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Wirtschaftsrecht
26.07.2019
Wirtschaftsrecht
OLG Celle: Fortführung der GmbH kraft Gesellschafterbeschlusses nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens bei fehlender Fortführungsplanung

OLG Celle, Beschluss vom 8.3.20199 W 17/19

ECLI:DE:OLGCE:2019:0308.9W17.19.00

Volltext: BB-Online BBL2019-1729-5

Amtliche Leitsätze

1. Eine GmbH kann nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens nicht kraft Fortsetzungsbeschlusses ihres Alleingesellschafters fortgesetzt werden, wenn der Insolvenzplan keine Fortführungsplanung enthält.

2. Das Registergericht kann das aus dem Wortlaut von § 60 Abs. 1 Nr. 4 herrührende Erfordernis, wonach die Fortführung einen Insolvenzplan, „der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht“, voraussetzt, selbstständig prüfen. Der Beschluss des Insolvenzgerichts, mit dem das Insolvenzplanverfahren aufgehoben wird, schließt diese registergerichtliche Prüfung nicht aus.

3. Liegt zwischen der Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens seitens des Insolvenzgerichts und dem Fortsetzungsbeschluss des Gesellschafters eine nicht unerhebliche Zeitspanne – im Streitfall etwa sechs Monate –, so kommt auch die Anwendung der Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung im Anmeldezeitpunkt des Fortsetzungsbeschlusses in Betracht.

§ 60 Abs 1 Nr 4 GmbHG

Aus den Gründen

I. Unter dem 3. Dezember 2018 haben die Geschäftsführer der betroffenen Gesellschaft über den Beteiligten zu 2), Notar S. aus S., zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, dass die betroffene Gesellschaft aufgrund Fortsetzungsbeschlusses ihrer Alleingesellschafterin fortgesetzt werde (Anlagenhefter Bl. 3).

Dem war ein als Insolvenzplanverfahren geführtes Insolvenzverfahren vorausgegangen, das auf einen Eigenantrag der betroffenen Gesellschaft wegen drohender Zahlungsunfähigkeit vom August 2017 eingeleitet worden war (vgl. wg. der Einzelheiten den Sonderband Kopien aus dem Insolvenzverfahren AG Lüneburg ...). Unter dem 28. Februar 2018 haben die hiesigen Verfahrensbevollmächtigten für die betroffene Gesellschaft einen Insolvenzplan zum Insolvenzgericht eingereicht. Der Plan sieht unter

„1. Zusammenfassung des bisherigen Verfahrens“

auf Seite 5 (Bl. 133 des Sonderbandes Kopien aus dem Insolvenzverfahren) Folgendes vor:

 „Durch diesen Insolvenzplan sollen die Insolvenzgläubiger der Schuldnerin bei (teilweiser) Befriedigung ihrer Insolvenzforderungen bessergestellt werden als im Falle der Durchführung eines Insolvenzhauptverfahrens. Im Rahmen der Insolvenzplanregelungen sollen diese Insolvenzgläubiger insbesondere durch die Zahlung eines Massebeitrags von dritter Seite teilweise befriedigt werden und im Übrigen auf ihre Insolvenzforderungen gegenüber dem Schuldner verzichten. Ferner soll die Schuldnerin von ihren Schulden befreit werden und ihr hierdurch die grundsätzliche Möglichkeit gegeben werden, entsprechend ihres Geschäftszwecks weiterhin werbend tätig zu sein [Hervorhebung durch den Senat]. Zudem bezweckt der Insolvenzplan die Überwindung des eingetretenen Vermögensverfalls.

Im Fall der Annahme des Insolvenzplans wird seitens der Gesellschafter ein Betrag in Höhe von Euro 15.000,00 zur teilweisen Befriedigung der Insolvenzforderungen zur Verfügung gestellt.“

Aus dem Insolvenzplan folgt weiter unter 2.2.2., dass die Einlage in Höhe von 15.000 € seitens der Gesellschafterin als Darlehen zur Finanzierung des Insolvenzplans vorgesehen ist (S. 12 des Insolvenzplans), alternativ die Stammeinlage in dieser Höhe erhöht werden sollte; ein - satzungsändernder - Beschluss des letztgenannten Inhalts ist jedoch nicht gefasst worden.

Das Registergericht geht davon aus - zu den Akten gelangt sind die Beschlüsse nicht -, dass das Insolvenzverfahren durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 22. Mai 2018 aufgehoben und durch weiteren Beschluss des Insolvenzgerichts vom 6. August 2018 auch die Anordnung der Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans aufgehoben ist.

Der zur Urkundenrolle Nummer 899/18 des Notars S. gefasste Beschluss der Alleingesellschafterin betreffend die Fortsetzung der Gesellschaft datiert vom 29. November 2018 (Bl. 6f. des Heftstreifens Anlagen zur Registerakte).

Das Registergericht hat unter dem 31. Januar 2019 (Bl. 74 d.A.) den Notar zunächst darauf hingewiesen, dass der Insolvenzplan den Fortbestand der Gesellschaft nicht vorsehe und damit eine Fortsetzung der Gesellschaft gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4, 2. Hs, 2. Alt. GmbHG nicht möglich sei. Dem ist der Prozessbevollmächtigte der betroffenen Gesellschaft sodann entgegengetreten und hat gemeint, der Insolvenzplan bedürfe der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB. Bei verständiger Würdigung der im Insolvenzplan vorgesehenen Regelungen werde deutlich, dass sämtliche Maßnahmen, die der Insolvenzplan zur Entschuldung der Gesellschaft vorsehe, nur dazu dienten, den Fortbestand der Gesellschaft überhaupt erst zu ermöglichen. Zudem deute Seite 16 des Insolvenzplans an, dass eine Ertragsplanung vorliege, die den Fortbestand der Gesellschaft zum Gegenstand habe. Einer solchen würde es nicht bedurft haben, wenn die Gesellschaft nicht fortbestehen solle.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 7. Februar 2019 (Bl. 94 d.A.) hat das Registergericht daran festgehalten, dass im Streitfall eine Fortsetzung der Gesellschaft nicht möglich sei. Der Insolvenzplan müsse eine abschließende und eindeutige Aussage zum Fortbestand der Gesellschaft treffen, um als Basis für einen Fortsetzungsbeschluss dienen zu können. Es genüge gesellschaftsrechtlich nicht, im Insolvenzplan offen zu lassen, ob die Gesellschaft fortbestehen soll, oder Situationen zu beschreiben für den Fall, dass die Gesellschaft nicht oder doch fortbestehe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die fristgerecht eingelegte Beschwerde, mit der die betroffene Gesellschaft daran festhält, es liege ein Fall zulässiger Fortsetzung nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens vor.

II. Die statthafte und in zulässiger Weise erhobene Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Registergericht die Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG - auch im Lichte des Schriftsatzes der Beschwerdeführerin vom 7. März 2019, Bl. 144-148 d.A. nebst dessen Anlagen, soweit in Bezug genommen - als nicht erfüllt angesehen.

1.) Zwar eröffnet § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG von Gesetzes wegen grundsätzlich die Möglichkeit zur Fortsetzung einer GmbH, wenn das Insolvenzplanverfahren aufgehoben ist; dies gilt allerdings nicht voraussetzungslos, sondern dem Gesetze nach, wenn in dem Insolvenzplan der Fortbestand der Gesellschaft vorgesehen ist. Daran fehlt es im Streitfall.

a) Die oben zitierte Passage aus dem Insolvenzplan, auf die auch der Schriftsatz vom 7. März 2019 zentral abstellt, in welcher es heißt, „ihr (= der Gesellschaft) soll hierdurch die grundsätzliche Möglichkeit gegeben werden, entsprechend ihres Geschäftszwecks weiterhin werbend tätig zu sein“, bleibt abstrakt und sieht allein „die grundsätzliche Möglichkeit“ einer Fortführung vor. Sie umreißt aber in keiner Weise konkret, wann und wie das geschehen soll. Vielmehr enthält der Insolvenzplan allein Regelungen, die zum Inhalt haben, dass das gesamte bei der Insolvenzschuldnerin noch vorhandene Vermögen zur Tilgung der Masseschulden und zur quotalen Verteilung auf die Insolvenzgläubiger verbraucht wird.

b) Auch die als Anlage 3 zum Schriftsatz vom 7. März 2019 vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers/Gesellschafters der Alleingesellschafterin (Bl. 230 d.A.), wonach dieser stets Fortsetzungswillen gehabt habe, ist gänzlich substanzlos.

c) Eine konkrete und nachvollziehbar näher beschriebene Absicht zur Fortführung der Gesellschaft als werbende Gesellschaft nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens lässt der Insolvenzplan nicht erkennen; er lässt auch nicht erkennen, aus welchen sächlichen, persönlichen und finanziellen Mitteln dies geschehen sollte oder auch nur könnte. Ein etwa vorhandener Fortführungsplan oder ein Konzept für die Geschäftsfortführung hat in den Insolvenzplan keinen Eingang gefunden. Die Beschwerdeführerin hat auch den angeblich existierenden Ertragsplan nicht zu den Akten gelangen lassen. Dass die früheren Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin noch vertraglich verbunden wären, ist weder vorgetragen noch angesichts der verstrichenen Zwischenzeit anzunehmen.

d) Die Ausführungen im Insolvenzplan lassen vielmehr erkennen, dass die Zustimmung der Gläubiger zum Insolvenzplan (und die Zustimmung zur Quotenverbesserung von gut 2 % auf gut 8 % ihrer Forderung) dadurch befördert und erzielt worden ist, dass die Alleingesellschafterin als Darlehen 15.000 € eingeschossen haben wird (die im Insolvenzplan alternativ aufgezeigte Möglichkeit einer Kapitalerhöhung in Höhe des genannten Betrages wurde nicht verwirklicht). Daraus folgt, dass die Gemeinschuldnerin, die wegen drohender Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzplanverfahren beantragt hat, über eine irgendgeartete Finanzausstattung nicht mehr verfügt, vielmehr aus dem Insolvenzplanverfahren noch eine zusätzliche Darlehensschuld von 15.000 € herrührt, die ihre Eröffnungsbilanz belastet.

e) Der einzige nachvollziehbar erscheinende Grund, warum die Gemeinschuldnerin aufrechterhalten werden soll, dürfte in der ihr erteilten gewerberechtlichen Erlaubnis vom 4. April 2013 liegen, die der Beschwerdeführerin vor dem Insolvenzplanverfahren die Ausübung des Bewachungsgewerbes gestattet hat (Bl. 128 d.A.). Dass von der Altgenehmigung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auch noch in der Zukunft Gebrauch gemacht werden soll, erscheint jedoch, nachdem das Vermögen der Beschwerdeführerin zur Gänze verteilt worden ist, in keiner Weise schützenswert; insoweit bedarf es vielmehr einer neuen aktuellen gewerberechtlichen Überprüfung der Frage, ob eine Rechtsnachfolgerin der Beschwerdeführerin bzw. die wiederaufgelebte (vgl. dazu auch sogleich unter 2.) Beschwerdeführerin unter gleicher Leitung die Anforderungen an eine gewerberechtliche Zuverlässigkeit noch oder wieder erfüllt.

Das gilt umso mehr, als das durchgeführte Insolvenzverfahren, in dem die festgestellten Altschulden zu Lasten aller Insolvenzgläubiger zu einer unter 10% liegenden Insolvenzquote erledigt worden sind, im Streitfall praktisch eine Abwälzung der Schulden zu Lasten der Allgemeinheit dargestellt hat. Dies erschließt sich daraus, dass sich die Schuldnerin festgestellten Forderungen von knapp 270.000€ gegenüber sah, deren Gläubigerkreis vor allem Sozialversicherungsträger, Finanzamt und Bundesagentur für Arbeit gewesen sind (vgl. dazu die Insolvenztabelle Bl. 144 des Sonderbandes mit Kopien aus dem Insolvenzverfahren). Dagegen kann die Beschwerdeführerin auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass sie nur die Komplementär-GmbH zu einer Kommanditgesellschaft sei bzw. gewesen sei. Denn es ist im Streitfall vielmehr so, dass bei der Kommanditgesellschaft selbst noch einmal ebenfalls hohe unbeglichene Schulden, vornehmlich gegenüber Sozialversicherungsträgern, angewachsen waren (vgl. Bl. 225 - 229. d.A.). Deshalb verfängt keinesfalls der von der Beschwerde befürwortete Mechanismus, dass bei der Beschwerdeführerin die Fortsetzung zwingend einzutragen sei, nachdem sich das Registergericht für die Kommanditgesellschaft dazu entschlossen habe.

2.) Wollte man entgegen dem Vorstehenden die Fortsetzungsfähigkeit der vormaligen Gemeinschuldnerin grundsätzlich bejahen und eine eigene Prüfungsbefugnis der Registergerichte hinsichtlich der im Insolvenzplan zum Ausdruck kommenden Fortsetzung der Gesellschaft verneinen wollen, hätten die Anmelder im Streitfall zudem die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Gesellschaft nicht zureichend dargetan.

Wenn - wie im Streitfall - zwischen der Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens und dem Fortsetzungsbeschluss geraume Zeit vergeht, hier etwa sechs Monate, und zudem der Insolvenzplan die Verteilung sämtlicher finanzieller Mittel der Insolvenzschuldnerin vorsieht, ohne dass ihr Spielräume für eine Fortsetzung verbleiben oder geschaffen würden, so könnte das Registergericht bezogen auf den Zeitpunkt des Fortsetzungsbeschlusses der Alleingesellschafterin und dessen Anmeldung in Anlehnung an die Ausführungen in Münchener Kommentar zum GmbH-Gesetz/Berner, 3. Aufl. 2018, GmbHG § 60 Rn. 249, sowie der BGH-Entscheidung II ZR 56/10, juris-Rn. 9, zumindest verlangen, dass entsprechend den Anforderungen an eine wirtschaftliche Neugründung die Geschäftsführung versichern müsste, dass der Gegenstand der geschuldeten Stammeinlage zumindest zur Hälfte aufgebracht ist und zu ihrer freien Verfügung steht. Entsprechendes fehlt im Streitfall; das Registergericht hatte für einen entsprechende/n Auflage/Hinweis auch nach dem oben unter 1.) Ausgeführten auch noch keinen Anlass.

Dafür, dass das Registergericht ein solches Verlangen erheben kann, spricht insbesondere, dass für das Überwinden der unternehmerischen Krise - der Bundesgerichtshof postuliert für die Unternehmensfortführung in seinem Beschluss zu BGH II ZB 13/14, juris-Rn. 12, dass das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit aus Sach- und Personalmitteln am Markt erhalten bleibt - im Streitfall wie dargelegt nichts spricht. Das Unternehmen stellt sich vielmehr nach derzeitiger Sicht als leere GmbH-Hülle dar, welche allein noch über eine gewerberechtliche Genehmigung zu verfügen meint.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gründet sich darauf, dass die Frage, ob nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens die Fortsetzung einer GmbH allein davon abhängt, dass die Gesellschafter einen Fortsetzungsbeschluss treffen oder ob dem Registergericht eine eigenständige Prüfung der konkretisierten Fortsetzungsabsicht und -prognose eröffnet ist und welche Anforderungen ggfs. gestellt werden dürfen, noch gänzlich ungeklärt ist.

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