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Wirtschaftsrecht
01.10.2025
Wirtschaftsrecht
KG: Einstweilige Verfügung gegen abberufenen Gesellschafter-Geschäftsführer – Selbstwiderlegung der Dringlichkeit

KG, Beschluss vom 23.9.2025 – 2 U 52/25

ECLI:DE:KG:2025:0923.2U52.25.00

Volltext: BB-Online BBL2025-2305-1

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

1. Einem abgerufenen Gesellschafter-Geschäftsführer kann im Wege der einstweiligen Ver-fügung die weitere Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft untersagt werden, wenn ohne die beantragte einstweilige Regelung eine konkrete, schwerwiegende Beeinträchtigung der Interessen der Gesellschaft droht, wobei an das Vorliegen des Verfügungsgrundes strenge Anforderungen zu stellen sind.

2. Beantragt der in erster Instanz unterlegene Verfügungskläger in einem Streit um die Ab-berufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers eine nicht nur unerhebliche Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist und schöpft er die Verlängerung weitgehend oder vollständig aus, führt dies regelmäßig zu einer Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen.

§ 38 GmbHG, § 520 Abs 2 ZPO, § 935 ZPO, § 940 ZPO

Aus den Gründen

I. Die zumindest seinerzeit von L. C. und seiner Ehefrau innegehaltene Verfügungsklägerin mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein wurde in 2019 Gründungsgesellschafterin der C. G. C. GmbH (fortan: CGC) und C. deren Geschäftsführer. Im Jahr 2021 übernahm der Verfügungsbeklagte 50 % der Geschäftsanteile der CGC und wurde ebenfalls Geschäftsführer. Die CGC fungiert als Komplementärin von verschiedenen Kapitalanlage-Kommanditgesellschaften (Anlage-KG’s), die Anteile an sog. Portfolio-Gesellschaften halten.

 

Spätestens ab Anfang 2024 kam es zwischen den Geschäftsführern der CGC zu Meinungsverschiedenheiten. Auf einer Gesellschafterversammlung der CGC am 23.09.2024 stimmten die jeweiligen Gesellschafterlager für die Abberufung des jeweils aus dem anderen Lager stammenden Geschäftsführers aus wichtigem Grund. Nach einer Beschlussverfügung des Landgerichts vom 24.10.2024 muss die CGC den Verfügungsbeklagten weiter als ihren Geschäftsführer behandeln; auf Widerspruch wurde die Beschlussverfügung durch Urteil aufrechterhalten. Mit Urteilsverfügung vom 06.01.2025 untersagte das Landgericht dem C. sodann die weitere Geschäftsführertätigkeit für die CGC. Auf einer Gesellschafterversammlung der CGC vom 24.04.2025 wurde erneut die Abberufung des Verfügungsbeklagten beschlossen.

 

Mit dem hiesigen, am 25.04.2025 beim Landgericht Berlin II eingegangenen Verfügungsantrag hat die Verfügungsklägerin begehrt, dem Verfügungsbeklagten die weitere Tätigkeit als Geschäftsführer der CGC zu untersagen.

 

Zur Begründung hat die Verfügungsklägerin u.a. geltend gemacht, sie gehe im Wege der actio pro socio, aber auch aus eigenem Recht gegen den Verfügungsbeklagten vor. Dieser sei am 24.04.2025 wirksam abberufen worden. Der wichtige Grund ergebe sich aus verschiedentlichem Fehlverhalten, unter anderem der Verweigerung der Einsichtnahme in die Korrespondenz der CGC mit den Fondsgesellschaften, der Nichtbeantwortung des zweiten Auskunftsverlangens der Verfügungsklägerin, dem Versand von vermeintlich von dem C. freigegebenen Unterlagen zum Jahresabschluss der C. G. C. I GmbH & Co. KG, Pflichtverletzungen mit Blick auf die Wahrung der Interessen der CGC und der systematischen Behinderung des C. durch Sperrung dessen E-Mail Accounts.

 

Der Verfügungsbeklagte hat u.a. geltend gemacht, die Vorwürfe träfen nicht zu bzw. stellten keine zu seiner Abberufung berechtigende Pflichtverletzung dar. Er hat ferner die Aktivlegitimation der Klägerin in Frage gestellt.

 

Mit der angefochtenen Entscheidung vom 22.05.2025 hat die Kammer für Handelssachen den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und ihre Entscheidung darauf gestützt, dass ein Verfügungsanspruch nicht vorliege, weil die Verfügungsklägerin einen wichtigen Grund für die Abberufung des Verfügungsbeklagten nicht glaubhaft gemacht habe. Die Vorwürfe seien nicht ausreichend schwerwiegend. Der Verfügungsbeklagte sei ferner seit vielen Jahren Geschäftsführer der CGC und seine Geschäftsführung sei jahrelang unbeanstandet geblieben. Eine Abberufung des Verfügungsbeklagten würde im Übrigen zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Ferner fehle es auch an einem Verfügungsgrund. Die Verfügungsklägerin habe keine konkrete Gefährdungslage glaubhaft gemacht. Aus der fortdauernden Registerstellung allein ergebe sich ein solcher Verfügungsgrund nicht.

 

Gegen das ihr am 05.06.2025 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Verfügungsklägerin am 07.07.2025 (Montag) Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 16.07.2025 Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 05.09.2025 beantragt. Zur Begründung des Fristverlängerungsgesuchs trug der sachbearbeitende Rechtsanwalt der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin vor, er sei wegen seines anstehenden Jahresurlaubs vom 01.08.2025 bis zum 21.08.2025 sowie fortbestehender und gerade im Vorfeld seines Jahresurlaubs nochmals verschärfter Arbeitsüberlastung nicht in der Lage, die Berufungsbegründung innerhalb unverlängerter Frist anzufertigen. Zugleich machte er geltend, in dem Verfahren 2 U 30/25 sei dem Verfügungsbeklagten ebenfalls eine entsprechende Fristverlängerung gewährt worden. Die Fristverlängerung wurde mit Verfügung vom gleichen Tag bewilligt. Die Berufungsbegründung ging bei Gericht am letzten Tag der Frist, dem 05.09.2025, ein.

 

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr sinngemäß,

 

das Urteil des Landgerichts Berlin II vom 05.06.2025 (Az. 104 O 48/25 eV) wie folgt abzuändern:

 

Dem Verfügungsbeklagten wird unter Androhung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 EUR; Ordnungshaft höchstens zwei Jahre), untersagt, die Geschäfte der C. G. C. GmbH mit Sitz in Berlin, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg HRB 000000 B, zu führen, insbesondere die Gesellschaft im Rechtsverkehr gegenüber Dritten zu vertreten.

 

Der Verfügungsbeklagte hat bislang keinen Antrag gestellt und noch nicht auf die Berufungsbegründung erwidert.

 

II. 1. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen, der u.a. wie folgt lautet:

 

„I. Die nach § 511 Abs. 1 ZPO statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß der §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung ist jedoch in der Sache offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Sie kann gemäß § 513 ZPO nur darauf gestützt werden, dass das angegriffene Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 ZPO durch das Berufungsgericht zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Nach diesem Maßstab hat das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

 

Das Landgericht hat den klägerischen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob - wofür im Hinblick auf die in dem Parallelverfahren bereits ergangene Entscheidung des Senats vom 31.07.2025 (2 U 33/25) alles spricht - das Landgericht zu Recht angenommen hat, dass die Verfügungsklägerin einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Jedenfalls ist mittlerweile das Fortbestehen eines Verfügungsgrundes (§§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO) nicht (mehr) anzunehmen, weil die insoweit erforderliche Eilbedürftigkeit durch die Prozessführung der Verfügungsklägerin in der Berufungsinstanz entfallen ist.

 

1. Es ist grundsätzlich anerkannt, dass einem abberufenen Gesellschafter-Geschäftsführer im Wege der einstweiligen Verfügung Maßnahmen der Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft untersagt werden können. An den erforderlichen Verfügungsgrund sind hierbei strenge Anforderungen zu stellen. Dafür sind ganz gewichtige Umstände zu verlangen (OLG Stuttgart Urteil vom 26.10.2005 – 14 U 50/05, BeckRS 2007, 2304 Rn. 26), das heißt, dass beim Unterbleiben einer einstweiligen Verfügung eine unzumutbare Beeinträchtigung der Gesellschaft, einzelner Gesellschafter sowie der Rechte Dritter droht (vgl. OLG Jena, Urteil vom 21.10.1998 – 4 U 945/98, NZG 1998, 992 (993)); mit anderen Worten dass ohne die beantragte einstweilige Regelung eine konkrete, schwerwiegende Beeinträchtigung der rechtlichen Interessen der Verfügungsklägerin droht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2019 – I-8 U 69/19, NZG 2020, 986 (991) Rn. 97 unter Bezugnahme auf OLG München, Urteil vom 22.10.2009 – 23 U 3430/09 –, juris Rn. 5).

 

2. Daran fehlt es vorliegend aufgrund der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch die Verfügungsklägerin. Ein Verfügungsgrund fehlt wegen Selbstwiderlegung immer dann, wenn der Antragsteller bzw. Verfügungskläger mit seinem Antrag zuwartet oder das eingeleitete Verfahren nicht zügig betreibt. Dringlichkeitsschädliche Auswirkungen auf den Verfügungsgrund entfalten nicht nur Verhaltensweisen vor Antragstellung, sondern auch solche während des bereits anhängigen Verfahrens (vgl. OLG München, Beschluss vom 08.08.2019 – 29 W 940/19, GRUR-RR 2019, 443 (444) Rn. 17), einschließlich des Rechtsmittelverfahrens. Der Antragsteller hat insofern alles in seiner Macht Stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der einstweiligen Verfügung zu erreichen. Von ihm verursachte Verfahrensverzögerungen bei der Erwirkung der einstweiligen Verfügung lassen regelmäßig darauf schließen, dass ihm die Sache nicht so eilig ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 17.02.2025 – 13 U 67/24, GRUR-RS 2025, 3410 Rn. 5 f.; Drescher, in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Auflage (2025), § 935 Rn. 18).

 

Die Grundsätze der Selbstwiderlegung wurden zwar in Ansehung der gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung im Wettbewerbsrecht entwickelt, enthalten aber einen verallgemeinerungsfähigen Ausschlussgedanken hinsichtlich des Verfügungsgrundes, der in anderen Rechtsgebieten ebenfalls Gültigkeit besitzt (KG, Beschluss vom 14.08.2023 – 5 W 117/23, GRUR 2023, 1565 (1566) Rn. 11 mit weiteren Nachweisen; KG, Beschluss vom 16.04.2009 – 8 U 249/08 –, juris Rn. 3).

 

Dringlichkeitsschädlich ist es, wenn das Verfahren nicht zügig betrieben wird. Das ist unter anderem der Fall, wenn der Antragsteller die Berufungsbegründungsfrist nicht unerheblich verlängern lässt und die Verlängerung weitgehend oder vollständig ausnutzt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 17.02.2025 – 13 U 67/24, GRUR-RS 2025, 3410 Rn. 5 f.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.07.2023 – 3 U 889/23 –, juris Rn. 13; KG, Beschluss vom 11.05.2021 – 8 U 1153/20 –, juris Rn. 25; OLG Dresden, Beschluss vom 06.03.2018 – 4 U 1675/17, NJW-RR 2018, 1135 (1136) Rn. 7; OLG München, Urteil vom 30.06.2016 – 6 U 531/16, GRUR-RR 2016, 499 (505) Rn. 79; Drescher, in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Auflage (2025), § 935 Rn. 22; Elzer/Mayer, in BeckOK, ZPO, 57. Edition, Stand 01.07.2025, § 935 Rn. 103a). Zwar darf er die gesetzlichen Fristen für die Einlegung und Begründung der Berufung (§§ 517, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ausschöpfen, ohne dass hierdurch die Eilbedürftigkeit in Frage gestellt wird (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 08.07.2025 – 9 U 443/25 –, juris Rn. 31; OLG Nürnberg, Urteil vom 24.10.2023 – 3 U 965/23 –, juris Rn. 39; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2020 – 14 U 124/19 –, juris Rn. 39). Beantragt er allerdings ohne Vorliegen triftiger Gründe, die Berufungsbegründung um einen mehr als bloß unerheblichen Zeitraum von wenigen Tagen zu verlängern, und nutzt er die gewährte Verlängerung sodann aus, gibt der Antragsteller damit im Allgemeinen zu erkennen, dass es ihm mit der Verfolgung der reklamierten Ansprüche nicht dringlich ist (KG, Beschluss vom 11.05.2021 – 8 U 1153/20 –, juris Rn. 25; OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.09.2014 – I-23 U 7/14 –, juris Rn. 4). Denn die gesetzliche Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO reicht im Regelfall aus, um zu entscheiden, ob und wie die Berufung begründet werden soll (vgl. OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 31), so dass ein Verstoß gegen das grundrechtlich geschützte Recht auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz sowie gegen § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht gegeben ist (KG, Beschluss vom 11.05.2021 – 8 U 1153/20 –, juris Rn. 25).

 

Ein Antragsteller muss sich dabei das Handeln seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Ein Prozessbevollmächtigter hat die Angelegenheit ihrer Dringlichkeit entsprechend zu fördern und ggf. vorrangig zu bearbeiten. Er kann sich mit Blick auf eintretende Verzögerungen nicht auf eine starke berufliche Belastung wegen anderer Mandate oder auf seine urlaubsbedingte Abwesenheit berufen (vgl. OLG München, Beschluss vom 08.08.2019 – 29 W 940/19, GRUR-RR 2019, 443 (444) Rn. 17). Es kann von einem Prozessbevollmächtigten erwartet werden, innerhalb eines Eilverfahrens für Vertretung zu sorgen oder weniger eilbedürftige Sachen zurückzustellen (vgl. OLG Nürnberg Beschluss vom 07.11.2017 – 3 U 1206/17, BeckRS 2017, 153630 Rn. 14).

 

Nach diesen Maßstäben ist ein Verfügungsgrund vorliegend zu verneinen.

 

Die sachbearbeitenden Rechtsanwälte der prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts-GmbH der Verfügungsklägerin haben für sie gegen das ihren Verfügungsantrag zurückweisende ihr am 05.06.2025 zugestellte Urteil des Landgerichts Berlin II am 07.07.2025 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 16.07.2025 Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.09.2025 beantragt, die der Vertreter des Senatsvorsitzenden mit Verfügung vom gleichen Tag bewilligte. Einer der sachbearbeitenden Rechtsanwälte der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin begründete das Fristverlängerungsgesuch mit seinem Jahresurlaub vom 1. bis 21. August 2025 und der fortbestehenden und im Vorfeld des Jahresurlaubs verschärften Arbeitsüberlastung.

 

Am 05.09.2025 - also am letzten Tag der verlängerten Berufungsbegründungsfrist - ging die Berufungsbegründung der Verfügungsklägerin bei Gericht ein.

 

Nachvollziehbare, triftige Gründe, die die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist und ihre vollständige Ausschöpfung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Solche Gründe ergeben sich insbesondere nicht aus Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung oder aus einem besonderen Umfang der Sache. Die Angelegenheit ist auch nicht außergewöhnlich komplex. Das Urteil des Landgerichts ist mit acht Seiten im Übrigen nicht besonders umfangreich. Die Berufungsbegründung hält sich mit weniger als 20 Seiten schließlich auch in einem überschaubaren Umfang

 

Die sachbearbeitenden Rechtsanwälte der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin waren aufgrund von mindestens vier von ihnen geführten einstweiligen Verfügungsverfahren für die Verfügungsklägerin erst- und zweitinstanzlich tätig. Sie waren damit in die Sachverhalte und die damit verbundenen rechtlichen Fragestellungen umfassend eingearbeitet. Die Abfassung der Berufungsbegründung dürfte dementsprechend keine besonderen Schwierigkeiten aufgewiesen haben. Hinzukommt, dass in der Sache für die Verfügungsklägerin gleichzeitig zwei sachbearbeitende Rechtsanwälte der sie vertretenden Rechtsanwaltsgesellschaft tätig waren und schon deswegen eine Aufteilung der Arbeit oder eine wechselseitige Vertretung zur Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist, wenn schon nicht durch Hinzuziehung weiterer Rechtsanwälte der Rechtsanwaltsgesellschaft, nahegelegen hätte.

 

3. Der Senat war auch nicht gehalten bei Gewährung der Fristverlängerung auf die denkbare Möglichkeit einer Selbstwiderlegung durch Erschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist hinzuweisen. Denn im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung ist noch offen, ob und in welchem Umfang die verlängerte Frist ausgeschöpft wird und welche - ggf. nicht dringlichkeitsschädliche - Gründe dafür bestehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.09.2014 – I-23 U 7/14 –, juris Rn. 7). Im Übrigen kann die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zur Dringlichkeitsschädlichkeit bei Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist allgemein als bekannt vorausgesetzt werden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.07.2023 – 3 U 889/23 –, juris Rn. 18).“

 

2. Hieran hält der Senat nach erneuter Beratung fest. Die in der Gegenerklärung (Schriftsätze der Verfügungsklägerin vom 12.09.2025 und vom 16.09.2025) geäußerten Umstände genügen nicht, um das Beantragen und vollständige Ausschöpfen der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat als nicht dringlichkeitsschädlich anzusehen:

 

a) Soweit die Verfügungsklägerin annimmt, aufgrund der durch das Gericht gewährten Fristverlängerung werde zu ihren Gunsten Vertrauen dahingehend geschaffen, das Gericht werde die Fristverlängerung und die Ausschöpfung der Frist nicht als dringlichkeitsschädlich ansehen, geht dies fehl. Dass eine Fristverlängerung für die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß gewährt wurde, steht der Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung nicht entgegen (OLG Celle, Beschluss vom 17.02.2025 – 13 U 67/24, GRUR-RS 2025, 3410 Rn. 6). Denn dies würde verkennen, dass die Bewilligung einer Fristverlängerung andere Voraussetzungen als die Annahme einer nicht dringlichkeitsschädlichen zügigen Verfahrensführung hat. Während die erstmalige Fristverlängerung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO an keine hohen Anforderungen - ausreichend sind erhebliche Gründe, etwa die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten - geknüpft ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.05.2017 – VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 (2043) Rn. 12), sind im einstweiligen Rechtsschutz deutlich höhere Anforderungen zu stellen, damit eine vom Antragsteller verursachte Verfahrensverzögerung die Dringlichkeit nicht widerlegt und damit den Verfügungsgrund entfallen lässt.

 

Etwas anderes konnte die Verfügungsklägerin auch nicht aus den Äußerungen des Senats in dem Verfahren 2 U 30/25 schließen. Soweit der Senat dort angemerkt hat, vorbehaltlich der Anhörung der Gegenseite einer erneuten Verlängerung positiv gegenüber zu stehen, hat er diese vorläufige Einschätzung damit begründet, dass die Angelegenheit angesichts der zwischenzeitlichen Entwicklung und seiner Positionierung in den Sachen 2 U 3/25 und 2 U 33/25 jedenfalls nicht mehr gesteigert eilbedürftig erscheint. Eine entsprechende Äußerung des Senats im Zuge der Bewilligung der hier in Rede stehenden Fristverlängerung, die überhaupt zu einem etwaigen Vertrauen der Verfügungsklägerin hätte führen können, hat der Senat nicht abgegeben. Vielmehr hat der Senat dazu keine Äußerung getroffen, sondern lediglich deklaratorisch darauf hingewiesen, dass eine weitere Verlängerung der Zustimmung des Verfügungsbeklagten bedarf (§ 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

 

b) Aus der Gegenerklärung der Verfügungsklägerin sind keine Gründe erkennbar, die besondere Umstände zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist und zur Ausschöpfung der verlängerten Frist begründen könnten. Die Voraussetzungen dafür sind außergewöhnlich hoch (OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.07.2023 – 3 U 889/23, GRUR-RR 2024, 225, (226) Rn. 4).

 

Die Gegenerklärung zeigt nicht auf, dass besondere Umstände im Tatsächlichen gegeben waren. Diese bestehen auch nicht in rechtlicher Hinsicht. Die für die Berufungsbegründung im Wesentlichen relevante Darlegung von Rechtsfragen ist von einem Rechtsanwalt gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Kommentaren oder juristischen Informationssystemen regelmäßig innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist zu leisten, insbesondere bedurfte es hierfür keiner Rücksprache mit der Mandantschaft oder der Einholung ergänzender Informationen (vgl. nur OLG Dresden, Beschluss vom 06.03.2018 – 4 U 1675/17, NJW-RR 2018, 1135 (1136) Rn. 8).

 

Auch die Übrigen von der Verfügungsklägerin aufgezeigten Aspekte reichen für die Annahme des Fortbestehens der Dringlichkeit nicht aus. Schon bei Zustellung des Urteils am 05.06.2025 musste für die Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin vorhersehbar gewesen sein, dass der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist in die typische Urlaubs- bzw. Sommerferienzeit fällt. Innerhalb der bis dahin laufenden zwei Monate wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, diesen vorhersehbaren Umständen und etwaigen zeitlichen Engpässen Rechnung zu tragen (vgl. nur OLG Dresden, Beschluss vom 06.03.2018 – 4 U 1675/17, NJW-RR 2018, 1135 (1136) Rn. 8). Bei der Abwägung, ob ausnahmsweise ein besonderer Grund die Selbstwiderlegung entfallen lässt, ist überdies zu berücksichtigen, dass das einstweilige Verfügungsverfahren durch die abgesenkten Anforderungen an Darlegung und Beweisführung den Rechtsschutz des Verfügungsbeklagten nicht unerheblich einschränkt, was wiederum nur in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit gerechtfertigt ist.

 

c) Für die Dringlichkeitsschädlichkeit bei einer Verlängerung und anschließender Ausschöpfung der Berufungsbegründungsfrist kommt es als Maßstab auch nicht auf eine absolute Verzögerung des Rechtsstreits, sondern allein auf den Beitrag des Antragsstellers dazu an. Der Gesetzgeber hat eine Höchstdauer für die Durchführung einstweiliger Verfügungsverfahren nicht statuiert. Maßgebend ist allein, dass der Antragsteller das Verfahren im eigenen Interesse zügig betreibt und dazu alles in seiner Macht Stehende tut, um einen möglichst baldigen Erlass der einstweiligen Verfügung zu erreichen. Den jeweiligen zeitlichen Maßstab geben neben dem allgemeinen Beschleunigungsgebot u.a. gesetzliche Fristen vor. Aus ihnen ist eine generalisierte Prognose des Gesetzgebers, innerhalb welcher Zeiträume welche Beiträge von Rechtssuchenden zur Förderung eines Rechtsstreits erwartet werden können, abzulesen. Hält ein Antragsteller diese Fristen ein, besteht ein Selbstwiderlegungsrisiko nicht. Schöpft er andererseits - entgegen der gesetzgeberischen Grundwertung - eine verlängerte Frist aus, ohne dass die dafür bestehenden sehr hohen Anforderungen mit Gewissheit erfüllt sind, trägt er das Risiko einer Selbstwiderlegung.

 

d) Auf die Frage, ob ein Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht ist, kommt es vor diesem Hintergrund - wie bereits ausgeführt - nicht an.

 

Der Senat konnte auch vor Ablauf der Stellungnahmefrist am 06.10.2025 in der Sache entscheiden, weil die Verfügungsklägerin auf die Einhaltung der Frist verzichtet hat.

 

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

 

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO.

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