BGH: Erhalt eines bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Aufrechnungsrechts
BGH, Urteil vom 19.5.2011 - IX ZR 222/08
leitsatz
Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht bleibt auch dann erhalten, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräf-tig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt.
InsO §§ 94, 254 Abs. 1; BGB § 387
sachverhalt
Über das Vermögen der I. GmbH (fortan: Schuldnerin) wurde am 29. Dezember 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das verklagte Land meldete Umsatzsteuerforderungen aus den Jahren 2005 und 2006 zur Insolvenztabelle an, die in Höhe von mehr als 1 Mio. € festgestellt wurden. Mit Zustimmung der Vertreterin des Beklagten beschloss die Gläubigerversamm-lung einen Insolvenzplan, dessen gestaltender Teil für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger einen Teilerlass von 93,65 v.H. ihrer Forderungen vorsah. Das Insolvenzgericht bestätigte den Insolvenzplan und hob das Insolvenzverfahren am 14. März 2007 auf. Die Schuldnerin erbrachte die nach dem Insol-venzplan dem Beklagten geschuldeten Zahlungen. Anschließend machte sie gegen diesen Werklohnansprüche für Bauleistungen geltend, die sie bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens für ihn erbracht hatte.
Der Beklagte hat nach Rechtshängigkeit der zunächst auf Zahlung von 117.585,81 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichte-ten Klage einen Teilbetrag von 36.273,86 € gezahlt und im Übrigen mit dem noch nicht getilgten Teil seiner Umsatzsteuerforderungen der Jahre 2005 und 2006 aufgerechnet. Das Landgericht hat die Klage mit Ausnahme eines An-spruchs auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Über das Vermögen der Schuldnerin ist mittlerwei-le erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet worden; der Insolvenzverwalter hat den Rechtsstreit aufgenommen.
aus den gründen
3 Die Revision hat Erfolg. Die Forderungen der Schuldnerin sind, soweit sie nicht durch Zahlung erfüllt wurden, durch die vom Beklagten erklärte Auf-rechnung erloschen.
4 I. Das Berufungsgericht (ZIP 2008, 2372) meint, der im ersten Insolvenz-verfahren beschlossene Insolvenzplan stehe der vom Beklagten erklärten Auf-rechnung entgegen. Die von diesem Plan erfassten Forderungen könnten nicht mehr zur Aufrechnung gestellt werden, weil sie erlassen, mindestens aber zu unvollkommenen Verbindlichkeiten geworden seien, die zwar erfüllbar, aber nicht erzwingbar seien. Das gelte auch für die Steuerforderungen des Beklag-ten. Die Regelung in § 94 InsO, wonach die bei Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungsbefugnis eines Gläubigers durch das Insolvenzverfahren nicht berührt werde, ändere daran nichts. Sie ermögliche es einem Gläubiger ledig-lich, sich einem Insolvenzplan zu entziehen, indem er rechtzeitig vorher die Auf-rechnung erkläre. Tue er dies nicht und lege er gegen den bestätigenden Be-schluss des Insolvenzgerichts kein Rechtsmittel ein, sei er an den Plan gebun-den. Letztlich verhalte sich der Beklagte auch treuwidrig, weil er durch seine Vertreterin dem Plan zugestimmt habe.
5 II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6 1. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die zur Aufrech-nung gestellte Gegenforderung muss voll wirksam und fällig sein. Ihre Erfüllung muss erzwungen werden können (BGH, Urteil vom 16. März 1981 - II ZR 110/80, WM 1981, 711; vom 20. November 2008 - IX ZR 139/07, WM 2009, 273 Rn. 10; Staudinger/Gursky, BGB, Bearb. 2006, § 387 Rn. 132; MünchKomm-BGB/Schlüter, 5. Aufl., § 387 Rn. 36) und ihr darf keine Einrede entgegenstehen (§ 390 BGB). Unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Verbindlichkeiten wie eine Spielschuld (§ 762 Abs. 1 BGB) oder ein Ehemäkler-lohn (§ 656 Abs. 1 BGB) können nicht aufgerechnet werden. Für die Aufrech-nung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gelten diese Grundsätze entsprechend (§ 226 Abs. 1 AO).
7 2. Um unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderungen han-delt es sich auch bei den von dem Beklagten zur Aufrechnung gestellten Um-satzsteuerforderungen.
8 Erlangt die gerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans nach § 248 Abs. 1 InsO formelle Rechtskraft, treten gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO die in seinem gestaltenden Teil festgelegten materiellen Wirkungen unmittelbar für und gegen alle Beteiligten ein. Insolvenzforderungen können nur noch in Höhe der vereinbarten Quoten durchgesetzt werden. Soweit sie als erlassen gelten, sind sie zwar nicht erloschen, bestehen indes nur noch als natürliche, unvoll-kommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwun-gen werden kann. Das folgt im Gegenschluss aus den Regelungen in § 254 Abs. 3 und § 255 Abs. 1 Satz 1 InsO (BT-Drucks. 12/2443, S. 213; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 28.80; Otte in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 254 Rn. 14 und § 255 Rn. 6; Uhlenbruck/Lüer, InsO, 13. Aufl., § 227 Rn. 4 und § 254 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Huber, 2. Aufl., § 254 Rn. 33; FK-InsO/Jaffé, 6. Aufl., § 254 Rn. 3; Braun/Frank, InsO, 4. Aufl., § 254 Rn. 10; zum Liquidati-onsvergleich nach § 7 Abs. 4 VglO: BGH, Urteil vom 9. April 1992 - IX ZR 304/90, BGHZ 118, 70, 76; speziell für Steuerforderungen: MünchKomm-InsO/Kling/Schüppen/Ruh, aaO, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 243; Gottwald, Insolvenz-rechtshandbuch, 4. Aufl., § 69 Rn. 21). Mit einer solchen nicht durchsetzbaren Forderung kann grundsätzlich nicht aufgerechnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2007 - IX ZB 204/05, ZIP 2007, 923 Rn. 8).
9 3. Die Aufrechnung mit einer Forderung, die nach dem Insolvenzplan als erlassen gilt, bleibt jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gemäß § 94 InsO möglich, wenn die Aufrechnungslage bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand.
10 a) Nach § 94 InsO wird das bei Verfahrenseröffnung bestehende Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung "durch das Verfahren nicht berührt". Dem Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob sich die Aufrech-nungsbefugnis auch gegenüber der gestaltenden Wirkung eines Insolvenzplans (§ 254 Abs. 1 InsO) durchsetzt. Er kann im Sinne einer Regelung ausschließlich für die Zeit des laufenden Insolvenzverfahrens verstanden werden. Rechnet ein Gläubiger - wie im Streitfall das verklagte Land - nach Aufhebung des Insol-venzverfahrens auf, gibt es kein Verfahren mehr, durch das die Aufrechnungs-befugnis berührt sein könnte. Ob eine Aufrechnung möglich ist, richtet sich dann nach der materiellen Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Erklärung. Vom Wortlaut gedeckt wird jedoch auch ein Verständnis, wonach zum "Verfahren" auch das Ergebnis des Insolvenzverfahrens gehört, das - etwa als Insolvenz-plan - über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinauswirken kann. Dann bliebe eine bei Verfahrenseröffnung bestehende Aufrechnungslage über das Ende des Verfahrens hinaus ungeachtet der in einem Insolvenzplan getroffenen Regelungen erhalten (so OLG Celle ZIP 2009, 140, 141, nicht rechtskräftig).
11 b) Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte § 94 InsO die zuletzt genannte Wirkung haben. Bereits unter der Geltung der Konkursordnung, der Vergleichsordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung konnte eine bei Er-öffnung des Verfahrens bestehende Aufrechnungsmöglichkeit auch noch im Verfahren ausgeübt werden (§ 53 KO, § 54 Satz 1 VglO, § 7 Abs. 4 GesO). Von den Wirkungen eines Vergleichs wurde dieses Recht nicht berührt (§ 54 Satz 2 VglO; vgl. zu dieser Norm BGH, Urteil vom 9. Februar 1983 - VIII ZR 305/81, NJW 1983, 1119, 1120). An dieser Rechtslage wollte der Gesetzgeber der In-solvenzordnung festhalten. Sowohl der vom Bundesministerium der Justiz vor-gelegte Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts (§ 101 DiskE) als auch der endgültige Regierungsentwurf der Insolvenzordnung (§ 106 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 25) enthielten schon eine mit § 94 InsO weitgehend wortgleiche Regelung zur Erhaltung einer Aufrechnungslage. In der Einzelerläuterung wurde ausgeführt, es habe geltendem Konkurs- und Vergleichsrecht entsprochen, dass ein Insolvenzgläubiger, der zur Zeit der Er-öffnung des Verfahrens zur Aufrechnung berechtigt sei, dieses Recht durch die Verfahrenseröffnung nicht verliere. Die Formulierung der neuen Vorschrift brin-ge zusätzlich zum Ausdruck, dass auch der weitere Ablauf des Verfahrens, ins-besondere die Annahme und Bestätigung eines Sanierungsplans, die Befugnis zur Aufrechnung nicht beeinträchtigen könne, was auch in der Regelung des § 54 Satz 2 VglO zum Ausdruck komme (BT-Drucks. 12/2443, S. 140). Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages schlug die Klarstellung vor, dass sowohl eine gesetzliche als auch eine vertragliche Aufrechnungsberechti-gung erhalten bleiben sollte (BT-Drucks. 12/7302, S. 38 und 165). Da der Deut-sche Bundestag den nur insoweit veränderten Gesetzentwurf beschlossen hat, ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber § 94 InsO nicht anders verstanden wis-sen wollte als die Bundesregierung.
12 c) Der mit § 94 InsO verfolgte Regelungszweck macht seine Anwendung im Falle eines Insolvenzplans allerdings nicht zwingend erforderlich. Die Vor-schrift dient nach allgemeiner Ansicht dem Vertrauensschutz. Eine vor Insol-venzeröffnung erworbene Aufrechnungsbefugnis und die daraus folgende Selbstexekutionsbefugnis sind eine von der Rechtsordnung weitgehend ge-schützte Rechtsstellung (vgl. §§ 389, 392, 406 BGB), die auch im Insolvenzver-fahren uneingeschränkt anerkannt bleiben soll (BT-Drucks. 12/2443, S. 140; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl., § 94 Rn. 1 f; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, aaO, § 94 Rn. 6 f; Graf-Schlicker/Hofmann, InsO, 2. Aufl., § 94 Rn. 1; aA Jaeger/Windel, InsO, § 94 Rn. 9). Den gleichen Regelungszweck hatte der Große Senat für Zi-vilsachen bereits den Vorgängervorschriften § 53 KO und § 54 VglO beigemes-sen. Der Aufrechnungsberechtigte solle nicht durch nachträgliche Vorgänge, die seiner Einflussmöglichkeit entzogen sind und sich in der Sphäre des Aufrech-nungsgegners abspielen, der ursprünglich vorhandenen Aufrechnungsbefugnis verlustig gehen (BGH, Beschluss vom 20. Juni 1951 - GSZ 1/51, BGHZ 2, 300, 304 f). Im Falle der Bereinigung einer Insolvenz mittels eines Insolvenzplans bedarf der Insolvenzgläubiger eines solchen Schutzes nicht im gleichen Um-fang wie unter der Geltung der Vergleichsordnung. Er wird zu dem Termin zur Erörterung und Abstimmung über den Plan besonders geladen (§ 235 Abs. 3 InsO) und kann durchsetzen, dass dem Plan die gerichtliche Bestätigung ver-sagt wird, wenn er durch ihn schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde (§ 251 InsO). Diese Voraussetzung wird im Falle des Verlusts einer Auf-rechnungsmöglichkeit regelmäßig gegeben sein. Eine vergleichbare Schutzvor-schrift gab es weder in der Konkursordnung noch in der Vergleichsordnung. Dort war der Gläubiger daher auf den Schutz seiner Aufrechnungsberechtigung durch die Regelung in § 54 Satz 2 VglO angewiesen.
13 d) Der Senat hält letztlich für ausschlaggebend, dass mit der Insolvenz-ordnung die nach früherem Recht bestehenden Aufrechnungsmöglichkeiten nicht beschränkt werden sollten. In einzelnen Beziehungen, insbesondere im Hinblick auf vertragliche Aufrechnungsberechtigungen, wurden sie sogar erwei-tert. Der Umstand, dass der Fall eines Insolvenzplans in § 94 InsO anders als der Fall eines Vergleichs in § 54 Satz 2 VglO nicht ausdrücklich erwähnt ist, kann mit der Einbeziehung des Insolvenzplanverfahrens in ein einheitliches In-solvenzverfahren erklärt werden. Nicht zuletzt zeigt die Regelung in § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO, dass der Gesetzgeber dem Insolvenzplan keine stärkere Wirkung als einem Vergleich nach altem Recht zukommen lassen wollte. Der dort bestimmte Fortbestand akzessorischer Sicherungsrechte ungeachtet des planbedingten Wegfalls der gesicherten Forderungen entspricht der früheren Rechtslage (§ 82 Abs. 2 VglO; § 193 Satz 2 KO).
14 e) Die Zulassung der Aufrechnung gemäß § 94 InsO nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans führt nicht zwangsläufig zu unbilligen Ergeb-nissen. Aufrechnungsmöglichkeiten eines Insolvenzgläubigers sind vor der Ent-scheidung über die Bestätigung des Insolvenzplans für den Insolvenzverwalter erkennbar. Er kann versuchen, den betreffenden Gläubiger zu einem Verzicht auf sein Aufrechnungsrecht zu bewegen, oder - falls dies nicht gelingt - die fort-bestehende Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans einbeziehen. Eine Berücksichtigung der aufrechenbaren Gegenforderung des Insolvenzgläubigers bei der Berechnung und Auszahlung der nach dem Insol-venzplan den Gläubigern zukommenden Quote kann er vermeiden, indem er selbst die Aufrechnung erklärt. Bestehen sonach Möglichkeiten, einer fortbeste-henden Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans Rech-nung zu tragen, kann von einer Beschädigung der Gläubigerautonomie durch die Zulassung der Aufrechnung mit einer nach dem Insolvenzplan als erlassen geltenden Forderung nicht die Rede sein (aA Braun, NZI 2009, 409, 411).
15 4. In der Zustimmung des zur Aufrechnung berechtigten Insolvenzgläubi-gers zum Insolvenzplan oder auch nur in der widerstandslosen Hinnahme des Plans liegt regelmäßig kein Verzicht auf die mögliche Aufrechnung. An die Feststellung eines solchen Willens sind strenge Anforderungen zu stellen. Schließt der in einem Insolvenzplan geregelte Teilerlass von Forderungen eine Aufrechnung mit diesen Forderungen nicht aus, kann das Einverständnis eines Insolvenzgläubigers mit dem Plan auch in seiner objektiven Bedeutung nicht als Erklärung des Inhalts ausgelegt werden, dass eine Abweichung von den ge-setzlichen Rechtsfolgen zum eigenen Nachteil akzeptiert würde. Auch unter den im Streitfall gegebenen konkreten Umständen kann ein solcher Verzicht nicht angenommen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Erlas-ses des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. Dezember 1998 über die Behandlung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Insolvenzver-fahren (BStBl. I S. 1500). Unter Nr. 9.3 wird dort zu den Wirkungen eines bestä-tigten Insolvenzplans ausgeführt, soweit nach dem Insolvenzplan auf Abgaben-forderungen zu verzichten sei, würden diese zu sogenannten unvollkommenen Forderungen, die zwar erfüllbar seien, aber gegenüber dem Schuldner nicht mehr geltend gemacht werden dürften (Vollstreckungsverbot, Aufrechnungs-verbot). Zur Frage des Fortbestands einer bereits bei Verfahrenseröffnung be-stehenden Aufrechnungsmöglichkeit nach § 94 InsO verhält sich der Erlass nicht. Schon deshalb gibt er keine Veranlassung, die Zustimmung der Vertrete-rin des Beklagten zum Insolvenzplan als Verzicht auf die durch § 94 InsO be-gründete Rechtsposition zu deuten.
16 Die Aufrechnung des Beklagten trotz der im Abstimmungstermin erklär-ten Zustimmung zum Insolvenzplan verstößt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Zustimmung der Vertreterin des Be-klagten zum Insolvenzplan erlaubte nicht den Schluss, der Beklagte werde nach Rechtskraft des Insolvenzplans zur Abwehr von Ansprüchen der Masse von einer bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit keinen Gebrauch mehr machen. Das Verhalten des Beklagten war deshalb nicht widersprüchlich.
17 III. Das Berufungsurteil war danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Geset-zes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache nach letzterem zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
18 Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Aufrechnung nach § 387 BGB in Verbindung mit § 94 InsO liegen vor. Zur Zeit der Eröffnung des Insol-venzverfahrens am 29. Dezember 2006 hatte der Beklagte gegen die Schuldne-rin eine fällige Umsatzsteuerforderung in einer die Forderungen der Schuldnerin auf Bezahlung von Bauleistungen (81.311,95 €) übersteigenden Höhe. Dies gilt zumindest im Hinblick auf die von der Schuldnerin für die Monate Oktober und November 2006 vorangemeldete, nach § 220 Abs. 1 AO, § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums, somit am 10. November 2006 und am 10. Dezember 2006 fällige und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgeführte Umsatzsteuer in Höhe von jeweils mehr als 200.000 €, auch wenn berücksichtigt wird, dass der Landesanteil des Beklagten nur 47 v.H. betrug (vgl. Anlage B 3, GA I 86). Der Umstand, dass ein Jahressteuerbescheid erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erging, ändert daran nichts (BFHE 189, 14, 22).