BGH: Ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit von Preisanpassungsklauseln im Massengeschäft?
BGH, Urteil vom 13.1.2010 - VIII ZR 81/08
Leitsätze
a) Zur Unwirksamkeit von Preisanpassungsklauseln in Erdgaslieferverträgen mit Normsonderkunden.
b) Bei Unwirksamkeit einer solchen Preisänderungsklausel tritt weder § 4 AVBGasV an deren Stelle noch kommt dem Energieversorgungsunternehmen im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Recht zur Änderung des vereinbarten Preises zu, wenn ihm ein Festhalten am vereinbarten Preis deshalb nicht unzumutbar ist, weil es sich innerhalb überschaubarer Zeit durch Kündigung vom Vertrag lösen kann (Bestätigung von BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - VIII ZR 320/07).
BGB §§ 133, 157 (D, Ga, Ge), 306, 307 (Cb), 310, 315; AVBGasV § 4
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen, die von der Beklagten, einem kommunalen Versorgungsunternehmen, einseitig vorgenommen wurden. Die Kläger - mit Ausnahme des Klägers zu 144 - schlossen spätestens im September 2004 mit der Beklagten Gaslieferverträge nach den Sonderabkommen SOA1 und SOA2. Die von der Beklagten vorformulierten Bedingungen für das Sonderabkommen lauten auszugsweise wie folgt:
"4. Die Stadtwerke [= Beklagte] behalten sich eine Änderung der Preise und Bedingungen dieses Sonderabkommens vor. Für das Wirksamwerden genügt eine entsprechende Veröffentlichung in der E. Tagespresse. Ist der Kunde mit einer Änderung nicht einverstanden, so kann er das Sonderabkommen mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntmachung folgenden Monats schriftlich kündigen und eine weitere Belieferung zu den Preisen und Bedingungen der Sondervereinbarung oder als Tarifkunde nach den AVBGasV und den hierzu jeweils gültigen Anlagen der Stadtwerke und damit insbesondere zu den "Allgemeinen Tarifen" verlangen. Die vereinbarte Vertragslaufzeit bleibt hiervon unberührt.
5. Soweit in diesem Sonderabkommen nichts anderes vereinbart ist, gelten die Bestimmungen der AVBGasV entsprechend. ...
...
9. Die Laufzeit dieses Vertrages beträgt - soweit nichts anderes vereinbart - zwei Jahre; er verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird."
Bei Verträgen, die vor 1984 abgeschlossen wurden, haben die Bedingungen für das Sonderabkommen einen geringfügig abweichenden Wortlaut:
"4. Die Stadtwerke behalten sich eine Änderung der Preise und Bedingungen dieses Sonderabkommens vor. Für das Wirksamwerden genügt eine entsprechende Veröffentlichung in der E. Tagespresse. Ist der Kunde mit einer Änderung nicht einverstanden, so kann er das Sonderabkommen fristlos kündigen und eine weitere Belieferung als Tarifkunde nach den AVBGasV und den hierzu jeweils gültigen Anlagen der Stadtwerke und damit insbesondere zu den "Allgemeinen Tarifen" verlangen.
...
9. Soweit in diesem Sonderabkommen nicht etwas anderes vereinbart ist, gelten die Bestimmungen der AVBGasV entsprechend. ...
10. Dieses Sonderabkommen gilt zunächst bis zum 31. Dezember des auf den Abschluß folgenden Jahres. Es verlängert sich jeweils um 1 Jahr, wenn es nicht spätestens 1 Monat vorher schriftlich gekündigt wird."
Die Beklagte erhöhte die Arbeitspreise zum 1. Oktober 2004, 1. April 2005, 1. Oktober 2005, 1. Januar 2006 und 1. Oktober 2006. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage. Sie haben beantragt festzustellen, dass die ge-nannten Preiserhöhungen unwirksam sind. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der die Kläger - mit Ausnahme des Klägers zu 144, der die Revi-sion zurückgenommen hat - die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstreben.
Aus den Gründen
4 Die Revision hat Erfolg.
5 I.Das Berufungsgericht (OLG Hamm, RdE 2008, 183) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6 Die Klage sei betreffend den Kläger zu 144 mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Für die übrigen Kläger sei das erforderliche Feststellungsinteresse hingegen zu bejahen.
7 Die auf Feststellung der Unwirksamkeit oder Unbilligkeit der Preiserhöhungen gerichtete Klage sei jedoch unbegründet. Zwar seien die Preisanpassungsklauseln in den beiden Fassungen von Ziffer 4 der Bedingungen für das Sonderabkommen unwirksam. Die Preiserhöhungen seien jedoch nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung wirksam.
Die Preisanpassungsklauseln verstießen gegen § 307 BGB. Sie räumten der Beklagten das Recht ein, den Gaspreis zu ändern, enthielten jedoch keine Regelung über Grund und Umfang eines Rechts zur Erhöhung des Gaspreises oder eine Verpflichtung zur Senkung des Gaspreises. Jedenfalls bei den streit-gegenständlichen Gaslieferungsverträgen mit Haushaltskunden sei ein einseitiges Preisänderungsrecht, das keine Einschränkungen, insbesondere keinerlei Konkretisierung der Preisänderungsfaktoren enthalte, mit dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu vereinbaren. Die Formulierung der Preisanpassungsklauseln erlaube bei kundenfeindlichster Auslegung eine Preisgestaltung nach freiem Belieben. Die Intransparenz der Preisanpassungsklauseln werde auch nicht durch ein Kündigungsrecht der Kläger ausreichend kompensiert.
8 Ein Preisanpassungsrecht der Beklagten ergebe sich nicht aus einer vertraglichen Einbeziehung von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, denn die Bestimmungen der AVBGasV sollten nach den Bedingungen für das Sonderabkommen nur für den Fall zur Anwendung kommen, dass diese Bedingungen keine Regelung enthielten. Hier sei unter Ziffer 4 der Bedingungen aber eine - wenn auch nach § 307 BGB unwirksame - Preisanpassungsklausel vorgesehen.
9 Die umstrittenen Preiserhöhungen seien jedoch nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung wirksam. Eine durch die Unwirksamkeit von AGB-Klauseln entstehende Lücke sei nach ständiger Rechtsprechung stets dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, wenn die ersatzlose Streichung der betreffenden Klausel keine interessengerechte Lösung biete und kein dispositives Gesetzesrecht zur Verfügung stehe, das in geeigneter Weise zur Vertragsergänzung herangezogen werden könne. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Lücke ausfüllungsbedürftig sei, weil bei langfristigen Verträgen ein anerkennenswertes Bedürfnis bestehe, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten. Mit der Vereinbarung der - unwirksamen - Preisanpassungsklausel hätten die Parteien auch verdeutlicht, dass nach ihrem Willen der zu-nächst vereinbarte Lieferpreis nicht für die gesamte Vertragsdauer Gültigkeit haben sollte, sondern sich im Wege eines angemessenen Wertausgleichs anpassen sollte. Damit seien im Vertrag ausreichende Anhaltspunkte für einen hypothetischen Parteiwillen gegeben, der nur eine ernsthafte Gestaltungsmöglichkeit zulasse. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien jedenfalls eine Regelung dahingehend getroffen hätten, dass die Bezugskosten an die Kunden weiterzugeben seien, mithin eine Preiserhöhung im Rahmen der tatsächlichen Bezugskostensteigerungen zulässig sei.
10 Die von den Klägern beanstandeten Preiserhöhungen entsprächen dem im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zugrunde zu legenden Erfordernis der allein zulässigen Weitergabe tatsächlicher Kostensteigerungen an die Kläger. Die Beklagte habe vorgetragen, dass sie lediglich die Bezugskostenerhöhungen ihrer Vorlieferanten im Rahmen der angegriffenen Gaspreiserhöhungen an die Kläger weitergegeben habe. Ferner habe die Beklagte dargetan, dass die Bezugskostensteigerungen nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen hätten ausgeglichen werden können.
11 II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die umstrittenen Gaspreiserhöhungen sind unwirksam, weil der Beklagten ein Recht zur einseitigen Änderung des Gaspreises nicht zusteht. Die Preisanpassungsklauseln in den von der Beklagten vorformulierten Bedingungen für das Sonderabkommen halten einer Inhaltskontrolle ge-mäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Der Beklagten ist auch, anders als das Berufungsgericht meint, nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungsrecht zuzubilligen.
12 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die Klage, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, als zulässig angesehen. Insbesondere haben die im Revisionsverfahren noch vertretenen Kläger zu 1 bis 143 und 145 bis 181 ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der mit der Klage angegriffenen Gaspreiserhöhungen (§ 256 Abs. 1 ZPO). Auf eine Leistungsklage können sie schon deshalb nicht verwiesen werden, weil das Rechtsschutzziel der hier gegebenen negativen Feststellungsklage mit einer Leistungsklage nicht erreicht werden kann (BGHZ 172, 315, Tz. 10).
13 2. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die von der Beklagten verwendeten Preisanpassungsklauseln einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhalten und deshalb unwirksam sind.
14 a) Die Preisanpassungsklauseln in beiden Fassungen der Ziffer 4 der Bedingungen für das Sonderabkommen sind als Versorgungsbedingungen in Verträgen eines Gasversorgungsunternehmens mit Sonderkunden (dazu Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, WM 2009, 1717, Tz. 12 ff., und VIII ZR 56/08, WM 2009, 1711, Tz. 11 ff., jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) nicht durch § 310 Abs. 2 BGB der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB entzogen (BGHZ 138, 118, 123 zu den Vorgängerregelungen in § 23 Abs. 2 Nr. 2 und § 9 AGBG). Sie unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB als Preisnebenabreden der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 18, und VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 17, jeweils m.w.N.). Dieser Inhaltskontrolle halten sie nicht stand.
15 b) Die mit der Klage angegriffenen Preisanpassungsklauseln benachteiligen die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
16 Zwar stellt eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (dazu BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 176, 244, Tz. 26; 178, 362, Tz. 26) unverändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB dar (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 19 f., 21; vgl. auch Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 23, zu § 5 Abs. 2 GasGVV). Die von der Beklagten verwendeten Preisanpassungsklauseln enthalten aber, anders als die Revisionserwiderung geltend macht, keine unveränderte Übernahme der Regelungen des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, die im Zeitpunkt der umstrittenen Gaspreiserhöhungen noch Geltung hatten (außer Kraft getreten am 8. November 2006 nach Art. 4 der Verordnung zum Erlass von Re-gelungen des Netzanschlusses von Letztverbrauchern in Niederspannung und Niederdruck vom 1. November 2006, BGBl. I S. 2477).
17 Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVB-GasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29). Diesen Anforderungen werden die umstrittenen Preisanpassungsklauseln - jedenfalls in der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 19) - nicht gerecht.
18 Denn die in beiden Fassungen von Ziffer 4 der Bedingungen für das Sonderabkommen verwendete Formulierung "Die Stadtwerke [= Beklagte] behalten sich eine Änderung der Preise ... vor" lässt eine Auslegung zu, nach der die Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichlaufenden Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch macht, und durch die Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Bezugskos-ten umgehend, niedrigeren Bezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 20 f.; Senatsurteile vom 15. Juli 2009, aaO, jeweils Tz. 29; vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 27). Dies verschafft der Beklagten die Möglichkeit einer ungerechtfertigten Erhöhung ihrer Gewinnspanne (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 18; Senatsurteil vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 25).
19 c) Die darin liegende unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten wird nicht durch das den Kunden der Beklagten für den Fall der Preisänderung in beiden Fassungen von Ziffer 4 der Bedingungen des Sonderabkommens eingeräumte Kündigungsrecht ausgeglichen (vgl. insoweit Senatsurteil vom 13. Dezember 2006, aaO, Tz. 27; vgl. ferner BGHZ 180, 257, Tz. 36 f.; BGH, Urteile vom 15. November 2007 - III ZR 247/06, WM 2008, 308, Tz. 34; jeweils m.w.N.). Insofern erscheint schon zweifelhaft, ob es sich angesichts der in beiden Fassungen enthaltenen zusätzlichen Formulierungen überhaupt um ein vollwertiges Kündigungsrecht handelt. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung durch den Senat.
20 aa) Denn ein angemessener Ausgleich der mit den Preisänderungsklauseln verbundenen Nachteile durch ein Kündigungsrecht würde zumindest voraussetzen, dass der Kunde vorab über die beabsichtigte Preiserhöhung informiert wird und sich vom Vertrag lösen kann, bevor sie wirksam wird (Senatsurteil vom 13. Dezember 2006, aaO, Tz. 30 m.w.N.). Daran fehlt es hier, weil eine rechtzeitige Information des Kunden, die es ihm ermöglicht, vor Wirksamwerden der Preisänderung zu kündigen, bei der in beiden Fassungen von Ziffer 4 der Bedingungen des Sonderabkommens vorgesehenen Veröffentlichung der Preisänderungen in der E. Tagespresse nicht hinreichend sichergestellt ist (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 32 f., und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 34).
21 bb) Ferner scheitert ein angemessener Ausgleich der Benachteiligung durch Einräumung eines Sonderkündigungsrechts hier schon daran, dass die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in dem Zeitraum, in dem die umstrittenen Preisänderungen stattgefunden haben, eine faktische Monopolstellung innehatte, weil es im fraglichen Zeitraum keinen weiteren Gasversorger für Haushaltskunden in E. gab. Das Kündigungsrecht stellte deshalb für die Mehrzahl der Kunden der Beklagten, die entweder an die Entscheidung des Vermieters für den Heizenergieträger Gas gebunden sind oder selbst die Entscheidung dafür getroffen und entsprechende Investitionen getätigt haben, keine echte Alternative dar, weil sie dann nur die Möglichkeit hätten, sich von der Beklagten zu dem (regelmäßig teureren) Allgemeinen Tarif mit Gas beliefern zu lassen (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 34, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 35).
22 3. Die Revisionserwiderung macht geltend, dass die Unwirksamkeit der von der Beklagten verwendeten Preisanpassungsklauseln jedenfalls zu einer entsprechenden Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV auf die Belieferung von Sonderkunden führen müsse. Dem kann nicht gefolgt werden.
23 a) Die in Ziffer 5 (bei Verträgen, die vor 1984 geschlossen wurden: Ziffer 9) der Bedingungen des Sonderabkommens enthaltene Verweisung auf die AVBGasV führt nicht zu einer Anwendbarkeit des im Verhältnis zu Tarifkunden gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV bestehenden Preisänderungsrechts des Gasversorgungsunternehmens. Denn die Verträge enthalten in Ziffer 4 jeweils eine eigenständige Vereinbarung zur Preisanpassung, die sich als abschließende Regelung darstellt. Eine ergänzende oder (für den Fall der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel) hilfsweise Anwendbarkeit von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV lässt sich der ausgesprochenen Verweisung nicht, zumindest nicht mit der erforderlichen Klarheit, entnehmen.
24 b) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen - hier die formularmäßigen Preisänderungsklauseln - nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam und richtet sich sein Inhalt gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zählt schon deshalb nicht zu den an die Stelle der unwirksamen Preisanpassungsklausel tretenden gesetzlichen Vorschriften, weil es sich bei den Klägern jeweils um Sonderkunden und nicht um Tarifkunden im Sinne von § 1 Abs. 2 AVBGasV handelt. Auch eine entsprechende Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV auf die zwischen den Parteien bestehenden Sonderkundenverträge kommt nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 - VIII ZR 320/07, aaO, Tz. 41 f.).
25 4. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Beklagten auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungs-recht zuzubilligen.
26 Zwar zählen zu den gemäß § 306 Abs. 2 BGB bei Unwirksamkeit von All-gemeinen Geschäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 75 zu der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 2 AGBG; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 36). Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (BGHZ 90, 69, 77 f.; 137, 153, 157; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 36). Das ist hier, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht der Fall.
27 Gemäß Ziffer 9 der Bedingungen für das Sonderabkommen steht der Beklagten das Recht zu, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von zwei Jahren und sodann zum Ablauf der um je ein Jahr verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen. Bei Verträgen, die vor 1984 geschlossen wurden, endete gemäß Ziffer 10 der Bedingungen die Mindestvertragslaufzeit spätestens am 31. Dezember 1984; die Vertragslaufzeit verlängert sich bei diesen Verträgen ebenfalls um je ein Jahr, die Kündigungsfrist beträgt einen Monat. Wenn die Beklagte für diese Zeiträume an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt bereits dies nicht ohne Weiteres zu einem die ergänzende Vertragsauslegung gebietenden unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 33; BGHZ 179, 186, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 37; vom 28. Oktober 2009 - VIII ZR 320/07, aaO, Tz. 45).
28 Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend macht, es sei mit Rückforderungsansprüchen von Sonderkunden der Beklagten in erheblicher Höhe zu rechnen, die zu einer Existenzbedrohung für die Beklagte führen könnten, zeigt sie entsprechenden Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen nicht auf, obwohl dazu Anlass bestanden hätte, nachdem das Landgericht die Preisanpassungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen hat. Es kann deshalb offen bleiben, ob ein sich aus dem Abschluss einer Vielzahl gleich lautender Verträge ergebender wirtschaftlicher Nachteil überhaupt geeignet sein kann, eine nicht mehr hinnehmbare einseitige Verschiebung des im Indivi-dualprozess zu beurteilenden konkreten Vertragsgefüges zulasten des Verwenders zu begründen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 37).
29 Da es somit schon an den Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung fehlt, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Art und Weise der Vertragsergänzung.
30 III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). 31 Da sich die Feststellungsklage der Kläger zu 1 bis 143 und 145 bis 181 als begründet erweist, ist die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.