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Wirtschaftsrecht
22.10.2020
Wirtschaftsrecht
OLG Hamm: Facebook kann das Teilen sog. Hassreden in Nutzungsbedingungen untersagen

OLG Hamm, Beschluss vom 15.9.2020 – 29 U 6/20

ECLI:DE:OLGHAM:2020:0915.29U6.20.00

Volltext: BB-Online BBL2020-2434-3

Amtliche Leitsätze

1. Das für die Feststellung eines Rechtsverhältnisses notwendige rechtliche Interesse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO lässt sich nicht schon daraus herleiten, dass eine in der Vergangenheit getroffene Maßnahme (hier: Sperre eines Nutzerkontos auf einer Social-Media-Plattform) gegenwärtige tatsächliche Folgen hatte (hier: die Speicherung eines Verstoßes gegen Nutzungsbedingungen im Datenbestand des Social-Media-Betreibers). Es greift auch insoweit der Vorrang der Leistungsklage.

2. Der Betreiber einer Social-Media-Plattform ist berechtigt, in seinen Nutzungsbedingungen neben dem Verbot strafbarer und rechtswidriger Inhalte auch das Teilen von sog. Hassnachrichten („Hassrede“) zu untersagen. Klauseln, welche verbieten, bestimmte Personen oder Personengruppen aufgrund bestimmter geschützter Eigenschaften als minderwertig herabzusetzen, sind danach weder als überraschend i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB zu werten noch stellen sie eine unangemessene Benachteiligung der Plattform-Nutzer i. S. d. § 307 BGB dar. Soweit der Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG überhaupt eröffnet ist, greifen gegenüber dem Plattform-Betreiber nicht allein die Schranken aus Art. 5 Abs. 2 GG. Vielmehr wirken die Grundrechte des Plattform-Nutzers gegenüber dem Social-Media-Betreiber nur mittelbar und sind gegen dessen Grundrechte aus Art. 12, 14 GG abzuwägen (Wechselwirkung), mit der Folge, dass dessen unternehmerische Entscheidungen Eingriffe in die Meinungsfreiheit rechtfertigen können, wenn dafür sachliche Gründe bestehen.

3. Der Betreiber einer Social-Media-Plattform ist danach berechtigt, in seinen Nutzungs-bedingungen für den Fall verbotener Inhalte Maßnahmen wie das Löschen von Beiträgen oder die (zeitweilige) Sperre eines Nutzer-Accounts vorzusehen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei gewahrt, wenn die Nutzungsbedingungen die Sanktionen an der Schwere des jeweiligen Verstoßes ausrichten.

§ 256 Abs. 1 ZPO, § 307 BGB; § 305c Abs. 1 BGB, Art. 5 Abs. 1 GG; Art. 5 Abs. 2 GG, Art. 12, 14 GG

Sachverhalt

I.

Die Beklagte bietet die Dienste der Internet-Plattform G in Europa an. Der Kläger meldete bei ihr im Jahr 2012 ein persönliches Nutzer-Konto an (G-Profil) und nutzt dieses seither. Mit seiner Registrierung erklärte der Kläger sein Einverständnis zur Geltung der seinerzeit von der Beklagten aufgestellten „Erklärung der Rechte und Pflichten“ (Anlage K 21) sowie der Sonderbedingungen für Deutschland (Anlage K 23), auf deren Inhalt verwiesen wird. Im April 2018 stellte die Beklagte neue Nutzungsbedingungen (Anlage K 1) auf, mit denen sie auf ihre aktualisierten „Gemeinschaftsstandards“ verwies (Anlage K 3).

Zu den Verhaltensregeln für Nutzer heißt es in den Nutzungsbedingungen einleitend:

Wir beschäftigen weltweit spezielle Teams und entwickeln fortschrittliche technische Systeme, um Missbrauch unserer Produkte, schädliches Verhalten gegenüber anderen und Situationen aufzudecken, in denen wir möglicherweise dazu beitragen können, unsere Gemeinschaft zu unterstützen und zu schützen. Wenn wir von derartigen Inhalten oder Verhaltensweisen erfahren, werden wir geeignete Maßnahmen ergreifen, z. B. indem wir Hilfe anbieten, Inhalte entfernen, den Zugriff auf bestimmte Features sperren, ein Konto deaktivieren oder Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden aufnehmen.

Zu den Verpflichtungen der Nutzer ist unter Ziffer 3 der Nutzungsbedingungen weiter aufgeführt:

2. Was du auf G teilen und tun kannst

Wir möchten, dass Menschen G nutzen, um sich auszudrücken und Inhalte zu teilen, die ihnen wichtig sind. Dies darf jedoch nicht auf Kosten der Sicherheit und des Wohlergehens anderer oder der Integrität unserer Gemeinschaft erfolgen. Du stimmst deshalb zu, dich nicht an den nachfolgend beschriebenen Verhaltensweisen zu beteiligen (oder andere dabei zu fördern oder zu unterstützen):

1. Du darfst unsere Produkte nicht nutzen, um etwas zu tun oder zu teilen, auf das Folgendes zutrifft:

Es verstößt gegen diese Nutzungsbedingungen, unsere Gemeinschaftsstandards und sonstige Bedingungen und Richtlinien, die für deine Nutzung von G gelten.

Es ist rechtswidrig, irreführend, diskriminierend oder betrügerisch.

Es verletzt bzw. verstößt gegen die Rechte einer anderen Person.

(…)

Weiter heißt es zu den Folgen möglicher Verstöße:

Wir können Inhalte entfernen, die du unter Verstoß gegen diese Bestimmungen geteilt hast, sowie gegebenenfalls aus den nachfolgend beschriebenen Gründen Maßnahmen bezüglich deines Kontos ergreifen. Wir können außerdem dein Konto deaktivieren, wenn du wiederholt die geistigen Eigentumsrechte anderer Personen verletzt.

Dabei ist der Passus „nachfolgend beschriebenen Gründen“ mit Ziffer 4.2 der Nutzungsbestimmungen verlinkt. Ziffer 4 enthält folgende Regelungen:

4. Zusätzliche Bestimmungen

1. Aktualisierung unserer Nutzungsbedingungen

Wir arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung unserer Dienste sowie der Entwicklung neuer Funktionen, um unsere Produkte für dich und unsere Gemeinschaft noch besser zu machen. Demzufolge müssen wir diese Nutzungsbedingungen gegebenenfalls von Zeit zu Zeit aktualisieren, damit sie unsere Dienste und Praktiken korrekt und genau widerspiegeln. Wir nehmen Änderungen nur vor, wenn die Bestimmungen nicht mehr zutreffend sind oder wenn sie unvollständig sind, und nur, wenn die Änderungen unter Berücksichtigung deiner Interessen zumutbar für dich sind. Sofern gesetzlich nicht anderes vorgeschrieben ist, werden wir dich über die Änderungen und die dir zur Verfügung stehenden Auswahlmöglichkeiten mindestens 30 Tage bevor wir die Nutzungsbedingungen aktualisieren informieren (z. B. per E-Mail oder über unsere Produkte) und dir Gelegenheit zu deren Überprüfung geben, bevor sie in Kraft treten. Sobald aktualisierte Nutzungsbedingungen in Kraft treten, bist du an diese gebunden, wenn du unsere Produkte weiterhin nutzt. Wir hoffen zwar, dass du unsere Produkte weiterhin nutzen wirst. Wenn du aber unseren aktualisierten Nutzungsbedingungen nicht zustimmst und nicht länger zur G-Gemeinschaft gehören möchtest, kannst du dein Konto jederzeit löschen.

2. Aussetzung oder Kündigung von Konten

Wir möchten, dass G ein Ort ist, an dem Menschen sich Menschen willkommen und sicher dabei fühlen, sich auszudrücken und ihre Gedanken und Ideen zu teilen.

Unser Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn eine Partei gegen Pflichten aus diesen Nutzungsbedingungen, Gesetze, Rechte Dritter oder Datenschutzrichtlinien verstößt, und der kündigenden Partei unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der Interessen beider Parteien die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Kündigungstermin oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist nur innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens nach Kenntniserlangung von dem Verstoß möglich. Ist der wichtige Grund ein Verstoß gegen eine Pflicht dieser Nutzungsbedingungen, so ist die Kündigung nur nach dem erfolglosen Ablauf einer gewährten Abhilfefrist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig. Eine Abhilfefrist ist jedoch nicht erforderlich, wenn die andere Seite die Erfüllung ihrer Pflichten ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn nach Abwägung der Interessen beider Parteien besondere Umstände eine sofortige Kündigung rechtfertigen.

Welche Inhalte im einzelnen unzulässig sind, ist in den Gemeinschaftsstandards u.a. wie folgt geregelt:

Teil II. Anstößige Inhalte

12. Hassrede

Grundgedanke dieser Richtlinie

Wir lassen Hassrede auf G grundsätzlich nicht zu. Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern. Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Behinderung oder Krankheit. Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft. Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren. Wir teilen Angriffe wie unten beschrieben in drei Schweregrade ein.

Manchmal teilen Menschen Inhalte, die Hassrede einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten. So kann es vorkommen, dass Worte oder Begriffe, die ansonsten gegen unsere Standards verstoßen könnten, erklärend oder als Ausdruck von Unterstützung verwendet werden. Dann lassen wir die Inhalte erwarten jedoch, dass die Person, die solche Inhalte teilt, ihre Absicht deutlich macht, so dass wir den Hintergrund besser verstehen können. Ist diese Absicht unklar, wird der Inhalt unter Umständen entfernt. Wir lassen Humor und Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen zu. Wir sind außerdem der Ansicht, dass die Nutzerinnen und Nutzer, die solche Kommentare teilen, verantwortungsbewusster handeln, wenn sie ihre Klarnamen verwenden. Mehr zum Thema ,.Hassrede" in unserem Blog „Z1" .

Folgende Inhalte sind untersagt:

Angriffe mit Schweregrad 1 sind Angriffe, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen, auf die eine der oben aufgeführten Eigenschaften oder der Einwanderungsstatus zutrifft (einschließlich aller Untergruppen, außer denen, die Gewaltverbrechen oder Sexualstraftaten begangen haben). Ein Angriff wird hier wie folgt definiert: Jedwede gewalttätige Äußerung zu oder Unterstützung von Tod/Krankheit/Schaden

Entmenschlichende Sprache. Hierzu gehört unter anderem Folgendes: Bezugnahme auf oder Vergleich mit Schmutz, Bakterien, Krankheit oder Fäkalien; Bezugnahme auf oder Vergleich mit Tieren, die kulturell als intellektuell oder körperlich unterlegen gelten

Bezugnahme auf oder Vergleich mit Untermenschlichkeit. Die Verspottung des Konzepts „Hassverbrechen" im Allgemeinen, konkreter Hassverbrechen oder der Opfer von Hassverbrechen, selbst wenn keine reale Person in einem Bild abgebildet ist. Bestimmte entmenschlichende Vergleiche sowohl in schriftlicher als auch in visueller Form.

Angriffe mit Schweregrad 2 sind Angriffe, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen, auf die eine der oben aufgeführten Eigenschaften zutrifft. Ein Angriff wird hier wie folgt definiert:

Aussagen oder Begriffe der Minderwertigkeit, die implizieren, dass eine Person oder eine Gruppe körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweist Körperlich (unter anderem „verunstaltet", „unterentwickelt", „abscheulich", „hässlich"); Geistig (unter anderem „zurückgeblieben", „behindert", „niedriger IQ", „dumm", „Idiot"); Moralisch (unter anderem „Schlampe", „Betrüger", „billig", „Schnorrer"); Ausdrücke der Verachtung, wie u. a.:

„Ich hasse"

„Ich mag X nicht"

„X sind die Schlimmsten"

Ausdrücke der Abscheu, wie u. a.:

„ekelhaft"

„scheußlich"

„widerwärtig"

Beschimpfung von Personen oder Personengruppen, die geschützte Eigenschaften aufweisen.

Angriffe mit dem Schweregrad 3 sind Angriffe, die zum Ausschluss oder der Isolation einer Person oder Personengruppe aufgrund der oben aufgeführten Eigenschaften aufrufen. Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu. Inhalte, die Personen verunglimpfend beschreiben oder sie mit Verunglimpfungen angreifen. Verunglimpfungen werden als Ausdrücke bzw. Wörter definiert, die üblicherweise als beleidigende Bezeichnungen für die oben aufgeführten Eigenschaften verwendet werden.

Wegen der weiteren Regelungen in den Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards wird auf die Anlagen K 1 und K 3 verwiesen.

Auf die neuen Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards wies die Beklagte den Kläger am 19.04.2018 per Email sowie im Wege einer Pop-Up-Nachricht auf der von ihm genutzten App hin und forderte ihn auf, den neuen Nutzungsbedingungen zuzustimmen, um die Dienste der Internet-Plattform weiter nutzen zu können (Anlage B 53). Der Kläger erteilte seine Zustimmung am 16.05.2018 und nutzte die Dienste der Beklagten weiter (Anlage B 54).

Am 00.10.2018 teilte der Kläger auf seinem Konto einen Beitrag des Internet-Blogs „I“ mit folgendem Titel:

„K: von einer Darstellung wird abgesehen, die Redaktion“

In dem Beitrag heißt es:

„Von einer Darstellung wird abgesehen, die Redaktion“

Als Quelle wurde unter diesem Artikel „Ker-nachrichten.de“ angegeben.

Dies alles hatte der Kläger mit einem sog. „wütenden Emoji“ kommentiert (S. 17 d. Klageschrift).

Die Beklagte nahm diesen Beitrag zum Anlass, ihn aus dem Konto des Klägers so zu löschen, dass er für andere Nutzer nicht mehr sichtbar war. Zudem sperrte sie für den Kläger die Möglichkeit, über sein G-Profil Kommentare oder Inhalte zu verbreiten. Der Kläger, der sich deshalb an die Beklagte wandte, erhielt zudem folgende Nachricht:

„! Überprüfung beantragt

Du erhältst ein Update, sobald die Überprüfung durch unser Review Team abgeschlossen ist. Während der Überprüfung eines Beitrags kann ihn niemand sonst sehen. Zudem kannst du 30 Tage lang nichts posten, kommentieren oder den Messenger verwenden.“

(s. S. 15 f d. Klageschrift)

Der Kläger konnte sein und die Konten anderer G-Nutzer daraufhin noch einsehen, aber keine eigenen Beiträge mehr posten oder versenden. Am 00.10.2018 erfolgte frühzeitig die Freischaltung des Kontos. Der Beitrag wurde gelöscht.

Der Kläger hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Beklagte weder berechtigt gewesen sei, den von ihm geteilten Beitrag zu löschen noch seine Kontonutzung zu beschränken.

Die von der Beklagten im Jahr 2018 aktualisierten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards seien nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, sie seien im Übrigen - ebenso wie die Vorversion – im Hinblick auf Voraussetzungen und Folgen eines Verstoßes intransparent und stellten eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer dar, weil sie das grundgesetzlich geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung verletzten. Als weltweit größte Social-Media-Plattform habe G eine – etwa der staatlich beherrschten Post und Telekommunikation vergleichbare - Monopolstellung für den unmoderierten Austausch von Meinungen, weshalb die Beklagte unmittelbar zur Gewährung der Meinungsfreiheit verpflichtet sei. Mit dem von der Bundesregierung aus politischen Motiven initiierten und seitens der Beklagten von privaten Unternehmen durchgesetzten Verbot von „Hassrede“ nehme sie hingegen eine rechtsgrundlose Zensur vor, die auch gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoße. Im Übrigen stelle der vom Kläger geteilte Beitrag keinen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen dar. Dieser beinhalte vielmehr eine zulässige Meinungsäußerung, weil der Kläger sich den geteilten Text nicht zu eigen gemacht habe und dieser lediglich rein sachbezogen auf das strafbare Verhalten einer Person hinweise, ohne an die ethnische Zugehörigkeit, Abstammung oder Herkunft anzuknüpfen. Bei der Prüfung, ob eine Äußerung als zulässige Meinungsäußerung oder als unrichtige und damit unzulässige Tatsachenbehauptung, Schmähkritik oder Formalbeleidigung einzuordnen sei, sei mit Blick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit ein strenger Maßstab anzulegen. Von einer unzulässigen Schmähkritik dürfe so erst dann ausgegangen werden, wenn nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund gestanden habe. Die vorübergehende Sperrung des vom Kläger genutzten Kontos stelle danach auch einen rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar, was einen Geldentschädigungs- und Schadenersatzanspruch des Klägers begründe.

Wegen der Argumentation im Einzelnen wird auf die Klageschrift vom 07.11.2018 sowie den Schriftsatz vom 10.09.2019 verwiesen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

1. festzustellen, dass die am 00.10.2018 vorgenommene Sperrung des Profils des Klägers (htps:/www.G.com/h.j.00001) auf www.G.com rechtswidrig war.

2. der Beklagten aufzugeben, den nachfolgend wiedergegebenen, am 02.10.2018 gelöschten Beitrag des Klägers wieder freizuschalten:

K: von einer Darstellung wird abgesehen, die Redaktion

Quelle: Ker-nachrichten.de

3. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihn für das Einstellen des in Ziff. 2 genannten Textes oder für das Einstellen des nachfolgenden Links: htps:/blog. I/2018/00##-von einer Darstellung wird abgesehen, die Redaktion/ auf www.G.com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, Ordnungshaft zuvollziehen an den Vorständen.

4. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen, ob die Sperre gern. Ziff. 1 durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt, und in letzterem Fall, durch welches.

5. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche.

6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadenersatz in Höhe von 350,00 € zgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2018 zu zahlen.

7. die Beklagte zu verurteilen, ihn von Rechtsanwaltskosten

              a. für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 597,74 € und

              b. für die Einholung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 201,71 € und

c. für die Einholung einer Deckungszusage für die Klage in Höhe von 729,23 € durch Zahlung an die Kanzlei V freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Löschung des vom Kläger geteilten Beitrags sowie die zeitweise Beschränkung seiner Postingrechte durch ihre Nutzungsbedingungen gerechtfertigt sei, deren Aktualisierung der Kläger rechtswirksam zugestimmt habe. Diese Nutzungsbedingungen sowie die damit einbezogenen Gemeinschaftsstandards seien nach der Rechtsprechung hinreichend transparent und enthielten keine unangemessene Benachteiligung der Nutzer. Der vom Kläger geteilte Beitrag enthalte eine nach Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards unzulässige Hassrede und berechtige die Beklagte deshalb gem. Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen, den Beitrag zu löschen und das Teilen und Veröffentlichen von Inhalten auf dem Konto des Klägers zeitweise einzuschränken. Mit dem Begriff „Goldstücke“ verwende der Text einen von Anhängern der rechtsextremen Szene verwendeten herabwürdigenden Ausdruck und bringe schon so eine rassistische und migrantenfeindliche Haltung zum Ausdruck. Zudem enthielten bereits die ersten Im Profil des Klägers sichtbaren Textzeilen des Beitrags einen Angriff auf die Gesamtheit der Muslime und Flüchtlinge, indem diese ausnahmslos als gewalttätige Menschen dargestellt würden. Diese Haltung habe der Kläger mit der Beifügung eines „wütenden Emojis“ unterstützt, statt sich von ihr zu distanzieren.

Auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit könne der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen, weil dieses im Vertragsverhältnis zur Beklagten keine unmittelbare Geltung entfalte und durch die Löschung seines Beitrags sowie die vorübergehende Einschränkung der Kontonutzung auch nicht beeinträchtigt sei, da er seine Meinung außerhalb von G weiterhin ungehindert habe äußern können. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit habe so allenfalls eine mittelbare Drittwirkung im Verhältnis zur Beklagten und sei gegen deren ebenfalls grundrechtlich geschützten Rechte auf Berufsfreiheit und Eigentumsschutz abzuwägen. Dabei gewähre das Grundrecht der Berufsfreiheit der Beklagten das Recht, auf ein Mindestmaß an kultiviertem Umgang auf der von ihr betriebenen Internetplattform hinzuwirken, um ihre wirtschaftlichen Ziele zu schützen. Das Eigentumsrecht gebe ihr zudem die Befugnis, über die ihr zugeordneten vermögenswerten Rechte eigenverantwortliche Entscheidungen zu ihrem Nutzen zu treffen (sog. „virtuelles Hausrecht“).

Wegen der weiteren Argumentation der Beklagten wird auf die Klageerwiderung vom 20.08.2019 verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Klage sei teilweise bereits unzulässig und im Übrigen auch unbegründet.

Für die Anträge zu 1) und 2) fehle es am Feststellungs- und Rechtsschutzbedürfnis. Da sich der Feststellungsantrag des Klägers auf einen vergangenen Sachverhalt beziehe, sei er nicht auf die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Ein besonderes Bedürfnis an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses sei nicht ersichtlich.

Für den Unterlassungsantrag fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung gar nicht beabsichtige, den gelöschten Artikel nochmals zu teilen.

Die Anträge scheiterten im Übrigen daran, dass die Löschung des vom Kläger geteilten Beitrags rechtmäßig gewesen sei. Dies ergebe sich aus den von den Parteien vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten.

Der Kläger habe mit dem Teilen und Kommentieren des Beitrags gegen Punkt 12 der Gemeinschaftsstandards verstoßen. Dabei könne offen bleiben, ob schon die Verwendung des Begriffs „Merkel Goldstücke“ als Hassrede zu werten sei. Der Beitrag vermittele jedenfalls, dass alle Flüchtlinge mit unvorstellbarer Gewalt gegen jedermann agieren und diffamiere so eine gesamte Bevölkerungsgruppe aufgrund ihres Einwanderungsstatus. Daneben stelle die Bezeichnung des Jugendlichen als „Killer-Moslem“ nicht nur einen Angriff auf einen einzelnen dar, sondern diffamiere Muslime insgesamt. Damit seien die Voraussetzungen einer in den Gemeinschaftsstandards untersagten Hassrede nach Schweregrad 1 erfüllt. Der Kläger habe sich diese mit dem Teilen des Artikels und dem Hinzufügen des „wütenden Emojis“ zu eigen gemacht und sie weiter verbreitet. Dass dies nach Behauptung des Klägers nur etwa hundert der mit ihm „befreundeten“ G-Nutzer betreffe, sei ohne Belang.

Die Gemeinschaftsstandards seien wirksam in den Vertrag der Parteien einbezogen worden, indem der Kläger diesen bei seiner Registrierung und bei der späteren Aktualisierung zugestimmt und sein Konto danach weitergenutzt habe.

Es handele sich weder um überraschende Klauseln i.S.d. § 305c BGB noch um intransparente oder unangemessen benachteiligende Regelungen i.S.d. § 307 BGB. Der Kläger könne sich insoweit nicht auf sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit berufen, weil ein Ausgleich mit den Grundrechten der Beklagten zu finden sei. Diese sei nicht verpflichtet, die von ihr betriebene Plattform für die Äußerung von Hassreden zur Verfügung zu stellen.

Auch die Anträge zu 3) bis 6) seien danach unbegründet. Für eine Auskunftserteilung fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers, weil er die begehrten Informationen nicht für die Durchsetzung von Ansprüchen benötige.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge aufrecht erhält und erweitert.

Unter Wiederholung und Vertiefung seiner in erster Instanz vorgebrachten Argumente hält er daran fest, dass die Löschung des von ihm geteilten Beitrags sowie die zeitweise Beschränkung seiner Kontonutzung rechtswidrig gewesen seien. Insbesondere habe das Landgericht gar nicht geprüft, inwieweit die Beklagte nach ihren AGB zur Löschung des geteilten Beitrags und zur zeitweisen Sperrung seines Kontos berechtigt war. Aus Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen ergebe sich eine solche Berechtigung jedenfalls nicht, zumal diese Klausel nicht wirksam in den Vertrag einbezogen und im Übrigen intransparent und unangemessen benachteiligend sei.

Außerdem liege auch gar kein Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards vor, weil der Beitrag des Klägers mit Blick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach dem für ihn günstigsten Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums auszulegen sei. Danach sei eine Äußerung nur ausnahmsweise als unzulässige Schmähkritik zu werten, wenn jeglicher sachliche Bezug fehle und die Diffamierung im Vordergrund stehe. Mangels Strafbarkeit des geteilten Beitrags sei der Beitrag des Klägers so als zulässige Meinungsäußerung anzusehen, die die Beklagte aufgrund ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung wegen der Monopolstellung als Meinungsplattform zuzulassen habe.

Die mit der Berufungsbegründung erklärte Klageerweiterung zu Ziffer 2) sei gem. § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil sie auf dem erstinstanzlichen Tatsachenvortrag beruhe. Der Datenberichtigungsanspruch ergebe sich aus Art. 16 DSGVO.

Der vom Landgericht als unzulässig zurückgewiesene Feststellungsantrag richte sich auf die Feststellung, dass die Beklagte keine Sperrungen vornehmen dürfe, solange ein Beitrag nicht strafbar sei. Damit beziehe sich der Antrag primär auf künftige Sanktionen. Das Feststellungsinteresse des Klägers ergebe sich dabei auch daraus, dass er durch die Sperre herabgewürdigt worden sei und insoweit ein Rehabilitationsinteresse habe. Entsprechendes gelte für den Antrag auf Wiederherstellung des Beitrags und den Antrag auf Unterlassung aus § 241 i.V.m. § 1004 BGB analog.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 20.05.2020 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1.       Das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 06.02.2020, Az. I-4 O 363/18, abzuändern,

2.       die Beklagte zu verurteilen, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 00.10.2018 gelöschten Beitrag aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird;

3.       festzustellen, dass die am 00.10.2018 vorgenommene Sperrung des Profils des Klägers (https://www.G.com/h.j.00001) auf www.G.com rechtswidrig war.

4.       der Beklagten aufzugeben, den nachfolgend wiedergegebenen, am 02.10.2018 gelöschten Beitrag des Klägers wieder freizuschalten.

K: von einer Darstellung wird abgesehen, die Redaktion

Quelle: Ker-nachrichten.de

5.       die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, den Kläger für das Einstellen des in Ziff. 4 genannten Textes oder für das Einstellen des nachfolgenden Links: von einer Darstellung wird abgesehen, die Redaktion/auf www.G.com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorständen.

6.       die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob die Sperre gem. Ziff. 3 durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt, und in letzterem Fall, durch welches.

7.       die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche.

8.       die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 350,- € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seitdem 02.10.2018 zu zahlen.

9.       die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von Rechtsanwaltskosten

a. für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 597,74 € und

b. für die Einholung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 201,71 € und

c. für die Einholung einer Deckungszusage für die Klage in Höhe von 729,23 €

durch Zahlung an die Kanzlei V freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung der erstinstanzlich vorgebrachten Argumente. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 08.06.2020 verwiesen.

112

Aus den Gründen

II.

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat mit Blick auf die entscheidungserheblichen Sach- und Rechtsfragen auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder ein sonstiger Grund eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.

Das angefochtene Urteil ist nicht im Sinne der Berufungsanträge abzuändern. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung ist auch im Hinblick auf die Antragserweiterung (Berufungsantrag zu Ziffer 2) unbegründet.

1.

Das Landgericht hat die Maßnahmen, welche die Beklagte angesichts des vom Kläger geteilten Beitrags ergriffenen hat und welche der Kläger mit seiner Klage beanstandet, zutreffend für gerechtfertigt erachtet. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Ausführungen der Berufung zur Zulässigkeit der Klageanträge sowie der nunmehr erklärten Antragserweiterung nicht an.

Insoweit weist der Senat aber auf Folgendes hin:

a)

Der vom Kläger mit dem Klageantrag zu 1) (Berufungsantrag zu 3) gestellte Feststellungsantrag richtete sich auf die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses und nicht, wie es in der Berufungsbegründung anklingt, auf die Feststellung, dass die Beklagte ganz allgemein (und somit auch gegenwärtig) nicht berechtigt sei, sein Konto wegen nicht strafbarer Inhalte zu sperren. Die Formulierung und auch die Begründung des Feststellungsantrags in der Berufungsbegründung lassen keine andere Auslegung zu, als dass der Kläger die Feststellung begehrt, dass konkret die am 00.10.2018 vorgenommene Kontobeschränkung auf www.G.com rechtswidrig war.

Soweit der Kläger meint, sein Feststellungsantrag sei dahin auszulegen, dass er auf die Feststellung ziele, die Beklagte sei auch gegenwärtig und in Zukunft nicht berechtigt, seinen Kontozugriff wegen eines neuerlichen Einstellens des am 02.10.2018 geteilten Beitrags zu beschränken, fehlt es aus den vom Landgericht zum Klageantrag zu 2) ausgeführten Gründen am Feststellungsbedürfnis. Das Landgericht hat dazu festgestellt, dass der Kläger diesen - vor rund zwei Jahren erschienen und geteilten - Beitrag gar nicht mehr einstellen möchte. An diese Feststellung sieht sich der Senat gebunden. Der Kläger hat insoweit keinen Berichtigungsantrag gestellt, obwohl auch das in den Entscheidungsgründen enthaltene tatsächliche Vorbringen zum Tatbestand gehört, der dem Verfahren der Tatbestandsberichtigung gem. § 320 ZPO unterfällt (Zöller/Feskorn, ZPO 32. Aufl. 2020, § 320, Rn. 6; § 314, Rn. 3, 4). Im Übrigen hält auch der Senat die vom Kläger auf Befragen seines Prozessbevollmächtigten nachgeschobene Behauptung, er wolle den Beitrag doch noch einmal teilen, für eine rein prozesstaktische Erklärung, die nicht die Annahme rechtfertigt, dass der Kläger den Beitrag tatsächlich noch einmal teilen will.

Im Hinblick auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der am 00.10.2018 vorgenommenen Maßnahmen der Beklagten richtet sich der Antrag auf ein in der Vergangenheit liegendes Rechtsverhältnis. Insoweit hat das Landgericht zu Recht das Feststellungsbedürfnis verneint, für das auch nach Wertung des Klägers nur ausnahmsweise ein Feststellungsbedürfnis gegeben sein kann.

Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung darauf abhebt, dass das Feststellungsbedürfnis hier aus seinem gegenwärtigen Interesse daran herrühre, möglichen Einschränkungen seiner G-Teilnahme vorzubeugen, die sich daraus ergeben könnten, dass spätere Sanktionen auf der Annahme eines wiederholten Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen ergeben, vermag dies nicht zu überzeugen. Insoweit greift der Vorrang der Leistungsklage, mit der der Kläger eine Berichtigung der für sein Konto gespeicherten Daten geltend machen kann - was er mit dem Berufungsantrag zu 2 nunmehr auch tut (ebenso OLG München, Urteil v. 07.01.2020, 18 U 1491/19, Rn. 88).

Ein darüber hinausgehendes Feststellungsinteresse lässt sich schließlich auch nicht damit begründen, dass der Kläger ein Interesse auf Rehabilitierung habe. Insoweit ist schon gar nicht dargetan, inwieweit „die gesellschaftliche Stellung des Klägers“ durch die Maßnahmen der Beklagten mit für den Kläger „diskriminierenden Nachwirkungen“ beeinträchtigt worden sein soll. Einerseits ist nicht vorgetragen, inwieweit für andere Nutzer überhaupt erkennbar war, dass die Beklagte - und nicht etwa der Kläger selbst - den beanstandeten Beitrag gelöscht hatte. Selbst wenn dies der Fall wäre, ist eine Herabwürdigung oder gar Diskriminierung des Klägers aus der Offenlegung eines AGB-Verstoßes zudem nicht ersichtlich. Andererseits ergibt sich aus der Beschränkung der Postingmöglichkeiten des Klägers über einen Zeitraum von sechs Tagen keine Beeinträchtigung seiner gesellschaftlichen Stellung, sondern hatte nach außen lediglich die Wirkung, dass der Kläger für einige Tage auf G schlicht „verstummt“ war. Was er der Welt bzw. seinen „G-Freunden“ in dieser Zeit hätte mitteilen wollen und inwieweit durch die Verzögerung oder Verlagerung dieser Mitteilungen auf andere Kanäle die gesellschaftliche Stellung des Klägers berührt worden ist, ist nicht erkennbar.

b) Im Hinblick auf den Klageantrag zu 2) (nunmehr Berufungsantrag zu 4) hat das Landgericht zu Recht kein Rechtsschutzbedürfnis für das Begehren gesehen, den beanstandeten Beitrag (nunmehr) erneut teilen (s. o. a)).

Soweit der Kläger nunmehr darauf abstellt, dass er die Freischaltung des geteilten Beitrag in der Weise begehrt, dass dieser in seinem Kontoverlauf wieder auffindbar sein soll, fehlt es erst recht an einem Rechtsschutzbedürfnis. Es ist allgemein bekannt, dass die Kommunikation der G-Nutzer über ihre jeweils aktuellen Beiträge erfolgt. Zwei Jahre alte Beiträge sind zwar bei entsprechenden Bemühungen auffindbar, auf dem jeweiligen Profil aber nicht ohne Weiteres sichtbar und somit auch nicht Gegenstand der allgemeinen Wahrnehmung. Zur nunmehr geltend gemachten Rehabilitation des Klägers wäre eine solche Wiederherstellung daher gänzlich ungeeignet – ganz unabhängig davon, dass ein Rehabilitationsbedürfnis aus den unter a) dargestellten Gründen nicht ersichtlich ist.

Wenn der Kläger also ein Interesse an der Wahrnehmung des beanstandeten Beitrags (seitens des allgemeinen Publikums oder seiner „G-Freunde“) hätte, wäre es naheliegend, den gelöschten Beitrag erneut zu teilen – ein solches Interesse besteht aber nach den Feststellungen des Landgerichts und der Überzeugung des Senats nicht.

c)

Die mit dem Berufungsantrag zu 2) erklärte Antragserweiterung ist gem. §§ 533, 263, 264 Nr. 2 ZPO zulässig, weil sie auf den erstinstanzlichen Tatsachenstoff gestützt wird und im Übrigen auch sachdienlich ist.

Der Antrag auf Datenberichtigung ist indes ebenso wie die übrigen Klageanträge unbegründet (dazu 2.).

2.

Die Klageanträge sind zudem sämtlich unbegründet. Die Beklagte hat den Beitrag des Klägers zu Recht gelöscht und seine Kontonutzung für einige Tage gesperrt. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass seine bei der Beklagten gespeicherten Daten im Hinblick auf die von ihm begangene Vertragsverletzung berichtigt werden, ebenso wenig hat er einen Anspruch auf Freischaltung des beanstandeten Beitrags oder auf Unterlassung weiterer Löschungen und Kontobeschränkungen für den Fall eines entsprechenden Beitrags. Auskunfts- und Schadenersatzansprüche stehen dem Kläger daneben ebenso wenig zu wie Freistellungsansprüche im Hinblick auf seine außergerichtlichen Anwaltskosten.

Im Einzelnen:

a)

Die Berechtigung der Beklagten zur Löschung des am 00.10.2018 geteilten Beitrags und zur Beschränkung seiner Postingrechte ergibt sich aus den dem Vertrag der Parteien zugrunde liegenden Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards.

aa)

Mit diesem Klauselwerk ist entgegen der Einschätzung der Berufung für das Vertragsverhältnis der Parteien wirksam geregelt, dass die Beklagte beim Teilen von verbotenen Inhalten wie „Hassrede“ befugt ist, einen solchen Inhalt zu löschen und die Kontonutzung des verantwortlichen G-Nutzers einzuschränken. Da der vom Kläger eingestellte Beitrag als verbotene Hassrede einzuordnen ist, waren die von der Beklagten getroffenen Maßnahmen berechtigt.

(1)

Die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff BGB dar. Für ihre inhaltliche Reichweite gilt der Grundsatz der objektiven Auslegung. Danach sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012 – VIII ZR 14/12 –, Rn. 13, juris; Palandt/Grüneberg, BGB 79. Aufl. 2020, § 305c, Rn. 16).

Danach hat das Landgericht den Vertragsbedingungen der Beklagten zu Recht entnommen, dass die Beklagte berechtigt ist, Inhalte eines Nutzers zu löschen und seine Kontonutzung zeitweise einzuschränken, wenn der Inhalt als Hassrede einzuordnen ist.

Hier deuten schon die einleitenden Ausführungen unter Ziffer 1. der Nutzungsbedingungen auf die Löschungs- und Sperrungsbefugnisse der Beklagten in Fällen von Hassrede hin. Dort wird ausgeführt, dass „schädliches Verhalten gegenüber anderen“ durch „geeignete Maßnahmen“ unterbunden werde, u.a. indem Inhalte entfernt und der Zugriff auf bestimmte Features gesperrt werde. Für das Verständnis eines durchschnittlichen G-Nutzers ist schon damit ohne Weiteres erkennbar, dass die Beklagte Beiträge löschen oder bestimmte Arten der G-Nutzung sperren darf, wenn ein „schädliches Verhalten“ an den Tag gelegt wird (so auch OLG Karlsruhe, Beschluss v. 28.02.2019, 6 W 81/18, Rn. 55, juris).

Konkretisiert wird ein solches „schädliches Verhalten“ unter Ziffer 3. der Nutzungsbedingungen, mit der für den Nutzer die „Verpflichtungen gegenüber G“ formuliert werden.

So heißt es unter Ziffer 3.2.1, dass Inhalte u.a. dann nicht geteilt werden dürfen, wenn sie gegen die Nutzungsbedingungen oder Gemeinschaftsstandards verstoßen. Auch in diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte „Inhalte entfernen“ und „Maßnahmen bzgl. deines Kontos ergreifen“ darf. Der Verweis auf die „nachfolgend beschriebenen Gründe“, d. h. die in Ziffer 4.2 beschriebenen Kündigungsgründe, ist für einen verständigen Durchschnittskunden ohne Weiteres dahin zu verstehen, das besagte „Maßnahmen“ bzgl. des Kontos dann ergriffen werden können, wenn (sogar) Kündigungsgründe vorliegen, welche nach Ziffer 4.2 wiederum insbesondere dann vorliegen, wenn „eine Partei gegen Pflichten aus diesen Nutzungsbedingungen (…) verstößt“.

Auch in den in Ziffer 3.2.1 der Nutzungsbedingungen in Bezug genommenen Gemeinschaftsstandards finden sich im Übrigen ergänzende Ausführungen zu den Befugnissen der Beklagten im Falle eines Verstoßes. Insoweit heißt es unter dem Stichwort „Gleichheit“ im dritten Absatz, dass die Folgen eines Verstoßes von dessen Schwere und dem bisherigen Verhalten des Nutzers abhängen. So sei es möglich, dass ein erster Verstoß nur eine Verwarnung nach sich ziehe und ein Folgeverstoß die Einschränkung der Postingrechte oder sogar die Deaktivierung des Profils.

Außerdem enthalten die Gemeinschaftsstandards Regelungen zu den im Einzelnen verbotenen Inhalten, wozu nach Ziffer 12 die hier in Rede stehende „Hassrede“ gehört.

Inhaltlich sind danach jedenfalls sämtliche Inhalte untersagt, die Personen oder Personengruppen aufgrund der benannten geschützten Eigenschaften wie nationale Herkunft und religiöse Zugehörigkeit pauschal als minderwertig herabsetzen. Dies ergibt sich nach verständiger Auslegung schon aus dem eindeutigen Wortlaut der einleitend dargestellten Definitionen von „Hassrede“ und „Angriff“, in denen ausdrücklich auf die im einzelnen geschützten Eigenschaften sowie die Unzulässigkeit von Aussagen einer darauf bezogenen Minderwertigkeit hingewiesen wird. Bestärkt wird dieses Verständnis durch die Darstellung und beispielhafte Erläuterung unterschiedlicher Schweregrade von Hassrede, die aus Sicht eines durchschnittlichen G-Nutzers mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen nur dahin zu verstehen ist, dass jegliche Herabsetzungen von Personen und Personengruppen bezogen auf die genannten geschützten Eigenschaften nicht zugelassen ist. Erklärte Zielsetzung der Gemeinschaftsstandards ist schließlich die Schaffung eines „sicheren Umfeldes“ für die freie Meinungsäußerung. Dazu behält sich die Beklagte vor, „Inhalte zu entfernen, die Schäden in der realen Welt verursachen können“ und appelliert an jeden Nutzer, „einen respektvollen Umgang zu wahren“. Maßgeblich soll für das Verständnis und die Reichweite der Gemeinschaftsstandards dabei nicht der Wortlaut der Bedingungen sein, sondern dieser Grundgedanke (vgl. Einleitung Gemeinschaftsstandards).

(2)

Die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards Stand April 2018 sind wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Dabei kommt es überhaupt nicht auf die vom Kläger umfänglich in Frage gezogene Wirksamkeit von Ziffer 13 der vormals geltenden „Erklärung der Rechte und Pflichten“ (Anlage K 21) an. Die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards sind für die Parteien nicht aufgrund der dort geregelten Zustimmungsfiktion bindend geworden, sondern aufgrund einer entsprechenden Einigung der Parteien.

§ 305 Abs. 2 BGB schreibt vor, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrages werden, wenn der Verwender die andere Vertragspartei ausdrücklich auf diese hinweist und ihr die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Für die Einbeziehung von (neuen) Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch eine Änderungsvereinbarung gilt sinngemäß dasselbe. Der Verwender hat seinen Vertragspartner danach auf die neuen Bedingungen hinzuweisen. Diese entfalten grundsätzlich schon dann Wirkung, wenn der Vertragspartner nach einem solchen Hinweis und der Möglichkeit der Kenntnisnahme das Vertragsverhältnis fortsetzt, ohne gegen die neuen Bedingungen Widerspruch zu erheben (Palandt/Grüneberg, BGB 79. Aufl. 2020, § 305, Rn. 47).

Hier aber hat der Kläger sogar ausdrücklich seine Zustimmung zur von der Beklagten am 19.04.2018 per Email und Pop-up-Fenster mitgeteilten und zugänglich gemachten Neufassung ihrer Nutzungsbedingungen erklärt. Die Beklagte hat dazu unwidersprochen vorgetragen, der Kläger habe am 16.05.2018 (durch Anklicken des entsprechenden Feldes) seine Zustimmung zu den neuen Bedingungen erklärt.

Diese Zustimmungserklärung ist wirksam. Sie ist nicht formgebunden und konnte - ebenso wie die Anmeldung des Kontos - im Wege des Anklickens eines entsprechenden Feldes elektronisch über die von der Beklagten bereit gestellte Software verlautbart werden.

Soweit der Kläger - mit Blick auf den Wirkungsmechanismus der Zustimmungsfiktion in Ziffer 13 der Altbedingungen - darauf abhebt, dass ihm als Kunden der Beklagten gar keine Option geboten worden sei, sich gegen die Neufassung der Nutzungsbedingungen auszusprechen, weil dann sein Konto gelöscht worden wäre, nimmt dies der von ihm erklärten Zustimmung nicht ihre Wirksamkeit.

(3)

Der Kläger kann der Einbeziehung der neuen Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass diese überraschende Klauseln i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB enthielten.

Gemäß § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen, die nach den Umständen so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Unwirksam sind danach nur Klauseln, die nach den Gesamtumständen des Vertrages als objektiv ungewöhnlich einzuordnen und nach den Erkenntnismöglichkeiten eines Durchschnittskunden nicht zu erwarten sind (Palandt/Grüneberg, BGB 79. Aufl. 2020, § 305 c, Rn. 3, 4).

Die von der Beklagten aufgestellten Verhaltensregeln und Sanktionsmöglichkeiten waren hier aber vom Standpunkt eines Durchschnittskunden ohne Weiteres zu erwarten.

Einerseits bauen die neuen Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards, insbesondere die hier entscheidungsrelevanten und vom Kläger inhaltlich beanstandeten Regelungen zu den verbotenen Inhalten thematisch auf den alten Bedingungen auf, die ebenfalls schon die Zielrichtung hatten, ehrverletzende, diskriminierende und herabsetzende Äußerungen gegenüber anderen zu unterbinden. So enthielt schon Ziffer 3 der Erklärung der Rechte und Pflichten das Verbot von Hassreden sowie von rechtswidrigen, irreführenden, bösartigen und diskriminierenden Handlungen.

Für einen Nutzer wie dem Kläger, der sein Konto unter Geltung dieser vormaligen Bedingungen abgeschlossen und etwa sechs Jahre genutzt hatte, stellten die neuen Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards, welche u. a. das Verbot von Hassreden und diskriminierenden Inhalten näher ausformulieren, schon vor diesem Hintergrund keine nach den Umständen des Vertrages ungewöhnliche Regelungen dar.

Zudem war die Problematik von Hassreden im Internet und insbesondere in sozialen Medien zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bedingungen schon lange Gegenstand einer umfangreichen und von den Medien breit dargestellten Diskussion, welche unter anderem das Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetz zum 01.10.2017 zum Ergebnis hatte. Auch wenn die von der Beklagten neu formulierten Bedingungen inhaltlich über die Vorgaben dieses Gesetzes hinausgehen, stellen sie angesichts der vergleichbaren Zielrichtung keine Klauseln dar, mit denen ein G Nutzer nach den Umständen i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB nicht zu rechnen hatte, zumal Verhaltensregeln auch auf anderen Social-Media-Plattformen seit Jahren gang und gäbe sind (Stichwort „Netiquette“, vgl. OLG Dresden, Beschluss v. 08.08.2018, 4 W 577/18, Rn. 20, juris).

(4)

Die Vertragsbedingungen der Beklagten halten auch der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB stand.

(a)

Die hier in Rede stehenden Verhaltensgebote und Sanktionsmöglichkeiten verstoßen nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach sind Allgemeine Geschäftsbedingungen möglichst klar, einfach und präzise darzustellen, wobei auch insoweit auf die Erkenntnismöglichkeiten eines um Verständnis bemühten Vertragspartners abzustellen ist (Palandt/Grüneberg, BGB 79. Aufl. 2020, § 307, Rn. 21, 23).

Wie bereits im Zusammenhang mit der Auslegung der Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards ausgeführt erklärt die Beklagte in ihrem Klauselwerk gut verständlich und nachvollziehbar, welche Inhalte auf ihrer Plattform geteilt werden dürfen und welche Konsequenzen den Nutzer erwarten, wenn er gegen diese Regelungen verstößt.

Soweit der Kläger die der Beklagten mit den Nutzungsbedingungen eingeräumten Befugnisse für intransparent hält, weil nicht im Einzelnen geregelt ist, welche konkreten Sanktionen, insbesondere welche Sperrungszeiträume für einen Verstoß zu erwarten sind, verkennt er, dass das Transparenzgebot keine detaillierte Regelung jedes denkbaren Vertragsverstoßes vorgibt. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Der Verwender ist nicht gehalten, jede Klausel gleichsam für alle denkbaren (konkreten) Fälle zu erläutern, sondern er hat seinem Vertragspartner den (abstrakten) Regelungszusammenhang als solchen nachvollziehbar darzustellen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB 79. Aufl. 2020, § 307, Rn. 22; OLG Stuttgart, Beschluss v. 06.09.2018, 4 W 63/18, Rn. 72).

Diesen Vorgaben ist die Beklagte nachgekommen, indem sie die im Einzelnen möglichen Sanktionen benannt und im Übrigen darauf verwiesen hat, dass die konkret zu ergreifenden Maßnahmen eines Verstoßes von dessen Schwere abhängen (s. Gemeinschaftsstandards zum Stichwort „Gleichheit“, 3. Absatz).

Die vom Kläger geltend gemachten Verständnisschwierigkeiten im Hinblick auf das Verbot von Hassrede lassen sich im Übrigen allein damit erklären, dass er bewusst die Augen vor der ausdrücklich erklärten Zielrichtung der Gemeinschaftsstandards verschließt, die freie Meinungsäußerungen nur soweit zuzulassen, wie die Interessen und Rechte anderer nicht gefährdet oder geschädigt werden. So lässt sich etwa das vom Kläger angeführte und als solches harmlos anmutende Beispiel „Ich mag X nicht“ mit Blick auf die vorangestellte grundsätzliche Definition eines Angriffs nach dem Schweregrad 2 unschwer dahin auslegen, dass es den Nutzern von G untersagt werden soll, die Ablehnung von Personen mit geschützten Eigenschaften (z.B. „Ich mag Muslime nicht“) kundzutun, wenn damit zugleich zum Ausdruck gebracht wird, dass die betroffene Personengruppe (hier: die Gruppe der Muslime) körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweise. Ebenso ist die Einordnung des Einwanderungsstatus als geschützte Eigenschaft ohne Weiteres dahin zu verstehen, dass es nicht darum geht, die Migrationsentscheidung von Personen nicht hinterfragen zu dürfen, sondern darum, diesen nicht aufgrund einer solchen Entscheidung eine Minderwertigkeit zuzuschreiben. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die „Verspottung des Konzepts „Hassverbrechen“, im Allgemeinen, konkreter Hassverbrechen oder der Opfer von Hassversbrechen“ im Gesamtzusammenhang ohne größere gedankliche Anstrengung dahin verstehen, dass es nicht zulässig sein soll, sich über das Verbot der Herabsetzung von Personen mit geschützten Eigenschaften oder über die Opfer von Hassverbrechen lustig zu machen, wenn dies zugleich eine Herabwürdigung der geschützten Personen zum Ausdruck bringt.

(b)

Die Vertragsbedingungen der Beklagten enthalten auch im Übrigen keine entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung ihrer Vertragspartner.

Insbesondere ergibt sich eine solche Benachteiligung nicht daraus, dass mit dem Verbot von Hassrede die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit der G-Nutzer verletzt wird.

Die Beklagte ist als privates Unternehmen nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Diese binden gem. Art. 1 Abs. 3 GG zunächst nur Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger geltend gemachten marktbeherrschenden Stellung der Beklagten im Geschäftsfeld der Social-Media-Plattformen. Diese Marktmacht ist nicht gleichbedeutend mit der echten Monopolstellung von staatlich geführten oder beherrschten Unternehmen der öffentlichen Daseinsfürsorge wie etwa vormals der Post oder Telekommunikationsunternehmen.

Anders als die vom Kläger in den Blick genommenen Unternehmen ist die Beklagte nicht staatlich beherrscht und hat im Hinblick auf die von ihr angebotenen Leistungen auch keine echte Monopolstellung, die sie aus dem Aspekt der Daseinsvorsorge dazu verpflichten könnte, ihre Leistungen möglichst uneingeschränkt zu gewähren. Die öffentliche Meinungsäußerung findet vielmehr nicht allein über die von der Beklagten bereitgestellte Plattform statt, sondern über eine Vielzahl an öffentlichen und privaten Medien, die neben der Beklagten auch im Internet einem allgemeinen Kreis von Nutzern zur Verfügung stehen.

Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Grundrechte als objektive Wertordnung auch in Beziehungen zwischen Privaten Wirkung entfalten können. Insbesondere hat die Rechtsprechung als staatliche Gewalt bei der Auslegung von zivilrechtlichen Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte Rechnung zu tragen. Zu diesen unbestimmten Rechtsbegriffen gehört auch die Frage einer „unangemessenen Benachteiligung“ i.S.d. § 307 BGB.

Im Verhältnis zwischen Privaten geht es dabei anders als im Verhältnis zum Staat als Grundrechtsgaranten nicht um die möglichst konsequente Minimierung freiheitsbeschränkender Eingriffe, sondern darum, die jeweils kollidierenden Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BVerfG, Beschluss v. 18.07.2015, 1 BvQ 25/15, Rn. 6; BVerfG, Beschluss v. 11.04.2018, 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, 267ff, Rn. 32; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 28.02.2019, 6 W 81/18, Rn. 52, juris; OLG Stuttgart, Beschluss v. 06.09.2018, 4 W 63/18, Rn. 73, juris; OLG Dresden, Beschluss v. 08.08.2018, 4 W 577/18, Rn. 23, juris).

Für das Verhältnis der Parteien bedeutet dies, dass in den Vertragsbedingungen vorgesehene Eingriffe in das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht allein an den Schranken aus Artikel 5 Abs. 2 GG sowie an den kollidierenden Grundrechten Dritter zu messen sind, sondern auch daran, inwieweit Grundrechte der Beklagten durch Meinungsäußerungen ihrer Nutzer betroffen sind.

Nach diesen Vorgaben hat das Landgericht in den Vertragsbedingungen der Beklagten zu Recht keine Verletzung des Grundrechts der Meinungsfreiheit gesehen.

Zwar ergibt sich aus der marktbeherrschenden Stellung der Beklagten für soziale Netzwerke sowie aus der großen Bedeutung der Meinungsfreiheit für einen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, dass die Beklagte einer erheblichen (mittelbaren) Grundrechtsbindung unterliegt und Meinungsäußerungen ihrer Nutzer daher nicht ohne sachlichen Grund einschränken darf (so auch OLG Dresden aaO, Rn. 24; OLG Stuttgart aaO, Rn. 73; OLG Karlsruhe aaO, Rn. 55). Dies hat das Landgericht entgegen der Ansicht der Berufung auch nicht verkannt, sondern die Frage einer unangemessenen Benachteiligung i.S.d. § 307 ausdrücklich an der mittelbaren Grundrechtsbindung der Beklagten gemessen.

Allerdings darf die Beklagte Eingriffe in die Meinungsäußerungsfreiheit ihrer Nutzer nicht nur dann vornehmen, wenn sie von den Schranken aus Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt sind, wenn also die allgemeinen Gesetze, der Jugendschutz oder der Schutz der persönlichen Ehre betroffen sind. Insbesondere ist sie nicht darauf beschränkt, allein strafbare Inhalte zu untersagen.

Die Beklagte darf Inhalte auch dann verbieten, wenn damit ein angemessener Ausgleich mit ihren eigenen grundrechtlich geschützten Rechten geschaffen wird.

Sie kann sich als ausländische Gesellschaft mit Sitz in R dabei ebenso wie eine inländische Gesellschaft auf die grundrechtlich geschützte Eigentumsfreiheit sowie die Berufsausübungsfreiheit berufen. Die Erstreckung der Grundrechtsberechtigung auf juristische Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt eine aufgrund des Anwendungsvorrangs der Grundfreiheiten im Binnenmarkt (Art. 26 Abs. 2 AEUV) und des allgemeinen Diskriminierungsverbots wegen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) vertraglich veranlasste Anwendungserweiterung des deutschen Grundrechtsschutzes dar (BVerfG, Beschluss v. 19.07.2011, 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78 ff, Rn. 68; vgl. auch OLG Stuttgart aaO, Rn. 73).

Die Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG können für die Beklagte auch betroffen sein, wenn Inhalte auf ihrer Plattform verbreitet werden, die zwar nicht strafbar sind, aber ihrem Geschäftsmodell zuwiderlaufen. Es ist allgemein bekannt, dass die Geschäftstätigkeit der Beklagten auf die Erzielung von Werbeeinnahmen abzielt, die daraus herrühren, dass sie Werbung auf ihrer Plattform aufgrund der von ihren Nutzern bereitgestellten Daten passgenau platzieren und effizient verbreiten kann. Darauf beruft sich auch der Kläger („von einer Darstellung wird abgesehen, die Redaktion“). Die Beklagte hat damit ein geschäftliches Interesse daran, sowohl für einen möglichst großen Kreis ihrer Nutzer als auch für möglichst viele Werbekunden ein attraktives Umfeld zu bieten, um weiter Daten erheben und Werbeplätze verkaufen zu können. Sie hat außerdem ersichtlich ein Interesse daran, in dieser Geschäftstätigkeit möglichst frei von staatlichen Vorgaben agieren zu können. Die Diskussion um Hasskommentare im Netz und insbesondere auf Social Media Plattformen wie G hat indes gezeigt, dass diese nicht nur staatliche Beschränkungen für die Betreiber von Social Media Plattformen mit sich bringen (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) und die Beklagte dem Risiko einer Störerhaftung betroffener Dritter aussetzt, deren grundrechtlich geschützte Positionen ihrerseits durch Hassbotschaften verletzt werden. Insbesondere mindern digital verbreitete Hasskommentare die Attraktivität der betroffenen Plattformen sowohl für Nutzer als auch für werbetreibende Unternehmen. So läuft die Beklagte aufgrund der allgemein bekannten aktuellen Boykottmaßnahmen namhafter deutscher und internationaler Konzerne effektiv Gefahr, wichtige Werbekunden zu verlieren, wenn sie gegen Hasskommentare auf ihrer Plattform nicht wirksam vorgeht.

Die Verbreitung von Hasskommentaren betrifft damit für die Beklagte sowohl ihr Grundrecht der Berufsfreiheit als auch ihre Eigentumsgarantie. Denn zur Berufsfreiheit gehört neben der von staatlichen Vorgaben und zivilrechtlichen Inanspruchnahmen Dritter freien Geschäftstätigkeit auch die freie Entscheidung über Art und Ausmaß der beruflichen Betätigung, was für den Betreiber auch umfasst selbst zu entscheiden, welche Werbekunden er halten und gewinnen möchte. Die Nutzung und Bereitstellung der für den Betrieb von G notwendigen Soft- und Hardware unterfällt zudem dem Schutz der Eigentumsgarantie, welche dem Inhaber vermögenswerter Rechte grundsätzlich die alleinige Verfügungsmacht über diese Rechte gewährt. Der grundrechtliche Schutz dieses sog. „virtuellen Hausrechts“ ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig anerkannt (vgl. OLG Stuttgart aaO, Rn. 73; OLG Karlsruhe aaO, Rn. 55).

Die Beklagte ist danach berechtigt, gegen Hasskommentare vorzugehen, soweit damit ein angemessener Ausgleich mit der auf Seiten der G-Nutzer betroffenen Meinungsfreiheit und den eigenen Grundrechten geschaffen wird. Dies setzt voraus, dass sie für die ihr vorbehaltenen Eingriffe in die Meinungsfreiheit ihrer Nutzer sachliche Gründe benennt, die geeignet, erforderlich und auch angemessen sind, um die kollidierenden Grundrechte zu wahren.

Diesen Vorgaben werden die Regelungen in den Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards gerecht. Mit dem Verbot von Hassreden in Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards und den flankierenden Eingriffsbefugnissen in den Nutzungsbedingungen hat die Beklagte geeignete Mittel gewählt, um bestimmte Formen der Meinungsäußerung unterschiedslos für alle Nutzer und alle gesellschaftlichen Meinungsströmungen zu unterbinden, ohne damit in der Sache eine Auseinandersetzung über in der Diskussion stehende Themen unmöglich zu machen und die freie Meinungsäußerung so gänzlich zurückzudrängen. Verboten sind nach Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards lediglich Angriffe auf Personen und Personengruppen aufgrund bestimmter, im Einzelnen aufgeführter geschützter Eigenschaften. Nach den ausdrücklichen Erläuterungen ist damit nicht jegliche sachbezogene Kritik an den geschützten Personenkreisen untersagt, sondern bestimmte Formen der Auseinandersetzung (gewalttätige oder entmenschlichende Sprache) sowie Aussagen der Minderwertigkeit mit Blick auf die geschützten Eigenschaften. Ausdrücklich ausgenommen von diesem Verbot sind Äußerungen, die für ein bestimmtes Thema sensibilisieren oder Aufklärung in der Sache leisten wollen. Ausgenommen sind ebenso Humor oder Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen. Damit hat die Beklagte die auf ihrer Plattform verbotenen Inhalte ersichtlich auf einen kleinen und klar definierten Ausschnitt von Inhalten begrenzt und damit das mildeste ihr zur Verfügung stehende Mittel gewählt, um die Hasskommentare auf ihrer Plattform zu unterbinden, die eine sachliche Diskussion von gesellschaftlich relevanten Themen behindern. Ebenso hat sie ihre Sanktionsmöglichkeiten am Maßstab der Verhältnismäßigkeit ausgerichtet, indem sie diese nicht etwa in ihr Ermessen stellt, sondern die ihr eingeräumten Befugnisse ausdrücklich in Ziffer 3.2.1 der Nutzungsbedingungen sowie in der Einleitung der Gemeinschaftsstandards benennt und an der Schwere des Verstoßes ausrichtet, der sich aus den beispielhaft erläuterten Schweregraden eines Angriffs ergibt (so auch OLG Karlsruhe aaO, Rn. 56; OLG Dresden aaO, Rn. 25).

Vor diesem Hintergrund lässt sich eine unangemessene Benachteiligung der G Nutzer durch die Vertragsbedingungen der Beklagten auch nicht damit begründen, dass diese von wesentlichen Grundgedanken der maßgeblichen gesetzlichen Regelung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB abweicht oder wesentliche Vertragsrechte und –pflichten i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB so einschränkt, dass der Vertragszweck gefährdet ist.

Die Vertragsbedingungen stellen nach dem Vorhergesagten einen angemessenen Ausgleich der auf Seiten der Vertragspartner betroffenen Grundrechtspositionen dar und verwirklichen so den hier maßgeblichen gesetzlichen Grundgedanken. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf abhebt, dass die Ermöglichung der freien Meinungsäußerung der Hauptzweck des Vertrages sei, der mit den Vorgaben aus den Gemeinschaftsstandards beschnitten werde, verkennt er nicht nur den Vertragsinhalt sondern auch die Schranken seiner Meinungsfreiheit. Die Leistungspflicht der Beklagten bezieht sich auf die Ermöglichung des Austausches von Inhalten auf der von ihr bereitgestellten Plattform, nicht auf die Verbreitung von Hasskommentaren. Die Beklagte hat die Meinungsfreiheit ihrer Nutzer nur soweit zu wahren, wie dieser nicht durch die Schranken aus Art. 5 Abs. 2 GG und kollidierende Grundrechte Grenzen gesetzt sind.

Insgesamt beruhen die vom Kläger beanstandeten Maßnahmen der Beklagten damit auf einer nach den Vorgaben der §§ 305 ff BGB wirksamen vertraglichen Grundlage.

bb)

Die vom Kläger beanstandeten Maßnahmen der Beklagten sind im konkreten Fall durch diese wirksamen Vertragsbedingungen gerechtfertigt.

(1)

Der vom Kläger geteilte Beitrag aus dem Blog „I“ stellt ganz offensichtlich eine nach Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards verbotene Hassrede dar. Der Beitrag enthält deutliche und erhebliche Verunglimpfungen von Geflüchteten und Muslimen, die pauschal und ohne sachlichen Bezug als extrem gewalttätig und minderwertig dargestellt werden.

Bereits die Bezeichnung als „Merkel-Goldstücke“ enthält eine eindeutige Verunglimpfung und Beleidigung, die sich gegen sämtliche Muslime und zugleich gegen Migranten richtet und damit einen Angriff aufgrund der geschützten Eigenschaften der religiösen Zugehörigkeit und des Einwanderungsstatus darstellt.

Mit Blick auf den in der Überschrift genannten 00jährigen muslimischen Jungen bezieht sich die Bezeichnung offenbar auf den Jungen selbst, der als Muslim bezeichnet ist. Mit der Verwendung des Plurals („Diese“) werden darüber hinaus sämtliche Muslime und mit der Formulierung „Merkel-Goldstücke“ auch die Gruppe der Migranten (gleich welchen Glaubens) in Bezug genommen und als solche verunglimpft. Die Bezeichnung greift nämlich ausdrücklich eine Diktion auf, die allgemein bekannt in rechtsextremen Kreisen für Migranten vor allem aus dem islamischen Kulturkreis verwendet wird, die im Zuge der Flüchtlingswelle nach Deutschland eingewandert sind. Mit der ironisierenden Verwendung des Begriffs „Goldstücke“ wird diese Personengruppe ersichtlich insgesamt herabgewürdigt, weil damit zum Ausdruck gebracht wird, dass sie aus Sicht der die Migration ermöglichenden Bundesregierung, nicht aber aus Sicht des Verwenders der Formulierung als wertvolle Mitglieder der Gesellschaft anzusehen sind.

Zu Recht hat außerdem das Landgericht darauf abgehoben, dass der Beitrag mit der Aussage, die als „Merkel-Goldstücke“ benannten Menschen gingen „gegen alles und jeden mit ungeahnter Brutalität vor“ vermittele, dass die Personengruppe der (muslimischen) Einwanderer insgesamt extrem gewalttätig sei, womit ihnen zugleich eine entsprechende Minderwertigkeit aufgrund geistig-moralischer Defizite im Sinne eines Angriffs nach dem Schweregrad 2 der Gemeinschaftsstandards zugesprochen wird.

Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht zudem die Verwendung des Begriffs „Killer-Moslem“ als Hassrede eingeordnet, weil damit kein Bezug zu der dem Jungen vorgeworfenen Sachbeschädigung und Drohung hergestellt wird, sondern primär zu der zuvor pauschal behaupteten Gewalttätigkeit aller (muslimischen) Migranten.

Diesem Verständnis des geteilten Beitrags lässt sich nicht entgegenhalten, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit gebiete, einer Äußerung stets den günstigsten Erklärungsgehalt beizulegen, der ihr nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums beizumessen sei.

Der Kläger erklärt in diesem Zusammenhang mit keiner Silbe, welche günstige Erklärungsalternative hier überhaupt maßgeblich sein soll. Soweit er darauf abhebt, dass der Beitrag eine sachliche Auseinandersetzung mit dem vom eingangs genannten Jungen an den Tag gelegten Verhalten beinhalte, liegt dies ersichtlich neben der Sache. Die Sachaussage des geteilten Beitrags beschränkt sich auf die Mitteilung dessen, was der 00-jährige getan haben soll und dass er dafür angezeigt worden sein soll. Ungeachtet der Verwerflichkeit des beschriebenen Verhaltens befasst sich der Beitrag indes gar nicht weiter damit oder mit der Frage, inwieweit das Verhalten mit der Glaubensrichtung oder der Herkunft des Jungen in Zusammenhang steht, so dass für ein anderes Verständnis als die pauschale Herabwürdigung sämtlicher Muslime und Migranten gar kein Raum ist. Das Verhalten des Jungen ist so lediglich Aufhänger für die ohne jeden Zusammenhang aufgestellte Behauptung extremer Gewalttätigkeit und die Verunglimpfung als „Killer“ und hat damit aus Sicht des Senates eine klar diffamierende Zielrichtung, die die Erfüllung des Tatbestandes der Volksverhetzung nahelegt, worauf es hier allerdings nicht ankommt.

Der Schmähcharakter des streitgegenständlichen Beitrags ergibt sich für das vom Kläger reklamierte „verständige Publikum“ zudem auch daraus, dass der vom Kläger geteilte Beitrag auf dem Blog „I“ erschienen ist, der sich im Netz 2018 wie heute offen rechtsextremistisch präsentiert und von dem bekennenden (und mittlerweile strafrechtlich u.a. wegen Volksverhetzung verurteilten) Rechtsextremenen M betrieben wird.

Mit dem Teilen des Beitrags auf seinem G-Profil hat der Kläger sich diesen zu eigen gemacht und ist somit von der Beklagten zu Recht dafür zu Verantwortung gezogen worden.

Dies ergibt sich schon daraus, dass auf dem Konto des Klägers nicht allein der Link zu dem Beitrag zu sehen war, sondern ausweislich des mit der Klage übersandten Screenshots (Bl. 17 der Klageschrift) auch die Überschrift mit dem ersten Satz des Artikels, der nach dem Vorstehenden bereits als Hassrede einzuordnen ist. Der Kläger hat auf seinem Konto in diesem Zusammenhang nicht erklärt, wie er selbst zu dem Beitrag steht, insbesondere, ob er sich davon distanziert bzw. über die vom Blog „I“ verbreiteten Inhalte Aufklärung leisten oder für solcherart Kommentare im Netz sensibilisieren wollte. Stattdessen hat der Kläger den Beitrag mit einem sog. „wütenden“ Emoji versehen, der nach den Gesamtumständen für ein verständiges Publikum ersichtlich nicht anders zu deuten war, als dass der Kläger die im Beitrag zur Schau getragene Empörung über Muslime und Migranten teilte.

(2)

Die Beklagte war wegen des Verstoßes gegen das vertragliche Verbot der Hassrede danach berechtigt, den betreffenden Beitrag zu löschen und dem Kläger für die Dauer von jedenfalls sechs Tagen die Möglichkeit zu nehmen, über sein G-Profil Inhalte zu verbreiten und zu kommentieren.

Eine Verletzung der Meinungsfreiheit liegt insoweit nicht vor, weil die getroffenen Maßnahmen im konkreten Fall geeignet, erforderlich und angemessen waren, um die durch den Beitrag betroffenen Grundrechte der Beklagten zu wahren.

Angesichts der Schwere des Verstoßes, der nach den Definitionen in den Gemeinschaftsstandards einem Angriff zumindest vom Schweregrad 2 entsprach („Begriffe der Minderwertigkeit, die implizieren, dass eine Person oder Gruppe körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweist“), war die Beklagte auch nicht darauf beschränkt, dem Kläger lediglich eine Verwarnung auszusprechen, wie sie es in den Gemeinschaftsstandards für leichtere Verstöße beispielhaft ankündigt. Die mit der Beschimpfung und Verunglimpfung muslimischer Einwanderer einhergehende Aufheizung der öffentlichen Diskussion sowie das Risiko, für die Vergiftung des politischen Klimas nicht nur von den betroffenen Personen, sondern auch von Nutzern und Werbekunden ihrer Plattform verantwortlich gemacht zu werden, rechtfertigten es für die Beklagte, den Beitrag umgehend zu löschen. Ebenso war es danach gerechtfertigt, weitere Äußerungen des Klägers zumindest für einen begrenzten Zeitraum zu unterbinden. Angesichts der nur sechs Tage anhaltenden Sperrung waren diese Maßnahmen auch in der Zusammenschau erforderlich und verhältnismäßig, um die grundrechtlich geschützten Interessen der Beklagten zu wahren.

Damit sind die Berufungsanträge zu 2), 3), 4) und 5) insgesamt unbegründet.

b)

Ebenso unbegründet sind die weiteren Anträge des Klägers.

aa)

Im Hinblick auf die mit den Berufungsanträgen zu 6) und 7) geltend gemachten Auskunftsansprüche sind keine Anspruchsgrundlagen ersichtlich.

Aus den vertraglichen Regelungen der Parteien ergeben sich die geltend gemachten Auskunftspflichten nicht. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben stützen. Hiernach trifft den Schuldner nur ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (BGH, Urteil v. 02.12.2015, IV ZR 28/15, Rn. 15, juris).

Angesichts der Rechtmäßigkeit von Löschung und Sperrung können dem Kläger indes unter keinem denkbaren Gesichtspunkt - und insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts - Ansprüche gegen Unternehmen zustehen, die die Beklagte möglicherweise mit der Vollziehung der Sanktionen beauftragt haben könnte. Ebenso wenig sind Ansprüche gegen die Bundesregierung denkbar.

bb)

Unbegründet sind angesichts der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten getroffenen Maßnahmen auch die auf Leistung von Geldentschädigung und Schadenersatz gerichteten Berufungsanträge zu 8) und 9).

Insgesamt hat die Berufung so keinerlei Aussicht auf Erfolg.

III.

Auf die Gebührenreduktion im Falle der Berufungsrücknahme wird hingewiesen (KV-Nr. 1221).

Die Berufung ist auf den Hinweisbeschluss zurückgenommen worden.

 

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