LG Frankfurt a. M.: „Fliegender Gerichtsstand“ bei UWG-Verstoß im Internet
LG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.5.2021 – 3-06 O 14/21
ECLI:DE:LGFFM:2021:0511.3.06O14.21.00
Volltext: BB-Online BBL2021-1729-4
Amtlicher Leitsat
Die Zuständigkeitsregelung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr,. 1 VWG greift nur ein, wenn die betreffende Zuwiderhandlung tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien anknüpft.
Sachverhalt
Der Verfügungskläger betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei und bietet Leistungen – insbesondere über das Internet unter ... - unter anderem im Bereich des Wettbewerbs-, Urheber- und IT-Recht an mit einem Schwerpunkt auf der Beratung bei Abmahnungen.
Der Verfügungsbeklagte ist als Berater und Vortragsredner in verschiedenen Bereichen tätig und betreibt die Internetseite ..., auf der er Beiträge veröffentlicht.
Unter dem Menüpunkt „...“ findet der Nutzer Experten aus unterschiedlichen Gebieten, unter anderem aus dem Bereich der Rechtsberatung (Anlagen LHR 5-8).
Am 14.03.2021 veröffentlichte der Verfügungsbeklagte auf seiner Internetseite einen Beitrag mit der Überschrift „Abmahnung: Warnung vor diesen AGB Klauseln ...“. Wegen des genauen Inhalts wird auf die Anlage LHR 9 Bezug genommen. Die in dem Beitrag in Bezug genommenen AGB stellte der Verfügungsbeklagte in einem Artikel dar mit der Überschrift „Wettbewerbszentrale geht gegen die AGB der ... ... vor. Und gewinnt.“ Auf den Inhalt des Artikels (Anlage LHR 10) wird Bezug genommen.
Am 13.03.2021 hatte der Verfügungsbeklagte auf seiner Internetseite einen Beitrag mit der Überschrift „... – Eine Anleitung: Wie gehe ich damit um und löse die Herausforderung?“ veröffentlich. Wegen des genauen Inhalts wird auf die Anlage LHR 11 Bezug genommen.
Der Verfügungskläger ließ den Verfügungsbeklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 17.03.2021 (Anlage LHR 12) abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Dies lehnte der Verfügungsbeklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 19.03.2021 (Anlage LHR 13) ab.
Der Verfügungskläger behauptet, bei dem Beitrag, der Streitgegenstand von Ziffer 1 des Verfügungsantrags ist, handele es sich um eine Revanche für die erfolgreiche gerichtliche Inanspruchnahme des Verfügungsbeklagten im Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main, Az. ...
Er ist der Auffassung, der streitgegenständliche Beitrag zu dem Antrag Ziffer 1 sei irreführend und damit wettbewerbswidrig und verletze ihn zudem in seinem Persönlichkeitsrecht.
So treffe es nicht zu, dass er die betreffende AGB-Klausel Mandanten empfohlen und diese die Klausel bei ihm käuflich erworben hätten. Zwischen Herrn ... und ihm habe zu keiner Zeit ein Mandatsvertrag bestanden und er habe für ihn auch nicht die gegenständliche AGB-Klausel erstellt. Vielmehr habe er kürzlich einen Mandanten gegen Herrn ... vertreten. Laut der eidesstattlichen Versicherung des ... (Anlage LHR 21) vom 21.4.2021 habe er auf die Frage des Verfügungsbeklagten im Telefonat, ob die AGB auf seiner Webseite vom Verfügungskläger stamme, dies verneint. Er habe vielmehr die ABG selbst erstellt, auch sei er bisher nicht Mandant der Rechtsanwaltskanzlei ... Des Weiteren treffe es auch nicht zu, dass der Verfügungskläger die AGB-Klausel für Herrn ... erstellt habe (eidesstattliche Versicherung des Verfügungsklägers Anlage LHR 19). Dies ergebe sich auch aus der E-Mail des Herrn ... vom 18.4.2021 (Anlage LHR 20), wonach er bestätige, dass er keine AGB-Klausel vom Verfügungskläger erhalten habe, die im Verstoßfall die Zahlung einer Vertragsstrafe vorsieht. Dies habe er auch zu keinem Zeitpunkt gegenüber Herrn ... behauptet.
Wegen des Vortrags des Verfügungsklägers zu weiteren beanstandeten Passagen des Beitrags wird auf die Antragsschrift Bl. 32 ff. Bezug genommen.
Hinsichtlich des Antrags Ziffer 2 ist der Verfügungskläger der Auffassung, der Beitrag in Anlage LSH 11 stelle einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz dar, da der Verfügungsbeklagte in verbindlicher Weise konkreten Rechtsrat an jede von Rechtsanwalt ... abgemahnte Person erteile.
Der Verfügungskläger beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
1. den aus der Anlage LHR 9 ersichtlichen Beitrag öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,
und/oder
2. den aus der Anlage LHR 11 ersichtlichen Beitrag öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen.
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Er rügt die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.
Des Weiteren ist er der Auffassung, es fehle an der Dringlichkeit, da der Verfügungskläger Verzögerungen in Kauf genommen habe, indem er seinen Verfügungsantrag nicht am Gerichtsstand des Verfügungsbeklagten anhängig gemacht habe und zudem das Gericht unnötigerweise dazu aufgefordert habe, den Verfügungsbeklagten vor einer Entscheidung anzuhören.
Der Verfügungsbeklagte behauptet, die von ihm betriebene Plattform „...“ diene allein publizistischen Zwecken (Anlage HKMW 1). Er sei als Blogger und freier Journalist kein Mitbewerber des Verfügungsklägers im Bereich von Rechtsdienstleistungen.
Ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf den Beitrag Anlage LHR 9 nach dem Deliktsrecht sei nicht gegeben, da es sich um zulässige Meinungsäußerungen, nämlich Verbraucherinformationen im Sinne der öffentlichen Aufklärung, handele, deren enthaltene Tatsachenkerne unter Berücksichtigung der Gesamtaussagen wahr seien. So seien die im Beitrag genannten Klauseln in den AGB von fünf weiteren Coaching- Unternehmen zu finden (Anlage HKMW 3). Neben der Firma ...habe der Verfügungskläger einer weiteren Firma AGB mit der streitgegenständlichen Klausel erstellt (eidesstattliche Versicherung ..., Anlage HKMW 4). Auch Herr ... habe telefonisch bestätigt, dass er die AGB-Klauseln von Rechtsanwalt ... habe (eidesstattliche Versicherung ... Anlage HKMW 5). Die streitgegenständliche Klausel sei erkennbar unzulässig, da sie die Meinungsäußerung des Kunden sowie die Bewertung des Unternehmens in wettbewerbsrechtlich unzulässiger Weise einschränke. Die Grundsätze zur Verdachtsberichterstattung griffen vorliegend nicht, da es sich weder um einen Strafvorwurf handele, noch eine unwahre Tatsachenbehauptung aufgestellt worden sei.
Das zunächst bei der 3. Zivilkammer anhängige einstweilige Verfügungsverfahren ist auf Antrag des Verfügungsbeklagten durch Beschluss vom 20.04.2021, Az. ... an die zuständige Kammer für Handelssachen verwiesen worden.
Aus den Gründen
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 26.03.2021 ist zulässig und im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist er unbegründet.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, das angerufene Gericht ist gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 UWG örtlich zuständig.
Soweit der Verfügungskläger den mit dem Antrag Ziffer 1 geltend gemachten Anspruch auf die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts stützt, folgt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus § 32 ZPO, weil der Internet-Beitrag bestimmungsgemäß im gesamten Bundesgebiet und damit auch im Bezirk des angerufenen Gerichts abrufbar ist und der Verfügungskläger aufgrund seiner - ausweislich seiner Homepage – bundesweit betriebenen Tätigkeit auch dort betroffen ist.
Das angerufene Gericht ist damit auch insoweit zuständig, als der Verfügungskläger seinen Anspruch auf Normen des UWG stützt. Wird bei Darlegung einer unerlaubten Handlung mit der hierauf gestützten Klage ein einheitlicher prozessualer Anspruch geltend gemacht, hat das insoweit örtlich zuständige Gericht den Rechtsstreit nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung, sondern unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden (BGH NJW 2003, 828). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da der Kläger denselben Streitgegenstand – den aus der Anlage LHR 9 ersichtlichen Beitrag - zur rechtlichen Überprüfung stellt.
Hinsichtlich des Antrags Ziffer 2, den der Verfügungskläger auf die Verletzungen von Normen des UWG stützt, ist das angerufene Gericht nach § 14 Abs. 2 S. 2 UWG ebenfalls örtlich zuständig. Danach ist neben dem Gericht, in dessen Bezirk der Anspruchsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, auch dasjenige Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Der streitgegenständliche Beitrag des Verfügungsbeklagten wie aus der Anlage LHR 11 ersichtlich wurde von diesem auf der von ihm betriebenen Internetseite ... veröffentlicht. Daher war der Beitrag bundesweit und damit auch im Bezirk des angerufenen Gerichts abrufbar.
Die Einschränkung der Zuständigkeitsregelung in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG, wonach Satz 2 nicht gilt für Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien, greift im vorliegenden Fall nicht ein.
Die Vorschrift ist einer teleologischen Auslegung zugänglich. Ihrem Wortlaut fehlt es an der notwendigen Eindeutigkeit, wie die Doppelung der Begriffe „elektronischer Geschäftsverkehr“ und „Telemedien“ belegt.
Im Rahmen der Auslegung ist die Entstehungshistorie der Vorschrift heranzuziehen, wonach im Gesetzgebungsverfahren die zunächst geplante Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes aufgegeben wurde zugunsten einer Regelung, die den fliegenden Gerichtsstand auf typische Fälle rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen beschränken sollte, wie der Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet (vgl. Lerach, jurisPR-WettbR 3/2021). Daraus ist zu schließen, dass dem gesetzgeberischen Willen eine textliche Angleichung von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG an die Regelung in § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG entsprach, die jedoch aufgrund eines redaktionellen Versehens unterblieben ist. Der Ausschlusstatbestand ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, als dieser nur dann eingreift, wenn die betreffende Zuwiderhandlung tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien anknüpft (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 26.02.2021, Az. 38 O 19/21).
Eine solche an ein Handeln im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien anknüpfende Rechtsverletzung ist jedoch vorliegend nicht streitgegenständlich. Vielmehr macht der Verfügungskläger einen Verstoß geltend, der auf § 4 Nr. 1, 2 UWG gestützt wird. Bei einem solchen Verstoß fehlt es jedoch an einer Verletzung, die geeignet ist, ein hohes Missbrauchspotential und die Gefahr von Massenabmahnungen zu begründen wie es z.B. bei einer Verletzung von Informations- und Kennzeichnungspflichten der Fall ist.
Die Antragsfassung des Verfügungsklägers, wonach er die Unterlassung der Berichterstattungen in ihrer Gesamtheit unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform begehrt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Verbot ist umso „kleiner“, je umfangreicher die Textpassage ist, die Gegenstand der Verfügung wird, weil der Antragsgegner umso mehr Möglichkeiten hat, durch die Modifizierung von Formulierungen den Kernbereich des Verbots zu verlassen; dies gilt unabhängig davon, auf welche Anspruchsgrundlage der Unterlassungsantrag gestützt wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.01.2015, Az. 6 W 4/15, Tz. 15, zit. nach juris).
Der auf Unterlassung gerichtete Verfügungsanspruch Ziffer 1 ist wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus §§ 1004, 823 Abs. 1, 2 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 EMRK begründet.
Da bei Wettbewerbsverstößen die lauterkeitsrechtliche Regelung nach § 4 Nr. 1,2 UWG den deliktsrechtlichen Schutz nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB verdrängt, kommt ein deliktsrechtlicher Schutz dann in Betracht, wenn es an der Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Normen fehlt, so im Falle des Fehlens der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, Einl. UWG, Rn. 7.3). Dies ist vorliegend der Fall, so dass der Weg zum Eingreifen des deliktsrechtlichen Schutzes eröffnet ist.
Eine Anspruchsberechtigung des Verfügungsklägers als Mitbewerber des Verfügungsbeklagten im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist nicht gegeben. Mitbewerber ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Dies ist dann anzunehmen, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (BGH GRUR 2017, 918, Tz. 16 – Wettbewerbsbezug).
Der der Verfügungsbeklagte stellt sich jedoch durch seine „Beratung“ in Bezug auf die im Beitrag Anlage LHR 9 behandelte Zulässigkeit von AGB nicht in Wettbewerb zum Verfügungskläger, der als Rechtsanwalt tätig ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine konkrete Rechtsberatung stattfände und nicht nur über die im Beitrag thematisierten AGB allgemein berichtet würde. Gegenstand des Beitrags ist zunächst der Ausgang eines Rechtsstreits, in dem über die Zulässigkeit einer AGB-Klausel befunden wurde, die ein damaliger Mandant des Verfügungsklägers – bei dem diese AGB hätten käuflich erworben werden können - verwendet hatte. Unter der Überschrift „Was bedeutet das nun?“ rät der Verfügungsbeklagte, dass sich Verwender der AGB dringend an einen Anwalt ihres Vertrauens wenden sollten. Unter „Fazit & Meinung“ heißt es „Klar sollte sein, dass ihr eure AGB ändern müsst, jedenfalls dann, wenn ihr die Formulierungen verwendet“. Hier steht erkennbar die Berichterstattung über den Rechtsstreit und die nach Meinung des Verfügungsbeklagten bestehenden Folgen für Betroffene im Vordergrund, nicht aber ein konkreter Rechtsrat des Verfügungsbeklagten, so dass es an dem erforderlichen wettbewerblichen Bezug fehlt.
Auch an einem mittelbaren Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien fehlt es. Der streitgegenständliche Beitrag wäre dann als von dem Verfügungskläger als Mitbewerber angreifbare geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu sehen, wenn sie in einem objektiven Zusammenhang mit der Förderung eines anderen Mitbewerbers des Verfügungsklägers stünde. Dabei ist weder ein Handeln zum Nachteil eines Mitbewerbers, noch eine Wettbewerbsförderungsabsicht erforderlich. Vielmehr muss die Handlung bei objektiver Betrachtung auf die Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher (oder sonstiger Marktteilnehmer) gerichtet sein (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 39. Aufl. 2021, § 2 Rn. 48).
Im Fall der kritischen Medienberichterstattung über Unternehmer, wozu auch Beiträge auf Informationsseiten im Internet gehören, ist bei der Bejahung eines Drittabsatzförderungszusammenhangs – auch im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Art. 5 GG - Zurückhaltung geboten. Selbst eine unsachliche und überzogene Kritik lässt einen Schluss auf das Bestreben des Presseorgans, damit – jedenfalls auch – in den Wettbewerb zwischen dem kritisierten Unternehmen und dessen Konkurrenten einzugreifen, in der Regel nicht zu (OLG Frankfurt, Urteil vom 31.07.2014, Az. 6 U 74/14, BeckRS 2014, 21646, Tz. 9).
Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn die in einem redaktionellen Beitrag geübte Kritik sich als Mittel darstellt, den Wettbewerb eines Mitbewerbers zu fördern, was in der Regel nur dann anzunehmen ist, wenn sich der Redakteur dafür einen Vorteil versprechen oder gewähren lässt. Dafür gibt es indes keine Anhaltspunkte.
Zwar werden in dem Menüpunkt „..., der über der Überschrift des Beitrags zu sehen ist, Rechtsanwälte vorgestellt, die in den angesprochenen Rechtsgebieten tätig sind. Zudem besteht eine persönliche Verflechtung zwischen dem Verfügungsbeklagten und den begünstigten Mitbewerbern. Bei einer der unter „...“ genannten handelt es sich um die Rechtsanwältin ..., die Partnerin des Verfügungsklägers. Bei einem weiteren dort genannten Rechtsanwalt handelt es sich um den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten, Rechtsanwalt ... Dies reicht jedoch nach Auffassung des Gerichts im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der Gesamtumstände nicht zur Annahme einer Drittabsatzförderung nicht aus. In dem Beitrag selbst werden die Namen der Anwälte nicht erwähnt, vielmehr rät der Verfügungsbeklagte, man solle sich an einen „Anwalt des Vertrauens“ wenden. Auch wird der Verbraucher in dem kleingedruckten Menüpunkt „...“ auf den ersten Blick keine Angaben zu im Bereich des E-Commerce tätigen Rechtsanwälte vermuten und deshalb primär dort nach Hilfe suchen.
Der streitgegenständliche Beitrag des Verfügungsbeklagten enthält Äußerungen, die eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers darstellen.
Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig ist, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2016, 789, Rn. 20). Stehen sich als widerstreitende Interessen die Meinungs- bzw. Pressefreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegenüber, kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt (OLG Frankfurt, GRUR-RS 2020, 31723 Rn. 39).
Die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung erfolgt danach, ob die konkrete Aussage greifbare, dem Beweis zugängliche Vorgänge zum Gegenstand hat. Enthält eine Äußerung eine Mischung von Tatsachen und Meinungen, so kommt es für die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 GG darauf an, ob sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird. Im Falle einer solch engen Verknüpfung von Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung darf der Grundrechtsschutz nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird oder durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht wird (BGH GRUR 2016, 710 Rn. 23 – Im Immobiliensumpf).
Die Behauptung bewusst unwahrer Tatsachen oder solcher, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung bereits feststeht, ist von der Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG nicht gedeckt, da an deren Verbreitung unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit regelmäßig kein schützenswertes Interesse besteht (BGH GRUR 2014, 693, Rn. 23 – Sächsische Korruptionsaffäre). Sonstige Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen dagegen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (BGH a.a.O.).
In Anwendung der dargestellten Grundsätze und gebotenen Gesamtwürdigung und Güterabwägung sind die folgenden Äußerungen unzulässig:
... hat hier umfangreiche Recherchen gemacht und von Seiten einiger Betroffener, die diese Klauseln verwenden, wurde mitgeteilt, dass die AGB bei Rechtsanwalt ... käuflich erworben worden seien. Rechtsanwalt ... ist in der Coaching-Szene durch seine Nähe zu den ... wohlbekannt. Er vertritt sie in vielen Fällen und wird auch auf der Internetseite der ... beworben. ...kann als >Haus- und Hof< Anwalt der Brüder wahrgenommen werden. Jedenfalls sind die ... seine größten Mandanten. Daher liegt es nahe, dass diese tatsächlich auch von ihm erstellt wurden.”
„Dass ein Rechtsanwalt, der seine Kanzlei selber als >Partner für AGB und Verträge< bezeichnet, die nun als unzulässig und irreführend geurteilten AGB an seine Mandanten verkauft haben soll, irritiert.
Bei der Angabe, dass einige betroffene Klauselverwender mitgeteilt hätten, die gerichtlich untersagten AGB-Klauseln bei dem Verfügungskläger käuflich erworben zu haben und der Verfügungskläger diese AGB an seine Mandanten verkauft habe, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Zwar handelt es sich nicht um eine Schmähkritik, jedoch stellt sich die Äußerung für den Verfügungskläger als herabsetzend dar, wonach er als Rechtsanwalt unzulässige AGB-Klauseln an seine Mandanten verkauft habe, was seine Kenntnisse und rechtlichen Fähigkeiten als Anwalt in Frage stellt. Auch ist kein öffentliches Interesse dahingehend zu erkennen, den Verfügungskläger als Verkäufer dieser AGB zu benennen, vor allem da selbst nach den Angaben des Verfügungsbeklagten solche AGB seit Jahren bekannt seien und in großem Umfang benutzt würden.
Die Beweislast dafür, dass die Äußerungen gerechtfertigt sind, trägt der Verfügungsbeklagte.
Insoweit hat der Verfügungsbeklagte hat glaubhaft gemacht durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des ... vom 1.4.2021 (Bl. 248 ff.), dass dieser im Auftrag des Verfügungsbeklagten mit der Suche nach der streitgegenständlichen AGB-Klausel betraut gewesen sei und die Klauselverwender anschreiben sollte um herauszufinden, ob diese von Rechtsanwalt ... erworben worden seien. Laut der E-Mail des ... ... vom 11.3.2021 sei dies bejaht worden, er habe Rechtsanwalt ...dafür bezahlt. Laut der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsbeklagten vom 1.4.2021 (Bl. 244 f.) habe er Herrn ... angerufen bei seiner Recherche nach den Verwendern der AGB-Klausel. Dieser habe ihm bestätigt, dass er sie von Rechtsanwalt ...habe.
Dagegen hat der Verfügungskläger durch seine eidesstattliche Versicherung vom 19.4.2021 (Anlage LHR 19, Bl. 287) glaubhaft gemacht, dass zwischen ... und ihm zu keiner Zeit ein Mandatsvertrag bestanden habe und er für ihn auch nicht die gegenständliche AGB-Klausel erstellt habe. Vielmehr habe er kürzlich einen Mandanten gegen ... vertreten. Laut der eidesstattlichen Versicherung des ... (Anlage LHR 21, Bl. 304) vom 21.4.2021 habe er auf die Frage des Verfügungsbeklagten im Telefonat, ob die AGB auf seiner Webseite vom Verfügungskläger stamme, dies verneint. Er habe vielmehr die ABG selbst erstellt, auch sei er bisher nicht Mandant der Rechtsanwaltskanzlei ... Nach der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsklägers treffe es auch nicht zu, dass er die AGB-Klausel für ... ... erstellt habe. Dies wird untermauert durch die E-Mail des ... vom 18.4.2021 (Anlage LHR 20, Bl. 288), wonach er bestätigt, dass er keine AGB-Klausel vom Verfügungskläger erhalten habe, die im Verstoßfall die Zahlung einer Vertragsstrafe vorsieht. Dies habe er auch zu keinem Zeitpunkt gegenüber ... behauptet.
Ob es sich - wie der Verfügungsbeklagte behauptet – bei der Aussage des Zeugen... in der eidesstattlichen Versicherung Anlage LHR 21 um eine Falschaussage handelt, kann im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht überprüft werden. Zu der E-Mail des ... vom 18.4.2021 hält der Verfügungsbeklagte keinen Vortrag.
Soweit sich der Verfügungsbeklagte auf eine zulässige Verdachtsberichterstattung stützen will, müsste er nachweisen, dass er sorgfältige Recherchen durchgeführt hat (BGH GRUR 2014, 693, Rn. 26 – Sächsische Korruptionsaffäre), was nicht konkret vorgetragen ist. Seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung, wonach er 30-40 Unternehmen nachtelefoniert habe und diese bestätigt hätten, die AGB vom Verfügungskläger bezogen zu haben, erfüllt die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung nicht. Nach seinen eigenen – vom Verfügungskläger bestrittenen – Angaben fehlt es an einer Bestätigung der Aussagen der Unternehmer, zudem sind diese nicht konkret benannt, so dass der Vortrag nicht einlassungsfähig ist.
Das bestehende non liquet wirkt zu Lasten des Verfügungsbeklagten.
Der mit dem Antrag Ziffer 2 geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Bezug auf den Artikel „... Abmahnung“ (Anlage LHR 11) ist unbegründet.
Ein solcher Anspruch folgt nicht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit §§ 2 Abs. 1, 3 RDG.
Zwar ist nach Auffassung des Gerichts der Verfügungskläger anspruchsberechtigt als Mitbewerber des Verfügungsbeklagten im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, da insoweit ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht.
Der Verfügungsbeklagte hat sich durch seine „Beratung“ in Bezug auf die im Beitrag Anlage LHR 11 benannten Abmahnungen des Rechtsanwalts... in Wettbewerb zum Verfügungskläger gestellt, der als Rechtsanwalt tätig ist. Dies ist der Fall, da der Verfügungsbeklagte sich in dem Beitrag dazu verhält, wie rechtlich mit den Abmahnungen des Rechtsanwalts ...umzugehen sei.
Bei der Norm des § 3 RDG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (BGH NJW-RR 2016, 1056 Tz. 12 – Schadensregulierung durch Versicherungsmakler).
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist jedoch nicht gegeben, da der Verfügungsbeklagte keine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG entgegen § 3 RDG erbracht hat. Voraussetzung einer solchen Rechtsdienstleistung ist, dass konkrete Rechtsangelegenheiten besorgt werden, mithin sich die Tätigkeit auf eine wirkliche und sachverhaltsbezogene, nicht lediglich fingierte Rechtssache einer bestimmten anderen – Rat suchenden – Person bezieht (BecKOK RDG/Römermann, 17. Ed. 1.7.2019, RDG § 2 Rn. 20). Erfolgt die Rechtsberatung in den Medien, kommt es auch darauf an, ob die Schilderung ganz allgemein gehalten wird oder der Sachverhalt einer bestimmten Person zugeordnet werden kann (BeckOK a.a.O., Rn. 22).
In seinem streitgegenständlichen Beitrag bezieht sich der Verfügungsbeklagte auf den Umgang mit Abmahnungen des Rechtsanwalts ... im Allgemeinen. Er stellt keinen konkreten – auf eine bestimmte Person bezogenen – Fall vor, sondern will einen Lösungsweg generell für Abmahnungen des bestimmten Anwalts aufzeigen. Anknüpfungspunkt der Berichterstattung ist daher nicht ein auf eine Person bezogener Sachverhalt und wie rechtlich mit diesem umzugehen ist, sondern eine bestimmte Art von Abmahnungen. Dies erfüllt nicht die Voraussetzungen des Besorgens einer konkreten Rechtsangelegenheit.
Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten fehlt es in Bezug auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht am Verfügungsgrund.
Die Vermutung der Dringlichkeit gilt als widerlegt, wenn der Verfügungskläger durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es „ihm nicht eilig ist“ (OLG Frankfurt, WRP 2016, 902, Rn. 5).
Dies kann nicht angenommen werden wegen der Wahl eines nicht zur Entscheidung über alle geltend gemachten Ansprüche zuständigen Gerichts in der Antragsschrift, da wie oben dargestellt, das angerufene Gericht vollumfänglich zuständig ist.
Auch die Anregung des Verfügungsklägers in der Antragsschrift an das Gericht, den Gegner vor Erlass einer einstweiligen Verfügung anzuhören, ist nicht dringlichkeitsschädlich, da es sich zum einen um eine Anregung handelt und zum anderen der Verfügungskläger keinerlei Einfluss auf das Gericht hat, ob dieses eine Anhörung durchführt oder nicht.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben gemäß § 92 Abs. 1 ZPO.
Soweit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung stattgegeben wurde, bedarf es keines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit. Im Übrigen beruht die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO betreffend die Vollstreckung bezüglich der Kosten.
Der Streitwert war auf 70.000,- € festzusetzen, § 3 ZPO. Der Verfügungskläger hat in seiner Abmahnung den Streitwert mit 100.000,- € angegeben, hiervon ist in Eilverfahren ein Abschlag von 30% vorzunehmen.