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Wirtschaftsrecht
10.09.2020
Wirtschaftsrecht
EuGH: Flugannullierung – Fluggast hat Anspruch auf Ausgleichsleistung in Landeswährung seines Wohnorts

EuGH, Urteil vom 3.9.2020 – C-356/19, Delfly sp. z o.o. gegen Smartwings Poland sp. z o.o., vormals Travel Service Polska sp. z o.o.,

ECLI:EU:C:2020:633

Volltext: BB-Online BBL2020-2049-1

Tenor

Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, insbesondere ihr Art. 7 Abs. 1, ist dahin auszulegen, dass ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechtsnachfolger die Zahlung der in dieser Bestimmung genannten Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung verlangen kann, so dass diese Bestimmung einer Regelung oder einer gerichtlichen Praxis eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der zu diesem Zweck von einem solchen Fluggast oder seinem Rechtsnachfolger gestellte Antrag nur deshalb zurückgewiesen wird, weil dieser ihn in dieser Landeswährung beziffert hat.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

2          Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Delfly sp. z o.o. und der Smartwings Poland sp. z o.o., vormals Travel Service sp. z o.o., einer Luftverkehrsgesellschaft, über einen Antrag auf Ausgleichszahlung gemäß der Verordnung Nr. 261/2004.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Der erste Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 lautet:

„Die Maßnahmen der [Union] im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.“

4          Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:

„Diese Verordnung gilt

a)      für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;

b)      sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.“

5          Art. 7 („Ausgleichsanspruch“) der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor:

„(1)      Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

a)      250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,

b)      400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,

c)      600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.

(3)      Die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 erfolgen durch Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggasts, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen.

…“

Polnisches Recht

Zivilverfahrensgesetzbuch

6          Art. 321 der Ustawa Kodeks postępowania cywilnego (Gesetz über das Zivilverfahrensgesetzbuch) vom 17. November 1964 in ihrer auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Zivilverfahrensgesetzbuch) bestimmt in § 1, dass ein Gericht nicht über einen Gegenstand urteilen darf, der vom Klagebegehren nicht umfasst war, und nichts zusprechen darf, was über das Klagebegehren hinausgeht.

7          Art. 5051 § 1 dieses Gesetzbuchs, der das vereinfachte Verfahren regelt, bestimmt, dass dieses auf Ansprüche aus Verträgen angewandt wird, wenn der Streitwert 20 000 polnische Zloty (PLN) (ungefähr 4 487 Euro) nicht überschreitet, und auf Ansprüche aus Gewährleistung oder einer Garantie, wenn der Wert des Vertragsgegenstands diesen Betrag nicht überschreitet.

8          Art. 5054 § 1 Satz 1 dieses Gesetzbuchs lautet:

„Eine Klageänderung ist nicht zulässig.“

Zivilgesetzbuch

9          Art. 358 der Ustawa Kodeks cywilny (Gesetz über das Zivilgesetzbuch) vom 23. April 1964 in ihrer auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (Dz. U. 2018, Position 1025) sieht vor:

„§ 1      Wenn Gegenstand einer im Gebiet der Republik Polen zu erfüllenden Verpflichtung ein Geldbetrag in fremder Währung ist, so darf der Schuldner die Leistung in polnischer Währung erfüllen, es sei denn, dass das Gesetz oder eine gerichtliche Entscheidung, die die Grundlage der Verpflichtung darstellt, oder ein Rechtsgeschäft vorsieht, dass die Leistung ausschließlich in fremder Währung zu erfüllen ist.

§ 2      Der Wert der fremden Währung ist nach dem von der Polnischen Nationalbank veröffentlichten Mittelkurs des Tags der Fälligkeit der Forderung festzulegen, es sei denn, dass das Gesetz, eine Gerichtsentscheidung oder ein Rechtsgeschäft etwas anderes vorsieht.

§ 3      Bei einem Verzug des Schuldners kann der Gläubiger verlangen, dass die Leistung in polnischer Währung nach dem von der Polnischen Nationalbank veröffentlichten Mittelkurs des Tags, an dem die Zahlung getätigt wird, erfolgt.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

10        Frau X verfügte bei dem Luftverkehrsunternehmen Smartwings Poland, vormals Travel Service, mit Sitz in Warschau (Polen) über eine bestätigte Reservierung für einen Flug von der in einem Drittstaat gelegenen Stadt A zu der in Polen gelegenen Stadt B. Am 23. Juli 2017 begab sie sich rechtzeitig zum Check-in für diesen Flug. Der Flug war über drei Stunden verspätet. Es wurde nicht festgestellt, dass Frau X im Abflugdrittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 erhalten hat.

11        Frau X, die nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung Anspruch auf eine Ausgleichsleistung in Höhe von 400 Euro hatte, trat ihren Anspruch an Delfly, eine Gesellschaft mit Sitz in Warschau, ab. Delfly erhob sodann bei dem vorlegenden Gericht Klage mit dem Antrag, Smartwings Poland, vormals Travel Service, zu verurteilen, ihr den Betrag von 1 698,64 PLN zu zahlen, der gemäß dem von der Polnischen Nationalbank zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Ausgleichsleistung festgesetzten Wechselkurs 400 Euro entsprach. Aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts geht hervor, dass gemäß Art. 5051 des Zivilverfahrensgesetzbuchs Rechtsstreitigkeiten, die vertragliche Verpflichtungen zum Gegenstand haben, zwingend im sogenannten „vereinfachten“ Verfahren behandelt werden, wenn der in Rede stehende Betrag 20 000 PLN (ungefähr 4 487 Euro) nicht überschreitet.

12        Smartwings Poland, vormals Travel Service, beantragte, den Antrag auf Ausgleichsleistung zurückzuweisen, u. a. mit der Begründung, dass dieser entgegen den Vorschriften des nationalen Rechts in der falschen Währung, nämlich in polnischen Zloty (PLN) und nicht in Euro, beziffert worden sei. Das vorlegende Gericht führt aus, dass Art. 5054 § 1 Satz 1 des Zivilverfahrensgesetzbuchs im Rahmen des sogenannten „vereinfachten“ Verfahrens keine Möglichkeit der Klageänderung vorsehe. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist indessen eine Änderung der Währung, in der das Klagebegehren beziffert wird, als Klageänderung anzusehen.

13        Das vorlegende Gericht hebt hervor, dass Art. 358 des Zivilgesetzbuchs vom 23. April 1964 in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) in seinem Urteil vom 16. Mai 2012 in der Rechtssache III CSK 273/11 ausgelegt worden sei. Der in jener Rechtssache in Rede stehende Anspruch sei in einer Fremdwährung ausgedrückt gewesen, und die Parteien hätten sich nicht über eine Umrechnung in polnische Zloty (PLN) verständigen können. Da der Schuldner nicht gewählt habe, den geschuldeten Betrag in polnischer Währung zu begleichen, und es zwischen den Parteien keine Vereinbarung darüber gegeben habe, habe der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) entschieden, dass der Gläubiger die Zahlung nur in Fremdwährung verlangen könne. Nur der Schuldner sei berechtigt, die Währung zu wählen, in der er seine Schuld erfülle – unabhängig davon, ob er sie innerhalb der vorgesehenen Frist erfülle oder dabei eine gewöhnliche Verzögerung oder Verzug eintrete. Sei der Schuldner mit der Erfüllung einer Leistung, deren Gegenstand ein in einer fremden Währung bestimmter Geldbetrag sei, in Verzug, könne der Gläubiger nur den anzuwendenden Wechselkurs wählen. Außerdem bestehe das Recht des Gläubigers, den Wechselkurs zu wählen, nur dann, wenn der Schuldner die polnische Währung gewählt habe.

14        Das vorlegende Gericht stellt auch fest, dass jenes Urteil eine Rechtsprechung begründet habe, in deren Anwendung die nationalen Gerichte Anträge auf Ausgleichsleistungen für die Folgen von verspäteten Flügen zurückgewiesen hätten, in denen der Anspruch in nationaler Währung beziffert worden sei, obwohl eine Forderung in Fremdwährung bestanden habe. In einem solchen Fall könne das Gericht die Forderung nicht zusprechen, weil es ihm Art. 321 § 1 des Zivilverfahrensgesetzbuchs verbiete, über einen Gegenstand zu entscheiden, der vom Klagebegehren nicht umfasst gewesen sei.

15        Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, ergeben sich die Fragen des vorlegenden Gerichts aus der Tatsache, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 261/2004 von den polnischen Gerichten nicht einheitlich ausgelegt werden, was die Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten betrifft, in denen der Kläger eine in nationaler Währung bezifferte Ausgleichsleistung für den Schaden verlangt, der ihm durch die Verspätung eines Fluges entstanden ist.

16        Unter diesen Umständen hat der Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy XV Wydział Gospodarczy (Rayongericht für die Hauptstadt Warschau, XV. Abteilung, Wirtschaftssachen, Polen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass diese Vorschrift nicht nur den Umfang der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung, sondern auch die Art und Weise der Erfüllung dieser Verpflichtung regelt?

2.      Im Fall der Bejahung der ersten Frage: Kann ein Fluggast oder sein Rechtsnachfolger wirksam die Zahlung eines dem Betrag von 400 Euro entsprechenden Betrags in einer anderen Währung, insbesondere der am Wohnort des Fluggasts des annullierten oder verspäteten Flugs geltenden Landeswährung, fordern?

3.      Im Fall der Bejahung der zweiten Frage: Nach welchen Kriterien ist die Währung zu bestimmen, in der ein Fluggast oder sein Rechtsnachfolger die Zahlung verlangen kann, und welcher Währungsumtauschkurs sollte angewandt werden?

4.      Stehen Art. 7 Abs. 1 oder andere Bestimmungen der Verordnung Nr. 261/2004 der Anwendung solcher Bestimmungen des nationalen Rechts über die Erfüllung von Verpflichtungen entgegen, die zu einer Abweisung der Klage eines Fluggasts oder seines Rechtsnachfolgers allein aus dem Grund führen, dass die Forderung fälschlicherweise in der am Wohnort des Fluggasts geltenden Landeswährung anstatt gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung in Euro beziffert wurde?

Zu den Vorlagefragen

17        Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 261/2004, insbesondere ihr Art. 7 Abs. 1, dahin auszulegen ist, dass ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechtsnachfolger die Zahlung der in dieser Bestimmung genannten Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung verlangen kann, so dass diese Bestimmung einer Regelung oder einer gerichtlichen Praxis eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der zu diesem Zweck von einem solchen Fluggast oder seinem Rechtsnachfolger gestellte Antrag nur deshalb zurückgewiesen wird, weil dieser ihn in dieser Landeswährung beziffert hat.

18        Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor, dass, wenn auf diesen Artikel Bezug genommen wird, die Fluggäste Ausgleichszahlungen erhalten, deren Betrag sich je nach der von den betreffenden Flügen abgedeckten Distanz zwischen 250 Euro und 600 Euro bewegt.

19        Nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 erfolgen die nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung geschuldeten Ausgleichszahlungen durch Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggasts, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen.

20        Aus einem Vergleich des Wortlauts von Abs. 1 und Abs. 3 dieses Artikels ergibt sich, dass die Zahlung der Ausgleichsleistungen zwar je nach Einzelfall mittels einer der dort genannten Modalitäten erfolgen kann, jedoch in Bezug auf die Landeswährung bzw. eine andere Währung als den Euro, in der diese Ausgleichsleistung gezahlt wird, eine vergleichbare Wahlfreiheit nicht ausdrücklich vorgesehen ist.

21        Allerdings kann aus diesem Vergleich nicht a contrario geschlossen werden, dass in Bezug auf die Währung, in der dem Fluggast die Ausgleichsleistung gezahlt wird, jede Wahlfreiheit von vornherein ausgeschlossen ist.

22        Als Erstes ist nämlich darauf hinzuweisen, dass das Hauptziel der Verordnung Nr. 261/2004, wie sich u. a. aus ihrem ersten Erwägungsgrund ergibt, darin besteht, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen (vgl. u. a. Urteil vom 17. September 2015, van der Lans, C‑257/14, EU:C:2015:618, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23        Daher hat der Gerichtshof entschieden, dass die Vorschriften, mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, entsprechend diesem Ziel weit auszulegen sind (vgl. u. a. Urteile vom 19. November 2009, Sturgeon u. a., C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 45, und vom 4. Oktober 2012, Finnair, C‑22/11, EU:C:2012:604, Rn. 23).

24        Daraus folgt, dass der in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehene Anspruch auf Ausgleichsleistungen weit auszulegen ist.

25        Wie der Gerichtshof festgestellt hat, zielt die Verordnung Nr. 261/2004 darauf ab, standardisiert und sofort die verschiedenen Schäden wiedergutzumachen, die die großen Unannehmlichkeiten bei der Beförderung von Fluggästen darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 43 und 45), und insbesondere die so geschädigten Fluggäste zu entschädigen.

26        Den Anspruch auf Ausgleichsleistungen für solche Schäden von der Voraussetzung abhängig zu machen, dass dem geschädigten Fluggast die geschuldete Ausgleichsleistung in Euro – unter Ausschluss jeder anderen, nationalen Währung – gezahlt wird, liefe darauf hinaus, die Ausübung dieses Rechts zu beschränken, und würde daher das in Rn. 24 des vorliegenden Urteils genannte Erfordernis einer weiten Auslegung missachten.

27        Als Zweites ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 261/2004 auf Fluggäste anwendbar ist, ohne zwischen ihnen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes zu unterscheiden. Das einschlägige Kriterium ist nämlich das in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b dieser Verordnung genannte, d. h. der Ort, an dem sich der Flughafen befindet, von dem die Fluggäste abgeflogen sind.

28        Die Fluggäste, die einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 haben, sind daher so anzusehen, dass sie sich alle in vergleichbaren Situationen befinden, da ihnen allen standardisiert und sofort der nach dieser Vorschrift ersatzfähige Schaden wiedergutgemacht wird.

29        Jeder Unionsrechtsakt wie die Verordnung Nr. 261/2004 ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Einklang mit dem gesamten Primärrecht auszulegen, darunter auch mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. u. a. Urteil vom 19. November 2009, Sturgeon u. a., C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 48).

30        Das Stellen einer Bedingung, nach der der Betrag der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichsleistung, die vom geschädigten Fluggast oder seinem Rechtsnachfolger verlangt wird, nur in Euro unter Ausschluss – wie im Ausgangsverfahren – der Währung, die in einem nicht zur Eurozone gehörenden Mitgliedstaat gilt, geleistet werden könnte, kann indessen zu einer Ungleichbehandlung der geschädigten Fluggäste oder ihrer Rechtsnachfolger führen, ohne dass eine objektive Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung vorgebracht werden kann.

31        Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es mit dem Erfordernis einer weiten Auslegung der in der Verordnung Nr. 261/2004 enthaltenen Fluggastrechte sowie mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der geschädigten Fluggäste und ihrer Rechtsnachfolger unvereinbar wäre, es einem Fluggast, der auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung einen Ausgleichsanspruch hat, zu verweigern, dass er die Zahlung der betreffenden Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden nationalen Währung verlangen kann.

32        Als Drittes ist festzustellen, dass in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen die Zahlung der geschuldeten Ausgleichsleistung in der am Wohnort der betreffenden Fluggäste geltenden nationalen Währung zwangsläufig eine Umrechnung aus dem Euro in diese Währung voraussetzt.

33        Da die Verordnung Nr. 261/2004 insoweit keine Angabe enthält, ist für die Modalitäten der Umrechnung einschließlich der Festlegung des dabei anzuwendenden Umrechnungskurses weiterhin das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten unter Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität maßgeblich.

34        Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Verordnung Nr. 261/2004, insbesondere ihr Art. 7 Abs. 1, dahin auszulegen ist, dass ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechtsnachfolger die Zahlung der in dieser Bestimmung genannten Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung verlangen kann, so dass diese Bestimmung einer Regelung oder einer gerichtlichen Praxis eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der zu diesem Zweck von einem solchen Fluggast oder seinem Rechtsnachfolger gestellte Antrag nur deshalb zurückgewiesen wird, weil dieser ihn in dieser Landeswährung beziffert hat.

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