R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
03.05.2012
Wirtschaftsrecht
BGH: Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten

BGH, Urteil vom 27.3.2012 - VI ZR 40/10


Leitsatz


Der Geschädigte kann Ersatz nur derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädig-ten zum Ausgleich des Gebrauchsentzugs seines Fahrzeugs für erforderlich halten durfte. Auszugleichen sind nur solche Vorteile, die für den Gebrauch des Fahrzeugs von wesentlicher Bedeutung sind.


BGB § 249 G


sachverhalt


Die Klägerin ist eine gewerbliche Kraftfahrzeugvermieterin. Sie nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer (nachfolgend: Beklagte) aus übergegange-nem Recht der Geschädigten auf Ersatz von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall vom 15. Februar 2005 in Anspruch, bei dem das Fahrzeug der Geschädigten, ein Mercedes Benz CLK 240 Avantgarde, beschädigt wurde. Die volle Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Die Geschä-digte mietete für die Zeit vom 21. Februar 2005 bis 9. März 2005 bei der Kläge-rin einen Pkw Mercedes Benz E 320. Auf die von der Klägerin in Rechnung ge-stellten 2.720 € netto zahlte die Beklagte vorgerichtlich einen Betrag in Höhe von 1.084,48 €. Mit der Klage beansprucht die Klägerin die Zahlung weiterer 1.558,87 €. Sie macht geltend, die besondere Ausstattung des Mietwagens rechtfertige einen angemessenen Aufschlag auf den auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Automietpreisspiegels für 2003 ermittelten Normaltarif. Darüber hinaus seien Zusatzkosten für einen Zweitfahrer zu be-rücksichtigen.


Das Amtsgericht hat der Klägerin unter Klageabweisung im Übrigen ei-nen weiteren Betrag in Höhe von 950,39 € zuerkannt. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung der Beklag-ten hat es das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Beklagte unter Kla-geabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 803,84 € zu zahlen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegeh-ren, soweit ihm nicht entsprochen worden ist, weiter.


Aus den Gründen


3          I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, erstattungsfähig seien nur diejeni-gen Mietwagenkosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzugs seines Fahrzeugs für erforderlich habe halten dürfen. Allerdings sei der Geschädigte berechtigt, einen gleichwertigen Wagen anzumieten. In Ausübung des ihm ge-mäß § 287 ZPO zustehenden tatrichterlichen Ermessens hat das Berufungsge-richt die für die Anmietung eines gleichwertigen Fahrzeugs erforderlichen Kos-ten auf den Betrag geschätzt, der dem auf der Grundlage des gewichteten Mit-tels des Schwacke-Automietpreisspiegels für 2003 ermittelten Normaltarif ent-spricht. Unstreitig sei der von der Geschädigten angemietete Wagen der Fahr-zeugklasse 8 des Schwacke-Automietpreisspiegels zuzuordnen. Eine im Einzel-fall vorhandene und von Fall zu Fall variierende Sonderausstattung des be-schädigten Fahrzeugs könne keine Berücksichtigung finden, soweit das ge-schädigte Fahrzeug nicht aufgrund der Sonderausstattung einer anderen Fahrzeugklasse zuzuordnen sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Ausweislich ihrer Mietwagenrechnung vom 10. März 2005 habe die Klägerin das von der Ge-schädigten angemietete Fahrzeug ausdrücklich in die Fahrzeugklasse 8 des Schwacke-Automietpreisspiegels eingeordnet. Die Klägerin könne auch keine Zusatzkosten für einen Zweitfahrer geltend machen. Denn derartige Kosten seien ausweislich des Mietvertrags vom 21. Februar 2005 nicht vereinbart wor-den. Sie seien auch in der Mietwagenrechnung nicht aufgeführt. Abgesehen davon habe die Klägerin nicht vorgetragen, dass das Fahrzeug tatsächlich von einem weiteren Fahrer genutzt worden sei.


4          II. 1. Die Revision ist zulässig. Sie ist insbesondere uneingeschränkt statt-haft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision unbe-schränkt zugelassen. Dies ergibt sich aus dem Tenor des angefochtenen Ur-teils. Aus den Entscheidungsgründen lässt sich eine Beschränkung der Revisi-on nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit (dazu: Senatsurteile vom 17. Novem-ber 2009 - VI ZR 58/08, VersR 2010, 270 Rn. 7; vom 1. Dezember 2009 - VI ZR 221/08, VersR 2010, 642 Rn. 11; vom 7. Februar 2012 - VI ZR 133/11, z.V.b. Rn. 3; BGH, Urteil vom 12. November 2004 - V ZR 42/04, NJW 2005, 894, 895, insoweit in BGHZ 161, 115 nicht abgedruckt; Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 16) entnehmen.


5          2. Die Revision ist jedoch nicht begründet. Die tatrichterliche Schätzung der für die Anmietung eines gleichwertigen Fahrzeugs erforderlichen Kosten durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.


6          a) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsät-ze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 10; vom 13. Oktober 2009 - VI ZR 318/08, VersR 2010, 130 Rn. 8; vom 17. Mai 2011 - VI ZR 142/10, VersR 2011, 1026 Rn. 7, jeweils mwN).


7          b) Derartige Rechtsfehler sind vorliegend nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht seiner Beurteilung insbeson-dere keine fehlerhaften rechtlichen Maßstäbe zugrunde gelegt.


8          aa) Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz ver-pflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den da-zu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dementsprechend kann derjenige, der sein Fahrzeug infolge des schädigenden Ereignisses nicht nutzen kann, grund-sätzlich Ersatz der für die Anmietung eines gleichwertigen Fahrzeugs entste-henden Kosten beanspruchen (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1970 - VI ZR 108/68, VersR 1970, 547, 548; vom 2. März 1982 - VI ZR 35/80, VersR 1982, 548, 549). Allerdings hat der Geschädigte auch das in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Danach hat der Geschädigte im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlichsten Weg der Scha-densbehebung zu wählen. Für den Bereich der Mietwagenkosten bedeutet dies, dass er Ersatz nur derjenigen Kosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzugs seines Fahrzeugs für erforderlich halten durfte (vgl. et-wa Senatsurteile vom 12. Oktober 2004 - VI ZR 151/03, BGHZ 160, 377, 383; vom 12. April 2011 - VI ZR 300/09, VersR 2011, 769 Rn. 10). Auszugleichen sind nur solche Vorteile, die für den Gebrauch des Fahrzeugs von wesentlicher Bedeutung sind.


9          bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Entgegen der Auffassung der Revision ist es revisionsrechtlich insbesondere nicht zu bean-standen, dass das Berufungsgericht die Kosten für die Anmietung eines dem beschädigten Fahrzeug der Geschädigten gleichwertigen Mietwagens unter den Umständen des Streitfalls auf den Betrag geschätzt hat, der dem auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Automietpreisspiegels für 2003 im Postleitzahlengebiet von Pf. ermittelten Normaltarif für einen Pkw der Fahrzeugklasse 8 entspricht.


10        (1) Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass das Berufungsgericht seiner Schätzung den Schwacke-Automietpreisspiegel für 2003 zugrunde ge-legt hat. Dies lässt Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin nicht erkennen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens gemäß § 287 ZPO den "Normaltarif" grundsätzlich auf der Grundlage des "Schwacke-Mietpreisspiegels" im maßge-benden Postleitzahlengebiet ermitteln kann (vgl. Senatsurteile vom 9. Mai 2006 - VI ZR 117/05, VersR 2006, 986 Rn. 6; vom 30. Januar 2007 - VI ZR 99/06, VersR 2007, 516 Rn. 8; vom 12. Juni 2007 - VI ZR 161/06, VersR 2007, 1144, 1145; vom 24. Juni 2008 - VI ZR 234/07, VersR 2008, 1370 Rn. 22 und vom 18. Mai 2010 - VI ZR 293/08, VersR 2010, 1054 Rn. 4). Die Revision wendet sich auch nicht gegen die Einordnung sowohl des geschädigten als auch des angemieteten Fahrzeugs in Fahrzeugklasse 8.


11        (2) Entgegen der Auffassung der Revision begegnet es keinen durchgrei-fenden rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht die Sonderausstat-tung sowohl des geschädigten als auch des gemieteten Fahrzeugs nicht zum Anlass genommen hat, den auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Automietpreisspiegels ermittelten Normaltarif für einen Pkw der Fahrzeugklasse 8 durch einen Zuschlag zu erhöhen. Nach den von der Revisi-on nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin das von der Geschädigten angemietete Fahrzeug in ihrer Rechnung vom 10. März 2005 ausdrücklich in die Fahrzeugklasse 8 des Schwacke-Automiet-preisspiegels eingeordnet. Hinweise auf besondere werterhöhende Ausstat-tungsmerkmale finden sich weder in der Rechnung noch im Mietvertrag vom 21. Februar 2005. Bei dieser Sachlage ist es revisionsrechtlich nicht zu bean-standen, dass das Berufungsgericht die Klägerin im Ergebnis an ihrer eigenen Einordnung festgehalten und die Sonderausstattung mit dem Betrag als abge-golten angesehen hat, der dem auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Automietpreisspiegels für 2003 ermittelten Normaltarif für einen Pkw der Fahrzeugklasse 8 entspricht. Das Berufungsgericht hat insofern die Gren-zen tatrichterlicher Würdigung nicht überschritten.


12        (3) Die Revision rügt auch ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Normaltarifs Nebenkosten für einen zusätzlichen Fahrer au-ßer Betracht gelassen hat. Zusätzliche Kosten für einen weiteren Fahrer sind weder im Mietvertrag vereinbart noch in Rechnung gestellt worden. Der Miet-vertrag, in dem der Fahrer namentlich genannt ist, sieht die Nutzung durch ei-nen Zweitfahrer nicht vor. Die Revision zeigt keinen konkreten Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen auf, wonach die Mietvertragsparteien die Nutzung des Fahrzeugs durch einen weiteren Fahrer abweichend von der Vertragsurkunde vereinbart haben. Entgegen der Auffassung der Revision bedurfte es auch kei-nes Hinweises durch das Berufungsgericht, dass es den Inhalt der zwischen der Klägerin und der Geschädigten zustande gekommenen Vereinbarung auf der Grundlage des schriftlichen Mietvertrags und unter Berücksichtigung der Mietwagenrechnung bestimmen würde.


13        3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

stats