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Wirtschaftsrecht
28.04.2017
Wirtschaftsrecht
OLG München: Freigabeantrag nach dem SchVG 2009 – Unzulässigkeit wegen Vollzugs der Beschlüsse der Gläubigerversammlung

OLG München, Beschluss vom 16.11.201622 AR 113/16

Volltext des Beschlusses: BB-ONLINE BBL2017-974-1

unter www.betriebs-berater.de

Nicht amtlicher Leitsatz

Da das Freigabeverfahren allein dem Zweck dient, den Vollzug der Beschlüsse der Gläubigerversammlung trotz Anfechtung zu ermöglichen, besteht nach dem Vollzug für einen Freigabeantrag kein Rechtsschutzinteresse mehr.

SchVG 2009 §§ 21, 20

Sachverhalt

I.

Die Parteien streiten darüber, ob zwei Beschlüsse einer Versammlung der Anleihegläubiger der Schuldverschreibung WKN ... (ISIN: DE ...) vollzogen werden dürfen, obwohl die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) beim Landgericht München II Anfechtungsklagen gegen diese Beschlüsse erhoben haben.

Die Antragstellerin wurde im Jahr 2006 gegründet und in das Handelsregister des Amtsgerichts München (HRB ...) eingetragen. Die Antragstellerin ist geschäftlich mit der Finanzierung von Projekten und Beteiligungen an Unternehmen im Bereich erneuerbarer Energien befasst. Die streitgegenständliche Anleihe wurde ausgegeben über 15.000.000,00 Euro. Diese Anleihe befindet sich seit dem Jahr 2013 in einem außergerichtlichen Sanierungsprozess, nachdem eine staatliche Förderung nicht fortgeführt wurde. Die Antragstellerin verkleinert seit dem Jahr 2013 den Geschäftsbetrieb, um für die wirtschaftlich verflochtenen Gesellschaften eine Insolvenz und Zerschlagung zu vermeiden.

Nach Bekanntwerden der Krise der Antragstellerin am 30.03.2013 hat der geschäftsführende Direktor der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) Rolf K. für verschiedene, von ihm auch neu gegründete, Firmen und für Mitglieder seiner Familie einen Teil der Anleihen erworben.

Am 18.07.2013 fand für die streitgegenständliche Anleihe erstmals eine Gläubigerversammlung statt, in der die Gläubiger eine dreijährige Laufzeitverlängerung der Anleihe bis zum 30.06.2016 sowie eine Absenkung der Zinsen beschlossen haben. Darüber hinaus bestellte die Gläubigerversammlung Rechtsanwalt Dr. Franz W. zum gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger. Er begleitet seitdem den Sanierungsweg der Gesellschaft. Gegen diese Beschlüsse aus dem Jahr 2013 haben der geschäftsführende Direktor der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) und andere Gläubiger im Jahr 2016 beim Landgericht München II und beim Amtsgericht Miesbach Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen erhoben.

Im Jahr 2016 lud die Antragstellerin die Gläubiger zu einer weiteren Gläubigerversammlung ein, die am 11.05.2016 in Rosenheim stattfand. In dieser Gläubigerversammlung wurde das erforderliche Quorum zur Beschlussfassung von 50 % nicht erreicht. Der ebenfalls in der Gläubigerversammlung anwesende gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger stimmte einer Beschlussfassung nicht zu.

Daraufhin lud der Vorstand der Antragstellerin die Gläubiger zu einer zweiten Versammlung ein, die am 22.06.2016 in München stattfand. Die Einladung zu dieser Gläubigerversammlung wurde am 03.06.2016 und am 06.06.2016 im Bundesanzeiger veröffentlicht (Anlage Ast8). Die Einladung erhielt den gesonderten Hinweis, dass aus Gründen der Rechtssicherheit, zunächst die Anleihegläubiger und anschließend der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger Dr. W. (Anlage Ast8) über die in der Tagesordnung vorgesehenen Beschlüsse abstimmen werden.

Ausweislich des Protokolls waren in dieser Versammlung zu Beginn 4.377 Stimmen (von 15.000 Stimmen) ordnungsgemäß vertreten. Nach der Unterbrechung der Gläubigerversammlung in der Zeit von 12.36 Uhr bis 13.38 Uhr waren insgesamt 4.402 Stimmen vertreten (vgl. Anlage Ast9). In der Versammlung wurde zunächst über einen Gegenantrag - Abberufung des gemeinsamen Vertreters Dr. W. - abgestimmt. Der Vorstand der Antragstellerin als Versammlungsleiter stellte fest, dass 1.385 Ja-Stimmen für die Abberufung, 2.947 Stimmen dagegen und 70 Enthaltungen abgegeben wurden. Sodann wurden die Beschlussfassungen zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 gemeinsam zur Abstimmung gestellt und der Versammlungsleiter stellte fest, dass die Gläubiger zu den streitgegenständlichen Beschlussfassungen insgesamt 2.952 Ja-Stimmen, 106 Nein-Stimmen abgegeben haben und 70 Gläubiger sich der Stimmabgabe enthielten. Die Stimmen der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3), die weiterhin anwesend bzw. vertreten waren, wurden bei der streitgegenständlichen Beschlussfassung nicht mitgezählt, weil der Vorstand der Antragstellerin der Auffassung war, dass die Ausübung des Stimmrechts rechtsmissbräuchlich war (Anlage Ast63). Nach Abstimmung der Gläubiger wurde der gemeinsame Vertreter Dr. W. vom Versammlungsleiter gefragt, ob er der Beschlussfassung der Anleihegläubiger zustimme. Dr. W. erklärte daraufhin seine Zustimmung.

Sodann erklärten Rechtsanwalt G. für die Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) sowie Rechtsanwältin B.-S. für die Antragsgegnerin zu 1) und weitere Gläubiger jeweils gegen alle Beschlüsse der Gläubigerversammlung Widerspruch zu Protokoll.

Die streitgegenständlichen Beschlüsse der Gläubigerversammlung vom 22.06.2016 sind am 29.06.2016 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden (Anlage Ast10). Mit Schreiben vom 01.08.2016 hat die Antragstellerin dem Bankhaus M. (Zahlstelle) mitgeteilt, dass die einmonatige Klagefrist gegen die Beschlüsse vom 22.06.2016 am Freitag, den 29.07.2016 abgelaufen ist, ohne dass eine Anfechtungsklage gegen die Antragstellerin erhoben wurde. Daraufhin sind die Beschlüsse den Wertpapiermitteilungen der C. Banking AG, die die Globalurkunde verwaltet, hinzugefügt und an die dazugehörigen EDV-Systeme weitergeleitet worden. Zu der Umsetzung der streitgegenständlichen Beschlüsse hat auch der stellvertretende Direktor der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) Herr K. mehrfach in seinem Internet-Blog Stellung genommen und dort seinen Unmut zum Vollzug der Beschlüsse zum Ausdruck gebracht. In der Folgezeit haben die Gesellschaften des Herrn K. sowie weitere Anleihegläubiger weitere Anleihen zu den geänderten Bedingungen erworben. Sämtliche Geschäftsabrechnungen der Gläubiger enthalten die geänderten Bedingungen und insbesondere das Ende der Laufzeit 2021. Die neuen Bedingungen sind für den Ankauf der Anleihen am Kapitalmarkt seit Monaten maßgeblich.

Die Antragsgegnerin zu 1) hat die im Antrag näher bezeichnete Anfechtungsklage mit Schriftsatz vom 18.07.2016, eingegangen beim Landgericht München II am 21.07.2016, die Antragsgegnerin zu 2) mit Schriftsatz vom 18.07.2016, eingegangen beim Landgericht München II am 04.08.2016 und die Antragsgegnerin zu 3) mit Schriftsatz vom 21.07.2016, eingegangen am 22.07.2016 beim Landgericht München II, eingereicht.

Die Antragstellerin behauptet u.a., dass die Anleihebedingungen entsprechend der Beschlussfassung vom 22.06.2016 durch eine entsprechende Beifügung zu der Globalurkunde tatsächlich umgesetzt worden seien.

Die Antragstellerin ist im Wesentlichen der Meinung, das Rechtsschutzbedürfnis sei durch den Vollzug der in der Gläubigerversammlung vom 22.06.2016 gefassten Beschlüsse nicht entfallen. Soweit ein aktienrechtliches Freigabeverfahren durchgeführt würde, vertrete die Rechtsprechung die Auffassung, dass das Rechtsschutzbedürfnis auch dann fortbestehe, wenn die Eintragung der Beschlüsse in das Handelsregister bereits erfolgt sei.

Die Antragstellerin beantragt,

es wird festgestellt, dass die Erhebung der folgenden Klagen:

a) Fa. K. ..., vertreten durch den geschäftsführenden Direktor Herrn Rolf K., ...

Klageverfahren: Landgericht München II, Az. 1 HKO 3076/16

b) Fa. ... Consulting SE, vertreten durch den geschäftsführenden Direktor Herrn Rolf K.,

Klageverfahren: Landgericht München II, Az. 1 HKO 3131/16

c) Fa. ... Consulting GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn Rolf K., ...

Klageverfahren: Landgericht München II, Az. 8 O 3207/16

gegen die Beschlüsse der AnIeihen-Gläubigerversammlung der Antragstellerin vom 22.06.2016 dem Vollzug dieser Beschlüsse nicht entgegenstehen und Mängel der Beschlüsse die Wirkung des Vollzugs unberührt lassen (§ 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i.V.m. § 246a AktG).

Die Beschlüsse haben folgenden Wortlaut:

1. Beschlussfassung über die Anwendbarkeit des am 05.08.2009 in Kraft getretenen SchVG vom 31.07.2009 - sog. Opt-ln

Das SchVG vom 31.07.2009 in seiner jeweils gültigen Fassung findet auf die Anleihe Anwendung.

2. Anpassung der Regelung zur Laufzeit und Verzinsung sowie zur Höhe des Rückzahlungsbetrages der Anleihe.

An die Stelle der bisherigen Zinsfälligkeiten und der Zinshöhe sowie zur Höhe des Rückzahlungsbetrages der Anleihe nach den Anleihebedingungen treten ein niedrigerer Zins und eine Veränderung der Fälligkeitstermine sowie eine Erhöhung des Rückzahlungsbetrages wie folgt:

- Bis einschließlich des 30.06.2016 beträgt der Zins 3 % p. a.. Ab dem 01.07.2016 wird ein neuer Zins von 1,5 % p.a. festgelegt. Zur Auszahlung fällig sind diese Zinsansprüche am 30.09.2016.

- Für das Jahr 2017 wird ein neuer Zins von 1,5 % p. a. festgelegt. Zur Auszahlung fällig ist der neue Zins am 30.09.2017.

- Für das Jahr 2018 wird ein neuer Zins von 1,5 % p. a. festgelegt. Zur Auszahlung fällig ist der neue Zins am 30.09.2018.

- Für das Jahr 2019 wird ein neuer Zins von 1,5 % p. a. festgelegt. Zur Auszahlung fällig ist der neue Zins am 30.09.2019.

- Für das Jahr 2020 wird ein neuer Zins von 1,5 % p. a. festgelegt. Zur Auszahlung fällig ist der neue Zins am 30.09.2020.

- Für das Jahr 2021 wird ein neuer Zins von 1,5 % p. a. festgelegt. Zur Auszahlung fällig ist der neue Zins am 30.06.2021.

Am Ende der Laufzeit wird die Anleihe zum Nennbetrag zzgl. eines Aufschlags von 5 % auf den Nennbetrag zurückgezahlt.

An die Stelle der bisherigen Endfälligkeiten und der sonstigen etwaigen Fälligkeiten von jeglichen Ansprüchen der Gläubiger tritt der 30.06.2021. Dies ist rechtlich der frühestmögliche Fälligkeitstermin für (neben den Zinsen) denkbare Ansprüche. Dies gilt insbesondere auch für Ansprüche auf Rückführung, Tilgung oder Erfüllung aufgrund vereinbarter oder gesetzlicher Options-, Kündigungs- oder sonstiger gesonderter Rechte der Anleihegläubiger. Die Ausübung solcher Rechte wird mit Wirksamwerden dieses Beschlusses bis zum 30.06.2021 ausgesetzt.

Die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) beantragen,

den Freigabeantrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin zu 3) behauptet u.a., dass eine geänderte Globalurkunde nicht existiere, ein Vollzug der Beschlüsse aus diesem Grund nicht eingetreten sei.

Die Antragsgegnerin zu 3) ist zudem der Meinung, dass das Rechtsschutzbedürfnis für das Freigabeverfahren fortbestehe, weil wegen der Nichtigkeit der Beschlüsse im Hinblick auf § 5 SchVG 2009 auch für die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) ein maßgebliches Interesse an einer Freigabe der Beschlüsse durch das Oberlandesgericht bestehe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Antragstellerin vom 16.08.2016 (Bl. 1/69 d. A.), vom 25.10.2016 (Bl. 159/219 d. A), vom 20.10.2016 (Bl. 147/156 d. A.), vom 02.11.2016 (Bl. 222/242 d. A.), vom 08.11.2016 (Bl. 266/273 d. A.), vom 09.11.2016 (Bl. 274 d. A.) und vom 15.11.2016 (Bl. 276/298 d. A.) sowie auf die Schriftsätze der Antragsgegnerin zu 1) vom 24.10.2016 (Bl. 72/73 d. A.), vom 04.10.2016 (Bl. 87/104 d. A.), vom 17.10.2016 (Bl. 144/145 d. A.) und vom 04.11.2016 (Bl. 257/261 d. A.), der Antragsgegnerin zu 2) vom 25.08.2016 (Bl. 75 d. A.), vom 06.10.2016 (Bl. 105/126 d. A.), vom 03.11.2016 (Bl. 243/251 d. A.) und der Antragsgegnerin zu 3) vom 26.08.2016 (Bl. 79 d. A.), vom 06.10.2016 (Bl. 127/136 d. A.), vom 02.11.2016 (Bl. 252/253 d. A.), vom 07.11.2016 (Bl. 264/265 d. A.) und vom 09.11.2016 (Bl. 275 d. A.) verwiesen.

Der Senat hat den Parteien rechtliche Hinweise nach § 139 ZPO mit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Inhaltlich wird insoweit auf die Verfügungen des Senats vom 11.10.2016 (Bl. 138/142 d. A.) und vom 26.10.2016 (Bl. 220 d. A.) Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

Der Freigabeantrag ist unzulässig. Das für die Freigabe der Beschlüsse erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin bestand bereits bei Einreichung des Freigabeantrags am 17.08.2016 nicht mehr.

1. Der Senat hat von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weil der Freigabeantrag von Anfang an unzulässig war. Da die Antragstellerin den für die Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses maßgeblichen Sachvortrag erst mit Schriftsatz vom 25.10.2016 mitteilte, wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.10.2016 aufgehoben und den Parteien eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch Hinweis vom 26.10.2016 angekündigt. Im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens wird nunmehr im schriftlichen Verfahren entschieden.

Vor einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts über Anfechtungsklagen von Gläubigern einer Schuldverschreibung darf ein angefochtener Beschluss der Gläubigerversammlung nicht vollzogen werden, es sei denn, ein Senat des Oberlandesgerichts, zu dessen Bezirk das für die Anfechtungsklagen zuständige Landgericht gehört, stellt auf Antrag des Schuldners der Schuldverschreibung nach Maßgabe des § 246a des Aktiengesetzes fest, dass die Erhebung der Anfechtungsklagen dem Vollzug des angefochtenen Beschlusses nicht entgegenstehen, § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG 2009. Die Vorschriften der §§ 246a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 4 und 6, Abs. 4 AktG gelten für das Freigabeverfahren nach § 20 Abs. 3 S. 4 2. Hs. SchVG 2009 entsprechend.

2. Auf die streitgegenständliche Schuldverschreibung finden die Vorschriften des neuen Schuldverschreibungsgesetzes Anwendung. Die Schuldverschreibung wurde zwar vor dem Inkrafttreten des SchVG 2009 am 05.08.2009 ausgegeben, so dass grundsätzlich noch die Bestimmungen des SchVschrG 1899 Anwendung finden. Unter Geltung dieses Gesetzes konnten die Gläubiger Beschlüsse der Gläubigerversammlung nicht anfechten. (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 09.12.2015 -13 U 223/15, 13 U 0223/15 - juris). Erst mit dem Inkrafttreten des SchVG 2009 wurde mit § 20 Abs. 1 S. 1 für die Gläubiger ein Anfechtungsrecht geschaffen und mit § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG 2009 in Verbindung mit § 246a Abs. 1 AktG eine Freigabe der angefochtenen Beschlüsse durch ein Oberlandesgericht eröffnet. Nach § 24 Abs. 2 SchVG 2009 können allerdings die Gläubiger von früher ausgegebenen Schuldverschreibungen eine Änderung der Anleihebedingungen beschließen, wenn sie damit von den nach SchVG 2009 eröffneten Wahlmöglichkeiten Gebrauch machen wollen. Auf die Beschlussfassung über den „Opt-in" in das neue Recht sind nach § 24 Abs. 2 Satz 2 SchVG 2009 die Vorschriften des SchVG 2009 bereits unabhängig vom Vollzug entsprechend anzuwenden (vgl. OLG Dresden a.a.O.). Da im zu beurteilenden Fall die geänderten Anleihebedingungen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 SchVG und der Opt-In bereits förmlich umgesetzt wurden, sind hier die Vorschriften des neuen SchVG 2009 generell anwendbar.

3. Offenbleiben kann die Frage, ob die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) zur Anfechtung der streitgegenständlichen Beschlüsse nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SchVG 2009 berechtigt sind. Die Frage, ob die Bestellung des gemeinsamen Vertreters durch die Gläubigerversammlung vom 18.07.2013 im vorliegenden Fall das Anfechtungsrecht der Gläubiger verdrängt, ist wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nicht mehr entscheidungserheblich.

4. Dem Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da die angefochtenen Beschlüsse der Gläubigerversammlung vom 22.06.2016 gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 SchVG 2009 bereits vollzogen wurden. Eine Freigabe der Beschlüsse nach § 20 Abs. 4 Satz 3 SchVG 2009 in Verbindung mit § 246a Abs. 1 AktG ist hier daher nicht mehr erforderlich. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die im Freigabeverfahren zu entscheidende Feststellung, dass die erhobenen Anfechtungsklagen den Vollzug der Beschlüsse nicht hindern, bestand zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags der Antragstellerin am 17.08.2016 beim Oberlandesgericht München nicht mehr. Die Anleihen werden nach dem glaubhaften Vortrag der Antragstellerin spätestens seit dem 12.08.2016 zu den geänderten, neuen Bedingungen gehandelt. Der mit dem Freigabeantrag vom 17.08.2016 verfolgte Zweck, das Vollzugsverbot, das durch die Anfechtung der Beschlüsse entsteht, zu überwinden, kann nach der Umsetzung der Beschlüsse nicht mehr erreicht werden. Sämtliche Fragen, die jetzt noch im Zusammenhang mit der Anfechtung zu klären sind, können daher in den vor dem Landgericht München II erhobenen Klageverfahren entschieden werden. Einer Freigabe der Beschlüsse bedarf es nicht mehr.

a) Nach dem ergänzten Sachvortrag der Antragstellerin vom 25.10.2016 wurden die angefochtenen Beschlüsse nach § 21 Abs. 1 Satz 2 SchVG 2009 bereits am 01.08.2016 von der Antragstellerin zum Vollzug an die Wertpapiersammelbank herausgegeben. An diesem Tag wurden die vor dem Landgericht München II von den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) angefochtenen Beschlüsse der Gläubigerversammlung vom 22.06.2016 von dem Vorstand der Antragstellerin an das Bankhaus Gebr. M. AG übermittelt, um diese an die C. Banking AG weiterzuleiten. Zwar bestreitet die Antragsgegnerin zu 3) die Existenz einer Globalurkunde. Damit stellt sie auf den Vollzug im Sinne des § 21 Abs. 1 S. 1 SchVG 2009 ab. Der Vollzug richtet sich hier jedoch nach dem insoweit unbestrittenen Sachvortrag der Antragstellerin nach § 21 Abs. 1 Satz 2 SchVG 2009 und entspricht damit dem in der Praxis üblichen, einfacheren Verfahren, das bei der Verwahrung der Urkunde durch eine Wertpapiersammelbank angewendet wird (vgl. insoweit Hofmeister in Veranneman SchVG, 2. Aufl. § 21 Rn. 5). Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen des Vollzugs sind nach dem ergänzten Sachvortrag der Antragstellerin vom 25.10.2016 eingetreten. Zwar ist die Antragsgegnerin zu 3) der Auffassung, dass der gesamte Sachvortrag der Antragstellerin zu diesem Punkt zu pauschal sei und bestreitet ihn mit Nichtwissen. Unerheblich, ob ein solches Bestreiten hier zulässig ist, kommt es im Ergebnis darauf jedenfalls nicht an. Denn die Antragstellerin hat zur Glaubhaftmachung der Herausgabe der Beschlüsse ihr Schreiben an das Bankhaus Gebr. M. AG, das Schreiben (Anlage Ast49) sowie einen Computerausdruck der Geschäftsabrechnung der C.bank vom 12.08.2016 (Anlage Ast52) vorgelegt. Damit hat sie ihren Sachvortrag zum Vollzug ausreichend glaubhaft gemacht und es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die streitgegenständliche Schuldverschreibung spätestens seit dem 12.08.2016 zu den mit Beschluss vom 22.06.2016 gefassten, geänderten Bedingungen am Kapitalmarkt angeboten und gehandelt werden. Da das Freigabeverfahren dem Zweck dient, den Vollzug der Beschlüsse trotz Anfechtung zu ermöglichen, besteht nach dem Vollzug für den Antrag der Antragstellerin vom 17.08.2016 kein Rechtsschutzinteresse mehr.

b) Für einen Fortbestand des Rechtsschutzinteresses für das Freigabeverfahren nach dem - unter Umständen auch rechtswidrigen Vollzug der Beschlüsse - besteht kein Anlass. Mit dem neuen Schuldverschreibungsgesetz (SchVG 2009) vom 31.07.2009 wurde mit § 20 Abs. 1 für Gläubiger die Möglichkeit geschaffen, die Beschlüsse einer Gläubigerversammlung anzufechten. Korrespondierend dazu kann der Emittent beim Oberlandesgericht in einem Eilverfahren eine Freigabe der Beschlüsse erreichen, um deren Vollzug unabhängig von dem unter Umständen langdauernden Klageverfahren zu ermöglichen. Das Freigabeverfahren dient damit einzig und allein dem Zweck, ein durch die Anfechtung herbeigeführtes Vollzugsverbot nach § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG 2009 zu überwinden.

c) Anders als die Antragstellerin meint, dient es nicht dem Zweck, Rechtssicherheit für einen Emittenten zu schaffen, der den Vollzug in Gang gesetzt hat, obwohl die Beschlüsse angefochten wurden. Denn die damit zusammenhängenden Fragen, wie z.B. die Wirksamkeit der Beschlussfassung oder die Frage, ob eine Herausgabe der Beschlüsse trotz Anfechtung Schadensersatzansprüche der anfechtenden Gläubiger auslöst, können in dem dafür vorgesehenen Hauptsacheverfahren vor den Landgerichten geklärt werden. Ein Bedürfnis dafür, diese Feststellungen in dem als Eilverfahren ausgestalteten Freigabeverfahren zu klären, ist für den Senat nicht ersichtlich. Die Begründetheit des Freigabeantrags richtet sich nach § 20 Abs. 3 Satz 4 2. Hs. SchVG 2009 in Verbindung mit § 246a Abs. 2 AktG und beruht im Wesentlichen auf einer Interessenabwägung. Vorrangiger Zweck ist daher nicht die Schaffung von Rechtssicherheit, sondern die Überwindung des oben dargelegten Vollzugsverbots, das durch die Beschlussanfechtung entsteht.

d) Auch die Tatsache, dass die Beschlüsse im Freigabeverfahren nach § 246 a Abs. 3 S. 4 AktG nicht anfechtbar und damit einer Kontrolle im Instanzenzug nicht unterliegen, spricht gegen den Fortbestand des Rechtsschutzbedürfnisses bei bereits vollzogenen Beschlüssen. Denn wie oben ausgeführt, können Rechtsfragen der angefochtenen Beschlüsse in einem Verfahren, das auf einen Interessenausgleich gerichtet ist und nicht zwingend eine Rechtmäßigkeitskontrolle der angefochtenen Beschlüsse zum Gegenstand hat, nicht abschließend geklärt werden. Die endgültige Klärung der Rechtmäßigkeit der Beschlüsse ist vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, das im Übrigen auch anderen verfahrensrechtlichen Regelungen als das als Eilverfahren ausgestaltete Freigabeverfahren unterliegt.

e) Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass von der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur im Aktienrecht das Rechtsschutzinteresse des Unternehmens im Freigabeverfahren bejaht wird, auch wenn die Beschlüsse durch Aktionäre einer Hauptversammlung schon im Handelsregister eingetragen wurden, ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtslage von Aktienrecht und Schuldverschreibungsrecht insoweit nicht vergleichbar ist. Die Beschlüsse der Gläubigerversammlung werden nicht in ein Register eingetragen. Das Argument der Rechtsprechung für den Fortbestand des Rechtsschutzbedürfnisses auch noch nach der Eintragung im Handelsregister, ist der Publizitätswirkung des Handelsregisters geschuldet. Da diese durch Löschung der Eintragung allerdings auch wieder beseitigt werden kann, besteht das Rechtsschutzbedürfnis hier ausnahmsweise trotz Eintragung fort (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 27.11.2007 - Aktenzeichen 9 W 1007/07 - juris). Diese Rechtsprechung ist aber auf die angefochtenen Beschlüsse einer Gläubigerversammlung, deren Vollzug bereits eingetreten ist, nicht übertragbar. Denn vollzogene Beschlüsse können auch nach einer erfolgreichen Anfechtungsklage nicht im Wege der Naturalrestitution rückgängig gemacht und ihre Wirkung nicht mehr beseitigt werden. Gem. § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG 2009 in Verbindung mit § 246a Abs. 4 Satz 2 AktG lassen die Mängel der Beschlussfassung seine Durchführung unberührt und die Beseitigung der Vollziehung kann nicht verlangt werden (Wassmann/Steber/Hofmeister in Veranneman, SchVG, a.a.O., § 20 Rn. 34). Dem Gläubiger verbleiben daher nach dem Vollzug des Beschlusses nur noch Schadensersatzansprüche, auch dann, wenn die Anfechtungsklagen erfolgreich sind.

5. Die von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 03.11.2016 angesprochenen weiteren Problemstellungen im Hinblick auf den Fortbestand des Rechtsschutzbedürfnisses bedürfen keiner Klärung im Freigabeverfahren. Denn insoweit fehlt es an einem Eilbedürfnis. Nachdem den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) auch bei einer erfolgreichen Anfechtungsklage nur Schadensersatzansprüche verbleiben, können die von der Antragstellerin angesprochenen Probleme insgesamt in dem Klageverfahren vor dem Landgericht München II ggf. im Rahmen einer Beweisaufnahme geklärt werden. Dort besteht die Möglichkeit, die getroffenen gerichtlichen Entscheidungen im Instanzenzug überprüfen zu lassen und ggf. einer höchstrichterlichen Kontrolle zu unterziehen. Das gilt auch für die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang angesprochene klärungsbedürftige Frage der „theoretischen Rückabwicklung“, zu der allerdings jeglicher Sachvortrag fehlt.

6. Soweit die Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis für den Freigabeantrag daraus ableitet, dass sie eine Legitimation für die Auszahlung der Zinsen zum 30.09.2016 im Hinblick auf die Anfechtung der Beschlüsse benötige, ist darauf hinzuweisen, dass diese Frage weder Streitgegenstand des Freigabeverfahrens noch der Anfechtungsklagen vor den Landgerichten ist. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin den Vollzug der angefochtenen Beschlüsse unverzüglich nach Ablauf der Anfechtungsfrist selbständig herbeigeführt hat, muss sie die Frage der Auszahlung der Zinsen in eigener Verantwortung entscheiden. Ein Bedürfnis dafür, die Handlungsweise der Antragstellerin nachträglich zu legitimieren, schafft das Freigabeverfahren schon deshalb nicht, weil es der Überwindung des Vollzugsverbots und nicht der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns der Antragstellerin im Hinblick auf die Herbeiführung des Vollzugs der Beschlüsse dient.

7. Soweit die Antragstellerin meint, im Freigabeverfahren seien die Grundsätze des § 256 Abs. 1 ZPO anwendbar, ist darauf hinzuweisen, dass der Streitgegenstand bei einer positiven aber auch negativen Feststellungsklage das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder die Echtheit einer Urkunde ist. Der Streitgegenstand im vorliegenden Fall ist - wie oben bereits ausgeführt - ein anderer. Unsicherheiten in Bezug auf ein Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder die Echtheit einer Urkunde beseitigt das Freigabeverfahren nicht. Zweifel im Hinblick auf die streitgegenständliche Beschlussfassung müssen daher ggf. in dem Verfahren vor den Landgericht München II ausgeräumt werden.

8. Auch das von der Antragstellerin angesprochene Bedürfnis aller Anleihegläubiger nach Rechtssicherheit vermag das Rechtsschutzbedürfnis nicht zu begründen. Denn die Entscheidung der Rechtsfragen im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Beschlussfassung ist dem Landgericht München II vorbehalten, soweit die Anfechtungsklagen aufrecht erhalten werden.

9. Die von der Antragstellerin angesprochene „faktische Sperrwirkung“ der Anfechtungsklagen besteht im vorliegenden Fall nicht, denn die Antragstellerin hat die Beschlüsse durch die Herausgabe an das Bankhaus Gebr. M. AG in Vollzug gesetzt.

10. Die Behauptung der Antragstellerin, dass die Erhebung der Anfechtungsklagen durch Antragsgegnerinnen „rechtsmissbräuchlich“ sind, kann ebenfalls im Verfahren vor dem Landgericht München II geprüft und entschieden werden. Im Freigabeverfahren würde dies bei der Zulässigkeit und Begründetheit der Anfechtungsklagen geprüft. Es handelt sich aber nicht um eine Frage, die im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin geklärt werden müsste.

11. Soweit sich die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) darauf berufen, dass im Interesse der Antragsgegnerinnen ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung im Freigabeverfahren bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass das Rechtsschutzinteresse im Hinblick auf die Freigabe der Beschlüsse allein aus Sicht der Antragstellerin zu beurteilen ist, und nicht aus Sicht der Antragsgegnerinnen. Ausschließlich die Antragstellerin hat ein Interesse an einem vorzeitigen Vollzug der angefochtenen Beschlüsse. Das ergibt sich bereits aus den von den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) gestellten Anträgen. Die von den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) angesprochenen damit zusammenhängenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen der Wirksamkeit der Beschlüsse und etwaiger Schadensersatzansprüche können im Rahmen der Anfechtungsklagen geklärt werden, die beim Landgericht München II erhoben wurden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, § 246a Abs. 1 Satz 2 AktG.

IV.

Den Streitwert bestimmt der Senat nach billigem Ermessen § 3 ZPO in Verbindung mit § 20 Abs. 3 S. 4 2. Hs. SchVG 2009, §§ 246a Abs. 1 Satz 2, 247 Abs. 1 AktG. Der Senat bewertet das Interesse der Antragstellerin entsprechend ihren Angaben an der Freigabe der Beschlüsse mit einem Wert von 220.000,-- Euro.

V.

Gegen den Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG, § 246a Abs. 3 Satz 4 AktG).

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