OLG München: Feststellung der Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens
OLG München, Beschluss vom 7.7.2014 – 34 SchH 18/13
Amtlicher Leitsatz
Liegt der Schiedsort in Deutschland, richtet sich die Schiedsfähigkeit (nur) nach inländischem Recht.
§ 1029 ZPO, § 1030 Abs. 1 ZPO, § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO
Aus den Gründen
I.
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit eines schiedsgerichtlichen Verfahrens.
1. Die Antragstellerin - eine inländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) - ist Zulieferer von Infotainment-Geräten für Fahrzeughersteller. Sie schloss mit der Antragsgegnerin, einer französischen Aktiengesellschaft (SA), die sich mit Softwareentwicklung befasst, am 12.12.2010 einen entsprechenden Entwicklungsvertrag (Software License Agreement - im Folgenden: SLA). Der in englischer Sprache abgefasste Vertrag enthält - in Übersetzung - folgende Schiedsklausel (Ziff. 19.10):
Alle Streitigkeiten betreffend oder in Verbindung mit diesem Vertrag werden endgültig entschieden in einem Schiedsverfahren, durchgeführt gemäß den Schiedsregeln der International Chamber of Commerce (ICC), durch einen Schiedsrichter, benannt nach den genannten Regeln. Der Schiedsort ist München, Deutschland, und die in diesem Verfahren zu verwendende Sprache ist Englisch. Der Schiedsspruch ist gegenüber den Parteien abschließend und verbindlich und vollstreckbar durch jedes zuständige Gericht. ...
Vereinbart ist die Anwendung deutschen materiellen Rechts.
2. Die Antragsgegnerin verlangt von der Antragstellerin Schadensersatz. Sie hat inzwischen zum (staatlichen) Handelsgericht Paris (Tribunal de Commerce de Paris) Klage erhoben, wegen deren Inhalts auf die Anlage A 4 (zu Bl. 33/36) Bezug genommen wird.
Sie macht geltend, die Antragstellerin habe im Mai 2013 ohne Angabe von Gründen behauptet, das genannte Projekt müsse in zwei verschiedene Tranchen aufgesplittet werden (MIB 1 und MIB 2), wobei vorgesehen sei, den Auftrag für MIB 2 an einen Dritten zu vergeben bzw. intern zu entwickeln. Das "MIB High Projekt" würde jedoch durch eine solche Segmentierung plötzlich und unerwartet abgebrochen. Sie habe mitgeteilt, dass sie die "bösgläubige Ausklammerung" nicht akzeptiere, sondern das Verhalten der Antragstellerin als arglistige Täuschung und dem Deliktsrecht unterfallend werte.
3. Die Antragstellerin hat am 6.12.2013 Feststellung beantragt, dass für den Streit der Parteien um angebliche Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem SLA vom 12.12.2010 ein Schiedsverfahren nach den Verfahrensregeln der International Chamber of Commerce (ICC) gemäß Ziffer 19.10 des genannten Vertrags zulässig ist.
Sie hat zuletzt klargestellt, dass sich dieser Streit dem Umfang nach mit der nach Antragstellung zum Handelsgericht Paris erhobenen Klage deckt.
4. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie begründet dies im Wesentlichen folgendermaßen:
a) Der Antrag sei nicht zulässig, weil der Gegenstand des künftigen Schiedsverfahrens nicht bezeichnet sei.
b) Das Schiedsverfahren sei unzulässig, die Schiedsklausel nicht durchführbar, der Gegenstand des Verfahrens unterliege nicht der Schiedsklausel.
(1) Die Aufspaltung des ursprünglichen Vertrags stelle eine unerlaubte Handlung dar. Die plötzliche Ausschaltung eines Vertragspartners mitten in der Ausführung eines langfristigen Projektes sei zumindest treuwidrig. Die anschließende Nutzung der schon ausgearbeiteten Elemente zum eigenen Vorteil sei als deliktische Handlung zu werten. Für die dadurch veranlasste deliktische Klage sei das französische (staatliche) Gericht zuständig, nicht der vertraglich zuständige Schiedsrichter. Unerlaubte Handlungen begründeten ein außervertragliches Schuldverhältnis, das gemäß Art. 4 Rom II-VO nach dem Recht des Staates zu beurteilen sei, in dem der Schaden eintrete. Dies sei am Sitz der Antragsgegnerin in Frankreich, mithin sei französisches Recht anzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung des französischen Kassationshofs dürften, soweit deliktisches Verhalten vorliege, vertragliche Klauseln, insbesondere Gerichtsstandsklauseln, nicht berücksichtigt werden. Ansprüche wegen "brutalen Abbruchs" gefestigter Handelsbeziehungen (Art. L.442-6-1.5 Code de Commerce - CC -) würden nicht als Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit einem Vertrag angesehen.
Schiedsvereinbarungen seien im Falle der Verletzung dieser Bestimmung nicht durchführbar. Sie würden von der französischen Rechtsprechung für nicht anwendbar erklärt, denn nach der Zielsetzung von Art. L.442.-6-1.5 CC könnten Vertragsbestimmungen an der Anwendung dieser zwingenden Vorschrift nichts ändern. Der französische Staat habe im Hinblick auf solche Verletzungshandlungen ein besonderes Klagerecht, sobald eine inländische Gesellschaft betroffen sei. Dessen Befugnisse könnten durch die Anwendung einer Schieds- oder Gerichtsstandsklausel nicht tangiert werden.
(2) Eine Schiedsvereinbarung müsse sich nicht über den Hauptvertrag hinaus auch auf unerlaubte Handlungen erstrecken. Die Zuständigkeit des prorogierten Schiedsgerichts sei nicht gegeben, wenn die unerlaubte Handlung, aus der der Kläger seinen Anspruch herleite, sich nicht mit einer Vertragsverletzung decke, wenn also mindestens ein Teil der Ausführungsakte der unerlaubten Handlung nicht zugleich eine Vertragsverletzung darstelle. So liege der Fall hier. Das Verhalten der Antragstellerin stelle keine Verletzung einer konkreten Vertragsbestimmung dar, sondern sei unmittelbar als deliktische Handlung zu qualifizieren. Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung wegen sittenwidriger Schädigung würden nicht durch eine Schiedsklausel erfasst, die Ansprüche in Bezug auf einen Vertrag betreffe. So werde auch nicht behauptet, dass die Antragstellerin durch ihr Verhalten gegen eine konkrete Bestimmung des Vertrages verstoßen habe, sondern vielmehr geltend gemacht, dass die Antragstellerin sich durch die Entfernung der Antragsgegnerin aus dem gemeinsamen Projekt eines "brutalen Abbruchs" einer etablierten Handelsbeziehung nach französischem Deliktsrecht schuldig mache.
Die Antragstellerin würde, wenn sie ihre Position aufrecht erhalte, die Patente der Antragsgegnerin unberechtigt verwenden. Dies wäre eine unerlaubte Ausnutzung fremder geistiger Leistung und damit eine sittenwidrige Schädigung. Anspruchsgrundlage sei bei anwendbarem französischen Deliktsrecht unmittelbar Art. L.615-1 Code de la Propriété Intellectuelle. Es handle sich um Ansprüche originär deliktischer Natur, die Teil des französischen ordre public seien. Es gehe hier um die künstliche zum Zwecke des Beiseiteschiebens der Antragsgegnerin erfundene Spaltung des ursprünglichen Projekts in zwei getrennte Projekte mit neuem Volumen und neuen Preisen sowie die unterbliebene Einbeziehung der Antragsgegnerin in das so bezeichnete "MIB 2", obwohl gerade auch dieses Projekt ausdrücklich spätestens im Februar 2013 an sie vergeben worden sei.
Es handle sich um nicht von der Schiedsklausel erfasste Ansprüche aus der Verletzung gewerblicher Schutzrechte und nicht um die Nutzung gewerblicher Schutzrechte im Rahmen des SLA; denn die Nutzung ihrer Patente durch die Antragstellerin in diesem Rahmen sei unstreitig. Streitig sei vielmehr, ob die Antragstellerin für MIB 2 weiterhin die Patente und das know how der Antragsgegnerin nutze, ohne eine entsprechende Lizenz erworben zu haben. Dieser Vorwurf werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin im März 2013 rund 100 Mitarbeiter einer anderen Firma übernommen habe, um ihre internen Kapazitäten zur Softwareentwicklung auszubauen. Dieses neue Team habe wahrscheinlich Zugang zur Technologie der Antragsgegnerin. Falls aber deutsches Recht anwendbar sei, sei § 139 PatG unmittelbar heranzuziehen.
Auch insoweit bestünden keine konkurrierenden vertraglichen Ansprüche.
(3) Selbst nach Meinung der Antragstellerin fielen die Ansprüche nicht in den Anwendungsbereich der Schiedsklausel, wie sich aus deren Schreiben vom 6.12.2013 (AG 9) ergebe. Wenn das Projekt MIB 2, das Anlass zur Klage gebe, nicht unter den Anwendungsbereich des SLA falle, unterliege der Gegenstand einer Schadensersatzklage ebenfalls nicht der im SLA enthaltenen Schiedsklausel.
(4) Die Schiedsklausel sei auch nach dem für das SLA gewählten deutschen Recht unwirksam. Für den Handelsvertreterausgleich sei bereits entschieden, dass Eingriffsnormen des nationalen Rechts nicht dadurch vereitelt werden könnten, dass über die Rechtswahl hinaus der ausschließliche Gerichtsstand eines Drittstaats gewählt werde, dessen Recht dem Handelsvertreterausgleich entsprechende Ansprüche nicht kenne. Nicht erforderlich sei, dass die Nichtanwendung der Eingriffsnorm vor dem ausländischen Schiedsgericht bereits feststehe. Es reiche die naheliegende Gefahr aus, dass das Gericht des Drittstaats in aus seiner Sicht vertretbarer Rechtsauslegung zwingendes deutsches Recht nicht zur Anwendung bringe.
Mit Blick auf die vereinbarte Schiedsklausel sowie auf die Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts sei zu erwarten, das deutsche Schiedsgericht werde die zwingenden Schutzvorschriften des französischen Rechts nicht anwenden.
Anders als französische Gerichte, die nach Art. 1448 Code de Procédure civile bei Vorliegen einer Schiedsklausel nur prüfen dürften, ob diese offensichtlich nichtig oder unanwendbar sei, ermögliche § 1032 ZPO den deutschen Gerichten eine vollständige Prüfung.
5. Die Antragstellerin meint hierzu:
a) Rechtsfolge eines - unterstellten - Anspruchs nach Art. L.442-6-1.5 CC sei nicht Ersatz entgangenen Gewinns, sondern nur Ersatz des Schadens, der durch die Nichteinhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist entstehe.
b) Eine Abrede, die Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten aus Vertrag allgemein einem Schiedsgericht zuweise, sei grundsätzlich weit auszulegen. Unabhängig von der Zuordnung des Streitgegenstands in das Vertrags- oder Deliktsrecht unterfalle der behauptete Schadensersatzanspruch der Schiedsvereinbarung. In ihr finde sich keine Unterscheidung zwischen vertraglichen und deliktischen Streitigkeiten, sie beziehe sich vielmehr auf alle Streitigkeiten betreffend den oder im Zusammenhang mit dem Vertrag.
Die Behauptung der Antragsgegnerin, aus dem bestehenden Vertragsverhältnis ausgeschlossen worden zu sein, sei eine "genuine Frage" möglicher Vertragsverletzung. Auch der Vorwurf einer Patentverletzung durch die Antragstellerin beruhe auf einer Auslegung des SLA, in welchem der Nutzungsumfang der Patente und des know how der Antragsgegnerin bestimmt werde. Auch wenn man einen deliktischen Anspruch unterstelle, wäre der Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung eröffnet.
c) Die Schiedsfähigkeit bemesse sich wegen des deutschen Schiedsorts allein nach deutschem Recht. Sowohl Ansprüche wegen Abbruchs bestehender Vertragsbeziehungen als auch solche wegen Patentverletzung seien hiernach schiedsfähig. Selbst bei einer rein deliktischen Einordnung des streitigen Sachverhalts würde sich das anwendbare Recht nach Art. 14 Abs. 1 Rom II-VO bestimmen. Die Parteien hätten nicht nur eine Schiedsvereinbarung, sondern auch eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen. Aus Art. 14 Abs. 2 Rom II-VO folge, dass die Rechtswahl nicht durch französisches zwingendes Recht berührt werde, da nicht alle Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt des Eintritts des - vermeintlich - schadenbegründenden Ereignisses in Frankreich belegen seien.
Selbst nach französischem Recht sei jedoch die Schiedsfähigkeit der behaupteten Ansprüche gegeben.
d) Die zwischenzeitlich erhobene Klage vor dem französischen Gericht bestätige sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit des Antrags. Die dort gestellten Anträge seien auf Leistungen aus dem Vertrag gerichtet und belegten, dass der Streit von der Schiedsklausel umfasst sei. Die Antragsgegnerin mache Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 18,5 Mio. € geltend. Streitgegenstand bilde die Frage, ob die Antragsgegnerin von der Antragstellerin aus dem laufenden Vertrag ausgeschlossen worden sei. Die Antragsgegnerin selbst betone in der Klageschrift mehrmals vermeintliche Ansprüche aus dem Vertrag. Sie mache Erfüllungsansprüche anhand der im SLA vorgesehenen Einheiten geltend - positives Interesse -, verlange Ersatz von Forschungs- und Entwicklungskosten, die sie im Zusammenhang mit dem Projekt aufgewendet habe - negatives Interesse -, schließlich Ersatz des Reputationsschadens, den sie mit 10 Mio. € beziffert habe.
6. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze vom 6.12.2013, 10.2. und 14.4.2014 sowie vom 13.1. und 14.3.2014 Bezug genommen.
7. Der Senat hat mit Beschluss vom 25.4.2014 die mündliche Verhandlung angeordnet und am 2.6.2014 durchgeführt. Wegen ihres Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
II.
Dem Antrag, die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens festzustellen, ist stattzugeben.
1. Das Oberlandesgericht München ist für die Entscheidung über die Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1032 Abs. 2 ZPO) gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO, § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl S. 295) zuständig, da vertraglicher Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens die Landeshauptstadt München ist.
2. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO kann der Antrag bis zur Bildung des Schiedsgerichts gestellt werden. Das Schiedsgericht hat sich noch nicht konstituiert. Die zum französischen Handelsgericht im Jahr 2014 erhobene Klage steht nicht entgegen. Zwar wird vertreten, dass dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn bereits eine Klage nach § 1032 Abs. 1 ZPO beim staatlichen Gericht anhängig ist (vgl. Senat vom 22.6.2011 = SchiedsVZ 2011, 340; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 35. Aufl. § 1032 Rn. 5; a.A. MüKo/Münch ZPO 4. Aufl. § 1032 Rn. 22). Jedoch beseitigt die der Antragstellung nachfolgende Klageerhebung das Rechtsschutzinteresse nicht (vgl. Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 1032 Rn. 3a). Ob es auch bei internationalen Sachverhalten auf diese Frage ankommt, erscheint zweifelhaft. Abschließend damit befassen muss sich der Senat schon deshalb nicht, weil im Rechtsstreit vor französischen Gerichten die Frage der Zulässigkeit des Schiedsverfahrens nur summarisch geprüft wird, nämlich nur darauf, ob die Schiedsklausel offensichtlich (“manifestement“) nichtig oder unanwendbar ist (Art. 1448 Code de Procédure civile). Wegen des weitergehenden Prüfungsmaßstabs im deutschen Recht besteht das Rechtsschutzbedürfnis hiervon unabhängig fort.
Der Antrag ist schließlich nicht deswegen unzulässig, weil er zu unbestimmt wäre. Er bezieht sich auf die nunmehr zum (staatlichen) französischen Gericht erhobenen Klage mit dem dort beschriebenen Gegenstand.
3. Das Schiedsverfahren ist in dem bezeichneten Rahmen zulässig.
a) Die Schiedsvereinbarung betrifft alle in Verbindung mit dem SLA entstehenden Streitigkeiten ohne Einschränkung auf vertragliche Ansprüche.
(1) Die von den Parteien vereinbarte Anwendung deutschen Rechts betrifft ausdrücklich nur das materielle Recht. Dessen ungeachtet spricht alles dafür, deutsches Recht - jedenfalls konkludent - auch für die Wirksamkeit der Schiedsklausel als vereinbart anzusehen. Denn im Zusammenhang mit der vertraglichen Bestimmung deutschen Sachrechts (Ziff. 19.10 Abs. 1 des Vertrags) ist auch ein deutscher Schiedsort gewählt worden (Ziff. 19.10 Abs. 2). Ohnehin käme subsidiär als Schiedsvereinbarungsstatut das Recht des Schiedsorts zur Anwendung (Zöller/Geimer § 1029 Rn. 107; siehe auch König SchiedsVZ 2012, 129/133). Dann hat auch die Auslegung der Schiedsvereinbarung nach § 133 BGB zu erfolgen (Zöller/ Geimer § 1029 Rn. 108). Schiedsklauseln sind nach allgemein gängiger - nationaler wie internationaler - Praxis in ihrer Reichweite großzügig auszulegen (BGHZ 53, 315/322; BGH NJW-RR 2002, 387; Reichold in Thomas/Putzo § 1029 Rn. 6; Zöller/Geimer § 1029 Rn. 78). Maßstab sind Sinn und Zweck der Schiedsvereinbarung (vgl. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. Rn. 472). Dabei ist von vorneherein schon davon auszugehen, dass eine Schiedsvereinbarung über künftige Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Vertragsverhältnis auch Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung umfasst, wenn diese sich tatbestandlich mit der Vertragsverletzung decken (vgl. BGH NJW 1965, 300; Reichold in Thomas/Putzo § 1029 Rn. 7; Zöller/Geimer § 1029 Rn. 80; Lachmann Rn. 480). Der klagende Vertragspartner soll es nämlich nicht in der Hand haben, die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts dadurch herbeizuführen, dass er bei einer Vertragsstörung statt der vertraglichen die deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage heranzieht. Vorliegend sind ausdrücklich alle Streitigkeiten, die den Vertrag betreffen oder auch nur in Verbindung mit ihm stehen, einbezogen. Gerade die Formulierung „in Verbindung mit diesem Vertrag“ (im Original: „in connection“) spricht für einen umfassenden Geltungsbereich, der auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung einschließt.
(2) Die vor dem französischen Gericht erhobene Klage bezieht sich ausdrücklich auf den Vertrag vom 12.12.2010 (SLA) und baut auf der Spaltung des ursprünglich einheitlichen Projekts auf, in der die Antragsgegnerin einen „plötzlichen Abbruch“ der Geschäftsbeziehung sieht und nach Maßgabe des französischen Rechts als eine unerlaubte Handlung würdigt. Die Antragsgegnerin verweist zwar auch darauf, dass sie für die Weiterentwicklung des Projekts ein (neues) Angebot vorgelegt habe, das vor ihrem plötzlichen Ausschluss auch angenommen worden sei. Sie wirft der Antragstellerin jedoch vor, einen Gesamtkomplex aufgegliedert zu haben, und legt in ihrer Klage dar, dass es sich gerade nicht um ein separates Projekt handle. Die Pflichtverletzung der Antragstellerin wird darin erblickt, dass sie das ursprüngliche Projekt aufgegliedert und damit die bestehende Geschäftsbeziehung abgebrochen habe.
Damit fällt der nun vor dem staatlichen Gericht eingeleitete Rechtsstreit unter die weit auszulegende Schiedsvereinbarung, unabhängig davon, ob man neben der Vertragsverletzung auch eine oder mehrere unerlaubte Handlungen sehen möchte.
b) Da der Schiedsort in Deutschland liegt (§ 1025 Abs. 1, § 1043 Abs. 1 Satz 2 ZPO), richtet sich die Schiedsfähigkeit nach § 1030 ZPO. Gemäß § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann jeder vermögensrechtliche Anspruch Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein. Als vermögensrechtlich zu qualifizieren sind solche Ansprüche, die auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis beruhen, und außerdem alle auf Geld (oder geldwerte Sachen und Rechte) gerichteten Ansprüche (vgl. Zöller/Geimer § 1030 Rn. 1). Darunter fallen die Ersatzansprüche für den „Reputationsschaden“, ebenso etwaige Schadensersatzansprüche aus Patent- und sonstigen Schutzrechtsverletzungen, weil solche ersichtlich vermögensrechtlicher Art sind (§ 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl Müko/Münch § 1030 Rn. 15).
c) Unerheblich ist, ob die Ansprüche nach französischem Recht schiedsfähig wären. Denn die Parteien haben einen deutschen Schiedsort bestimmt (siehe Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 1030 Rn. 4 und - ausdrücklich - Rn. 19; Prütting in Prütting/Gehrlein ZPO 3. Aufl. § 1030 Rn. 9; MüKo/Münch § 1030 Rn. 22; Zöller/Geimer § 1030 Rn. 24). Soweit teilweise (zusätzlich) an das für die Schiedsabrede maßgebliche Recht angeknüpft wird (Musielak/Voit ZPO 11. Aufl. § 1030 Rn. 10; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. Rn. 206), wäre das Ergebnis nicht anders, weil auch hierfür deutsches Recht gilt (siehe II.3.a.(1)). Selbst wenn trotz der Wahl deutschen Rechts französische Normen, die in Frankreich einer Schiedsfähigkeit entgegenstünden, auf dem Weg über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO bzw. Art. 14 Abs. 2, Art. 16 Rom II-VO anwendbar wären, verbliebe es bei § 1030 ZPO für die Beurteilung der Schiedsfähigkeit.
Eine eventuelle Schiedsunfähigkeit nach ausländischem, nämlich französischem, Recht - was dem Senat allerdings zweifelhaft erscheint (vgl. Cour de Cassation vom 8.7.2010 - 09-67.013 und dazu Reinmüller/Bücken IPrax 2013, 91) - ist aus der Sicht des deutschen Schiedsrechts irrelevant. Die mögliche Nichtanerkennung des deutschen Schiedsspruchs im Ausland muss im Interesse der unkomplizierten Anwendung des deutschen Schiedsrechts in Kauf genommen werden (vgl Zöller/Geimer § 1030 Rn. 24 m. w. N.). Soweit trotz entgegenstehender Rechtswahl die Anwendung französischen Rechts überhaupt in Frage kommt, kann dies nur das materielle Recht betreffen. Für das Verfahrensrecht gilt dies nicht; § 1030 ZPO als Verfahrensvorschrift sieht die Berücksichtigung ausländischer (Eingriffs-) Normen und des ausländischen ordre public nicht vor.
d) Die Möglichkeit, dass Vorschriften des französischen Rechts - falls solche trotz der getroffenen Rechtswahl anzuwenden wären - im deutschen Schiedsspruch nicht Berücksichtigung finden (vgl. für das deutsche Recht BGH WM 1987, 1153; OLG München WM 2006, 1556), macht aus denselben Gründen das Schiedsverfahren nicht unzulässig. Dies gilt auch für die fehlende Möglichkeit des französischen Staates, auf das in Deutschland geführte schiedsgerichtliche Verfahren Einfluss nehmen zu können.
Es bleibt im Übrigen dem Schiedsgericht überlassen zu prüfen, ob zwingende Normen des französischen Rechts, etwa auf dem Weg über Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO, Art. 14 Abs. 2 Rom II-VO ausnahmsweise trotz der zugunsten des deutschen Rechts getroffenen Rechtswahl anzuwenden sind.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 91 ZPO.