt ist. In Ermangelung einer abweichenden Regelung ist damit auch § 307 S. 1 ZPO entsprechend anzuwenden, so dass die Freigabe aufgrund des Anerkenntnisses des Antragsgegners auszusprechen ist. Die Entscheidung kann – unabhängig von dem Vorliegen einer besonderen Dringlichkeit (§ 319 Abs. 6 S. 4 AktG) – aufgrund des Anerkenntnisses ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 307 S. 2 ZPO).
§ 319 Abs 6 S 2 AktG, § 319 Abs 6 S 4 AktG, § 327e Abs 2 AktG, § 93 ZPO, § 307 S 1 ZPO
Sachverhalt
I. Die Hauptversammlung der Antragstellerin, bei der es sich um eine Societas Europaea (SE) mit Sitz in Berlin handelt, hat am 26. November 2020 zu dem Tagesordnungspunkt 9 folgenden Beschluss gefasst:
„Die auf den Namen lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der A... SE werden gegen Gewährung einer von der T... S. V. mit Sitz in Amsterdam, Niederlande, eingetragen im niederländischen Handelsregister (Kamer van Koophandel) unter der Nr. 74999869 und der Geschäftsadresse ... ... ...# ..., (Hauptaktionärin) zu zahlenden angemessenen Barabfindung in Höhe von EUR 60,24 je Stückaktie auf die Hauptaktionärin übertragen (Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO i. V. m. § 327a Abs. 1 AktG).“
Der Antragsgegner hält insgesamt 100 Aktien der Antragstellerin, was einem anteiligen Betrag von 100 Euro an deren Grundkapital entspricht. Er hat bei dem Landgericht Berlin zu dem Geschäftszeichen 97 O 187/20 gegen die Antragstellerin Klage erhoben, um den vorstehend zitierten Beschluss für nichtig zu erklären, hilfsweise dessen Nichtigkeit festzustellen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß festzustellen,
dass die bei dem Landgericht Berlin zum Geschäftszeichen 97 O 187/20 erhobene Klage des Antragsgegners vom 28. Dezember 2020 gegen den Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 26. November 2020 zu Tageordnungspunkt 9 – Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre der Antragstellerin auf die T... B. V. als Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung – der Eintragung des Beschlusses in das bei dem Amtsgericht Charlottenburg geführte Handelsregister der Antragstellerin nicht entgegensteht.
Der Antragsgegner hat diesen Antrag unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Die Antragstellerin hat sich mit einer Übernahme der Verfahrenskosten nach § 93 ZPO einverstanden erklärt.
Aus den Gründen
II. Dem zulässigen Freigabeantrag ist stattzugeben.
1. Der Freigabeantrag ist zulässig. Auf eine Societas Europaea (SE) sind gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO in Bezug auf nicht in der SE-VO selbst geregelte Fragen die Rechtsvorschriften anwendbar, die auf eine nach dem Recht des Sitzstaats der SE gegründeten Aktiengesellschaft Anwendung finden würden. Damit ist auch der Anwendungsbereich eines Freigabeverfahrens nach § 327e Abs. 2 AktG i. V. m. § 319 Abs. 6 AktG eröffnet.
2. Der Freigabeantrag der Antragstellerin hat darüber hinaus auch in der Sache Erfolg.
a. Die beantragte Freigabe ist bereits aufgrund des durch den Antragsgegner erklärten Anerkenntnisses auszusprechen. Auf das Freigabeverfahren sind nach § 319 Abs. 6 S. 2 AktG die im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden, soweit nichts Abweichendes geregelt ist. In Ermangelung einer abweichenden Regelung ist damit auch § 307 S. 1 ZPO entsprechend anzuwenden, so dass die Freigabe aufgrund des Anerkenntnisses des Antragsgegners auszusprechen ist. Die Entscheidung kann – unabhängig von dem Vorliegen einer besonderen Dringlichkeit (§ 319 Abs. 6 S. 4 AktG) – aufgrund des Anerkenntnisses ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 307 S. 2 ZPO).
b. Darüber hinaus und unabhängig hiervon liegen die Voraussetzungen für eine Freigabe nach § 319 Abs. 6 S. 3 AktG auch der Sache nach vor. Der Antrag ist bereits deshalb begründet, weil der Antragsgegner nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Antrags durch Urkunden nachgewiesen hat, dass er einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000,00 Euro vom Grundkapital der Antragstellerin hält (§ 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 2 AktG).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 ZPO und der Kostenübernahmeerklärung der Antragstellerin. Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf § 247 AktG.