OLG Stuttgart: Embargo-VO– Zur Verweigerung der Ausführung von Zahlungsaufträgen
OLG Stuttgart, Urteil vom 7.2.2024 – 9 U 6/24
ECLI:DE:OLGSTUT:2024:0207.9U6.24.00
Volltext: BB-Online BBL2024-642-2
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Leitsatz
Die Überweisung einer deutschen GmbH von bei einem deutschen Kreditinstitut geführten Konto auf ein bei einem anderen deutschen Kreditinstitut geführten Konto desselben Kontoinhabers unterfällt nicht der Embargo-Verordnung VO (EU) 833/2014.
§ 675f BGB, § 675o BGB, Art 11f EUV 833/2014, Art 11 EUV 269/2014
Sachverhalt
I.
Die Verfügungsklägerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 22.12.2023 gegen den - ohne mündliche Verhandlung ergangenen - Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 14.12.2023, Az. 21 O 251/23. Mit diesem hat es ihren Antrag vom 12.12.2023 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte, eine u. a. mit der Abwicklung von Auslandszahlungen betraute Landesbank, zurückgewiesen, diese zu verpflichten, einen auf den Namen der Verfügungsklägerin geführten, 2017 eröffneten EU-Girokonto mit der Nr. ..3 befindlichen Betrag auf das genannte, ebenfalls auf ihren Namen geführte, Konto bei der Stadtsparkasse M. zu übertragen.
Die Verfügungsklägerin hatte der Verfügungsbeklagten im Juni 2023 zunächst einen Überweisungsauftrag in Höhe von 25.744.438,00 € zugunsten der russischen N. (nachfolgend: N.) erteilt (Anl. AG5). Diese beauftragte Überweisung diente der Rückzahlung einer von der N. zuvor geleisteten Anzahlung auf einen Anlagenbauvertrag vom 01.12.2021, von dem diese zurückgetreten war (Anl. K11).
Nach Anfang August 2023 geäußerten Bedenken der Verfügungsbeklagten gegen die Durchführung des Zahlungsauftrags im Hinblick auf gegen Russland verhängte Sanktionen nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EU) 833/2014 des Rates vom 31.07.2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, (Anl. K14) trat die N. den Rückzahlungsanspruch am 06.09.2023 an ihr Tochterunternehmen B. (nachfolgend: B.) ab. Mit dieser hatte die Verfügungsklägerin am 29.06.2022 einen ähnlichen Vertrag, allerdings geringeren Umfangs, geschlossen (Anl. K15 ff.). Spätestens seit dem 10.11.2023 begehrt die Verfügungsklägerin allein die Auszahlung an sich (s. Anl. K5 S. 1) durch Überweisung auf ein auf ihren Namen geführtes Konto bei der Stadtsparkasse M. (vgl. Anl. K10). Die von der Verfügungsbeklagten geforderten Unterlagen nebst Aufforderung der N. vom 21.08.2023, die ursprüngliche Überweisung nicht durchzuführen (Anl. K14, letzte Seite), brachte die Verfügungsklägerin nach Erstellung bzw. Beschaffung bei und legte nach Auszahlungsverweigerung vom 16.10.2023 (Anl. K4) Ende November 2023 eine Bestätigung der N. vor, aufgrund der Abtretung keine Rückzahlungsansprüche mehr geltend zu machen (Anl. K15). Abschließend heißt es darin:
“ Repeatedly we urge you to fulfill your obligations under the agreement between E. GmbH and B. № ... dated 29 June 2022 and to use EUR 25.744.438,00 on this project.“
Nach Bekräftigung der Auszahlungsverweigerung durch die Verfügungsbeklagte unter Verweis auf das Ergebnis eines ihrerseits eingeholten Gutachtens vom 12.12.2023 (Anl. K6) hat die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.
Diese hat das Landgericht mit dem mit der sofortigen Beschwerde vom 22.12.2023 angegriffenen und der Verfügungsklägerin am Folgetag zugestellten (Bl. I 55 der Akte) Beschluss vom 14.12.2023 mangels Verfügungsanspruchs und -grundes zurückgewiesen. Einen Auszahlungsanspruch habe die Verfügungsklägerin nicht, weil die Verfügungsbeklagte die Ausführung des Auftrags zu Recht unter Berufung auf Art. 11 Abs. 1 Buchst b) VO (EU) Nr. 833/2014 verweigert habe, wofür schon die Beweislastregel des Art. 11 Abs. 2 der Verordnung spreche. Unerheblich sei, dass keine russische Gesellschaft, sondern die Verfügungsklägerin den Anspruch geltend mache, weil es sich materiell weiterhin um einen Anspruch einer Gesellschaft mit Sitz in Russland handele. Auch sei § 404 BGB entsprechend anwendbar, wonach der Schuldner dem neuen Gläubiger die dem alten Gläubiger gegenüber bestehenden Einwendungen entgegenhalten könne.
Ein Verfügungsgrund liege nicht vor, weil die Verfügungsklägerin Verfügungen über den Betrag, wäre er nicht von einem Zahlungsverweigerungsrecht erfasst, auch gleich vom streitgegenständlichen Konto hätte vornehmen können, ohne ihn zunächst auf ein Konto bei einer anderen Bank zu transferieren.
Hiergegen wendet sich die Verfügungsklägerin unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags mit der sofortigen Beschwerde.
Sie beantragt zuletzt (Schriftsatz vom 22.01.2024, Bl. II 249 ff. der Akte),
die Antragsgegnerin wird, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 14.12.2023, verpflichtet, an die Antragsstellerin 25.744.438,00 Euro auf das Konto der Stadtsparkasse M., BIC: ..., mit der IBAN DE..4' unter Angabe des Verwendungszwecks, Umbuchung auf ...' auszuzahlen
Weiter hilfsweise:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Kontosperrung des Kontos der Antragsstellerin und Beschwerdeführerin aufzuheben.
Weiter hilfsweise:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, ohne Rücksicht auf weitere Ansprüche der Antragsstellerin, Auszahlungen zu genehmigen und entsprechende Überweisungsaufträge auszuführen, es sei denn ihr liegen im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für mit der Auszahlung einhergehende Sanktionsverstöße vor und die Antragsstellerin konnte diese Anhaltspunkte nicht entkräften.
Die Verfügungsbeklagte beantragt (Schriftsatz vom 18.01.2024, Bl. II 237 f. der Akte),
die sofortige Beschwerde der Antragstellerin und deren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Insbesondere unter Hinweis auf den Charakter des ursprünglich mit der N. geschlossen Geschäfts verteidigt sie den landgerichtlichen Beschluss hinsichtlich des auch ihrer Ansicht nach nicht vorliegenden Verfügungsanspruches. Die Verfügungsklägerin verschleiere weiterhin, dass es sich bei dem Vertrag mit der N. ursprünglich um ein nach der VO (EU) Nr. 833/2014 sanktioniertes Geschäft gehandelt habe, so dass die Rückzahlung der Anzahlung an sie nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung unzulässig sei. Dass das Guthaben nunmehr für den Vertrag mit der B. verwendet werden solle, sei eine Umgehung i.S.d. Art. 12 der Verordnung, da es wirtschaftlich weiterhin der N. zustehe. Das zeige sich auch daran, dass die Verfügungsklägerin weiterhin eine Verbindlichkeit gegenüber N. bilanziere.
Darüber hinaus gebe es auch keinen Verfügungsgrund, da die Verfügungsklägerin die behauptete Liquiditätskrise schon nicht konkret dargelegt und glaubhaft gemacht habe. Sie lege keine Liquiditätsbilanz und keine Verträge vor. Dagegen spreche schon das noch auf einem weiteren bei der Verfügungsbeklagten geführten - nicht gesperrten - Konto befindliche Guthaben i.H.v. über 5,9 Mio. € (Anl. K32). Auch sei die Verfügungsklägerin nicht schutzwürdig, weil sie sich selbst durch voreilige Überweisung und Akzeptanz der Bezahlung durch die B. mit der Forderung der N. eingelassen habe.
Letztlich begehre die Verfügungsklägerin eine Vorwegnahme der Hauptsache, ohne dass deren strenge Voraussetzungen wie insbesondere eine existenzielle Notlage gegeben seien. Letztere läge bei juristischen Personen ohnehin nie vor, weil Kapitalgesellschaften grundsätzlich nur dann eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung besäßen, wenn sie ihre Ziele und Aufgaben aus eigener Kraft zu verfolgen in der Lage seien.
Aus den Gründen
II.
Die nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und nach §§ 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist begründet.
Mit Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 03.01.2024 hat allerdings der Verfahrensgang gewechselt, weshalb der Senat durch Berufungsurteil entscheidet. Denn nach §§ 922 Abs. 1 Satz 1, 936 ZPO ist im einstweiligen Rechtsschutz aufgrund mündlicher Verhandlung zwingend durch Urteil zu entscheiden (s. etwa MüKo ZPO, Drescher, 6. Aufl. 2020, § 922, Rn. 20; Musielak/Voit, Huber, 20. Aufl. 2023, § 922 ZPO, Rn. 10b; BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Mayer, 51. Ed., 01.12.2023, § 922 ZPO, Rn. 15; Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 27.02.2013 - 8 U 10/13, zit. nach juris, Rn. 5 f.; KG, Urteil vom 20.08.2019 - 21 W 17/19 = NJW-RR 2019, 1231, dort Rn. 15).
Die Verfügungsklägerin hat sowohl einen Verfügungsanspruch [s.u. 1.] als auch einen Verfügungsgrund [s.u.2.] i.S.d. §§ 935, 940 ZPO glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO).
1.
Die Verfügungsklägerin hat einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht.
Sie hat aus §§ 675f Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, 675c BGB i.V.m. dem Kontoeröffnungsvertrag über das bei der Verfügungsbeklagten geführte Konto mit der Nr. ..3 und dem Zahlungsauftrag einen Anspruch gegen sie auf Umbuchung durch Übermittlung des Betrages von 25.744.438,00 € auf das bei der Stadtsparkasse M. ebenfalls auf ihren Namen geführte Konto mit der Nr. 2.. (IBAN DE..4).
Die Parteien haben einen Zahlungsdiensterahmenvertrag i.S.d. § 675c Abs. 2 BGB über die Führung eines auf den Namen der Verfügungsklägerin lautenden EU-Girokontos mit der Nr. ..3 geschlossen (Anl. AG11). Hiermit hatte sich die Verfügungsbeklagte verpflichtet, von der Verfügungsklägerin autorisierte Zahlungsvorgänge auszuführen. Die Verfügungsklägerin erteilte der Verfügungsbeklagten spätestens am 10.11.2023 (Schriftsatz vom 16.01.2024, S. 21, Bl. II 286 der Akte) einen nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien wirksamen Zahlungsauftrag i.S.d. § 675c Abs. 4 Satz 2 BGB zur Umbuchung eines Betrages von 25.744.438,00 € auf das bei der Stadtsparkasse M., ebenfalls auf ihren Namen geführte, Konto mit der Nr. 2.. (IBAN DE..4).
Die Verfügungsbeklagte ist nicht berechtigt, die Ausführung des Zahlungsauftrages nach § 675o BGB abzulehnen, weil keine Anhaltspunkte für die Nichteinhaltung vereinbarter Ausführungsbedingungen vorliegen [s.u.a)] und die Ausführung auch nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt (§ 675o Abs. 2 BGB). Sie führt weder zu einer nach Art. 11 Abs. 1 VO (EU) 833/2014 unzulässigen Erfüllung [s.u.b)] noch zu einer Auszahlung nach Art. 2 der VO (EU) Nr. 269/2014 des Rates vom 17.03.2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, eingefrorener Gelder oder Stattgabe von Forderungen i.S.d. Art. 11 Abs. 1 derselben Verordnung [s.u.c)].
a)
Die Nichterfüllung von Ausführungsbedingungen für den von der Verfügungsklägerin autorisierten Zahlungsvorgang ist nicht ersichtlich (§ 675o Abs. 2, 1. Halbs. BGB). Unstreitig beantragte deren legitimierter Prozessvertreter spätestens am 10.11.2023 ausdrücklich die Überweisung auf das andere Konto der Verfügungsklägerin (Bl. II 286 der Akte).
Das Konto weist ausreichendes Guthaben von 25.747.479,50 € (Anl. K9) auf.
Auch fehlt der Verfügungsklägerin nicht deswegen die Berechtigung zur Auftragserteilung, weil das vorhandene Guthaben aufgrund des zuvor erteilten „unwiderruflichen Zahlungsauftrags“ vom 16.06.2023 (vgl. nur § 675p BGB, s. auch Anl. AG5) zu Gunsten der Fa. N. anderweitig gesperrt ist. Die Fa. N. als benannte Zahlungsempfängerin hat die Zustimmung zum Widerruf erteilt (arg e § 675p Abs. 4 Satz 2 BGB), indem sie selbst mit an die Verfügungsbeklagte gerichtetem Schreiben vom 21.08.2023 (Anl. K14, Anl. Kl./ASt, Bl. II 42) den bis dahin unwiderruflichen Zahlungsauftrag vom 16.06.2023 (Anl. AG5) widerrief und sie aufforderte, die „irrevocable payment order“ zurückzurufen („Please recall“).
Anhaltspunkte für die Nichteinhaltung sonstiger vereinbarter Ausführungsbedingungen (vgl. § 675o Abs. 2, 1. Halbs. BGB) liegen nicht vor. Insbesondere fehlt zur Ausführung nicht nach § 158 Abs. 1 BGB der Eintritt einer diesbezüglich vereinbarten aufschiebenden Bedingung. Die Verfügungsbeklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2024 (Prot. Bl. II 354 ff. der Akte) ausdrücklich erklärt, die vor dem Geldeingang möglicherweise vereinbarte Bedingung einer vorherigen Freigabe durch die Bundesbank habe sich ausdrücklich und ausschließlich auf die zunächst beabsichtigte Zahlung an die N. bezogen. Auch eine Kontosperre haben die Parteien vertraglich nicht vereinbart (vgl. Anl. AG 11).
b)
Die Ausführung des Zahlungsauftrages verstößt nicht deswegen gegen Art. 11 Abs. 1 VO (EU) 833/2014 als sonstige Rechtsbestimmung i.S.d. § 675o Abs. 2 BGB, weil damit Ansprüche im Zusammenhang mit Verträgen oder Geschäften erfüllt würden, die durch Maßnahmen der VO (EU) 833/2014 zumindest mittelbar berührt werden.
Dahinstehen kann entgegen der ausführlichen Stellungnahme der Verfügungsbeklagten - was das Landgericht (obwohl es aus seinem Standpunkt zwingende Voraussetzung gewesen wäre) nicht geprüft hat -, ob es sich entweder bei dem der Anzahlung zugrunde liegenden Vertrag mit der N. vom 01.12.2021 und/oder dem späteren, der Abtretung des Rückzahlungsanspruchs zugrunde liegenden Vertrag mit der B. vom 29.06.1922 (Anl. K2, K16 f.) überhaupt um Verträge handelt, die durch die mit VO (EU) 833/2014 verhängten Maßnahmen unmittelbar oder mittelbar, ganz oder teilweise berührt werden.
Jedenfalls macht den Anspruch auf Ausführung des Zahlungsauftrags weder eine in den Anhängen der VO (EU) 833/2014 gelistete Person oder Einrichtung, noch eine sonstige russische Person oder Einrichtung geltend. Auch handelt die Verfügungsklägerin nicht im Namen einer derartigen Person oder Einrichtung [s.u. aa)]. Der Auftrag zur Umbuchung auf das Konto bei der Stadtsparkasse M. ist entgegen der Ansicht des Landgerichts auch materiell nicht als Geltendmachung eines Anspruchs der B. als russische juristische Person anzusehen [s. u. bb)].
aa)
Die Verfügungsklägerin ist keine in den Anhängen der VO (EU) 833/2014 gelistete oder eine sonstige russische juristische Person (Art. 11 Abs. 1 a), b) VO (EU) 833/2014). Sie ist eine bereits 1989 nach deutschem Recht gegründete GmbH mit Sitz in M. (s. Anl. K21). Auch die Geschäftsführer und Gesellschafter der Verfügungsklägerin haben, wie sie mittels eidesstattlicher Versicherung ihrer Geschäftsführerin vom 14.12.2023 (Anl. K8) nach § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht hat, weder die russische, sondern die deutsche und slowenische, Staatsangehörigkeit, noch wird die Verfügungsklägerin von russischen Personen oder Unternehmen kontrolliert.
Die Verfügungsklägerin handelt auch nicht über oder im Namen der B. als russischer Gesellschaft (Art. 11 Abs. 1 c) VO (EU) 833/2014). Eine derartige Verknüpfung ergibt sich entgegen der offensichtlichen Ansicht der Verfügungsbeklagten, die die Verfügungsklägerin als lediglich zwischengeschaltete Person zur Geltendmachung des Anspruchs der N. ansieht (Bl. II 298 ff. der Akte), nicht aus der Anweisung der N. vom 21.11.2023 (Anl. K15 unter Nr. 6), den Betrag für die Verpflichtungen aus dem Vertrag mit B. vom 29.06.2022 (Anl. K2, K16 f.) zu verwenden. Für sich genommen könnte zwar die Passage „we urge you to fulfill your obligations under the agreement between E. GmbH and B. […]“: „wir fordern Sie auf, Ihre Verbindlichkeiten aus dem Vertrag zwischen der E. GmbH und B. zu erfüllen“ - mit viel Mühe - als Aufforderung zur Erfüllung des (abgetretenen) Rückzahlungsanspruchs verstanden werden.
Stattdessen ist die Passage aber unter der Berücksichtigung der Bezugnahme auf den Vertrag zwischen der Verfügungsklägerin und der B. deutlich als Aufforderung zur Erbringung der die Verfügungsklägerin treffenden Hauptleistungspflicht zu verstehen, also die Erstellung und Verschaffung der bestellten Anlage. Denn nach §§ 133, 157 BGB sind Erklärungen aus dem objektiven Empfängerhorizont vor dem Hintergrund aller bekannten und erkennbaren Umstände sowie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (s. statt vieler nur Grüneberg, Ellenberger, 83. Aufl. 2024, § 133 BGB, Rn. 9) auszulegen. Die danach zugrunde liegenden Umstände sind vorliegend sowohl die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der B. als auch und insbesondere die bekannten Schwierigkeiten mit der Bezahlung der Lieferanten und der eigenen Arbeitnehmer, die aber zur Erbringung der vereinbarten Hauptleistungen erforderlich ist. Gerade der letzte Halbsatz „to use EUR 25.744.438,00 on this project“ lässt keine andere Auslegung zu. Denn die Aufforderung, den Betrag für das Projekt „zu verwenden“ zielt eindeutig auf die eigenverantwortlich disponierte Verwendung für den in Bezug genommenen Vertrag und gerade nicht auf eine Erfüllung eines abgetretenen Rückzahlungsanspruchs. Der Vertrag mit der B. wiederum verpflichtete die Verfügungsklägerin nicht zur Zahlung, sondern zur Durchführung von Arbeiten und Dienstleistungen sowie Lieferung von Waren (Anl. K16, K17 Abschnitt 2, S. 11). Da die B. hierfür z. T. Anzahlungen und z.T. Zahlungen nach Vertragsfortschritt zu erbringen hat (Anl. K16, K17 Abschnitt 3, S. 12 ff.) ist die Anweisung der Verwendung des Betrages in Höhe der abgetretenen Forderung allein als Aufforderung zu verstehen, diese Mittel zur Erbringung der Hauptleistungspflichten zu nutzen, wie dies unter Nr. 4.2.4 des Vertrages bestimmt ist (Anl. K16, K17, jeweils S. 18).
bb)
Der Auftrag zur Umbuchung auf das Konto bei der Stadtsparkasse M. ist entgegen der Ansicht des Landgerichts auch materiell nicht als Geltendmachung eines Anspruchs der B. als russischer juristischer Person anzusehen, die entgegen Art. 12 VO (EU) 833/2014 eine unzulässige Umgehung der in Art. 11 der Verordnung vorgesehenen Erfüllungsverbote darstellte.
(1)
Das ergibt sich allerdings nicht bereits aus einer Konfusion des ursprünglich der N. zustehenden Rückzahlungsanspruchs durch die Abtretung vom 06.09.2023. Denn ein derartiges Erlöschen der Forderung erfolgt lediglich durch Abtretung an den Schuldner (Grüneberg, Grüneberg, a.a.O., § 398 BGB, Rn. 3 aE). Die N. hat den Rückzahlungsanspruch nicht an die Verfügungsklägerin als Schuldnerin, sondern an die B. abtreten.
(2) Eine nach Art. 12 der VO (EU) 833/2014 verbotene Umgehung ist auch nicht durch Untergang des Rückzahlungsanspruchs infolge wirksamer Aufrechnung ausgeschlossen. Eine solche wurde nach Klarstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 31.01.2024 nicht erklärt.
(3)
Dennoch stellt sich der Zahlungsauftrag der Verfügungsklägerin an die Verfügungsbeklagte entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten nicht als nach Art. 12 unzulässige Umgehung der in Art. 11 der Verordnung vorgesehenen Erfüllungsverbote dar. Denn eine Erfüllung kann letztlich nur an den Forderungsgläubiger oder allenfalls an einen von ihm zur Entgegennahme ermächtigten Dritten erfolgen. Die Verfügungsklägerin begehrt aber keine Überweisung an die B. oder einen von dieser benannten Dritten. Sie macht entgegen der Ansicht des Landgerichts gar keinen in der Verordnung geregelten, sondern allein ihren der Verfügungsbeklagten gegenüber bestehenden Anspruch aus dem Kontoführungs- und Zahlungsdiensterahmenvertrag auf Ausführung eines erteilten Zahlungsauftrages zur Umbuchung auf ein - seit 1983 bestehendes - allein auf ihren Namen geführtes Konto bei der Stadtsparkasse M. mit der Nr. 2.. (Anl. K10) geltend. Mit dieser reinen Umbuchung erfolgt keine Erfüllung eines in einem i.R.d. operativen Geschäfts geschlossenen Anlagenbauvertrages begründeten Anspruchs, weil weder die B. noch sonst ein Dritter die Verfügungsmacht über einen Auszahlungsanspruch erhält, sondern sie bei der Verfügungsklägerin verbleibt. Diese wiederum bleibt auch unverändert Schuldnerin des an die B. abgetretenen Anspruchs, da sie als Schuldnerin Buchgeld auf ein anderes eigenes Konto transferieren will. Eine Umbuchung des Schuldners an den Schuldner führt nicht zur Erfüllung des Anspruchs seines Gläubigers.
Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten ergibt sich nichts anderes aus der Tatsache, dass die Verfügungsklägerin weiterhin eine Forderung der bzw. - dann aus ihrer Sicht - eine Verbindlichkeit gegenüber der N. verbucht (Schriftsatz vom 26.01.2024, S. 33 f., Bl. II 298 f. der Akte). Damit kommt sie lediglich der ihr aus §§ 238, 246, 253 Abs. 1 Satz 2 HGB obliegenden Buchführungspflicht nach. Gerade weil die Rückzahlungsverpflichtung aus dem aufgelösten Vertrag - entsprechend dem Verbot aus Art. 11 Abs. 1 VO (EU) 833/2014 - nicht erfüllt wurde und fortbesteht, ist die Forderung der N. weiterhin auszuweisen. Diese Verbindlichkeit ist auch - weiterhin - unabhängig davon zu buchen, ob sich das streitgegenständliche Guthaben auf einem bei der Verfügungsbeklagten oder einem auf den Namen der Verfügungsklägerin geführten Konto bei einem anderen im Inland ansässigen Kreditinstitut wie der Stadtsparkasse M. befindet, auf das die Gläubigerin keinen Zugriff hat.
Und schließlich liegt in der Umbuchung des Betrages auf dieses, ebenfalls (allein) auf den Namen der Verfügungsklägerin geführte Konto auch keine einer - unterstellt sanktionsbewährten - Erfüllung des abgetretenen Rückzahlungsanspruchs der N. gleichkommende Erfüllung des vertraglichen Anspruchs der B.. Denn dieser schuldet die Verfügungsklägerin aus dem Vertrag vom 29.06.2022 (weiterhin und völlig unabhängig davon, auf welchem der deutschen Konten der Verfügungsklägerin sich das Guthaben befindet) die Durchführung von Arbeiten und Dienstleistungen sowie Lieferung von Waren (Anl. K16, K17 Abschnitt 2, S. 11). Soweit deren Entgeltverbindlichkeit gegenüber der Verfügungsbeklagten dann infolge einer von ihr gegebenenfalls später noch zu erklärenden Aufrechnung [vgl. oben unter (2)] erlöschen und - wie die Verfügungsbeklagte betont - letztlich dem „N.-Konzern“ zugute kommen sollte, beruht das in keiner Weise kausal auf der begehrten Umbuchung, sondern auf der Abtretung des Rückzahlungsanspruchs der N. an die B. vom 06.09.2023. Diese wiederum erfolgte offensichtlich zwischen russischen Gesellschaften in Russland und damit außerhalb des räumlichen und sachlichen Anwendungsbereiches der VO (EU) 833/2014. Dass die Verfügungsklägerin dies gesteuert hätte, ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich.
Die begehrte Umbuchung des auf dem streitgegenständlichen Konto befindlichen Guthabens von 25.744.438,00 € auf das Konto der Verfügungsklägerin bei der Stadtsparkasse M. hat mit dem Regelungsgehalt der VO (EU) 833/2014 schlicht nichts zu tun, auch nicht über den „Umweg“ über die B.. Sie kann vollständig hinweggedacht werden (s. zur Kausalität statt vieler nur Grüneberg, Grüneberg, aaO., Vorb v. § 249 BGB, Rn. 25 ff.), ohne dass
der Vertragsschluss mit der B. mit der daraus folgenden Leistungs- und Lieferpflicht, die sie nach Art. 3k Abs. 1, Abs. 3aa und 3ab i.V.m. Anh. XXIII, XXIIIA und XXIIIB der VO (EU) 833/2014 auch noch bis zum Ablauf einer am 20.03.2024 auslaufenden Übergangsfrist erfüllen darf,
die sich daraus auch ergebende Zahlungspflicht der B.,
die Abtretung des Rückzahlungsanspruchs oder auch
eine etwaige, noch zu erklärende Aufrechnung der B.
entfällt. Sie wirkt sich auch in keiner Weise hierauf aus.
(4)
Indem die Verfügungsklägerin ihren Anspruch auf Ausführung eines Zahlungsauftrages i.S.d. § 675f BGB geltend macht, steigt auch nicht etwa das von der Verfügungsbeklagten zu kontrollierende Risiko einer entgegen Art. 11 der VO (EU) 833/2014 zu erwartenden Erfüllung des abgetretenen Rückzahlungsanspruchs gegenüber der B.. Gegebenenfalls ließe sich hinsichtlich der Beachtung der Russlandsanktionen eine gewisse Skepsis der Verfügungsbeklagten gegenüber einer Umbuchung auf eine der B. nahestehenden Bank, wie es die inzwischen liquidierte, russisch kontrollierte V. gewesen sein mag (vgl. insbesondere die Darstellung der „aktuelle[n] Situation“ auf https://....de/de), und von der das Geld gekommen war, u. U. begründen. Eine derartige Skepsis wäre gegenüber der Stadtsparkasse M. als Anstalt öffentlichen Rechts und Mitglied der traditionellen Sparkassenorganisation mit in öffentlicher Trägerschaft befindlichen Instituten und öffentlichem Versorgungsauftrag (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 7 SpkG NW) indessen ohne besondere Anhaltspunkte offensichtlich unbegründet. Die kontoführende Sparkasse ist ihrerseits sowohl an Artt. 11 f. VO (EU) 833/2014 als auch an die ihr mit dem Geldwäschegesetz auferlegten Prüf- und Meldepflichten gebunden, wovon offensichtlich auch die Verfügungsbeklagte ausgeht (s. Schriftsatz vom 26.01.2024, S. 26, Bl. II 291 der Akte). Ohne besondere, hier nicht einmal entfernt ersichtliche, Anhaltspunkte besteht kein Grund zur Annahme, dass sie diesen Pflichten ihrerseits nicht nachkommen, insbesondere eine nach Art. 11 der Verordnung verbotene Erfüllung zulassen wird.
Völlig unerheblich ist vor diesem Hintergrund auch das vom Landgericht aufgeworfene Argument, die Verfügungsklägerin könne zulässige Verfügungen gleichermaßen vom streitgegenständlichen Konto veranlassen. Solange sie gegenüber der Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Ausführung der beauftragten Umbuchung aus § 675f BGB hat, den diese nach § 675o Abs. 2 BGB nicht ablehnen darf, hat sie ihn unabhängig davon auszuführen, ob Verfügungen nicht auch auf anderen Wegen möglich wären.
Ähnliches gilt für den Einwand der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin könne fällige Verbindlichkeiten auch mit dem auf dem bei ihr geführten Parallelkonto mit der Nr. ..1 befindlichen Guthaben erfüllen, zumal völlig unverständlich ist, warum - aus Sicht der Verfügungsbeklagten - dann dieselben Zahlungen nicht gegen Art. 11 VO (EU) 833/2014 verstoßen sollten.
Es obliegt allein der Dispositionsbefugnis der Verfügungsklägerin, mit welchen - vorhandenen - Mitteln sie ihre Verbindlichkeiten erfüllt, solange sie damit - wie vorliegend - nicht gegen Rechtsvorschriften verstößt (vgl. wiederum § 675o Abs. 2 BGB).
(5)
Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Landgerichts aus der Beweislastregelung des Art. 11 Abs. 2 VO (EU) 833/2014, wonach derjenige die Beweislast dafür trägt, dass die Erfüllung eines Anspruchs nicht nach dessen Abs. 1 verboten ist, der den Anspruch geltend macht. Diese Regelung bezieht sich nicht auf den streitgegenständlichen Anspruch auf Ausführung einer Umbuchung auf ein eigenes Konto der Schuldnerin und ist mangels planwidriger Regelungslücke sowie nicht einmal entfernt vergleichbarer Interessenlage als Ausnahmevorschrift hierauf auch nicht entsprechend anwendbar (s. zu den Analogievoraussetzungen statt vieler etwa BGH, Urteil vom 14.12.2006 - IX ZR 92/05, zit. nach juris, Rn. 15). Wie oben unter (3) und (4) ausgeführt, macht die Verfügungsklägerin nicht als Gläubigerin oder in deren Auftrag einen Erfüllungsanspruch i.S.d. Art. 11 Abs. 1 der Verordnung geltend, sondern ihren aus dem Kontoführungs- und Zahlungsdiensterahmenvertrag bestehenden bankrechtlichen Anspruch auf Ausführung eines Zahlungsauftrages in Form einer reinen Umbuchung auf ein auf den eigenen Namen geführtes Konto. Eine Erfüllung eines Anspruchs i.S.d. Art. 11 Abs. 1 der Verordnung könnte allenfalls in der Folge durch (weitere) Überweisung der Schuldnerin von ihrem Konto bei der Stadtsparkasse M. an die B. als Gläubigerin des abgetretenen Anspruchs oder einen von ihr als empfangsberechtigt benannten Dritten erfolgen.
c)
Die Ausführung des erteilten Zahlungsauftrages führt auch weder zu einer Auszahlung nach Art. 2 der VO (EU) 269/2014 eingefrorener Gelder noch zur Stattgabe von Forderungen i.S.d. Art. 11 Abs. 1 dieser Verordnung.
Eingefroren sind nach Art. 2 VO (EU) 269/2014 nur Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum oder Besitz der in deren Anhang I aufgeführten Personen, Einrichtungen oder Organisationen oder der dort aufgeführten, mit diesen in Verbindung Stehender sind. Weder die N. noch die B. oder gar die Verfügungsklägerin sind in irgendwelchen Anhängen der Verordnung aufgeführt. Für sanktionsrelevante Verbindungen oder Verflechtungen bestehen keinerlei Anhaltspunkte.
Folglich führt die Ausführung des erteilten Zahlungsauftrages ebenfalls nicht zur Stattgabe von Forderungen i.S.d. Art. 11 Abs. 1 der VO (EU) 269/2014, da es sich hierbei nur um solche handelt, die von den mit dieser Verordnung verhängten Maßnahmen berührt werden. Davon geht auch die Verfügungsbeklagte offensichtlich nicht aus, weil sie - obwohl sie mit der Kontosperre materiell genau das bewirkt - eine Grundlage für das Einfrieren des Guthabens nicht sieht (s. nur Schriftsatz vom 26.01.2024, S. 26, Bl. II 291 der Akte).
2.
Die Verfügungsklägerin hat einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Der Erlass der einstweiligen Verfügung ist - auch unter Berücksichtigung der besonders engen Voraussetzungen einer die Hauptsache vorwegnehmenden Leistungsverfügung (s. etwa BGH, Beschluss vom 11.10.2017 - I ZB 96/16 = NJW 2018, 1317, zit. nach juris, Rn. 34 f.; BeckOK ZPO/Mayer, 51. Ed. 01.12.2023, ZPO § 938 Rn. 14, 18; MüKoZPO, Drescher, 6. Aufl. 2020, § 938, Rn. 8 ff.; Musielak/Voit/Huber, 20. Aufl. 2023, ZPO § 938, Rn. 4) - zur Abwendung wesentlicher Nachteile der Verfügungsklägerin notwendig.
Dahinstehen kann, ob die Verfügungsklägerin eine existenzielle Notlage i.S.d. § 294 ZPO glaubhaft gemacht hat, obwohl sie weder eine vollständige Liquiditätsbilanz noch alle diese stützenden Verträge vorgelegt hat. Dafür sprechen allerdings die eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin vom 22.12.2023 (Anl. K20), wonach sie von kurzfristig fälligen Lieferanten- und Lohnforderungen der eigenen Angestellten über insgesamt ca. 16 Mio. € (Anl. K19 f.) lediglich einen Teilbetrag von ca. 5 Mio. € aus sonstigen, freien Mitteln habe begleichen können und im Übrigen spätestens ab Ende 2023/Beginn 2024 auf das auf dem streitgegenständlichen Konto befindliche Guthaben angewiesen sei, weil weder die Verfügungsbeklagte noch andere Kreditinstitute zur Ausreichung entsprechender Darlehensmittel bereit seien (vgl. auch E-Mail vom 24.11.2023, Anl. K7). Aus der vorgelegten Gegenüberstellung der konkret verfügbaren Kontoguthaben nebst zu erwartenden kurzfristigen Eingängen mit den bis zum 14.02.2024 fälligen Verbindlichkeiten (Anl. K32) ergibt sich ohne das streitgegenständliche Guthaben dann auch eine Unterdeckung von - je nach Einbeziehung eines bloßen Bestellobligos - von ca. 1,5 Mio. € bzw. 3,5 Mio. €. Danach droht die Verfügungsklägerin nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO, wenn und insoweit sie weder Stundungsvereinbarungen noch anderweitige Mittel erlangen kann, u.U. nur deshalb unmittelbar zahlungsunfähig zu werden, weil die Verfügungsbeklagte das Guthaben nicht freigibt.
Vor diesem Hintergrund ist die von der Verfügungsbeklagten zitierte und auch von der Literatur weithin befürwortete Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 20.06.2018 - 7 U 1079/18, zit. nach juris, Rn. 49), wonach eine Leistungsverfügung zugunsten einer juristischen Person zur Vermeidung der Insolvenz mangels Existenzberechtigung nicht erlassen werden könne (s. auch BeckOK ZPO, Mayer, 51. Ed. 1.12.2023, § 938, Rn. 18; Saenger, Kemper, 10. Aufl. 2023, § 940 ZPO, Rn. 12), schlicht nicht anwendbar. Ohne die Sperrung des Kontoguthabens von immerhin über 25,5 Mio. € wäre eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Verfügungsklägerin z.Z. nicht einmal entfernt absehbar. Sie begehrt also mithilfe der einstweiligen Verfügung nicht etwa die Herstellung einer sonst nicht gegebenen wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit, sondern die Wiederherstellung des ohne den vertragswidrigen Entzug vorhandener Mittel durch die Verfügungsbeklagte bestehenden Zustands. Der Bundesgerichtshof hält eine existenzielle Notlage ohnehin offenbar nicht für eine zwingende Voraussetzung für den Erlass einer Leistungsverfügung und diese auch zugunsten eines Unternehmens für möglich (vgl. nur Beschluss vom 11.10.2017 - I ZB 96/16 = NJW 2018, 1317).
Jedenfalls führt die unter vorsätzlichem Verstoß gegen die mit dem Kontoführungsvertrag vom 28.11.2018 (Anl. AG11) übernommenen vertraglichen Pflichten und gegen gesetzliche Regelungen wie hier gegen § 675o Abs. 2 BGB erfolgte Weigerung der Ausführung des Umbuchungsauftrags zur umfänglichen Kontosperre, die der Verfügungsklägerin unberechtigt die Verfügungsbefugnis über ihr Guthaben völlig entzieht. Die Verfügungsbeklagte handelt - auch ohne jede Schädigungsabsicht - trotz möglicher Befürchtung einer Anwendbarkeit der VO (EU) 833/2014 vorsätzlich i.S.d. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil dazu genügt, dass sie die Ausführung der Umbuchung in Kenntnis der mit dem Zahlungsdiensterahmenvertrag übernommenen Pflichten verweigert (s. zum Vorsatz statt vieler nur Grüneberg, Grüneberg, a.a.O., § 276 BGB, Rn. 10 f.). Ein etwaiger Irrtum über die Rechtswidrigkeit war jedenfalls seit dem 26.01.2024 beseitigt: Spätestens seit dem 10.11.2023 ist der Verfügungsbeklagten bewusst, dass die -klägerin keine möglicherweise gegen Art.11 Abs. 1 der VO (EU) 833/2014 verstoßende Rückzahlung des Betrages an die N. mehr begehrt, sondern eine bloße Umbuchung auf ein eigenes, bei einer westdeutschen Sparkasse geführtes Konto. Selbst die von den Parteien über den Sachverhalt informierten und für die Durchsetzung möglicherweise einschlägiger Sanktionsvorschriften zuständigen Behörden wie die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung (ZfS) sowie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle - BAFA - und die Deutsche Bundesbank (vgl. nur §§ 1, 11 ff. des Gesetzes zur Durchsetzung von wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen - SanktDG, § 13 Außenwirtschaftsgesetz - AWG) halten Artt. 11 f. der VO (EU) 833/2014, wie die Verfügungsbeklagte seit dem 26.01.2024 weiß (Schriftsatz vom 26.01.2024, Bl. II 321 f.), für nicht anwendbar (vgl. nur Antwort der BAFA) bzw. sich nicht einmal für zuständig (E-Mail der ZfS vom 26.01.2024, Anl. AG 10). Auch die Deutsche Bundesbank habe nach Angaben der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2024 (Prot. Bl. II 354 ff. der Akte) erklärt, nicht zuständig zu sein.
Im Falle eines sogar vor diesem Hintergrund beharrlichen Entzugs jeglicher Verfügungsbefugnis durch vorsätzliche Verletzung des Kontoführungsvertrags - zumal über einen Betrag in der Größenordnung von weit über 25 Mio. €, den auch gesunde mittelständige Unternehmen mit stabiler und solider wirtschaftlicher Grundlage kaum kurzfristig generieren können - hält der Senat eine besondere Dringlichkeit für die Geltendmachung eines Auszahlungsanspruchs gegenüber einer kontoführenden Bank für erlässlich (ähnlich OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 16.02.2011 - 17 U 234/10 = WM 2011, 693 [694]). Denn nach Abwägung der Interessen beider Parteien überwiegen die der Verfügungsklägerin deutlich, weil einerseits die offensichtlich zu Recht begehrte Anspruchsdurchsetzung für sie wegen der Gefahr weiterer Beeinträchtigungen bereits geschlossener Verträge besonders dringlich und andererseits das Risiko der Verfügungsbeklagten, im Verfügungsverfahren zu Unrecht zum Rückruf verpflichtet zu werden, äußerst gering ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11.10.2017 - I ZB 96/16 = NJW 2018, 1317, zit. nach juris Rn. 35). Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten ist eine gegen europäisches Sanktionsrecht verstoßende Entscheidung nicht einmal entfernt begründbar. Zu den von der Verfügungsbeklagten aufgeworfenen Rechtsfragen gibt es deswegen keine Rechtsprechung, weil die von ihr herangezogene Verordnung auf eine innerdeutsche Umbuchung auf ein Konto desselben Kontoinhabers schlicht nicht - nicht einmal bei weiter Auslegung - anwendbar ist. Deshalb steht auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass das Ergebnis dieser Entscheidung dem in einem etwaigen Hauptsacheverfahren zu erwartenden entspricht.
Zudem ergibt sich nunmehr eine besondere Dringlichkeit aus dem mit der VO (EU) 2023/2878 des Rates vom 18.12.2023 zur Änderung der VO (EU) 833/2014 beschlossenen sogenannten 12. Sanktionspaket der EU gegen Russland, wonach die Lieferung entsprechend des mit der B. am 29.06.2022 geschlossenen Vertrags (Anl. K16 f., K2) nach einer Übergangsfrist bis zum 20.03.2024 unter das Russland-Embargo fallen wird (Art. 3k Abs. 1, Abs. 3aa und 3ab i.V.m. Anh. XXIII, XXIIIA und XXIIIB). U.U. kann die Verfügungsklägerin die daraus noch zu erwartenden restlichen Zahlungen von immerhin ca. 15 Mio. € für bereits erteilte Aufträge sowie für weitere ca. 6,4 Mio. € für noch erforderliche Aufträge (s. Forderungsübersicht nebst Kostenschätzung sowie Vertragsauszügen in Anl. K 24 ff.) danach - also insbesondere nach Durchführung eines ordentlichen Klageverfahrens - nicht mehr erlangen (vgl. aber Anl. K20, K17 S. 12 ff.).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, Nr. 1420 KV GKG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht auf der Grundlage der §§ 936, 929 Abs. 1 ZPO.