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Wirtschaftsrecht
02.02.2012
Wirtschaftsrecht
OLG München: Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss der Gesellschafter

OLG München, Beschluss vom 23.01.2012 - 31 Wx 457/11

leitsätze

1. Zum genehmigten Kapital bei einer GmbH.

2. Die Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts der Gesellschafter kann dem Geschäftsführer übertragen werden.

3. Der Geschäftsführer kann auch zur Anpassung der Satzung ermächtigt werden.

sachverhalt

I. Gegenstand der registerrechtlichen Anmeldung ist die Eintragung von Änderungen des Gesellschaftsvertrages einer GmbH. Mit Beschluss vom 31.8.2011 haben die beiden Gesellschafter allstimmig den Gesellschaftsvertrag u.a. um folgende Regelung ergänzt:

"§ 4a

 Genehmigtes Kapital

1. Die Geschäftsführer sind ermächtigt, bis zum 30.6.2016 das Stammkapital, ein oder mehrmals, gegen Bar- oder Sacheinlagen um bis zu EUR 3.268.-- gegen Ausgabe neuer Geschäftsanteile zu erhöhen (genehmigtes Kapital)

2. Die Geschäftsführer sind ferner ermächtigt, über den Ausschluss des Bezugsrechts der Gesellschafter zu entscheiden.

Ein Bezugsrechtsausschluss ist jedoch nur in folgenden Fällen zulässig:

a) zum Ausgleich von Spitzenbeträgen

b) um Geschäftsanteile an Arbeitnehmer der Gesellschaft auszugeben;

c) bei der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen, insbesondere zum Zwecke des Erwerbs von Unternehmen oder Unternehmensteilen;

d) zu Erschließung neuer Kapitalmärkte durch Geschäftsanteilsplatzierung, insbesondere auch im Ausland.

3. Die Geschäftsführer sind berechtigt, die Fassung der Satzung entsprechend dem Umfang der Kapitalerhöhung aus dem genehmigten Kapital zu ändern."

Mit Zwischenverfügung vom 19.9.2011 beanstandete das Registergericht, dass die Bestimmung in Ziffer § 4a Nr. 2 und Nr. 3 einer satzungsmäßigen Regelung nicht zugänglich seien. Der Bezugsrechtsausschluss greife in Gesellschafterrechte fundamental ein, so dass die Gesellschafter einen solchen nicht frei vereinbaren könnten. Das GmbH-Recht kenne kein Bezugsrecht der Gesellschafter im Sinne des AktG und sehe auch keine dem § 203 Abs. 2 AktG und dem § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG entsprechende Bestimmung vor. Die Zulassung anderer Personen zur Übernahme neuer Geschäftsanteile könne im Hinblick auf die personale Struktur der GmbHG nur mittels einer Erteilung einer Vollmacht für den Einzelfall erfolgen. In diesem Sinne sei die eingeräumte Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss auszulegen. Eine Bindung für nicht anwesende oder erst später die Gesellschafterstellung erlangende Personen trete daher nicht ein. Der Regelung fehle die Allgemeingültigkeit und sie könne nicht Bestandteil einer Satzung sein. Auch die nach Ausübung der Ermächtigung erforderliche Satzungsänderung könne nur durch die Gesellschafter selbst beschlossen werden. Für eine analoge Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften bestehe keine Notwendigkeit, da die Ermächtigung der Geschäftsführer auch deren Bevollmächtigung zu einer entsprechenden Anpassung der Satzung enthalte. Hiergegen wendet sich die Beschwerde.

aus den gründen

II. Die Beschwerde ist zulässig (§ 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG) und auch begründet. Die vom Registergericht angeführten Eintragungshindernisse bestehen nicht. Zu Unrecht ist das Registergericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die in § 4a Nr. 2 und 3 getroffenen Regelungen einer satzungsmäßigen Aufnahme nicht zugänglich sind.

1. Im Rahmen des MoMiG wurde durch den auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucksache 16/9737 S. 12/13 bzw. S. 56) neu eingefügten § 55a GmbHG die für Aktiengesellschaften schon vorher gegebene Möglichkeit der Kapitalerhöhung in Form des genehmigten Kapitals auch für die GmbH geschaffen. Durch die Übernahme des aktienrechtlichen Instituts des genehmigten Kapitals sollten die Gesellschafter die Möglichkeit erhalten, ihre Entscheidung zur Kapitalerhöhung in das unternehmerische Ermessen der Geschäftsführung zu stellen. Eine solche Delegation der Zuständigkeit zur Kapitalerhöhung stellt somit eine Durchbrechung des Grundsatzes der Satzungsautonomie der Gesellschafter im GmbH-Recht dar (vgl. Schnorbus/Donner NZG 2009, 1241).

Die Neuregelung orientiert sich an dem aktienrechtlichen Vorbild, bleibt aber lückenhaft (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG 19. Auflage 2010 § 55a Rn. 1). Diese Regelungslücken können aber trotz ihres aktienrechtlichen Vorbilds nicht schematisch durch eine Analogie der aktienrechtlichen Bestimmungen geschlossen werden. Vielmehr hat sich die Schließung an dem GmbH-rechtlichen System zu orientieren und dessen Besonderheiten Rechnung zu tragen (Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O.).

2. Unklar ist hier, ob im Rahmen des Instituts des genehmigten Kapitals auch ein Bezugsrechtsausschluss zu Lasten der Gesellschafter zulässig ist. Eine ausdrückliche Regelung, wie es das Aktienrecht vorsieht (vgl. § 203 Abs. 1 i.V.m. § 186 Abs. 3, 4 AktG bzw. § 203 Abs. 2 AktG), wurde durch den Gesetzgeber nicht getroffen. Auch in der Begründung des Rechtsausschusses des Bundestags zu § 55a-neu GmbHG (vgl. BT-Drucksache 16/9737 S. 56) und in der Stellungnahme des Bundesrates vom 6.7.2007 (BRat-Drucksache 354/07, S. 19 unter Ziffer 20) erfolgten hierzu keinerlei Ausführungen.

a) In der Literatur wird bezüglich eines Bezugrechtsausschlusses der Gesellschafter im Rahmen des genehmigten Kapitals einhellig das Vorliegen einer Regelungslücke angenommen, die grundsätzlich durch eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmungen (vgl. §§ 203 Abs. 1 i.V.m. § 186 Abs. 3, 4 AktG bzw. § 203 Abs. 2 AktG) geschlossen werden könne (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O. § 55a Rn. 7; Wicke GmbHG 2. Auflage 2011 § 55a Rn. 11; Ulmer/Casper GmbHG - Ergänzungsband MoMiG - 2010 § 55a Rn. 30; Roth/Altmeppen/Roth GmbHG 6. Auflage 2009 § 55a Rn. 20; Lutter/Hommelhoff/Lutter GmbHG 17. Auflage 2009 § 55a Rn. 23; Scholz/Priester GmbHG 10. Auflage - Nachtrag MoMiG - 2010 § 55a Rn. 34 f.; Klett GmbHR 2008, 1312/1314; Priester GmbHR 2008, 1177/1181 f.; Lieder DNotZ 2010, 655/670 ff.; Cramer GmbHR 2009, 406/409 f.).

b) Der Senat teilt diese Auffassung. Wenngleich keine ausdrückliche Regelung bezüglich des Bezugsrechtsausschlusses der Gesellschafter im Rahmen der Neuregelung des § 55a GmbHG durch den Gesetzesgeber erfolgt ist, und auch im Übrigen die Regelung des genehmigten Kapitals im GmbH-Recht lückenhaft geblieben ist (s.o.), kommt in der Neuregelung des § 55a GmbHG der grundsätzliche Wille des Gesetzesgebers zum Ausdruck, das Instrumentarium des genehmigten Kapital entsprechend seiner aktenrechtlichen Regelung in das GmbH-Recht zu übernehmen. Deshalb gelten die §§ 202 ff. AktG für die GmbH entsprechend, soweit einer solchen Analogie nicht die Besonderheiten des GmbH-Rechts entgegenstehen. Solche sind hier nicht ersichtlich.

aa) Entgegen der Auffassung des Registergerichts steht die personale Struktur der GmbH der Annahme einer durch die Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften zu schließenden Lücke nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat durch die Aufnahme des Instituts des genehmigten Kapitals das Prinzip der Satzungsautonomie der Gesellschafter insoweit bewusst durchbrochen (s.o.). Im Rahmen der Kapitalerhöhung im Sinne des § 55 GmbH ist grundsätzlich sowohl ein Bezugsrecht des GmbH-Gesellschafters (vgl. Dazu Ulmer/Ulmer GmbHG 2008 § 55 Rn. 44 ff; Lutter/Hommelhoff/Lutter a.a.O. § 55 Rn. 17 f.; BGH ZIP 2005, 985/ 987) als auch die grundsätzliche Möglichkeit eines satzungsmäßigen Bezugsrechtsausschlusses zu Lasten von Gesellschaftern anerkannt (vgl. Scholz/Priester a.a.O. § 55 Rn. 54 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O. § 55 Rn. 25 ff). Dazu ist nur umstritten, auf welcher rechtlichen Grundlage das Bezugsrecht eines Gesellschafters beruht (vgl. zum Meinungsstand Ulmer/Ulmer a.a.O. § 55 Rn. 44 ff) und welche Mehrheit für einen solchen Ausschluss erforderlich ist (vgl. dazu Scholz/Priester a.a.O. § 55 Rn. 61; Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O. § 55 Rn. 25). Es sind daher keine Gründe ersichtlich, die gegen einen Bezugrechtsausschluss von Gesellschaftern auch in Bezug auf das genehmigte Kapital sprechen.

bb) Fraglich ist insoweit nur, ob die für das Aktienrecht entwickelte Rechtsprechung bezüglich der Anforderungen an den Bezugrechtsausschluss auf die GmbH übertragen werden kann (Ulmer/Casper a.a.O. § 55a Rn. 30). Diese hat im Gegensatz zur Aktiengesellschaft eine personalisierte Struktur und ist regelmäßig nur zweigliedrig organisiert. Deshalb stellt sich hier insbesondere die Frage, zu welchem Zeitpunkt die sachliche Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses erfüllt sein muss. Hier kann auf den Zeitpunkt der Ermächtigung hierzu (vgl. BGH NJW 1982, 2444 <Holzmann>) oder den Zeitpunkt ihrer Ausübung (vgl. BGH NJW 1997, 2815 <Siemens/Nold>; NJW 2006, 371 <Mangusta/Commerzbank I >) abgestellt werden. Das kann hier aber dahinstehen, weil der Bezugsrechtsausschluss selbst wie auch seine Voraussetzungen von den Gesellschaftern allstimmig beschlossen und in der Ermächtigung hinreichend beschrieben sind. Eine Verletzung der Rechte von Minderheitsgesellschaftern ist daher nicht von vornherein zu besorgen.

c) Die Ermächtigung der Geschäftsführer zum Bezugsrechtsausschluss kann daher als weiterer, fakultativer Inhalt in die Regelungen des Gesellschaftsvertrages betreffend das genehmigte Kapital aufgenommen werden. Sie kann auch Inhalt der durch Satzungsänderung getroffenen Ermächtigung der Geschäftsführer sein (allgemeine Meinung; vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O. § 55a Rn. 7 und 9; Roth/Altmeppen/Roth a.a.O. § 55a Rn. 20; Lutter/Hommelhoff/Lutter a.a.O § 55a Rn. 15; Klett GmbHR 2008, 1312/1314; Lieder DNotZ 2010, 655/671; Schnorbus/Donner NZG 2009, 1241/1244; Priester GmbHR 2008, 1177/1182).

3. Ebenso beanstandet das Registergericht die in § 4a Nr. 3 beschlossene Ermächtigung der Geschäftsführer zur Änderung der Satzung zu Unrecht. Die Regelung verstößt nicht gegen § 53 Abs. 1 GmbHG.

Das Registergericht weist zutreffend darauf hin, dass nach dieser Vorschrift der Gesellschaftsvertrag grundsätzlich nur durch Beschluss der Gesellschafter geändert werden kann. Das GmbH-Gesetz sieht eine Ermächtigung der Geschäftsführer zu einer Änderung der Fassung i.S.d. § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht vor. Deshalb ist nicht geregelt, wie nach Durchführung der auf dem genehmigten Kapital beruhenden Kapitalerhöhung die Anpassung der Satzung der GmbH herbeigeführt werden kann (Klett GmbHR 2008, 1312/1314). Die vereinzelt vertretene Auffassung, dass im Nachgang zur Kapitalerhöhung ein ausdrücklicher Beschluss der Gesellschafter erforderlich sei (vgl. Lips/Randel/Werwigk DStR 2008, 2220/2226), wird zu Recht abgelehnt, da dann der durch § 55a GmbHG durch Kompetenzverlagerung erreichte Vorteil wieder aufgehoben werden würde (vgl. dazu Wicke a.a.O. § 55a Rn. 5). Ob insoweit eine Regelungslücke vorliegt (so Klett a.a.O.), die durch eine analoge Anwendung des § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG (Wicke a.a.O. § 55a Rn. 5; Lutter/Hommelhoff/Lutter a.a.O. § 55a Rn. 33 ff.) zu schließen ist oder die Anpassungsbefugnis der Geschäftsführer auf einer Annexkompetenz zu der ihnen im Rahmen des § 55a GmbHG eingeräumten Ermächtigung beruht (Scholz/Priester a.a.O. § 55a Rn. 32), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Hier ergibt sich die § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG entsprechende Ermächtigung der Geschäftsführer aus § 4a Nr. 3 der Gesellschaftssatzung. Da die Regelung im Zusammenhang mit der Ermächtigung der Geschäftsführer zur Vornahme einer Kapitalerhöhung im Wege des genehmigten Kapital steht und deren Vollzug dient, kann sie auch fakultativer Inhalt der Satzung betreffend genehmigtes Kapital sein (Wicke a.a.O. § 55a Rn. 11 a.E.; Lutter/Hommelhoff/Lutter a.a.O. § 55a Rn. 34; Scholz/Priester a.a.O. § 55a Rn. 32).

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