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Wirtschaftsrecht
27.05.2021
Wirtschaftsrecht
BGH: Entgeltgenehmigung für Postdienstleistungen

BGH, Urteil vom 4.3.2021 – III ZR 39/20

ECLI:DE:BGH:2021:040321UIIIZR39.20.0

Volltext: BB-Online BBL2021-1282-4

Amtliche Leitsätze

a) Die Genehmigung des Entgelts durch die Regulierungsbehörde für Postdienstleistungen hat gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 PostG privatrechtsgestaltende Wirkung. Nach dem Inhalt der Entgeltgenehmigung bestimmt sich auch, für welchen Zeitraum sie Wirkung entfaltet. Wird die Genehmigung nachträglich abgeändert, so wirkt dies auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück (Anschluss an BVerwGE 146, 325 Rn. 17).

b) Die Rückwirkung einer Genehmigung gemäß § 184 BGB hat auf den Beginn der Verjährungsfrist keinen Einfluss (Anschluss an RGZ 65, 245, 248). Entsprechendes gilt, wenn der Anspruch von einer behördlichen Genehmigung abhängt und diese auf einen früheren Zeitpunkt zurückwirkt.

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung eines weiteren Entgelts für den Zugang zu Adressänderungsinformationen.

Die Parteien sind Anbieter von Postdienstleistungen. Die Klägerin, die eine marktbeherrschende Stellung hat, unterhält bundesweite Adressänderungsdatenbanken, zu denen sie anderen Anbietern von Postdienstleistungen gemäß § 29 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 PostG gegen Entgelt Zugang gewähren muss. Gegenüber der Beklagten verpflichtete sich die Klägerin hierzu durch Vertrag vom 22./25. Juli 2002. Als Vergütung wurde entsprechend einer Genehmigung der damaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (im Folgenden: RegTP; jetzt: Bundesnetzagentur) zunächst ein Entgelt von 0,16 € (zzgl. Umsatzsteuer) je aktualisierter Adresse (Treffer) vereinbart. In § 6 Abs. 1 der diesem Vertrag beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin heißt es:

"Der Lizenznehmer zahlt der D.            [i.e. die Klägerin] für die in § 2 genannten Leistungen das von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post genehmigte Entgelt."

Außerdem sieht § 6 Abs. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Verjährungsfrist für Zahlungsansprüche der Klägerin von fünf Jahren vor.

Die Klägerin beantragte im Folgenden bei der RegTP eine Erhöhung des genehmigten Entgelts. Mit Beschluss vom 30. Juni 2004 lehnte die Behörde dies ab und genehmigte für den Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2006 weiterhin ein Entgelt von 0,16 € (zuzüglich Umsatzsteuer). Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte in zweiter Instanz das Oberverwaltungsgericht die Bundesnetzagentur am 15. September 2011 unter Änderung des Beschlusses vom 30. Juni 2004, der Klägerin die Erhebung eines Entgelts von 0,23 € (zuzüglich Umsatzsteuer) für jeden Treffer bei einer Adressabfrage im Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2006 zu genehmigen. Dies setzte die Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 3. Mai 2013 um. Über die Differenz von 0,07 € stellte die Klägerin der Beklagten für 25.723 Treffer insgesamt 2.088,71 € (inklusive Umsatzsteuer) in Rechnung. Diesen Betrag nebst Zinsen macht sie mit der Klage geltend.

Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Aus den Gründen

6          Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

I.

7          Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

8          Die Klägerin habe aus dem Vertrag vom 22./25. Juli 2002 einen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem ursprünglich und dem aufgrund des Urteils des Oberverwaltungsgerichts genehmigten Entgelt. Die Genehmigung der Regulierungsbehörde wirke unmittelbar privatrechtsgestaltend für den in ihr bestimmten Zeitraum und lasse die vertragliche Entgeltzahlungspflicht in der nunmehr genehmigten Höhe nach § 184 BGB ex tunc wirksam werden. Dem stehe die Vereinbarung eines konkret geschuldeten Entgelts nicht entgegen. Der Inhalt des vertraglichen Dauerschuldverhältnisses werde durch die erforderliche Genehmigung konkretisiert. Weiche das genehmigte von dem vereinbarten Entgelt ab, so werde das vereinbarte Entgelt gemäß § 23 Abs. 2 PostG durch das genehmigte ersetzt.

9          Nach § 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sei das genehmigte Entgelt geschuldet. Die Beklagte habe sich somit darauf einstellen müssen, dass nach zeitlichem Ablauf der jeweils befristeten Genehmigungen neue, gegebenenfalls auch höhere Entgelte genehmigt würden und an die Stelle der bislang vereinbarten Entgelte träten. Dadurch werde die Beklagte nicht unangemessen benachteiligt im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB. Da die Klägerin ihre Anträge auf Entgelterhöhungen im jeweiligen Amtsblatt veröffentlicht habe, habe sich die Beklagte auf zu erwartende Erhöhungen einstellen und entsprechende Rücklagen bilden können.

10        Das Postrecht schließe eine Rückwirkung der Genehmigung und einen Durchgriff auf das privatrechtliche Geschäft nicht aus. Zum Zweck der Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs dürfe weder ein höheres noch ein niedrigeres Entgelt als das genehmigte verlangt werden. Im Telekommunikationssektor sei die Rückwirkung einer Genehmigung bereits vor ihrer ausdrücklichen Regelung in § 35 Abs. 5 S. 1 TKG angenommen worden (Verweis auf BVerwGE 120, 54). Diese Maßstäbe seien auf die postrechtliche Entgeltgenehmigung zu übertragen (Verweis auf BVerwGE 146, 325).

11        Der rückwirkenden Geltendmachung des Differenzbetrags stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin keine Anordnung der vorläufigen Zahlung des beantragten höheren Entgelts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erwirkt habe. Die dies voraussetzende Regelung in § 35 Abs. 5 Sätze 2 und 3 TKG habe das Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG erklärt (Verweis auf BVerfGE 143, 216). Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift im Postrecht verbiete sich somit.

12        Da die Forderung durch den Genehmigungsbescheid der Bundesnetzagentur vom 3. Mai 2013 erstmalig und rückwirkend konkretisiert worden sei, sei sie nicht durch Erfüllung nach § 362 BGB erloschen. Sie sei auch nicht verjährt, da ein Anspruch verjährungsrechtlich erst mit Eintritt der Rechtskraft einer erforderlichen Genehmigung entstehe, auch wenn die Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirke. Für eine Verwirkung fehle es am Zeit- wie auch am Umstandsmoment.

II.

13        Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

14        1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem ursprünglich vereinbarten und dem durch den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 3. Mai 2013 genehmigten Entgelt in der geltend gemachten Höhe zu.

15        a) Der Vertrag vom 22./25. Juli 2002 war wirksam. Die darin enthaltene Entgeltvereinbarung unterfiel gemäß § 29 Abs. 2, Abs. 1, § 28 Abs. 2 Satz 1, §§ 20, 21 PostG einer Genehmigungspflicht. Da eine Entgeltgenehmigung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorlag, steht § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG der Wirksamkeit nicht entgegen. Dieser ordnet eine Unwirksamkeit des Vertrages nur dann an, wenn es an einer Entgeltgenehmigung insgesamt fehlt.

16        b) Für den streitigen Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2006 betrug gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 PostG das vertraglich geschuldete Entgelt für jeden Treffer bei einer Adressabfrage 0,23 € (zuzüglich Umsatzsteuer). Nach dieser Vorschrift ist ein Vertrag, der ein anderes als das genehmigte Entgelt enthält, zwar wirksam; dies gilt aber nur mit der Maßgabe, dass das Entgelt in der genehmigten Höhe an die Stelle des vereinbarten tritt. Das für den genannten Zeitraum genehmigte Entgelt beträgt gemäß dem Beschluss der Bundesnetzagentur vom 3. Mai 2013 je Treffer 0,23 € (zuzüglich Umsatzsteuer). Soweit die Regulierungsbehörde ursprünglich eine Genehmigung für ein Entgelt in Höhe von nur 0,16 € (zuzüglich Umsatzsteuer) je Treffer ausgesprochen hatte, hat diese aufgrund ihrer Aufhebung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG rückwirkend (vgl. hierzu BVerwG, NVwZ 1983, 608; BeckOK VwVfG/Schemmer, Stand 1. Januar 2021, § 43 Rn. 47) ihre Wirksamkeit verloren.

17        aa) Die Höhe des vertraglich geschuldeten Entgelts bestimmt sich im Anwendungsbereich des § 23 PostG nicht nach einer individuellen Vereinbarung der Vertragsparteien oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern allein nach der Genehmigung der Regulierungsbehörde.

18        Die Entgeltgenehmigung hat gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 PostG privatrechtsgestaltende Wirkung (BVerwGE 146, 325 Rn. 17; 168, 178 Rn. 67; vgl. zur vergleichbaren Regelung in § 37 Abs. 2 TKG auch Senat, Urteil vom 26. Juni 2014 - III ZR 299/13, NJW-RR 2015, 183 Rn. 16). Hierdurch soll erreicht werden, dass das Zivilrecht dem öffentlichen Recht folgt. Das bedeutet, dass ein privatautonomer Spielraum der Klägerin hinsichtlich der von ihren Wettbewerbern zu erhebenden Entgelte nicht mehr vorhanden ist (Senat, Urteil vom 24. Mai 2007 - III ZR 467/04, NJW 2007, 3344 Rn. 16 zum TKG 1996). Diese Wirkung kann durch vertragliche Vereinbarungen nicht modifiziert werden.

19        bb) Nach dem Inhalt der Entgeltgenehmigung bestimmt sich auch, für welchen Zeitraum diese Wirkung entfaltet. Dies gilt auch dann, wenn die Entgeltgenehmigung erst nach Vertragsschluss oder sogar - wie hier - nach Abschluss des Leistungszeitraums erteilt worden ist.

20        (1) Auch hinsichtlich dieser Frage folgt das Privatrecht dem öffentlichen Recht, so dass die privatrechtlichen Folgen der Erteilung der Genehmigung dem öffentlichen Recht zu entnehmen sind. Daher ist § 184 Abs. 1 BGB, nach dem die Genehmigung regelmäßig auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirkt, weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar; vielmehr ist dem Genehmigungserfordernis selbst und den mit ihm im Zusammenhang stehenden Bestimmungen zu entnehmen, ob die Genehmigung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt (BVerwGE 120, 54, 59; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Juni 1960 - V ZR 105/59, BGHZ 32, 383, 389).

21        Die postrechtliche Entgeltgenehmigung entfaltet Rückwirkung auf den in dem Bescheid bestimmten Zeitraum. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 146, 325 Rn. 17 aE), der sich der Senat anschließt. Zur Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht in dem zitierten Urteil ausgeführt, insoweit seien die Maßstäbe für die telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigungen zu übertragen (aaO).

22        In dem in der vorgenannten Entscheidung unter anderem in Bezug genommenen Urteil vom 21. Januar 2004 (BVerwGE 120, 54) hat das Bundesverwaltungsgericht für den Anwendungsbereich des Telekommunikationsgesetzes eine solche Rückwirkung der Genehmigung bejaht (aaO S. 61 ff), von der auch der Gesetzgeber bei der Neuregelung des Telekommunikationsgesetzes im Jahr 2004 ausgegangen ist (vgl. Regierungsentwurf eines Telekommunikationsgesetzes, BT-Drucks. 15/2316 S. 69 zu § 33 Abs. 5 des Entwurfs). Das Bundesverwaltungsgericht hat dies insbesondere damit begründet, dass durch die Genehmigungspflicht in die Berufsfreiheit des regulierten Unternehmens eingegriffen werde. Zur Erfüllung des damit verfolgten Zwecks, einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb zu fördern, bedürfe es eines Ausschlusses der Rückwirkung nicht. Dieser wäre daher unverhältnismäßig und würde zu einer Verletzung der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Rechte des regulierten Unternehmens führen (aaO S. 68 f). Der Zweck der Entgeltregulierung werde vielmehr gerade dadurch gefördert, dass das den gesetzlichen Maßstäben entsprechende Entgelt für den gesamten Zeitraum der Leistungserbringung zu entrichten sei (aaO S. 61 ff). Dem Wettbewerber sei die Abhängigkeit der Höhe des von ihm zu zahlenden Entgelts von der Genehmigung bekannt; es sei ihm zumutbar, das sich daraus ergebende Risiko zu tragen (aaO S. 65 ff).

23        Die gegen die Anwendbarkeit dieser zum Telekommunikationsgesetz entwickelten Maßstäbe auf die postrechtliche Entgeltgenehmigung erhobenen Bedenken der Revision sind unbegründet.

24        (a) Daraus, dass nach § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG das Fehlen einer vor Vertragsschluss erteilten Entgeltgenehmigung zur Unwirksamkeit des Vertrags führt, die nicht durch eine nachträgliche Genehmigung rückwirkend geheilt wird (vgl. hierzu auch Lübbig in Beck’scher PostG Kommentar, 2. Aufl., § 23 Rn. 16 und 21), folgt nicht, dass eine Rückwirkung auch dann ausgeschlossen ist, wenn eine bei Vertragsschluss vorliegende Genehmigung später abgeändert wird. Es ist ein rechtlich erheblicher Unterschied, ob ein Vertrag geschlossen wird, obwohl das regulierte Unternehmen die hierfür erforderliche Genehmigung nicht eingeholt hat, oder ob es mit dem Wettbewerber ein genehmigtes, aber rechtswidrig bemessenes oder gewordenes Entgelt vereinbart hat. Im ersten Fall rechtfertigt das rechtswidrige Verhalten des regulierten Unternehmens die in der Anordnung der nicht heilbaren Unwirksamkeit des Vertrags liegende Sanktion. Auf die rechtliche Behandlung des zweiten Falls, in dem es sich gesetzmäßig verhalten hat, lassen sich hieraus jedoch keine Rückschlüsse ziehen.

25        (b) Soweit die Revisionsbegründung meint, da § 23 Abs. 2 Satz 1 PostG (wie auch § 37 Abs. 2 TKG) von einem "genehmigten Entgelt" spreche, müsse dieses bereits bei Vertragsschluss vorliegen, so dass eine Rückwirkung der Genehmigung ausgeschlossen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Der Begriff "genehmigtes Entgelt" sagt nichts darüber aus, welche Folgen eine Abänderung der Genehmigung hat, und schließt es nicht aus, hierunter gegebenenfalls das nachträglich bestandskräftig - mit Rückwirkung - genehmigte Entgelt zu verstehen.

26        (c) § 23 Abs. 2 PostG und § 37 Abs. 2 TKG unterscheiden sich auch nicht deshalb grundlegend, weil nach § 23 Abs. 2 Satz 1 PostG Verträge, bei denen eine Entgeltgenehmigung bei Vertragsschluss vorliegt, mit der Maßgabe wirksam "sind", dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt, während nach § 37 Abs. 2 TKG Verträge mit dieser Maßgabe wirksam "werden". Aus diesem Unterschied in der Formulierung lässt sich sprachlich nichts für die Frage herleiten, ob das "genehmigte" Entgelt später, aber mit Rückwirkung abgeändert werden kann.

27        Aus § 37 Abs. 2 TKG und seiner Historie lässt sich im Gegenteil ableiten, dass die Genehmigung gemäß § 23 Abs. 2 PostG Rückwirkung auf den darin bestimmten Zeitraum hat. Die Vorgängervorschrift des § 37 Abs. 2 TKG - § 29 Abs. 2 Satz 1 TKG in der bis zum 25. Juni 2004 geltenden Fassung - war mit § 23 Abs. 2 Satz 1 PostG wortgleich. Die Neufassung in § 37 Abs. 2 TKG sollte hierauf aufbauen und lediglich Klarstellungen und Neuregelungen für den Fall vorsehen, dass keine Entgeltgenehmigung vorliegt oder nicht genehmigte Entgelte vereinbart sind (vgl. BT-Drucks. 15/2316 S. 70). Im Übrigen sollte die Rechtslage nicht geändert werden. Der Gesetzgeber ging aber davon aus, dass die telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung bereits unter Geltung von § 29 Abs. 2 Satz 1 TKG aF Rückwirkung hatte (vgl. BT-Drucks. aaO S. 69). Dies spricht dafür, dass dies auch für den wortgleichen § 23 Abs. 2 PostG gilt.

28        (d) Eine Rückwirkung ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil diese dem Zweck des Gesetzes, der Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs auf den Märkten des Postwesens (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 PostG), widerspräche. Das Gegenteil trifft zu. Denn dieses Ziel soll vor allem dadurch erreicht werden, dass die Entgelte sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientieren, nicht "missbräuchlich hoch, niedrig oder diskriminierend" sind (vgl. Regierungsentwurf eines Postgesetzes BT-Drucks. 13/7774 S. 24) und sichergestellt ist, dass keine anderen als die genehmigten Entgelte verlangt werden (vgl. BT-Drucks. aaO S. 26). Dies erfordert es - wie das Bundesverwaltungsgericht zur telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung eingehend begründet hat -, einer abändernden Genehmigung grundsätzlich Rückwirkung beizumessen (vgl. BVerwGE 120, 54, 61 ff). Anderenfalls würde ein Entgelt, das nicht (mehr) den vorgenannten Kriterien entspricht, in der Zeit bis zum Eintritt der Bestandskraft der abändernden Entscheidung ohne Korrekturmöglichkeit gelten, obgleich es wettbewerbswidrig ist. Dies würde im Übrigen in der umgekehrten wie der vorliegenden Fallgestaltung eines zu hoch bemessenen Entgelts zu der ebenfalls wettbewerbswidrigen Folge (vgl. BVerwGE 168, 178 Rn. 67) führen, dass die an das regulierte Unternehmen geleisteten überhöhten Beträge nicht an die Konkurrenten zurückgezahlt werden müssten.

29        Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22. November 2016 (BVerfGE 143, 216) betreffend die in § 37 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG enthaltene Beschränkung der Rückwirkung von Entgeltgenehmigungen darauf hingewiesen hat, dass im - hier vorliegenden - Fall einer Erhöhung des genehmigten Entgelts eine Rückwirkung zu Nachteilen für die Wettbewerber führen kann, weil diese ihre Preiskalkulation ihrerseits nicht rückwirkend ändern und die zusätzlichen Kosten an ihre Kunden in der Regel nicht weitergeben können (BVerfGE 143, 216 Rn. 34 zu § 37 TKG), führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn das Bundesverfassungsgericht hat hieraus nicht abgeleitet, dass eine Rückwirkung der Genehmigung ausgeschlossen ist, sondern lediglich, dass der Gesetzgeber mit diesen Erwägungen unter besonderen, hier nicht vorliegenden (siehe dazu noch unter (2) aE) Umständen den Ausschluss einer Rückwirkung rechtfertigen kann.

30        (2) Darüber hinaus ist es geboten, der Entgeltgenehmigung vom 3. Mai 2013 Wirkung für den darin bestimmten Zeitraum zuzubilligen, weil ansonsten die Klägerin in ihrem Anspruch gemäß Art. 19 Abs. 4 GG auf effektiven Rechtsschutz gegen die rechtswidrige Versagung des von ihr beantragten höheren Entgelts verletzt würde.

31        Die regulierten Unternehmen haben einen gesetzlichen Anspruch auf Genehmigung eines angemessenen Entgelts und verfügen damit über ein subjektives Recht, dessen gerichtliche Durchsetzbarkeit durch Art. 19 Abs. 4 GG garantiert ist (vgl. BVerfGE aaO Rn. 23). Entfaltet eine auf den geltend gemachten Rechtsschutz hin erteilte Genehmigung keine Rückwirkung, kann das Gericht die rechtswidrige Genehmigung nicht mehr wirkungsvoll korrigieren (vgl. aaO Rn. 28). Eine Beschränkung des effektiven Rechtsschutzes bedarf einer gesetzlichen Regelung. Eine solche fehlt hier.

32        Eine derartige Beschränkung des Rechtsschutzes ist im Anwendungsbereich des Postgesetzes nicht ausdrücklich geregelt. Sie kann entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus einer Analogie zu § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG hergeleitet werden. Nach dieser Bestimmung entfaltet die Genehmigung einer Entgelterhöhung durch die Regulierungsbehörde nur dann Rückwirkung, wenn das regulierte Unternehmen im Verfahren nach § 123 VwGO eine Anordnung zur vorläufigen Zahlung eines beantragten höheren Entgelts erwirkt hat. Die fehlende Analogiefähigkeit folgt allerdings nicht bereits aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit des § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG. Denn das Bundesverfassungsgericht hat diese am 26. Juni 2004 in Kraft getretene Vorschrift als ursprünglich, also in dem hier in Rede stehenden Zeitraum, verfassungsgemäß angesehen (vgl. BVerfGE aaO Rn. 32 ff, 72; siehe auch jetzt § 35 Abs. 5a TKG).

33        Jedoch sind die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG nicht erfüllt.

34        Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. Die Lücke muss sich also aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zu Grunde liegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. Senat, Urteil vom 4. Dezember 2014 - III ZR 61/14, NJW 2015, 1176 Rn. 9).

35        Bereits eine Regelungslücke ist nicht erkennbar. Vielmehr bestand im Anwendungsbereich des 1998 in Kraft getretenen Postgesetzes ein den allgemeinen Regeln folgendes in sich geschlossenes System des Rechtsschutzes, das die Möglichkeit einer rückwirkenden Korrektur einer rechtswidrigen Entgeltgenehmigung einschloss. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass dem Gesetzgeber seinerzeit insoweit eine unbeabsichtigte Abweichung von seinem Regelungsplan unterlaufen ist, zumal die Rückwirkung aus den oben ausgeführten Gründen zur Verwirklichung des effektiven Rechtsschutzes für das regulierte Unternehmen grundsätzlich geboten ist. Daraus, dass in dem am 26. Juni 2004 in Kraft getretenen § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG für das Telekommunikationsrecht eine Beschränkung der Rückwirkung geregelt ist, lässt sich kein Schluss auf eine Regelungslücke in dem mehrere Jahre zuvor in Kraft getretenen, einen anderen Geschäftsbereich betreffenden Postgesetz ziehen.

36        Zudem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber zu einem gleichen Abwägungsergebnis gelangt wäre. Der Gesetzgeber hat die Beschränkung der Rückwirkung durch § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG damit begründet, die Differenz zwischen beantragten und genehmigten Entgelten könne sich zu ganz erheblichen Beträgen summieren, so dass die Mitbewerber in eine existenzbedrohende Situation geraten könnten (BT-Drucks. aaO S. 69 f). Es ist nicht erkennbar, dass eine vergleichbar kritische Situation im Postbereich zu besorgen ist. Die Beklagte, die sich bereits in den vorangegangenen Rechtszügen auf die Analogie zu § 35 Abs. 5 TKG berufen hat, hat mit der Revision keinen Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen aufgezeigt, aus dem sich solches ergeben könnte. Die Interessen der Mitbewerber des regulierten Postunternehmens finden dadurch Berücksichtigung, dass sie die Möglichkeit haben, sich über dessen Entgeltanträge zu informieren und damit abzuschätzen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie sich auf eine Erhöhung der Entgelte einstellen müssen. Gemäß § 8 Abs. 2 der Post-Entgeltregulierungsverordnung vom 22. November 1999 (BGBl. I S. 2386) veröffentlicht die Regulierungsbehörde Entgeltanträge nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PostG in ihrem Amtsblatt und auf ihrer Internetseite.

37        cc) Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die Wirkung der Entgeltgenehmigung vom 3. Mai 2013 für den darin bezeichneten Zeitraum nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil die Klägerin, anders als in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG für die Erhöhung telekommunikationsrechtlicher Entgelte vorgesehen, keinen Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO auf vorläufige Anordnung eines höheren Entgelts gestellt hat.

38        2. Rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Anspruch von der Beklagten nicht erfüllt worden ist.

39        3. a) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt. Die vereinbarte fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 6 Abs. 5 der AGB, gegen deren Wirksamkeit die Revision nichts erinnert und auch sonst keine Bedenken bestehen, ist rechtzeitig gehemmt worden. Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass ein Anspruch, dessen Bestand von einer Genehmigung abhängt, erst mit der Erteilung derselben im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entsteht, weil er erst ab diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden kann. Die Rückwirkung einer Genehmigung gemäß § 184 Abs. 1 BGB kann daher auf den Beginn der Verjährung keinen Einfluss haben (vgl. RGZ 65, 245, 248; MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl., § 199 Rn. 5). Entsprechendes muss gelten, wenn der Anspruch - wie hier - von einer behördlichen Genehmigung abhängt und diese auf einen früheren Zeitpunkt zurückwirkt.

40        b) Für eine Verwirkung fehlt es - wie vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt - sowohl am Umstands- als auch am Zeitmoment.

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