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Wirtschaftsrecht
17.09.2010
Wirtschaftsrecht
OLG München: Fortbestand einer GbR als Liquidationsgesellschaft nach dem Tode eines Gesellschafters

OLG München , Beschluss  vom 07.09.2010 - Aktenzeichen 34 Wx 100/10
(Vorinstanz: AG Rosenheim vom 28.12.2009 )

Amtliche Leitsätze: Auch wenn eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst wird, besteht sie als Liquidationsgesellschaft fort. Der Erbe oder dessen Rechtsnachfolger kann daher im Wege der Grundbuchberichtigung als Gesellschafter eingetragen werden.

Amtliche Normenkette: GBO § 22; BGB § 727;

Gründe:
 
I. Die Beteiligte zu 1 ist Gesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). 
Neben der Beteiligten zu 3 war Gesellschafter der am 22.07.1998 verstorbene Ehemann der Beteiligten zu 1, dessen Alleinerbin laut Erbschein vom 12.11.1998 die Beteiligte zu 1 ist. Alle drei Personen sind "als Gesellschafter bürgerlichen Rechts" im Grundbuch als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen. Der Beteiligten zu 1 gehört ferner als Miteigentümerin zu ¾ ein weiteres Grundstück. 
Dem Grundbuchamt liegt der privatschriftliche Gesellschaftsvertrag der am 15.2.1956 ursprünglich als OHG gegründeten GbR vor. Der Gesellschaftsvertrag enthält keine Nachfolgeregelung für den Fall, dass der Ehemann der Beteiligten zu 1 verstirbt. 
Mit notariellem Vertrag vom 23.12.2004 überließ die Beteiligte zu 1 u.a. der Beteiligten zu 2 ihren Gesellschaftsanteil von "intern 75 %" an der GbR und trat diesen an die Erwerberin ab. Die Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 3 bewilligten die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der neuen Berechtigten. Die Mitgesellschafterin stimmte der Abtretung des Gesellschaftsanteils überdies in öffentlich beglaubigter Form zu. Die Beteiligte zu 1 veräußerte außerdem ihren Miteigentumsanteil an dem weiteren Grundstück an die Beteiligte zu 2. Dazu sind Auflassung und Bewilligung erklärt; der Eintragungsantrag ist gestellt. Am 4./7.12.2009 schlossen die Beteiligte zu 2 und die weitere Gesellschafterin ungeachtet des Vorliegens eines Auflösungsgrundes eine Vereinbarung über die Fortsetzung der Gesellschaft. Sie bewilligten und beantragten, die Fortsetzung der Gesellschaft im Grundbuch zu vermerken. 
Den Vollzugsantrag vom 21.12.2009, das Grundbuch hinsichtlich des Gesellschaftsanteils zu berichtigen sowie die Beteiligte zu 2 als Miteigentümerin einzutragen, hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 28.12.2009 zurückgewiesen. Es hat dies damit begründet, dass die GbR mit dem Tod des Ehemannes der Beteiligten zu 1 beendet sei, da der Gesellschaftsvertrag für den Fall des Ablebens keine Regelungen enthalte. 
Damit sei die Übertragung des Gesellschaftsanteils auf die Beteiligte zu 2 unwirksam. 
Die Fortsetzungsvereinbarung sei ohne Rechtswirkungen, da dies an der Auflösung der Gesellschaft nichts ändere. Es bedürfe vielmehr einer vertraglichen Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens gemäß § 730 Abs. 1 BGB unter Mitwirkung der bisherigen Gesellschafterin - der Beteiligten zu 1 - bei anschließender oder möglicherweise gleichzeitiger Neugründung der GbR. Da der genannte Mangel nicht heilbar sei, sei von einer Zwischenverfügung abzusehen und der Antrag sofort zurückzuweisen. 
Die Zurückweisung erstrecke sich auch auf die Überlassung des Miteigentumsanteils, weil die Urkunde einen Teilvollzug weder vorsehe noch dieser beantragt sei. 
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2. Diese wird damit begründet, dass auch dann, wenn nach dem Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft aufgelöst sei, von den verbleibenden Gesellschaftern deren Fortsetzung beschlossen werden könne. 
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. 
II. Die zulässige (§ 71 Abs. 1, § 73 i.V.m. § 15 Abs. 2 GBO) Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. 
1. Soweit die Eintragung der Beteiligten zu 2 als Gesellschafterin der GbR beantragt wird, handelt es sich um einen Berichtigungsantrag gemäß § 22 Abs. 1 GBO. Erforderlich ist dazu entweder der Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs (vgl. Demharter GBO 27. Aufl. § 22 Rn. 28) oder Berichtigungsbewilligungen aller in Frage kommender Berechtigter und die Zustimmung des neuen Gesellschafters (§ 22 Abs. 2 GBO) je in der Form des § 29 Abs. 1 GBO (Böhringer Rpfleger 2009, 537/541; DNotIRep. 2010, 145/146). 
a) War die Übertragung des Gesellschaftsanteils wirksam und konnte die Beteiligte zu 1 über diesen verfügen, so ist nunmehr das Grundbuch als unrichtig anzusehen. Im Grundbuch sind die ursprünglichen Gesellschafter der als Grundstückseigentümerin ausgewiesenen GbR eingetragen. Da gemäß § 47 Abs. 2 GBO auch die Gesellschafter im Grundbuch einzutragen sind und die für den Berechtigten geltenden Vorschriften für diese entsprechend gelten, dies auch für Eintragungen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes gilt (Art. 229 § 21 EGBGB, vgl. Demharter § 47 Rn. 34), ist das Grundbuch als unrichtig anzusehen, wenn die falschen oder Gesellschafter eingetragen sind, die diese Rechtsstellung nicht mehr inne haben (vgl. Demharter § 47 Rn. 30, 38 a.E.; Böhringer Rpfleger 2009, 537/541; Lautner DNotZ 2009, 650/663 ff.; Ruhwinkel MittBayNot 2009, 421/425; DNotIRep. 2010, 145/146). 
(1) Nach dem Grundsatz des § 727 Abs. 1 BGB wird die Gesellschaft nach dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst. Verbleibt es mangels abweichender Regelungen im Gesellschaftsvertrag hierbei, so besteht sie jedoch als identische Wirkungseinheit in Form der Liquidationsgesellschaft fort (Staudinger/Habermeier BGB Bearb. 2002 § 730 Rn. 9). Dies ist im notariellen Vertrag vom 23.12.2004 dargelegt, indem dort ausgeführt wird, die Gesellschaft sei mit dem Tod des Ehemanns der Beteiligten zu 1 zwar aufgelöst, aber deren Auseinandersetzung bislang gescheitert. Anhaltspunkte, dass dies unzutreffend sein könnte, haben weder das Grundbuchamt noch der Senat. 
Anstelle des verstorbenen Gesellschafters ist dessen Erbin Mitglied der Liquidationsgesellschaft geworden (vgl. BayObLGZ 1991, 301/303; MüKo Ulmer/Schäfer BGB 5. Aufl. § 727 Rn. 13). Auch wenn sich mit der Auflösung der Gesellschaftszweck und der rechtliche Status der Gesellschafter änderten, blieben doch Mitgliederbestand, Gesellschaftsvermögen und Rechtsfähigkeit von der Auflösung unberührt (vgl. Staudinger/Habermeier § 730 Rn. 9). 
(2) Das ehemalige Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLGZ 1991, 301/304) hat bei Berichtigung des durch den Tod des eingetragenen Gesellschafters unrichtig gewordenen Grundbuchs im Hinblick auf die in Betracht kommenden verschiedenen gesellschaftsvertraglichen Gestaltungen die Vorlage des Gesellschaftsvertrages - auch in nicht der Form des § 29 GBO genügender Weise - für notwendig gehalten. Der schriftlich abgefasste Gesellschaftsvertrag befindet sich bereits bei den Grundakten und enthält hinsichtlich des Todes des Ehemannes der Beteiligten zu 1 keine Abweichung gegenüber der gesetzlichen Lage (§ 727 Abs. 1 BGB), so dass die Beteiligte zu 1 auch insoweit Rechtsnachfolgerin ist. 
(3) Der Berichtigung auf Grund Unrichtigkeitsnachweises stände indes noch ein - allerdings behebbares - Hindernis entgegen. Anteile an einer GbR können nur dann übertragen werden, wenn dies im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich zugelassen ist oder alle übrigen Gesellschafter zustimmen (§ 719 Abs. 1 BGB; vgl. Palandt/Sprau BGB 69. Aufl. § 719 Rn 6; Staudinger/Habermeier § 719 Rn. 3). Der dem Grundbuchamt vorliegende Gesellschaftsvertrag enthält hierzu nichts. Die Zustimmung der einzigen noch vorhandenen weiteren Gesellschafterin wäre dann in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO, also durch öffentliche Urkunde, nachzuweisen, da es sich nicht um eine zur Eintragung erforderliche Erklärung i.S. v. § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO handelt. 
Die maßgebliche Erklärung liegt nur in öffentlich beglaubigter Form vor. 
b) Trotzdem kann bereits jetzt über den Antrag abschließend entschieden werden. 
Auch für die Grundbuchberichtigung nach dem Tod eines GbR-Gesellschafters steht der Weg über die Berichtigungsbewilligung offen (OLG Schleswig MittBayNot 1992, 139 mit Anmerkung Ertl; vgl. auch Ertl MittBayNot 1992, 11/16; Hügel/Wilsch GBO § 35 Rn. 146; auch DNotIRep. 2010, 145 ff.). Ob auch dabei in jedem Fall der Gesellschaftsvertrag vorzulegen ist (vgl. Demharter § 22 Rn. 41), kann offen bleiben. Der Vertrag liegt nämlich vor. Notwendig ist die Bewilligung aller, deren Buchposition oder tatsächliche Rechtsstellung durch die Eintragung beeinträchtigt wird oder werden kann (vgl. Demharter § 22 Rn. 32). Das ist neben der Beteiligten zu 1 als Gesellschafterin und Erbin die Beteiligte zu 3 als einzige Mitgesellschafterin, deren Bewilligung vorliegt. Anhaltspunkte dafür, dass für den Erblasser Dritte eintreten sollten, sind nach dem vorliegenden Gesellschaftsvertrag nicht ersichtlich, fernliegende Möglichkeiten sind nicht zu berücksichtigen (vgl. OLG Schleswig aaO.). Weitere Nachweise sind nicht erforderlich, zumal der auch hier nun anwendbare § 899a BGB (Art. 229 § 21 EGBGB) mit Wirkung auch gegenüber dem Grundbuchamt sicherstellt, dass der Gesellschafterbestand im Übrigen keine Änderung erfahren hat (vgl. DNotIRep. 2010, 145/147). 
2. Für den dann möglichen Vollzug des weiteren Antrags auf (Mit-) Eigentumsumschreibung (§ 16 Abs. 2 GBO) sind keine Hindernisse ersichtlich. 
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. 
 

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