OLG Hamm: Ersatzbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern
OLG Hamm, Beschluss vom 16.12.2010 - 15 W 538/10
sachverhalt
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der F AG in F2. Die Gesellschaft ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Sie ist mit dem Unternehmensgegenstand Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Werkstoffen aller Art sowie Herstellung und Vertrieb von elektrotechnischen und sonstigen Industrieerzeugnissen im Handelsregister des Amtsgerichts Bad Oeynhausen zu HRB 6771 eingetragen.
Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht aus sechs Mitgliedern, von denen vier von der Hauptversammlung gewählt werden. Zwei Mitglieder des Aufsichtsrats werden von den Arbeitnehmern gewählt (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 DrittelbG). Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder erfolgt gemäß § 11 Ziff. 2 der Satzung für die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung des Aufsichtsrats für das vierte Geschäftsjahr (Kalenderjahr) nach Beginn der Amtszeit entscheidet. Das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, wird nicht mitgerechnet. § 11 Ziff. 4 der Satzung sieht vor, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats ihr Amt durch eine an den Vorsitzenden des Aufsichtsrats oder an den Vorstand zu richtende schriftliche Erklärung ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung einer Frist von einem Monat niederlegen können.
Zuletzt hatte der Aufsichtsrat der Gesellschaft folgende Struktur: Durch Hauptversammlungsbeschluss vom 21.06.2005 wurden Dr. I (Aufsichtsratsvorsitzender) und K I2 in den Aufsichtsrat bestellt. Der Beteiligte zu 2) wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 29.01.2009 zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt, nachdem das Aufsichtsratsmitglied Dr. I2 sein Amt fristgemäß zum 30.09.2008 niedergelegt hatte. Weiteres gewähltes Aufsichtsratsmitglied ist H Q, der durch Hauptversammlungsbeschluss vom 01.07.2009 in den Aufsichtsrat bestellt wurde. In dieser Hauptversammlung wurde auch der Beteiligte zu 2) im Anschluss an seine gerichtliche Bestellung in den Aufsichtsrat der Gesellschaft gewählt. Auf Seiten der Arbeitnehmervertreter waren letztmalig aufgrund Wahl der Arbeitnehmer am 20.05.2005 Mitglieder des Aufsichtsrats S T und E X. Dessen Eratzmitglied war B X1, der nach dem Ausscheiden des Aufsichtsratsmitglieds X zum 31.03.2007 in den Aufsichtsrat nachrückte. Am 07.06.2010 wurde der Arbeitnehmervertreter X1 erneut in den Aufsichtsrat gewählt. Der Arbeitnehmervertreter T wurde nicht wiedergewählt. Stattdessen wurde T I1 in den Aufsichtsrat gewählt. Ein Beschluss der Hauptversammlung über die Entlastung der bisherigen Arbeitnehmervertreter ist noch nicht gefasst worden.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 15.09.2010 beantragte die Beteiligte zu 4), die Aktionärin der Gesellschaft ist, die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats nach § 104 Abs. 1 AktG. Denn die Aufsichtsratsmitglieder Dr. I und I2 seien mit Ablauf ihrer Amtszeit zum 31.08.2010 aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden. Sie beantragte, den Wertpapierhändler G T1 und den Rechtsanwalt M als Aufsichtsräte der Gesellschaft gerichtlich zu bestellen. Unter dem 21.09.2010 beantragte die Beteiligte zu 4) den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Begehren, dass sich Dr. I und I2 nicht als Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft gerieren sollten. Dem trat das Aufsichtsratsmitglied Q im Wege der Nebenintervention bei. Der Beteiligte zu 3), Aktionär der Gesellschaft, vertrat mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 16.09.2010 ebenfalls die Ansicht, dass die Aufsichtsratsmitglieder Dr. I und I2 mit Ablauf ihrer Amtszeit zum 31.08.2010 aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden seien.
In dem bei dem Landgericht C3, Kammer für Handelssachen, anhängigen einstweiligen Verfügungsverfahren (12 O 145/10) erklärten Dr. I und I2 am 27.09.2010, dass sie die für den 28.09.2010 anberaumte Hauptversammlung der Gesellschaft nicht leiten werden und bis zur Neuwahl eines Aufsichtsrats an keiner Aufsichtsratssitzung teilnehmen werden. Daraufhin erklärte die Beteiligte zu 4) das Verfahren in der Hauptsache für erledigt.
Am 28.09.2010 fand die vorgenannte ordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft statt, in der nach dem Inhalt der Einladung vom 18.08.2010 zu TOP 5 die Neuwahl zum Aufsichtsrat vorgesehen war. An der Hauptversammlung nahmen das Aufsichtsratsmitglied Q und der Beteiligte zu 2) sowie der Vorstand und eine nicht näher festgestellte Anzahl von Aktionären und Aktionärsvertretern teil. Die Aufsichtsratsmitglieder Dr. I und I2 nahmen im Hinblick auf das vorgenannte einstweilige Verfügungsverfahren an der Versammlung nicht teil. Ferner lagen schriftliche Erklärungen der Arbeitnehmervertreter X1, I1 und T vom 28.09.2010 vor, nach denen diese wegen rechtlicher Zweifel an ihrer Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat an der Hauptversammlung nicht als Aufsichtsratsmitglieder teilnehmen und in dieser Funktion keine Erklärungen abgeben. Der Beteiligte zu 2) ließ sich daraufhin mit der Stimme des Aufsichtsratsmitglieds Q zum Versammlungsleiter wählen. Der beurkundende Notar wies im Hinblick auf § 108 AktG auf Bedenken gegen die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats (§ 15 der Satzung) hin. Nachdem der Beteiligte zu 2) auf seiner Wahl zum Versammlungsleiter bestand und eine Einigung nicht erzielt werden konnte, wurde die Hauptversammlung ohne Beschlussfassung durch den Vorstand beendet.
Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 29.09.2010 beantragte der Beteiligte zu 1), die bisherigen Aufsichtsratsmitglieder Dr. I und I2 sowie die Arbeitnehmervertreter X1 und I1 als Aufsichtsräte der Gesellschaft gerichtlich zu bestellen. Denn nach der Rechtsauffassung der Beteiligten zu 3) und 4) seien die Aufsichtsräte Dr. I und I2 bereits mit Ablauf des 31.08.2010 aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden. Auch bestehe Unklarheit über die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, da nicht eindeutig sei, wann die Amtszeit der zuletzt gewählten Arbeitnehmervertreter X1 und I1 beginne sowie ob und wann der Arbeitnehmervertreter Scheiding aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden sei. Der Aufsichtsrat sei deshalb nach § 104 Abs. 2 S. 1 AktG gerichtlich zu ergänzen. Es liege ein dringlicher Fall im Sinne von § 104 Abs. 2 S. 2 AktG vor, da eine neue Hauptversammlung der Gesellschaft einberufen und ein Aufsichtsratsvorsitzender bestellt werden müsse. Der Aufsichtsrat habe dringend über die Bestellung eines Abschlussprüfers zu entscheiden, um eine ordnungsgemäße Durchführung der Abschlussprüfung zu gewährleisten. Ferner bedürfe das operative Geschäft der Gesellschaft aufgrund der Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte eines beschlussfähigen Aufsichtsrats. Schließlich sei auch im Hinblick auf die derzeitige krisenhafte Situation eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats dringend erforderlich, um weiteren Imageschaden von der Gesellschaft abzuwenden. Die von der Beteiligten zu 4) in ihrem Antrag vom 15.09.2010 vorgeschlagenen Personen seien aufgrund eines drohenden Interessenkonflikts nicht geeignet, Ämter im Aufsichtsrat der Gesellschaft wahrzunehmen.
Der Beteiligte zu 2) beantragte mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 01.10.2010 bei dem Landgericht C3, Kammer für Handelssachen, den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Begehren, dass den gewählten Arbeitnehmervertretern X1 und I1 es untersagt wird, die Mitwirkung an den Beschlussfassungen des Aufsichtsrats zu verweigern, insbesondere zu ordnungsgemäß einberufenen Sitzungen des Aufsichtsrats nicht zu erscheinen und zu behaupten, nicht Mitglieder des Aufsichtsrats zu sein.
Die Beteiligte zu 5), die Aktionärin der Gesellschaft ist, beantragte mit Schriftsatz vom 05.10.2010, ihr Vorstandsmitglied Rechtsanwältin L in den Aufsichtsrat der Gesellschaft gerichtlich zu bestellen.
Die Beteiligten zu 2) bis 4) traten dem Antrag mit Schriftsätzen ihrer Verfahrenbevollmächtigten vom 05., 08. und 09.10.2010 im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, eine lediglich rechtliche Unsicherheit über die Besetzung des Aufsichtsrats rechtfertige eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats nicht. Im Übrigen sei die wirksame Bestellung der Arbeitnehmervertreter X1 und I1 nicht in Zweifel zu ziehen. Danach sei der Aufsichtsrat mit Dr. E2, Q, X1 und I1 beschlussfähig besetzt, so dass eine Ergänzung nach § 104 Abs. 1 AktG nicht in Betracht komme. Nach § 104 Abs. 2 AktG könne eine gerichtliche Bestellung nicht erfolgen, da die Dreimonatsfrist (Satz 1) nicht abgelaufen und ein dringlicher Fall (Satz 2) nicht gegeben sei, zumal der Vorstand die ordnungsgemäße Neubestellung von Mitgliedern des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung am 28.09.2010 treuwidrig verhindert habe.
Durch Beschluss vom 11.10.2010 bestellte das Amtsgericht die bisherigen Aufsichtsratsmitglieder Dr. I und I2 sowie die Arbeitnehmervertreter X1 und I1 entsprechend dem Antrag des Beteiligten zu 1) als Aufsichtsräte der Gesellschaft. Die Anträge der Beteiligten zu 4) vom 15.09.2010 sowie der Beteiligten zu 5) vom 05.10.2010 wies das Amtsgericht zurück. Ferner ordnete das Amtsgericht an, dass dem Beteiligten zu 2) die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Aufwendungen des Beteiligten zu 1) zur Last fallen und im Übrigen eine Kostenerstattung nicht stattfinde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 12.10.2010, der zur Begründung ausführt, dass die von dem Amtsgericht herangezogene Vorschrift des § 104 Abs. 3 AktG hier nicht einschlägig sei. Aber auch die Voraussetzungen des § 104 Abs. 2 AktG seien nicht gegeben. Die Arbeitnehmervertreter X1 und I1 seien zweifelsfrei Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft, der Arbeitnehmervertreter X1 überdies schon im Hinblick auf seine bisherige Mitgliedschaft im Aufsichtsrat. Für eine gerichtliche Bestellung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat sei daher von vorneherein kein Raum. Hinsichtlich der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder Dr. I und I2 fehle es an der Dringlichkeit einer gerichtlichen Bestellung vor Ablauf der dreimonatigen Frist des § 104 Abs. 2 S. 1 AktG. Insbesondere ermögliche die Vorschrift keine klarstellende gerichtliche Entscheidung über die Besetzung des Aufsichtsrats; etwaige Zweifel seien im Rahmen eines Statusverfahrens nach § 98 AktG zu klären. Die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats sei gewahrt. Die hierzu erforderliche Teilnahme der Arbeitnehmervertreter X1 und I1 an den Sitzungen und Beschlüssen des Aufsichtsrats sei Gegenstand des vorgenannten, bei dem Landgericht C3 (12 O 153/10) anhängigen einstweiligen Verfügungsverfahrens. Ihm, dem Beteiligten zu 2), seien zu Unrecht die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens auferlegt worden, weil sein Verhalten in der Hauptversammlung vom 28.09.2010 Gesetz und Satzung entsprochen habe.
Durch Beschluss vom 13.10.2010 hat das Amtsgericht der Beschwerde des Beteiligten zu 2) nicht abgeholfen.
Ebenfalls gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 11.10.2010 wendet sich die Beteiligte zu 4) mit ihrer Beschwerde vom 14.10.2010. Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest und stimmt in der Sache im Wesentlichen mit dem Vorbringen des Beteiligten zu 2) überein. Dem tritt auch der Beteiligte zu 3) mit seiner Beschwerde vom 19.10.2010 bei.
Die Beteiligte zu 5) begehrt mit ihrer Beschwerde vom 17.10.2010 die gerichtliche Bestellung der von ihr vorgeschlagenen Rechtsanwältin L in den Aufsichtsrat. Im Übrigen tritt sie dem Vorbringen des Beteiligten zu 2) im Wesentlichen bei. Eine Veranlassung zu einer gerichtlichen Bestellung der Arbeitnehmervertreter habe nicht bestanden. Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder Dr. I und I2 vor Ablauf der Dreimonatsfrist des § 104 Abs. 2 S. 1 AktG sei nicht gerechtfertigt, da eine besondere Dringlichkeit nicht geben sei.
Der Beteiligte zu 1) verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt die Zurückweisung der Rechtsmittel.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde des Beteiligten zu 3) durch Beschluss vom 21.10.2010 nicht abgeholfen. Durch Beschluss vom 05.11.2010 hat es auch den Beschwerden der Beteiligten zu 4) und zu 5) nicht abgeholfen.
Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 08.12.2010 hat der Beteiligte zu 2) die Rücknahme der gestellten Anträge erklärt.
aus den gründen
II. Das Verfahren zur Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 AktG zur Wiederherstellung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats oder zur Ergänzung des Aufsichtsrats auf seinen vollen gesetzlichen oder satzungsmäßigen Bestand ist ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit - unternehmensrechtliches Verfahren - nach den §§ 375 Nr. 3, 376 f. FamFG. Es kommen deshalb die allgemeinen Rechtsmittelvorschriften der §§ 58 ff. FamFG zur Anwendung. Gegen die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 104 Abs. 1 S. 5, Abs. 2 S. 4 AktG die Beschwerde statthaft. Der erforderliche Beschwerdewert in der hier vorliegenden vermögensrechtlichen Angelegenheit (§ 61 Abs. 1 FamFG) ist nach dem erkennbaren wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten zu 3) bis 5) erreicht. Die Beschwerden sind frist- und formgerecht gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 FamFG eingelegt.
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3) ist jedoch unzulässig, weil es an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung (§ 59 Abs. 1 FamFG) fehlt.
Die Beschwerde steht nach § 59 Abs. 1 FamFG demjenigen zu, der durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt daher auch im unternehmensrechtlichen Verfahren voraus, dass der Rechtsmittelführer in diesem Sinne durch die angefochtene Entscheidung materiell beschwert ist. Beschwerdeberechtigt ist danach, wer durch die Entscheidung in seiner Rechtsstellung unmittelbar (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) nachteilig betroffen ist und deshalb ein rechtliches Interesse an ihrer Beseitigung hat (vgl. etwa BGH NJW-RR 2004, 865; NJW 1997, 1855; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 59, Rdnr. 9).
Durch die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern ist der Beteiligte zu 3) grundsätzlich im vorgenannten Sinne in seiner materiellen Rechtsstellung betroffen. Denn dem einzelnen Aktionär der Gesellschaft steht gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 AktG ein auf die Ergänzung des Aufsichtsrats gerichtetes Antragsrecht zu. Die Bestellung einer Person in den Aufsichtsrat durch das Gericht betrifft den antragsberechtigten Aktionär der Gesellschaft (OLG Schleswig FGPrax 2004, 244 = BB 2004, 1187; Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., Rdnr. 88) daher in dieser ihm gesetzlich zugewiesenen Rechtsstellung. Eine die Rechtsbeeinträchtigung begründende materielle Beschwer setzt darüber hinausgehend jedoch einen unmittelbar nachteiligen Eingriff voraus. Der Rechtsfolgenausspruch der angefochtenen Entscheidung muss deshalb das Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung des Rechts stören oder dem Beschwerdeführer eine mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren (BGH, a.a.O.; Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., Rdnr. 9 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Der Beteiligte zu 3) beanstandet nicht, dass der Aufsichtsrat der betroffenen Gesellschaft nicht im Sinne von § 104 Abs. 2 S. 1 AktG unterbesetzt ist. Denn auch nach seinem Vorbringen sind die Aufsichtsräte Dr. I und I2 mit Ablauf des 31.08.2010 aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden. In der Sache wendet sich der Beteiligte und 3) in diesem Zusammenhang nicht gegen die mit dem angefochtenen Beschluss angeordnete Rechtsfolge. Seine in dem Antragsrecht nach § 104 Abs. 1 S. 1 AktG begründete Rechtsstellung wird insoweit nicht beeinträchtigt, denn dem Grunde nach ist der Aufsichtsrat wegen seiner nicht gesetz- und satzungsmäßigen Besetzung auch nach Ansicht des Beteiligten zu 3) gerichtlich zu ergänzen.
Eine Rechtsbeeinträchtigung ist nicht mit der Einwendung gegeben, dass die Arbeitnehmervertreter X1 und I1 bereits wirksam bestellte Aufsichtsratsmitglieder sind und deshalb eine gerichtliche Bestellung nicht erforderlich war. Denn der für die Frage der materiellen Beschwer maßgebliche Rechtsfolgenausspruch der angefochtenen Entscheidung enthält keinen unmittelbar nachteiligen Eingriff in eine etwaige schutzwürdige Rechtsposition. Rechtsfolge des angefochtenen Beschlusses ist die Bestellung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied hat die gleichen Rechte und Pflichten wie ein ordentliches Aufsichtsratsmitglied. Die Satzung der Gesellschaft kann nicht danach differenzieren, ob es sich um ein gerichtlich bestelltes Aufsichtsratsmitglied handelt (Spindler/Stilz, a.a.O., Rdnr. 3 m.w.N.). Die Rechtsfolge der mit der Beschwerde angegriffenen gerichtlichen Bestellung der Arbeitnehmervertreter deckt sich insoweit materiellrechtlich mit der Rechtslage, welche der Beteiligte zu 3) als zutreffend erachtet. Allein der abweichende Berufungsgrund - gerichtliche Bestellung, ordentliche Wahl - begründet keine zur Beschwerde berechtigende Beeinträchtigung der Rechtsstellung als Aktionär.
Auch soweit der Beteiligte zu 3) die gerichtliche Bestellung mit der Einwendung beanstandet, dass die nach § 104 Abs. 2 S. 1 AktG vorgesehene dreimonatige Vakanz der Aufsichtsratsämter nicht abgelaufen ist und die Voraussetzungen des § 104 Abs. 2 S. 2 AktG für eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats vor Ablauf dieser Frist nicht gegeben seien, liegt ein unmittelbarer nachteiliger Eingriff in seine Rechtsposition nicht vor. Aus dem Antragsrecht nach § 104 Abs. 1 S. 1 AktG folgt kein subjektives Recht dahin, dass eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats vor Ablauf der Dreimonatsfrist zu unterbleiben hat, wenn nicht ein Fall besonderer Dringlichkeit gegeben ist. Denn mit § 104 AktG soll die Handlungs- und Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats im Wege der gerichtlichen Bestelllung von Mitgliedern sichergestellt werden (Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 104, Rdnr. 1). Dem Aufsichtsrat obliegt die Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand und letztlich dessen Kontrolle, § 112 AktG (OLG Dresden NJW-RR 1998, 830 f.). Der Schutzzweck des § 104 AktG ist auf diese Weise über die unmittelbare Gewährleistung eines handlungs- und funktionsfähigen Aufsichtsrats hinausgehend darauf gerichtet, die beachtlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Belange der Gesellschaft zu wahren. Daran orientiert sich § 104 Abs. 2 S. 2 AktG, der für den Begriff der Dringlichkeit maßgeblich auf die Belange der Gesellschaft abstellt. Ein dringender Fall im Sinne der Vorschrift ist nach allgemeiner Auffassung gegeben, wenn für eine gerichtliche Entscheidung zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft ein dringendes Bedürfnis besteht. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles, aus denen sich gewichtige Gründe ergeben müssen, die einem weiteren Zuwarten entgegen stehen, was insbesondere dann anzunehmen, wenn Entscheidungen anstehen, die erhebliches Gewicht für die Zukunft des Unternehmens haben und von wesentlicher Bedeutung für Bestand oder Struktur der Gesellschaft sind (MünchKomm/Habersack, AktG, 3. Aufl., § 104, Rdnr. 27; Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, 2008, § 104, Rdnr. 14; Hüffner, AktG, 9. Aufl., § 104, Rdnr. 7; Spindler/Stilz, a.a.O., Rdnr. 30, jeweils m.w.N.). Mit diesem Schutzzweck des § 104 AktG im Allgemeinen und des § 104 Abs. 2 S. 2 AktG im Besonderen lässt sich ein schutzwürdiges Recht eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds und eines einzelnen Aktionärs nicht mit dem Inhalt annehmen, die gesetzes- bzw. satzungswidrige Unterbesetzung des Aufsichtsrats solle bis zur Vollendung der Dreimonatsfrist fortbestehen. Ein solches Begehren berechtigt jedenfalls dann nicht zur Beschwerde, wenn der Beschwerdeführer - wie hier - die Unterbesetzung des Aufsichtsrats erkannt hat und selbst vorträgt.
Die mitgliedschaftsrechtliche Befugnis des Beteiligten zu 3) als Aktionär, in der Hauptversammlung an der Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder nach Maßgabe seines Stimmgewichts mitzuwirken, wird durch die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nicht beeinträchtigt. Denn nach § 104 Abs. 5 AktG erlischt das auf der gerichtlichen Bestellung beruhende Amt automatisch mit der Neubestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung. Die Vervollständigung des Aufsichtsrats durch die gerichtliche Entscheidung dient vielmehr insbesondere auch der Durchführung einer Hauptversammlung, in der der Mangel durch ordnungsgemäße Neuwahl zu beheben ist.
2. Den Beteiligten zu 4) und 5) fehlt aus den vorgenannten Gründen die erforderliche Beschwerdeberechtigung im Sinne von § 59 Abs. 1 AktG insoweit, als sich ihre Beschwerden gegen die gerichtliche Bestellung der Arbeitnehmervertreter sowie dagegen richten, dass die Ergänzung des Aufsichtsrats durch den angefochtenen Beschluss bereits vor Ablauf der dreimonatigen Frist des § 104 Abs. 2 S. 2 AktG vorgenommen worden ist.
Die Beschwerden der Beteiligten zu 4) und 5) sind aber zulässig, soweit sie sich gegen die gerichtliche Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder Dr. I und I2 richten. In diesem Umfang fehlt es nicht an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung. Denn durch die gerichtliche Bestellung einer von ihm nicht vorgeschlagenen Person kann der nach § 104 Abs. 1 S. 1 AktG Antragsbefugte in seinem subjektiven Antragsrecht beeinträchtigt sein (OLG Dresden, a.a.O.; OLG Schleswig, a.a.O., MünchKomm/Habersack, a.a.O., Rdnr. 41; Schmidt/Lutter/Drygala, a.a.O., § 104, Rdnr. 10; Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 104, Rdnr. 26).
Die mit dieser Maßgabe zulässigen Beschwerden der Beteiligten zu 4) und 5) sind jedoch nicht begründet.
§ 104 Abs. 1 S. 1 AktG lässt die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern für die Wiederherstellung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats zu. Gehören dem Aufsichtsrat länger als drei Monate weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgelegte Zahl an, so hat ihn das Gericht gemäß § 104 Abs. 2 S. 1 AktG auf Antrag auf diese Zahl zu ergänzen, in dringenden Fällen auch bereits vor Ablauf der Frist, § 104 Abs. 2 S. 2 AktG.
Der nach dieser Vorschrift auf die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern gerichtete Antrag des Beteiligten zu 1) vom 29.09.2010 ist zulässig. Der Vorstand ist nach § 104 Abs. 1 S. 1 AktG antragsbefugt und nach Maßgabe des § 104 Abs. 1 S. 2 AktG auch verpflichtet, den Antrag unverzüglich zu stellen.
Der Antrag des Beteiligten zu 1) ist auch begründet.
Zulässiger Beschwerdegegenstand, und deshalb an dieser Stelle allein zu prüfen, ist die mit dem angefochtenen Beschluss vorgenommene Auswahl der bestellten Aufsichtsratsmitglieder Dr. I und I2.
Die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds nach § 104 Abs. 2 AktG erfolgt grundsätzlich ohne Bindung an den Antrag eines Beteiligten nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts (OLG München WM 2009, 1748; OLG Schleswig FGPrax 2004, 244). Bei der zu treffenden Auswahl ist vor allem die hinreichende Qualifikation des zu Bestellenden zur pflichtgemäßen Mandatsausübung sowie das Fehlen eines Interessenkonflikts zu berücksichtigen. Insbesondere dürfen der Bestellung keine überwiegenden Belange der Gesellschaft entgegen stehen (Hüffer, a.a.O., Rdnr. 5; Spindler/Stilz, a.a.O., Rdnr. 21). Bedenken gegen die zur Ausübung des Aufsichtsratsmandats erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben und werden von den Beteiligten zu 4) und 5) auch nicht erhoben. Das Amtsgericht hat im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nicht zu beanstandend berücksichtigt, dass die bisherigen Aufsichtsratsmitglieder Dr. I und I2 bereits über langjährige Erfahrungen im Aufsichtsrat der betroffenen Gesellschaft verfügen und ihre gerichtliche Bestellung insgesamt dem Wohl der Gesellschaft entspricht. Dass die von den Beteiligten zu 4) und 5) vorgeschlagenen Personen nach den maßgeblichen Auswahlkriterien besser geeignet und deshalb vorrangig zu berufen sind, ist nicht vorgetragen und dargelegt worden.
3. Eine Entscheidung über die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten ist nicht veranlasst, denn die Kostenpflicht ergibt sich insoweit aus dem Gesetz.
Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten beruht auf § 84 FamFG. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels grundsätzlich dem Beteiligten aufzuerlegen, der es eingelegt hat. Danach ist es gerechtfertigt, die Beteiligten zu 3) bis 5), deren Beschwerde ohne Erfolg geblieben sind, mit den der betroffenen Gesellschaft im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten anteilig zu belasten. Ein Anhaltspunkt, der zu einem Abweichen von der regelmäßigen Kostenfolge Anlass geben könnte, liegt nicht vor
Die anteilige Kostenbelastung des Beteiligten zu 2) ist gerechtfertigt, weil das von ihm zurück genommene Rechtsmittel unzulässig war.
Der Senat legt die Erklärung des Beteiligten zu 2) vom 08.12.2010 dahingehend aus, dass seine Beschwerde insgesamt zurückgenommen sein soll. Diese war unzulässig. Denn dem Beteiligten zu 2) steht als Mitglied des Aufsichtsrats der betroffenen Gesellschaft zwar ein eigenes Antragsrecht nach § 104 Abs. 1 S. 1 AktG zu. Die gerichtliche Bestellung einer Person in den Aufsichtsrat durch das Gericht betrifft das antragsberechtigte Mitglied des Aufsichtsrats in dieser ihm gesetzlich zugewiesenen Rechtsstellung (OLG Dresden, a.a.O.). Der Beteiligte zu 2) ist in dieser Rechtsstellung jedoch nicht unmittelbar nachteilig betroffen, weshalb aus den genannten Gründen (Ziff. 1) eine die materielle Beschwer begründende Rechtsbeeinträchtigung im Sinne von § 59 Abs. 1 FamFG nicht gegeben ist. Insbesondere steht ihm in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied kein subjektives Recht auf Fortbestand der Unterbesetzung des Aufsichtsrats bis zum Ablauf der Frist des § 104 Abs. 2 S. 1 AktG und dem durch die Unterbesetzung bewirkten Zuwachs seines Simmengewichts bei Entscheidungen des Ausichtsrats während einer Vakanz zu.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts des Beschwerdeverfahrens beruht auf den §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO. Im Verfahren der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 Abs. 2 AktG bestimmt sich der Geschäftswert nach § 30 Abs. 2 KostO (BayObLGZ 1997, 262, 266). Er beträgt in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung im Regelfall 3.000 € (§ 30 Abs. 2 S. 1 KostO), kann nach Lage des Falles aber niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 € angenommen werden (§ 30 Abs. 2 S. 2 KostO). "Nach Lage des Falles" bedeutet, dass das wirtschaftliche Gewicht des Geschäfts für die Beteiligten, Auswirkung, Zweck und Wichtigkeit des Geschäfts, die Vermögenslage der Beteiligten sowie die Mühewaltung des Gerichts daraufhin abzuwägen sind, ob und inwieweit eine Über- oder Unterschreitung des Regelwertes innerhalb der durch Mindest- und Höchstwert gegebenen Grenzen angebracht erscheint. Als Anhaltspunkt ist § 99 Abs. 6 S. 7 AktG anzunehmen, der einen Regelwert von 50.000 € vorsieht (BayObLG a.a.O. sowie BayObLGZ 2000, 87). Dieser Wert erscheint im vorliegenden Fall angemessen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, denn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG liegen nicht vor. Die Rechtssache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.