BGH: Erstattungsanspruch des Fluggastes wegen Flugannullierung nach Insolvenzverfahrenseröffnung stellt generell eine Insolvenzforderung dar
BGH, Urteil vom 5.5.2022 – IX ZR 140/21
ECLI:DE:BGH:2022:050522UIXZR140.21.0
Volltext: BB-Online BBL2022-1665-2
Amtliche Leitsätze
Insolvenzforderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind, wandeln sich erst mit der Feststellung zur Tabelle in eine Geldforderung um, nicht bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Handlungen eines Insolvenzverwalters, die allein die Nichterfüllung vor der Eröffnung geschlossener, nicht aus der Masse zu erfüllender Verträge betreffen, begründen keine Masseverbindlichkeit.
Wird ein Flug nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Luftfahrtunternehmens annulliert, stellt der Erstattungsanspruch eines Fluggastes, der den Flug vor der Eröffnung gebucht und vollständig bezahlt hatte, grundsätzlich eine Insolvenzforderung dar.
Sachverhalt
Am 27. April 2018 buchten die Kläger bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen Flüge von Frankfurt am Main nach Kapstadt in Südafrika und von Kapstadt nach Frankfurt am Main. Sie bezahlten den Flugpreis. Der Hinflug sollte am 16. März 2020 stattfinden, der Rückflug am 24. März 2020.
Am 1. Dezember 2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet. Die Beklagte setzte den Flugbetrieb fort. Die von den Klägern gebuchten Flüge wurden jedoch wegen der Corona-Pandemie von der Beklagten annulliert. Nachdem ein Insolvenzplan zustande gekommen war, wurde das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 26. November 2020 aufgehoben.
Nunmehr verlangen die Kläger die Erstattung der Flugscheinkosten nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wollen die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Aus den Gründen
4 Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ein Erstattungsanspruch aus Art. 5, 8 Abs. 1 lit. a der VO (EG) Nr. 261/2004 stehe den Klägern nicht zu. Zwar handele es sich bei diesem Anspruch um einen gesetzlichen Anspruch auf vertraglicher Grundlage, der erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Annullierung der Flüge begründet worden wäre. Jedoch seien die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Die Beförderungspflicht, deren Verletzung den Erstattungsanspruch erst auslöse, sei bereits vor der Annullierung der Flüge durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten untergegangen. Die Beförderungsverträge fielen nicht unter § 103 Abs. 1 InsO, weil die Leistungspflicht der Kläger bereits vor der Eröffnung vollständig erfüllt worden sei. Der vor der Eröffnung begründete Beförderungsanspruch habe sich gemäß § 45 Satz 1 InsO in eine Geldforderung umgewandelt. Einen Antrag auf Zahlung der Planquote hätten die Kläger nicht gestellt.
II.
6 Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
7 1. Grundlage des Begehrens der Kläger ist Art. 5 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (fortan: Fluggastrechte-VO oder Fluggastrechte-Verordnung). Gemäß Art. 5 Fluggastrechte-VO werden den betroffenen Fluggästen bei Annullierung eines Fluges vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Art. 8 der Fluggastrechte-VO angeboten, darunter gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a Fluggastrechte-VO die vollständige Erstattung der Flugscheinkosten.
8 2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines entsprechenden Anspruchs sind entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht deshalb nicht erfüllt, weil sich der Beförderungsanspruch der Kläger gemäß § 45 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten in einen nur im Wege der Anmeldung zur Tabelle durchzusetzenden Zahlungsanspruch umgewandelt hätte.
9 a) Gemäß § 45 Satz 1 InsO sind Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind, mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. Ihrem Wortlaut nach regelt die Vorschrift lediglich die Geltendmachung der Forderung im Insolvenzverfahren. Die insolvenzrechtliche gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger aus der Masse ist nur durchführbar, wenn sich die Forderungen für die Berechnung der Quote eignen. Deshalb sind Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind, mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 165/02, WM 2003, 2429, 2431). Die Umrechnung der nicht auf Geld gerichteten Insolvenzforderungen ermöglicht den Vergleich mit den Geldforderungen anderer Insolvenzgläubiger und schafft die Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilnahme aller Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren (BT-Drucks. 12/2443, S. 124 zu § 52 und § 53). Dass die Forderungen bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unabhängig davon, ob der Gläubiger sie im Insolvenzverfahren geltend machen will, in Geldforderungen umgewandelt werden, sagt die Vorschrift nicht und setzt sie auch nicht zwingend voraus.
10 b) Die Vorschrift des § 45 InsO ist derjenigen des § 69 KO nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 12/2443, aaO). Der Gesetzgeber der Konkursordnung hat für "unbestreitbar" gehalten, dass sich ein nicht auf einen Geldbetrag gerichteter Anspruch mit der Konkurseröffnung in eine Geldforderung verwandelt (Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 4, Nachdruck 1983, S. 268). Schon unter der Geltung der Konkursordnung entsprach es jedoch einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass Forderungen, die nicht auf einen Geldbetrag gerichtet waren, sich nicht schon mit der Eröffnung des Konkursverfahrens in eine Geldforderung nach § 69 KO verwandelten, sondern erst mit der Eintragung der festgestellten Forderung in die Tabelle. Andernfalls hätte die Umwandlung auch dann fortbestanden, wenn der eröffnete Konkurs mangels Masse noch vor dem Prüfungstermin eingestellt wurde und der Konkurszweck deshalb unerreichbar blieb (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 1976 - V ZR 152/74, NJW 1976, 2264, 2265 mwN; vom 10. Januar 1991 - IX ZR 247/90, BGHZ 113, 207, 213 mwN; Jaeger, KO, 3./4. Aufl., § 69 Anm. 6; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 69 KO Anm. 5). Mit dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 45 InsO hat sich hieran nichts geändert. Weiterhin gilt, dass sich die nicht auf Geld gerichteten Insolvenzforderungen erst mit der Feststellung zur Tabelle in eine Geldforderung umwandeln, nicht bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder mit der Anmeldung zur Tabelle (Jaeger/Henckel, InsO, § 45 Rn. 17 f; MünchKomm-InsO/Bitter, 4. Aufl., § 45 Rn. 37; Schmidt/Thonfeld, InsO, 19. Aufl., § 45 Rn. 15; Holzer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2018, § 45 Rn. 8; HK-InsO/Keller, 10. Aufl., § 45 Rn. 14). Die Vorschrift des § 45 InsO regelt die Geltendmachung der Forderung im Insolvenzverfahren, mehr nicht.
11 c) Die Kläger haben ihre Beförderungsansprüche nicht in Geld umgerechnet und zur (gemäß § 270c Satz 2 InsO aF, § 270f Abs. 2 Satz 2 InsO nF vom Sachwalter geführten) Tabelle angemeldet. Die Ansprüche sind auch nicht zur Tabelle festgestellt worden. Sie sind damit nicht zu Geldforderungen geworden, sondern Beförderungsansprüche geblieben.
12 3. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach Art. 5 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. a Fluggastrechte-VO im Übrigen erfüllt sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls handelte es sich bei einem derartigen Anspruch nur um eine Insolvenzforderung.
13 a) Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten an waren die Beförderungsansprüche der Kläger nicht mehr durchsetzbar. Die eigenverwaltende Beklagte, die weiterhin verwaltungs- und verfügungsbefugt blieb (vgl. § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO), war nicht verpflichtet, diese Ansprüche zu erfüllen. Einem Erstattungsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 8 Abs. 1 lit. a Fluggastrechte-VO steht dies möglicherweise nicht entgegen. Der genannte Erstattungsanspruch ist ein gesetzlicher Anspruch auf vertraglicher Grundlage. Er setzt (nur) eine bestätigte Buchung voraus, welche ihrerseits vom Bestehen eines Beförderungsvertrages abhängig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2015 - X ZR 2/15, WM 2016, 1200 Rn. 9 zum Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Fluggastrechte-VO). Die bestätigte Buchung als solche könnte ausreichen, um im Falle einer Annullierung des Fluges den Erstattungsanspruch des Fluggastes
auszulösen.
14 b) Im Ergebnis kommt es hierauf allerdings nicht an. Auch wenn die Annullierung des Fluges hier einen Anspruch nach Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 8 Abs. 1 lit. a Fluggastrechte-VO ausgelöst hätte, wäre die Klage unbegründet. Der Erstattungsanspruch stellt nur eine Insolvenzforderung dar.
15 aa) Spezialgesetzliche Regelungen zu der Frage, ob ein Erstattungsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 8 Abs. 1 lit. a Fluggastrechte-VO eine Masse- oder eine Insolvenzforderung darstellt, wenn der Flug vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Luftfahrtunternehmens gebucht und bezahlt, der Flug aber erst nach der Eröffnung annulliert worden ist, gibt es nicht. Insbesondere die Fluggastrechte-Verordnung sagt hierzu nichts.
16 bb) Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten diejenigen Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Ist Eigenverwaltung angeordnet worden, bleibt der Schuldner verwaltungs- und verfügungsbefugt (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO). Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 270 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Vorschrift des § 55 InsO ist danach auch im Eigenverwaltungsverfahren anwendbar. Die vom Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Verbindlichkeiten stellen nach Maßgabe von § 55 Abs. 1 InsO Masseverbindlichkeiten dar (vgl. z.B. MünchKomm-InsO/Kern, 4. Aufl., § 270 Rn. 160; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. April 2018 - IX ZR 238/17, BGHZ 218, 290).
17 cc) Dem Wortlaut der Vorschrift nach sind die Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 InsO erfüllt. Die verwaltungsund verfügungsbefugte Schuldnerin hat die von den Klägern gebuchten Flüge annulliert. Die Annullierung erfolgte im Rahmen der Verwaltung der Insolvenzmasse. Gleichwohl hat die Annullierung der Flüge hier nicht zu einer Masseverbindlichkeit geführt.
18 (1) Die Vorschrift des § 55 InsO ist in den Grundzügen derjenigen des § 59 KO nachgebildet (vgl. Jaeger/Henckel, InsO, § 55 Rn. 1 f). Die Begründung zu einem Entwurf der Konkursordnung hielt es für unvermeidlich, dass im Zuge der Verwaltung der Konkursmasse Verbindlichkeiten und Kosten entstanden, welche aus der Masse zu berichtigen waren. Nur die Nettokonkursmasse, die nach Abzug dieser Kosten und Verbindlichkeiten verblieb, war unter die Konkursgläubiger zu verteilen (Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 4, Nachdruck 1983, S. 226 f). Auf mehr als die so ermittelte Teilungsmasse haben die Konkurs-, jetzt die Insolvenzgläubiger keinen Anspruch. Ausschlaggebend für den Vorrang der Masseverbindlichkeiten des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO ist, dass eine Verwaltung und Verwertung des Schuldnervermögens zum Zweck der Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht möglich wäre, wenn der Verwalter und im Fall der Eigenverwaltung der Schuldner nicht in der Lage wäre, Verträge zu erfüllen, die er zur Erhaltung, Vermehrung und Verwertung der Masse schließt oder fortsetzt. Würden die Gläubiger aus Rechtsgeschäften des Verwalters nur zusammen mit den Insolvenzgläubigern oder gar erst nach ihnen befriedigt, würde sich niemand finden, der ohne Zug-um-Zug-Leistung und Barzahlung mit dem Verwalter Verträge schließt (Jaeger/Henckel, InsO, § 55 Rn. 5).
19 Masseverbindlichkeiten werden folglich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, von den Ausnahmefällen der gesetzlich besonders geregelten oktroyierten Masseverbindlichkeiten und der unter § 103 InsO fallenden gegenseitigen Verträge, deren Erfüllung zur Masse verlangt wird, einmal abgesehen, vom Verwalter oder vom eigenverwaltenden Schuldner neu begründet. Leistungen der Masse stehen Gegenleistungen des jeweiligen Vertragspartners gegenüber. Handlungen des Verwalters oder des eigenverwaltenden Schuldners, die allein die Nichterfüllung vor der Eröffnung geschlossener, nicht aus der Masse zu erfüllender Verträge betreffen und damit nur der Abwicklung dienen, fallen dagegen nicht unter § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (vgl. MünchKomm-InsO/Hefermehl, 4. Aufl., § 55 Rn. 18; HK-InsO/Lohmann, 10. Aufl., § 55 Rn. 2; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 55 Rn. 8; vgl. auch BSG, Urteil vom 30. November 2011 - B 11 AL 22/10 R, NZI 2012, 375 Rn. 13; BAG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 6 AZR 8/17, BAGE 161, 368 Rn. 19).
20 (2) Die Annullierung betraf wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr durchsetzbare Beförderungsansprüche. Anspruch auf Erfüllung der Beförderungsansprüche aus der Masse hatten die Kläger nicht. Es handelte sich um Insolvenzforderungen, die nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden konnten (§ 87 InsO).
21 (a) Die Beförderungsverträge waren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen worden. Sie unterfielen nicht einem aus §§ 279, 103 InsO folgenden Wahlrecht der Beklagten. Die Vorschrift des § 103 Abs. 1 InsO setzt einen gegenseitigen Vertrag voraus, welcher zur Zeit der Eröffnung weder vom Schuldner noch vom anderen Teil vollständig erfüllt ist. Das war hier nicht der Fall. Die Kläger hatten den Flugpreis vor der Eröffnung vollständig entrichtet.
22 (b) Die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit, insbesondere des Flugbetriebs, wertete für sich genommen die Insolvenzforderungen der Kläger nicht zu Masseforderungen auf. Die Insolvenzordnung sieht dies nicht vor. Das gilt auch im Rahmen einer Eigenverwaltung. Für Insolvenzverfahren, in denen Eigenverwaltung angeordnet worden ist, gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit im achten Teil der Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt ist (§ 270 Abs. 1 Satz 2 InsO). Damit ist auch hier zwischen Insolvenz- und Masseforderungen zu unterscheiden. Insolvenzforderungen sind zur Tabelle anzumelden. Die Eigenverwaltung wird in der Regel in Fällen angeordnet, in denen der Schuldner ein Unternehmen betreibt und in denen Aussichten bestehen, dieses Unternehmen auf der Grundlage eines Insolvenzplans zu sanieren (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 226 zu § 343; 17/5712, S. 19 zu Nr. 5). An die Fortführung des Geschäftsbetriebs können dann keine Rechtsfolgen geknüpft werden, die von den gesetzlichen Regelungen abweichen.
23 (c) Auch etwaige Erklärungen der Beklagten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der Geschäftsbetrieb werde fortgeführt, haben die Insolvenzforderungen der Kläger nicht zu Masseforderungen werden lassen.
24 (aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wäre eine Übereinkunft der Parteien dahingehend, dass die Beförderungsansprüche der Kläger erfüllt werden würden, nicht notwendig insolvenzzweckwidrig gewesen. Insolvenzzweckwidrig sind solche Handlungen, welche der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger klar und eindeutig zuwiderlaufen; sie verpflichten die Masse nicht. Dies trifft indes nur dann zu, wenn der Widerspruch zum Insolvenzzweck unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für jeden verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich, also evident war und sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten, ihm somit der Sache nach zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (BGH, Urteil vom 12. September 2019 - IX ZR 16/18, WM 2019, 1886 Rn. 11; vom 12. März 2020 - IX ZR 125/17, BGHZ 225, 90 Rn. 38 mwN). Die Beklagte hat nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin Flüge durchgeführt. Wenn sie in Flügen, die zur Erfüllung der Beförderungsansprüche von Massegläubigern stattfanden, auch Insolvenzgläubiger mitfliegen ließ, minderte dies nicht notwendig die Insolvenzmasse, sondern entlastete sie möglicherweise sogar. Einzelheiten dazu, in welchem Umfang die Ansprüche von Insolvenzgläubigern in dieser Weise erfüllt wurden, hat keine Partei vorgetragen.
25 (bb) Die Kläger haben jedoch in den Vorinstanzen keine Tatsachen vorgetragen, welche den Schluss auf eine entsprechende Übereinkunft der Parteien zuließen. Insbesondere scheint es keine speziell an die Kläger gerichteten Erklärungen der Beklagten gegeben zu haben. Die Revision nimmt lediglich auf einen unspezifizierten Vortrag der Beklagten Bezug, die Beklagte sei "aus Kulanz- und Imagegründen" bereit gewesen, die Kläger "unentgeltlich" zu befördern. Das reicht nicht aus. Dazu, ob und wann diese Erklärung die Kläger erreicht hat und wie die Kläger reagiert haben, fehlt jeglicher Vortrag. Der Hinweis auf eine Fortführung des Geschäftsbetriebs reichte, wie gezeigt, nicht aus.