OLG München: Fehlen einer Zuständigkeitsbestimmung in Schiedsvereinbarung
OLG München, Beschluss vom 3.2.2010 - 34 Sch 24/09
Leitsätze
1. Zur örtlichen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Vollstreckbarerklärung inländischer Schiedssprüche.
2. Fehlt eine Zuständigkeitsbestimmung durch Schiedsvereinbarung, so bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit für die Vollstreckbarerklärung nach der Ortsangabe im Schiedsspruch. Denn diese legt grundsätzlich unwiderlegbar auch den schiedsgerichtlichen Verfahrensort fest.
§ 1043 ZPO, § 1054 Abs 3 ZPO, § 1062 Abs 1 Nr 4 ZPO, § 1064 Abs 1 ZPO
Sachverhalt
I. Die Antragstellerin, eine GmbH, hat Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Kostenschiedsspruchs gestellt, mit diesem auszugsweise einen Rahmenvertrag mit Schiedsklausel zwischen der Antragsgegnerin und einer GmbH und Co. OHG vorgelegt und vorgetragen, dieser würde zwischen den Parteien gelten.
Der Schiedsspruch vom 2.8.2009 enthält vor den Unterschriften der Schiedsrichter und dem Datum die Ortsangabe „Frankfurt am Main".
Nach gerichtlichem Hinweis auf Zuständigkeitsbedenken hat die Antragstellerin hilfsweise die Verweisung an das Oberlandesgericht Frankfurt beantragt. Der auszugsweise vorgelegte Rahmenvertrag enthält unter § 15 Nr. 2 eine Schiedsklausel, wonach alle Streitigkeiten, die sich „aus oder im Zusammenhang mit diesem Rahmenvertrag und den jeweiligen Einzelverträgen ergeben", nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) endgültig entschieden werden. Das Schiedsgericht tritt nach § 15 Nr. 2 Satz 3 des Rahmenvertrags in München zusammen.
Aus den Gründen
II. Das Oberlandesgericht München ist nicht zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zuständig.
1. Örtlich zuständig ist das in der Schiedsvereinbarung bezeichnete Oberlandesgericht oder, wenn eine solche Bezeichnung fehlt, das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt (§ 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).
a) Zur Frage, welches Gericht für die Vollstreckbarerklärung zuständig sein soll, ist eine von den Parteien abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung nicht vorgetragen. Die vorgelegte Schiedsklausel enthält dazu nichts. Die dortige Regelung zum Ort des Zusammentritts des Schiedsgerichts ist von einer etwaigen Gerichtsstandsbestimmung zu trennen.
b) Damit richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens. Ob der vorgelegte Rahmenvertrag zwischen den Parteien dieses Verfahrens gilt, kann offen bleiben, da auch in diesem Fall das Oberlandesgericht Frankfurt zuständig wäre.
aa) Gemäß § 1054 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist im Schiedsspruch der Tag, an dem er erlassen wurde, und der nach § 1043 Abs. 1 ZPO bestimmte Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens anzugeben. Der Schiedsspruch gilt als an diesem Tag und an diesem Ort erlassen (§ 1054 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Aus dem Zusammenhang zwischen Abs. 3 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 lässt sich schließen, dass der Ort, an dem der Schiedsspruch als erlassen gilt, auch den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens bezeichnet. Dieser Ort wird gemäß § 1043 Abs. 1 ZPO entweder durch die Parteien vereinbart oder, falls eine solche Vereinbarung fehlt, vom Schiedsgericht bestimmt. Fraglich ist bereits, ob vorliegend - unterstellt, der Rahmenvertrag gilt zwischen den Verfahrensparteien - eine Vereinbarung über den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens getroffen wurde. München ist hiernach der Ort, an dem das Schiedsgericht „zusammentritt". Dieser Ort muss aber nicht der Ort des Schiedsverfahrens sein (vgl. Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 1397; Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. § 1043 Rn. 4).
bb) Es ist immerhin denkbar, dass die Parteien mit der gewählten Formulierung ebenfalls den Schiedsort festlegen wollten. Aber auch dann wäre für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit nicht vom Schiedsort München auszugehen.
Zwar soll sich (vgl. Lachmann Rn. 1764) die Zuständigkeitsregelung des § 1062 Abs. 1 ZPO primär auf die Ortsangabe in der Schiedsvereinbarung und nur dann, wenn eine solche Angabe fehlt, darauf beziehen, wo der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden, weil bereits der Wortlaut des § 1062 Abs. 1 ZPO entgegen steht. Hiernach kommt es auf den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens an. Auch wenn die Parteivereinbarung einer Bestimmung des Ortes des schiedsrichterlichen Verfahrens durch das Schiedsgericht vorgeht (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 1043 Rn. 2), so schließt dies nicht aus, dass die Parteien später einen anderen Schiedsort bestimmen oder einvernehmlich dem Schiedsgericht die Bestimmung des anderen Schiedsorts überlassen (vgl. Lachmann Rn. 1398).
Derartige Fragen können im Rahmen der gerichtlichen Zuständigkeitsbestimmung nicht zeitnah überprüft werden. Nach der gesetzlichen Konzeption muss dem staatlichen Gericht die Schiedsvereinbarung nicht vorgelegt werden (vgl. § 1064 Abs. 1 ZPO; Zöller/Geimer § 1064 Rn. 1). Ihm muss auch eine spätere Änderung nicht bekannt werden. Die Angabe des Orts des Schiedsverfahrens im Schiedsspruch (§ 1054 Abs. 3 Satz 2 ZPO), der mit dem Antrag verbindlich mit vorzulegen ist (§ 1064 Abs. 1 ZPO), bewirkt, dass der Schiedsspruch als an diesem Ort erlassen gilt. Da weiter davon auszugehen ist, dass der Schiedsspruch als am Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens erlassen gilt, auch wenn er tatsächlich an einem anderen Ort ergangen ist (vgl. z.B. Lachmann Rn. 1761; Reichold in Thomas/Putzo § 1054 Rn. 8), bestimmt sich dieser Ort grundsätzlich auch als der Schiedsort, selbst wenn er (vgl. Musielak/Voit ZPO 7. Aufl. § 1062 Rn. 3) von einem von den Parteien vereinbarten Schiedsort abweicht. Für diese Sichtweise spricht auch, dass es so den Parteien vorbehalten bleibt, bei einer fehlerhaften Ortsangabe den Schiedsspruch berichtigen zu lassen (§ 1058 ZPO).
Ob anderes gilt, wenn sich aus dem Schiedsspruch selbst Bedenken ergeben, dass der angegebene Ort tatsächlich derjenige des Schiedsverfahrens ist (vgl. OLG Düsseldorf vom 19.08.2003, Az. I-6 Sch 2/99), kann dahin stehen. Denn so liegt der Fall hier nicht.
2. Auf den Hilfsantrag der Antragstellerin verweist der Senat die Sache deshalb in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO an das örtlich zuständige Oberlandesgericht Frankfurt am Main.