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Wirtschaftsrecht
05.05.2017
Wirtschaftsrecht
OLG Karlsruhe: Fernüberwachungsvertrag – unwirksame Laufzeitklausel – „Aushandeln“ von AGB

OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.2.20174 U 88/16, Rev. eingelegt (Az. BGH III ZR 126/17)

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2017-1040-1

unter www.betriebs-berater.de

NICHT AMTLICHE LEITSÄTZE

1. Überwiegen in einem Fernüberwachungsvertrag die dienstvertraglichen Elemente, findet – jedenfalls soweit es um die Frage der Kündigungsrechte geht – Dienstvertragsrecht Anwendung.

2. Allein der Umstand, dass dem Kunden in einem vorgedruckten Vertragsformular mehrere Laufzeitlängen alternativ angeboten werden, hat nicht zur Folge, dass die dann angekreuzte Variante ausgehandelt ist.

3. Wird der Geschäftskunde durch eine Vertragslaufzeit von 72 Monaten in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit erheblich eingeschränkt und hat er keine Möglichkeit, nach angemessener Zeit zu einem günstigeren oder im Service besseren Konkurrenzunternehmen zu wechseln oder auf einen geänderten Bedarf zu reagieren, benachteiligt ihn eine lange Laufzeitklausel unangemessen.

BGB §§ 305, 307, 620 Abs. 2, 621 Nr. 3

Sachverhalt

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung monatlicher Gebühren aus zwei Fernüberwa-chungsverträgen für Vergangenheit und Zukunft in Höhe von insgesamt 21.420,00 €.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der Sicherheitsbranche. Der Beklagte betreibt ein Handelsge-schäft für Quads, die er verkauft und vermietet. Die Parteien schlossen am 08. Juli 2015 für die beiden Geschäftsstandorte des Beklagten jeweils einen „Star-Vox-Mietvertrag mit Fernüberwa-chung“ mit einer Laufzeit von jeweils 72 Monaten. Vertragsinhalt war die Lieferung, Installation und Instandsetzung der Geräte, eine 24-Stunden-Hotline zur Beantwortung technischer Fragen, die Bereithaltung einer permanent besetzten Notruf- und Serviceleitstelle, auf welche die instal-lierten Überwachungsgeräte aufgeschaltet sind, die Alarmüberwachung und gegebenenfalls nach visueller Alarmvorüberprüfung die Benachrichtigung des Kunden bzw. der zuständigen öffentlichen Stellen. Die monatliche „Mietgebühr“ belief sich auf 154,70 € brutto bzw. 142,80 € brutto. Hinzu kam jeweils eine einmalige Einrichtungsgebühr von 297,50 € brutto und eine Ge-bühr von 11,90 € brutto für jede Alarmbearbeitung (vgl. Anlagen K 1 - K 3, AS 33 ff, 87 ff). Einen Tag nach Vertragsschluss erklärte der Beklagte unter Hinweis auf finanzielle Gründe und Standortprobleme die Kündigung der Verträge und verweigerte die Installation der Geräte.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen auf das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 29.04.2016 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage lediglich in Höhe der geforderten Vergütung bis Ende Juli 2015 in Höhe von 76,77 € stattgegeben und die Klage im Übrigen unter Aufhebung des zuvor am 08.12.2015 erlassenen Versäumnisurteils abgewiesen. Der Beklagte habe die Verträge wirksam zum Ende des Monats Juli gekündigt. Bei den geschlossenen Verträgen handele es sich um Dienstverträge, die nach §§ 620 Abs. 2, 621 Nr. 3 BGB zum Monatsende hätten gekündigt werden können. Die in den Verträgen jeweils enthaltene Laufzeitklausel sei nach § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB unwirksam. Hinsichtlich der rechtlichen Begründung wird auf das angefochtene Urteil Be-zug genommen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihre Klaganträge in vollem Umfang weiter. Nach Auffas-sung der Klägerin handelt es sich bei den streitgegenständlichen Verträgen um Mietverträge. Es gebe im Sicherheitsgewerbe zwei unterschiedliche Fallgruppen. Im Standardfall werde eine Dauerüberwachung rund um die Uhr angeboten (24-Stunden-Voll-Fern-Überwachung). Hier stehe das mietvertragliche Element, die Zurverfügungstellung der Technik, im Hintergrund. Des-halb würden diese Verträge von den Gerichten als Dienstverträge eingestuft. Ein solcher Fall liege auch der Entscheidung des OLG München 7 U 3170/14 zu Grunde. Davon zu unterschei-den sei der vorliegende Fall, in dem die Zurverfügungstellung der Technik den Hauptteil des Vertrages ausmache. Das nachrangige dienstvertragliche Element bestehe darin, dass sich die Klägerin einzig im Alarmfall und auch dann nur für wenige Sekunden aus der Ferne auf die An-lage des Kunden aufschalte. Zudem obliege es hier allein dem Kunden, die Anlage tagtäglich ein- und abzuschalten. In vielen dieser Dauermietverträgen komme es zu keinem einzigen Alarmfall, weshalb das nachrangige dienstvertragliche Element überhaupt nicht in Erscheinung trete. Die Klägerin bezieht sich für die Richtigkeit ihrer Auffassung auf einen Beschluss des BGH vom 27.04.2016 (Az.: XII ZA 49/15, AS II 139) und auf einen Hinweisbeschluss des OLG Kob-lenz vom 14.09.2016 (2 U 223/16).

Bei der Laufzeitvereinbarung handelt es sich nach Auffassung der Klägerin nicht um eine allge-meine Geschäftsbedingung. Bereits in erster Instanz sei der Außendienstmitarbeiter Grübl als Zeuge für das Aushandeln der Laufzeit angeboten worden. Die Länge der Vertragslaufzeit liege im Interesse des Kunden. Es sei die Entscheidung des Kunden, ob er einen exorbitant hohen Mietzins bei 24 Monaten oder einen äußerst geringen Mietzins bei einer Laufzeit von 72 Mona-ten wähle.

Das Landgericht hätte auch eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners nicht feststellen dürfen. Die Mietzinsen seien, gemessen am marktüblichen Niveau, sehr gering. Die Einkaufspreise habe die Klägerin nicht angeben müssen, da es sich insoweit um sensible Ge-schäftsgeheimnisse handele. Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen sei, obwohl diese das Wertgutachten der Firma UP vorgelegt habe und sogar Sachverständigenbeweis angeboten habe. Angesichts des-sen habe das Landgericht nicht von einem Anlagewert von nur 500,00 - 700,00 € ausgehen dür-fen. Richterweise hätte das Gericht von einem Neuwert der Anlage von mindestens 6.000,00 € netto ausgehen müssen. Der Mietzins setze sich aus diversen Komponenten zusammen. Die Anschaffung der Anlage mache 2/3 des Mietzinses aus. Die Gerätschaften würden innerhalb einer Zeitspanne von 11 Jahren abgeschrieben. Hinzu kämen zusätzliche Fixkosten für Perso-nal, Personalausstattung und die Installation der Anlage. Die Kosten der Sicherheitszentrale seien nicht im Mietpreis einkalkuliert. Da für jede Alarmbearbeitung eine Gebühr von 11,90 € verlangt werde, trage sich die Sicherheitszentrale selbst.

Die Klägerin wirft dem Erstgericht die Verletzung von Hinweispflichten und die Verkennung der Beweislast vor. Zum Wert der Anlage hätte das Landgericht, soweit es auf diese Wertermittlung überhaupt ankomme, ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

Die Klägerin legt Angebote von Konkurrenzunternehmen vor, die deutlich höhere Mietzinsen bei vergleichbaren Konditionen verlangen würden. Dies zeige, dass die Kosten der Klägerin im Ver-gleich zur Branche äußerst moderat und die Laufzeiten in der Branche nicht nur üblich, sondern auch notwendig seien.

Die Klägerin beantragt:

In Abänderung des Urteils des Landgerichts Waldshut-Tiengen, 1 O 180/15 vom 29.04.2016 bleibt das Versäumnisurteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen, 1 O 180/15, vom 08.12.2015 vollumfänglich aufrechterhalten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegan-gen, dass die geschuldeten Dienstleistungen für den Vertrag prägend seien und dass die Lauf-zeitklausel den Beklagten unangemessen benachteilige. Über Laufzeitalternativen sei bei den Vertragsverhandlungen nicht gesprochen worden. Bei dem Antrag auf Einholung eines Sach-verständigengutachtens handele es sich um einen Ausforschungsbeweis. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass es sich bei der im vorgelegten Wertgutachten erwähnten Anlage um diejenige handele, die Gegenstand des vorliegenden Vertrags sein solle. Der neue Vortrag im Berufungsverfahren zu den Fixkosten - personelle Situation und Ausstattung der Mitarbeiter - wird mit Nichtwissen bestritten. Bestritten wird auch der neue Vortrag, dass sich der monatliche Mietzins bei längerer Laufzeit reduziere und dass die Anschaffung der Anlage 2/3 des Mietzin-ses ausmache. Die Klägerin habe den Wert ihrer dem Streitfall zugrunde liegenden Anlage trotz eindeutiger Hinweise nicht dargelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechsel-ten Schriftsätze nebst aller Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage wurde vom Land-gericht zu Recht ganz überwiegend als unbegründet abgewiesen.

1) Der Beklagte hat die mit der Klägerin geschlossenen Verträge gemäß §§ 620 Abs. 2, 621 Nr. 3 BGB wirksam zum Ende des Monats Juli 2015 gekündigt. Er schuldet der Klägerin deshalb lediglich die für diesen Monat noch offene Vergütung.

a) Auf den streitgegenständlichen Vertrag ist - jedenfalls soweit es um die Frage der Kündi-gungsrechte geht - Dienstvertragsrecht anzuwenden, denn die dienstvertraglichen Elemente des Vertrages überwiegen ganz entscheidend (so auch OLG München, Urt. v. 11.02.2015 - 7 U 3170/14 -, NJOZ 2015, 886; LG Bochum, Urt. v. 04.12.2001 - 9 S 196/01 -, NJW-RR 2002, 1713; LG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 10.06.2016 - 1 O 396/15 -, juris; LG Mannheim, Urt. v. 18.10.2016 - 1 O 31/16 -, juris; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 14.09.2016 - 2 U 223/16 -, juris; LG Karlsruhe, Urt. v. 06.08.2015 - 20 S 59/13 -, juris; LG Mannheim, Urt. v. 03.11.2016 - 9 O 23/16 -, juris). Die typische und für den Kunden maßgebliche Hauptleistung des Vertrages besteht in einer Dienstleistung, nämlich in der Überwachung der Räumlichkeiten mit Hilfe der beim Kunden installierten und auf die Notruf- und Serviceleitstelle aufgeschalteten Geräte. Diese Überwa-chung wird zusammen mit der 24-Stunden-Hotline zur Beantwortung technischer Fragen rund um die Uhr geschuldet. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die für die automatisierte Über-wachung installierten Geräte vom Kunden ein- und ausgeschaltet werden, denn nur die Klägerin ist in der Lage, die geschuldete Überwachung zu gewährleisten. Genauso wenig kommt es da-rauf an, dass die Mitarbeiter der Klägerin nur im Falle eines Alarms und dann auch nur für kurze Zeit tätig werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin unterscheidet sich die im Streitfall vor-liegende Konstellation insofern nicht maßgeblich von anderen Fällen der Dauerüberwachung und insbesondere auch nicht von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG München vom 11.02.2015 zu Grunde lag. Das maßgebliche dienstvertragliche Element besteht immer darin, dass die Klägerin mittels der überlassenen Geräte in Verbindung mit der Vorhaltung von Personal in einer permanent besetzten Notruf- und Serviceleitstelle regelmäßig und rund um die Uhr die Überwachung anbietet. Nur aufgrund dieser permanenten Vorhaltung geschulten Perso-nals wird die Klägerin in die Lage versetzt, im Falle eines Alarms die geschuldeten zusätzlichen Tätigkeiten (Zuschalten auf die Anlage und Einleitung aller weiteren erforderlichen Schritte) zu gewährleisten. Dass die Notruf- und Serviceleitstelle nicht nur dem Beklagten, sondern auch vielen anderen Kunden der Klägerin rund um die Uhr zur Verfügung steht, ändert nichts an der auch dem Beklagten dauerhaft geschuldeten wesentlichen Vertragsleistung. Mietvertragliche Elemente von erheblichem Gewicht bestehen dagegen nicht, denn an den Geräten selbst hat der Kunde, der die Geräte allein nicht bedienen und nutzen kann, regelmäßig kein Interesse.

b) Das Kündigungsrecht des Beklagten ist nicht aufgrund der angekreuzten Vertragslaufzeit von 72 Monaten ausgeschlossen.

aa) Bei der Laufzeitbestimmung in dem vorgedruckten Vertragsformular handelt es sich um eine von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung. Dass die Parteien, weil das Formular der Klägerin mehrere Laufzeitlängen alternativ anbot, die angekreuzte Variante i. S. v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ausgehandelt hätten, hat die Klägerin nicht dargetan. Sie hat weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren, insbesondere auch nicht im Schriftsatz vom 20.02.2017, schlüssig behauptet, dass mit dem Beklagten im konkreten Fall über die verschiedenen Laufzei-ten verhandelt worden wäre und dass mit diesem die angekreuzte Laufzeit individuell ausge-handelt worden wäre.

bb) Die im streitgegenständlichen Vertrag von der Klägerin gegenüber dem Beklagten als Ge-schäftskunden verwendete Laufzeitklausel, die eine feste Vertragslaufzeit von 72 Monaten vor-sieht, ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt eine Klausel, in der der Ver-wender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen ver-sucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ohne ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen, eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (BGHZ 143, 104; BGHZ 147, 279; BGH NJW 2003, 886; BGH NJW-RR 2012, 626). Ob eine die Laufzeit eines Vertrages betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist mit Hilfe einer umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzel-fall festzustellen. Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern es ist der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen; notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten (BGH NJW 2003, 886; NJW-RR 2008, 818; NJW-RR 2012, 626).

Die danach vorzunehmenden Gesamtabwägung der Interessen führt dazu, der umstrittenen Klausel hier die Wirksamkeit zu versagen, denn sie stellt bei umfassender Abwägung der schüt-zenswerten Interessen beider Parteien eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten dar (vgl. OLG München, Urt. v. 11.02.2015 a.a.O.; LG Bochum, Urt. v. 04.12.2001 a.a.O.; LG Mannheim, Urt. v. 18.10.2016 a.a.O.; LG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 10.06.2016 a.a.O.).

Eine sachliche Rechtfertigung für die sechsjährige Vertragsbindung ergibt sich im Streitfall ins-besondere nicht aus Amortisationsgesichtspunkten. Die Klägerin hat ihrer sekundären Darle-gungslast in Bezug auf den Wert der installierten Geräte und den ihr bei Vertragserfüllung ins-gesamt entstehenden Kosten nicht genügt. Da dem Vertragspartner regelmäßig der Einblick in die Kalkulationsgrundlagen des Verwenders fehlt und ihm deshalb der Vergleich mit den maß-geblichen typischen Verhältnissen am Markt erschwert ist, ist es Angelegenheit des Verwen-ders, die sein Angebot bestimmenden Daten offenzulegen und ihre Marktkonformität darzustel-len (BGH NJW 2003, 1313). Der protokollierte Hinweis des Landgerichts in der mündlichen Ver-handlung vom 25.02.2016 war entgegen der Auffassung der Klägerin auch klar und hinreichend präzise.

Das von der Klägerin auf den Hinweis hin vorgelegte Gutachten aus dem Jahr 2013 ist bereits deshalb nicht verwertbar, weil es nach Vortrag der Klägerin nur die Zentraleinheit der Anlage betrifft, ohne dass zu den weiteren Anlageteilen vorgetragen worden wäre. Zudem hat die Klä-gerin nicht unter Beweis gestellt, im Streitfall eine gleichwertige Anlage verbaut zu haben. Aus dem Gutachten ergibt sich auch kein Restwert, sondern ein „Neu- und Wiederbeschaffungswert“ von 3.020,00 € netto. Die durch nichts belegte Behauptung, es sei von einem Neuwert der Anla-ge von mindestens 6.000,00 € auszugehen, ist auch im Hinblick darauf nicht nachvollziehbar. Die bloße Behauptung einer langen Abschreibungsdauer ist ohne Relevanz. Die Angaben der Klägerin zum Wert der von ihr im Streitfall zu installierenden Anlage sind damit insgesamt nicht einlassungsfähig und einer Beweisaufnahme auch nicht zugänglich.

Selbst bei einem unterstellten Wert der Zentraleinheit der geschuldeten Anlage von 3.000,00 € zuzüglich etwaiger weiterer Kosten für weitere nachrangige Anlagebauteile könnte jedenfalls insgesamt allenfalls von einem Anlagewert von unter 4.000,00 € ausgegangen werden. Auch ein unterstellter Anlagewert in dieser Größenordnung hätte sich in deutlich weniger als der Hälfte der 6-jährigen Vertragslaufzeit, nach deren Ende die Klägerin hier Zahlungen von 11.138,40 € brutto bzw. 10.281,60 € brutto erhalten haben würde, für die Klägerin amortisiert.

Zu den übrigen, auf den jeweiligen Vertrag entfallenden Kosten hat die Klägerin nichts Verwert-bares vorgetragen. Sie hat diese Kosten weder offengelegt noch deren Marktkonformität darge-stellt. Soweit sie erstmals in der Berufungsinstanz erhebliche Vertriebskosten sowie Finanzie-rungskosten anführt, ist ihr Vortrag gänzlich unbestimmt und damit nicht verwertbar. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass insofern erhebliche Kosten pro Vertrag hinzukommen würden, fehlen, zumal die Klägerin vorgetragen hat, ohne Werbungskosten auszukommen. Dies gilt erst recht, wenn, wie die Klägerin im Berufungsverfahren erstmals vorträgt, die Kosten der Sicherheitszent-rale und die Kosten für die Bearbeitung im Alarmfall nicht im Mietpreis einkalkuliert wären, diese sich vielmehr über die Bearbeitungsgebühr selbst tragen würden. Der neue Vortrag im Schrift-satz vom 20.02.2017 zu weiteren Fixkosten ist nicht verwertbar, denn die Höhe der für den je-weiligen einzelnen Vertrag zusätzlich anfallenden Kosten ist daraus nicht ableitbar. Im Übrigen wäre dieser bestrittene Vortrag nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ohnehin nicht zuzulassen, denn die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie ohne Nachlässigkeit daran gehindert war, hierzu in der ersten Instanz vorzutragen.

Insgesamt ist nicht feststellbar, dass die lange Vertragslaufzeit von 72 Monaten erforderlich ist, um als Anbieter von Fernüberwachung der streitgegenständlichen Art wirtschaftlich arbeiten zu können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Anlagen, da sie dem Kunden nicht verkauft, sondern nur auf Zeit überlassen werden, nach Rücklauf grundsätzlich auch anderweitig einsetz-bar sind.

Eine sachliche Rechtfertigung für die lange Vertragslaufzeit ist darüber hinaus auch im Übrigen weder von der Klägerin vorgetragen worden noch aus den Umständen erkennbar. Auf die vorge-legten Angebote von Konkurrenzunternehmen kommt es bereits deshalb nicht an, weil sie alle kürzere Laufzeiten enthalten.

Auf der anderen Seite sprechen die schützenswerten Interessen des Kunden hier eindeutig ge-gen die lange Vertragsbindung. Der Kunde wird durch die lange Vertragslaufzeit in seiner wirt-schaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit erheblich eingeschränkt. Er hat keine Möglichkeit, nach angemessener Zeit zu einem günstigeren oder im Service besseren Konkur-renzunternehmen zu wechseln oder auf einen geänderten Bedarf zu reagieren. Diese Ein-schränkung der Dispositionsfreiheit wiegt besonders schwer, wenn die angebotene Dienstleis-tung für den Kunden kein Interesse mehr hat, etwa im Falle einer, unter Umständen kurzfristig notwendigen Geschäftsaufgabe.

Das Interesse des Kunden, nicht ohne Not übermäßig lang vertraglich an die Klägerin gebunden zu werden, wird im Vertrag auch nicht hinreichend berücksichtigt, insbesondere enthält der Ver-trag keine Regelungen, die einen angemessenen Ausgleich für die lange vertragliche Bindung darstellen könnten. Die lange Laufzeit ist für den Kunden mit keinerlei Vorteil verbunden - etwa in Form von günstigeren Konditionen oder besonderen außerordentlichen Kündigungsmöglich-keiten. Der neue bestrittene Vortrag im Schriftsatz vom 20.02.2017, dass sich der monatliche Mietzins bei längerer Laufzeit reduziere, ist bereits völlig unsubstanziiert. Dass dem Beklagten im Streitfall verschiedene Laufzeitenlängen mit unterschiedlichen Mietpreisen angeboten worden wären, wird auch nicht behauptet. Im Übrigen wäre der Vortrag nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ohnehin nicht zuzulassen.

Nach allem dient die lange Laufzeit allein und einseitig dem Interesse der Klägerin an einer lang-fristigen Ertragsquelle. Bei dieser Interessenlage stellt die vereinbarte Laufzeit von 6 Jahren, die nicht nur über dem Doppelten, sondern sogar beim Dreifachen der nach § 309 Nr. 9 a) BGB zulässigen Laufzeit von höchstens 2 Jahren in einem vergleichbaren Vertrag mit einem Ver-braucher liegt, kein billige Regelung dar. Vielmehr verschiebt sie das Gleichgewicht der Rechte und Pflichten zu Lasten des Beklagten in treuwidriger Weise.

Die von der Klägerin vorgelegte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2016 (Az.: XII ZA 49/15) über die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren gegen das Berufungsurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 06.08.2015 (20 S 59/13) steht bereits deshalb nicht entgegen, weil sie keine Begründung für die Ablehnung des Antrags enthält.

2) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO zugelassen. Die in einer Vielzahl von Fällen auftretende Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Geschäftskunde von einem Fernüberwachungsvertrag der vorliegenden Art mit einer Laufzeitklausel von 6 Jah-ren vorzeitig lösen kann, ist klärungsbedürftig, denn zu ihr werden in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt noch nicht vor.

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