OLG München: Folgen der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Höchstbetrags i. s. d. § 192 Abs. 3 S. 1 AktG
OLG München, Beschluss vom 14.09.2011 - 31 Wx 360/11
leitsätze
1. Überschreitet der von der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft beschlossene Nennbetrag des bedingten Kapitals den gesetzlich zulässigen Höchstbetrag im Sinne des § 192 Abs. 3 Satz 1 AktG, führt dies zur Gesamtnichtigkeit des die bedingte Kapitalerhöhung betreffenden Teils des Beschlusses.
2. In diesem Fall ist auch die Eintragung einer bedingten Kapitalerhöhung in Höhe des gesetzlich zulässigen Betrages trotz eines entsprechenden Antrags der Gesellschaft nicht zulässig.
sachverhalt
I. Die Beschwerdeführerin ist eine Aktiengesellschaft, deren Grundkapital 708.099.784,00 € beträgt. Zur Eintragung ist u.a. die mit Beschluss der Hauptversammlung vom 15.4.2011 bedingte Erhöhung des Grundkapitals um bis zu 354.049.892,00 € angemeldet. Bereits mit Beschluss der Hauptversammlung von 23.4.2010, eingetragen im Register am 7.6.2010, wurde das Grundkapital der Gesellschaft um einen Betrag in Höhe von 53.916.185,00 € bedingt erhöht; eine Ausnutzung dieses Erhöhung hat bisher noch nicht stattgefunden. Mit Schreiben vom 16.6.2011 wies das Registergericht darauf hin, dass derzeit ein Eintragungshindernis bestehe, da die zur Eintragung angemeldete bedingte Kapitalerhöhung die gesetzlich vorgesehene Höchstsumme im Sinne des § 192 Abs. 3 Satz 1 AktG übersteige und mit Zurückweisung der Anmeldung gerechnet werden müsse, sofern den gerichtlichen Anforderungen nicht bis zum 1.8.2011 entsprochen werde. Mit Antrag vom 4.7.2011 änderte die Beschwerdeführerin ihren ursprünglichen Antrag dahingehend ab, dass die Hauptversammlung am 15.4.2011 die bedingte Erhöhung des Grundkapitals um bis zu 300.133.707,00 € beschlossen habe. Der Beschluss der Hauptversammlung sei bezüglich des bedingten Kapitals darauf gerichtet gewesen, dieses auf den gesetzlich zulässigen höchstmöglichen Betrag zu erhöhen, und in diesem Sinne auszulegen. Demgemäß sei auch der diesbezügliche Beschluss der Hauptversammlung vom 15.4.2011 lediglich hinsichtlich des den gesetzlich zulässigen Höchstbetrag (300.133.707,00 €) überschießenden Betrags (teil) nichtig, so dass der Teil, der innerhalb der Höchstgrenze des § 192 Abs. 3 Satz 1 AktG liegt, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 BGB wirksam und daher eintragungsfähig sei. Mit Schreiben vom 14.7.2011 teilte das Registergericht mit, dass auch durch die Einreichung der neu gefassten Anmeldung das mit Schreiben vom 16.6.2011 beanstandete Eintragungshindernis nicht behoben werden könne, da der Beschluss nicht in dem von der Beschwerdeführerin vertretenen Sinn ausgelegt werden könne. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin.
aus den gründen
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist das Registergericht zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz geänderter Anmeldung weiterhin das mit Schreiben vom 16.6.2011 erkannte Eintragungshindernis besteht.
1. Das Registergericht hat im Rahmen des § 195 Abs. 1 AktG die Anmeldung des Beschlusses über eine bedingte Kapitalerhöhung in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen (vgl. Hüffer AktG 9. Auflage § 195 Rn. 9). Die Prüfung in materieller Hinsicht erstreckt sich darauf, ob die gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen der bedingten Kapitalerhöhung vorliegen. Das Gericht hat die Eintragung insbesondere dann abzulehnen, wenn der Beschluss nach § 241 AktG nichtig ist.
2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das Registergericht zutreffend erkannt, dass derzeit die Voraussetzungen für die Eintragung der angemeldeten Satzungsänderung betreffend der bedingten Kapitalerhöhung durch Beschluss der Hauptversammlung vom 15.4.2011 weder in der ursprünglich angemeldeten noch in der berichtigten Fassung (Anmeldung vom 4.7.2011) gegeben sind.
a) Die Eintragung der ursprünglich zur Anmeldung angemeldeten bedingten Erhöhung des Grundkapitals um bis zu 354.049.892,00 € gemäß Beschluss der Hauptversammlung vom 15.4.2011 verstößt gegen den zulässigen Höchstbetrag im Sinne des § 192 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AktG.
aa) Gemäß § 192 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AktG darf der Nennbetrag des bedingten Kapitals die Hälfte des Grundkapitals, das zur Zeit der Beschlussfassung über die bedingte Kapitalerhöhung vorhanden ist, nicht übersteigen. Bei der Berechnung des zulässigen Höchstbetrages für den Nennbetrag des bedingten Kapitals sind auch Nennbeträge aus früheren bedingten Kapitalerhöhungen, soweit sie noch nicht ausgeschöpft sind, zu berücksichtigen (Hüffer a.a.O. § 192 Rn. 23). Ausgehend von einem Grundkapital in Höhe von 708.099.784,00 € und unter Berücksichtigung der bereits mit Beschluss der Hauptversammlung vom 23.4.2010 bedingten Kapitalerhöhung in Höhe von 53.916.185,00 € beträgt demgemäß der nach § 192 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AktG gesetzlich zulässige Höchstbetrag für eine weitere bedingte Kapitalerhöhung maximal 300.133.707,00 €. Diesen Betrag hat der Beschluss der Hauptversammlung überschritten.
bb) Der Verstoß gegen § 192 Abs. 3 Satz 1 AktG führt nach allgemeiner Auffassung zur Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses gemäß § 241 Nr. 3 AktG (Hüffer a.a.O. § 192 Rn. 23; Krafka/Willer/Kühn Registerrecht 8. Auflage Rn. 1504; Bungeroth in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff AktG <1993> § 192 Rn. 55; Frey in: Großkommentar zum AktG <2006> § 192 Rn. 143; Veil in: K. Schmidt/Lutter AktG <2010> § 192 Rn. 28; Lutter in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz <2. Auflage> § 192 AktG Rn. 31 m.w.N.; Fuchs in: MüKoAktG <2011> § 192 Rn. 153). Zu Recht hat daher das Registergericht die zur Eintragung ursprünglich angemeldete Satzungsänderung betreffend einer bedingten Kapitalerhöhung in Höhe von bis zu 354.049.892,00 € abgelehnt (vgl. Hüffer a.a.O. § 192 Rn. 23; Fuchs in: MüKoAktG a.a.O. § 192 Rn. 154).
b) Entgegen dem Beschwerdevorbringen erweist sich auch die mit Antrag vom 4.7.2011 zur Eintragung angemeldete Satzungsänderung mit dem Inhalt, dass die Hauptversammlung am 15.4.2011 eine bedingte Kapitalerhöhung bis zu einer Höhe von 300.133.707,00 € beschlossen hat, als nicht eintragungsfähig.
aa) Die mit Beschluss vom 15.4.2011 von der Hauptversammlung gefasste bedingte Kapitalerhöhung von bis zu 354.049.892,00 € führt im Hinblick auf den Verstoß gegen § 192 Abs. 3 AktG zur Gesamtnichtigkeit des Beschlusses über die bedingte Kapitalerhöhung und beschränkt sich nicht nur auf den die Grenze des § 193 Abs. 3 AktG überschießenden Teil (allgemeine Auffassung: Hüffer a.a.O. § 192 Rn. 23; Krieger in MünchHdb AG <2. Auflage> § 57 Rn. 9; Fuchs in: MüKoAktG a.a.O. § 192 Rn. 154; Frey in: Großkommentar zum AktG <2006> § 192 Rn. 143; Lutter in: Kölner Kommentar zum AktG a.a.O. § 192 Rn. 31 m.w.N.). Soweit vereinzelt in der Vergangenheit die Auffassung vertreten wurde, dass der Beschluss in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil aufgespaltet werden könne (vgl. Röder ZHR 99 (1934) S. 212/215 f.; Ritter AktG 1937 <2. Auflage> § 159 Rn. 5, der aber trotz Aufspaltung des Beschlusses in einen wirksamen und unwirksamen Teil die Auffassung vertritt, dass das Registergericht die Eintragung des Beschlusses zur bedingten Kapitalerhöhung insgesamt ablehnen muss), hat sich diese Meinung in der Folgezeit in der Literatur nicht durchgesetzt (vgl. oben).
bb) Auch der Senat hält die in der Literatur - soweit erkennbar - einhellig vertretene Meinung einer Gesamtnichtigkeit des gegen den zulässigen Höchstbetrag nach § 192 Abs. 3 Satz 1 AktG verstoßenden Beschlusses gemäß § 241 Nr. 3 AktG für zutreffend, da § 192 Abs. 3 AktG nicht nur dem Schutz der Aktionäre, sondern auch dem öffentlichen Interesse an der Übersichtlichkeit der Kapitalverhältnisse (Fuchs in: MüKoAktG a.a.O. § 192 Rn. 145) dient und daher die Verletzung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der Vorschrift die Nichtigkeit des ganzen Hauptversammlungsbeschlusses bewirkt (vgl. Lutter in: Kölner Kommentar zum AktG a.a.O. § 192 Rn. 31). Für eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB ist daher entgegen dem Beschwerdevorbringen wegen der hier in rechtlicher Hinsicht fehlenden Teilbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses über die bedingte Kapitalerhöhung kein Raum. Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu der von der Beschwerdeführerin zitierten Rechtsprechung zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 139 BGB auf Hauptversammlungsbeschlüsse (vgl. BGH NJW 1988, 1214; OLG Hamburg NZG 2000, 549), insbesondere auch nicht zu der Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 27.8.2008 (AG 2008, 864). Der Verfahrensgegenstand dieser Entscheidungen betraf weder den hier inmitten stehenden Verstoß gegen den nach § 192 Abs. 3 Satz 1 AktG zulässigen Höchstbetrag für eine bedingte Kapitalerhöhung, noch die hier zu entscheidende Frage der registerrechtlichen Eintragbarkeit.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.